136 Ermanna-echt. N° 20.

der hingehalten und um Geduld gebeten und ihr noch im Mai 1921
geschrieben, sie sei verpflichtet zuzuwarten und gegebenenfalls die
Wagen in natura zurückzunehmen. Auch nach dem Briefe vom 14. Mai 1920
lagen daher die Verhältnisse derart, dass die Klägerin annehmen durfte,
die Beklagte sei mit einem weiteren Zuwarten einverstanden.

7. Was das Quantitativ anbelangt, so hat die Beklagte dadurch auf die
Anwendung des policenmässigen Schätzungsverfahrens verzichtet, dass
sie even. Rückweisung zur Feststellung des Schadens durch Expertise
beantragt. Eine Rückweisung ist jedoch nicht erforderlich, da die
Vorinstanz den Wert der

wagen für das Bundesgericht verbindlich festgesstellt hat.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 22. Dezember 1921 bestätigt.

VII. ERF INDUNGSSCHUTZ

BREVETS D'INVENTION

20. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Februar 1928 i. S. Hess & Cie
gegen Hugenschmidt. Kombinationspatent: Begriffsmerkmale. Umschreibung
des Patentgegenstandes.

A. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin Hess &
CieNichtigerklärung und Löschung eines vom Beklagten am 1. April 1921
erwirkten schweiz. PatentsErflndungsschutz. N° 20. 137

Nr. 88,903 für einen Sohlenstift dadurch gekennzeichnet dass derselbe
einen runden Schaft und eine Spitze mit zweieckförmigem Querschnitt
besitzt und blau angelassen ist , mit Unteranspruch: Sohlenstift
nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass dessen Kopf die Form
eines Kegelstumpfes aufweist. In der Begründung wird geltend gemacht,
es liege weder eine neue, noch überhaupt eine Erfindung vor, da alle
Elemente derselben längst bekannt seien und deren Kombination lediglich
ein Erzeugnis technischer Geschicklichkeit darstelle.

Der Beklagte beantragt Abweisung der Klage, indem er sich im wesentlichen
auf den Standpunkt stellt, das seine Kombination auf einer originellen
Idee beruhe und einen technischen Fortschritt bedeute.

B. Mit Urteil vom 7. Dezember 1922 hat das Amtsgericht Luzern-Stadt die
Klage abgewiesen.

C. Hiegegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag auf
Gutheissung der Klagebegehren.

D. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Klägerin diesen
Antrag erneuert.

Der Vertreter des Beklagten hat auf Ahweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

}. Nach den aktengemässen Feststellungen der Vorinstanz kann keinem
Zweifel unterliegen und es wird dies übrigens vom Beklagten auch nicht
mehr bestritten, dass keines der im Patenanspruch als charakteristisch
hervorgehobenen Merkmale des Schienstiftes (Rundheit des Schaftes,
zweieckförmige Spitze, Kegelstumpfform des Kopfes und Blauglühung) als
solches neu ist, sodass es sich nur fragen kann, ob in dieser Kombination
bekannter Elemente nach der Art ihrer Verbindung und ihres Zusammenwirkens
eine Erfindung liege. Nach der ständigen Rechtsprechung

138 Erfindungssehutz. N° 28.

des Bundesgerichts und allgemein anerkannter Ari-' schauung ist hiefür
erforderlich, dass durch eine solche Kombination bekannter Mittel
ein neues technisches Ergebnis, eine vom bisher Bekannten abweichende
technische Wirkung geschaffen wird, die sich als Verwirklichung eines
sehöpkerisehen Gedankens darstellt. Dieses Erfordernis ist auch dann
erfüllt, wenn ein an sich bereits bekannter Nutzeffekt auf neuem Wege
erreicht wird, dessen Auffindung nicht bloss eine handwerksmässige
Verbesserung des bereits Gegebenen bildet, sondern seiner Natur nach
selbst wiederum einen durch eine originelle Idee bebedingten technischen
Fortschritt bedeutet. Ob dabei das Mass geistiger Tätigkeit ein grösseres
oder geringeres und die Neuerung selbst von weittragender Bedeutung sei
oder nicht, ist unerheblich; denn wie das Bundesgericht wiederholt
ausgesprochen hat, geht es umsoweniger an, an die erfinderische
Neugestaltung hohe Anforderungen zu stellen, als in der Schweiz ein
Gebrauchsmusterschutz nicht besteht.

Die Vorinstanz hat zur Abklärung der in Betracht kommenden technischen
Verhältnisse eine Expertise erhoben und mit deren Durchführung
Ing. E. Wiki und Schuhhändler J. Spieler, beide in Luzern, betraut.
Während der letztere Experte die Frage, ob eine. patentierbare Erfindung
voriiege, mangels genügender Sachkenntnis offen lässt, gelangt Ing. Wiki
auf Grund einlässlicher, von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten
ausgehenden Ausführungen zu einer bestimmten Verneinung derselben, indem
er das Vorhandensein eines schöpferischen Gedankens in Abrede stellt, weil
die Herstellung des im Patentanspruch gekennzeichneten Sohlenstiftes jedem
Fachmann möglich Sei. Stifte dieser Form seien im Handel längst bekannt,
sodass es nur noch des Blauglühens, eines an sich auch längst bekannten
Verfahrens bedürfe. Das Amtsgericht ist diesem Experten insoweit gefolgt,
als es mit ihm der Kom--Erfindungsschutz. N ° 20. 139

bination des Beklagten einen an sich bisher nicht bekannten Nutzeifekt
abspricht; dies insbesondere auch inbezug auf die durch das Blauanlassen
erzielten Vorteile des Rostschutzes und der Härtung des Stiftes.
Dagegen erblickt es eine patentfähige Erfindung in der Anpassung
dieses bei andern Sohlenstiften schon angewendeten Blauanlassens an die
speziellen Bedürfnisse des den Gegenstand des Patents bildenden Stiftes,
da 'sie sich einerseits nur durch Studien und Proben habe bewerkstelligen
lassen und anderseits der Nutzeffekt durch die mit dieser Kombination
bewirkte Vereinigung verschiedener, einander bisher ausschliessender
Vorteile vermehrt werden sei.

Was zunächst diese letztere Schlussfolgerung betrifft, beruht sie
insofern auf einer unrichtigen tatsächlichen Voraussetzung, als nach
den Feststellungen des Experten Wiki die Verbindung der verschiedenen
Elemente bisher nicht ausgeschlossen war. Je nach Bedürfnis wurden
derartige Stifte auch bisher verstärkt durch Anstrich, Messinghülse oder
Blauanlassen. Nach der Natur der Sache liegt es denn auch nahe, dass
verschiedene Hilfsmittel zu demselben Zweck möglichst gutes Zusammenhalten
der zu befestigenden Teile angewendet werden. Weit entfernt, einander
auszuschliessen, unterstützt dabei naturgemäss ein Nutzeffekt den andern
und von der beabsichtigten Verwendungsart des Stiftes wird es abhängen,
inwieweit im Endresultat eine Verstärkung der aus der Zusammenfassung
aller Einzelwirkungen sich ergebenden Gesamtwirkung eintreten soll. Eine
solche Anpassung der Mittel an seine Bedürfnisse hat nun der Beklagte
dadurch vorgenommen, und darin erschöpft sich seine Tätigkeit, dass er
den Grad der Glühung von der Dicke und Festigkeit (Durchlässigkeit)
der Schuhsohlen abhängig machte, um so den zum Vernieten geeigneten
Härte-grad zu erhalten. Durch diesen Vorgang ist zweifelsohne eine
graduelle Steigerung des Gesamtnutzeffekts und damit ein prak--

140 Erfindungsschutz. N° 20.

tisch besseres Resultat erzielt worden, nicht aber, worauf es entscheidend
ankommt, ein von der Summe aller Einzelwirkungen qualitativ verschiedenes,
eigenartiges Ergebnis. Denn der in der ältern Praxis vom Bundesgericht
vertretene Standpunkt, dass schon dann, wenn etwas Neues, mit Nutzen zu
Gebrauchendes vorliege, das bisher von niemandem ausfindig gemacht wurde,
in der Regel der Schluss auf eine erfinderische Tätigkeit gerechtfertigt
sei, ist in der neuem Rechtsprechung längst verlassen worden, da bei
einer solchen Betrachtungsweise das dem Erfindungsbegriff wesentliche
Me ment des schöpferischen Gedankens ausgeschaltet wiirde. Dass die
vom Beklagten geschaffene Änderung nicht auf einer Tätigkeit beruht,
durch die eine bisher nicht gelöste technische Schwierigkeit überwunden
werden musste, ist nach den in ihren Schlussfolgerungen überzeugenden
Ausführungen des Experten Wiki unbedenklich anzunehmen. Das mit der
getroffenen Kombination erreichte Resultat bedeutet 'lediglich eine nach
dem Stand der technischen Kenntnisse und Erfahrungen sich von selbst
ergebende, keiner Problemstellung mehr bedürftige Weiterbildung des
Vorhandenen, da die Möglichkeit und Zweckmässigkeit einer solchen reinen
Summierung bekannter Elemente jedem gelernten Handwerker ohne weiteres
klar werden musste. Die Annahme der Vorinstanz, _ dass dabei Studien und
Proben erforderlich waren, mag zutreffen ; diese gehen aber über eine
mehr oder weniger sorgfältige Ausniitzung bekannter Hilfsmittel nicht
hinaus, wie sie jedem Fachmann zur Verfügung stehen, sodass daher in
dieser Kombination lediglich eine handwerksmässige Verbesserung erblickt
werden kann.

Abgesehen hie-von müsste der Erfindungsschutz dem Patent auch deshalb
versagt werden, weil die vom Beklagten im Prozesse hervorgehobenen
technischen und wirtschaftlichen Vorteile, auf die auch die Vorinstanz
abgestellt hat, in dem für die Neuheit und denErfimitmgsschm N° 21. Mt,

sachlichen Geltungsbereich allein massgebenden Patentanspmeh nicht
enthalten sind. Der Umstand, dass sie in der Patentbeschreibung
erwähnt werden, ist unerheblich, da diese nach ständiger Praxis des
Bundes-gerichts bloss zur Auslegung der Ansprüche, nicht aber zu ihrer
Ergänzung herangezogen werden darf, sodass der Patentanspruch des
Beklagten auch aus diesem formellen Grunde als nicht schutzfähig zu
efldäreu ware.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1. Die Berufung wird begründet erklärt, das Urteil des Amtsgerichts
Luzern-Stadt vom 7. Dezember 1922 aufgehoben und die Klage gutgeheissen.

2. Demgemäss wird das vom Beklagten am 1. April 1921 unter Nr. 88,903
erwirkte SchWeiz. Patent für einen Sohlenstift als nichtig erklärt und das
eidgenössische Amt für geistiges Eigentum angewiesen, dasselbe zu löschen.

21. Arrèt da la Ire Section civile du 5 mars 1923 dans la cause Usiue
de l'Anno-het 3. A. eontre Syndicat de la Banche:-ia de Genève.

Loi fédérale sur les brevets d'invention du 21 juin 1907: Pour qu'il y
ait invention au sens de cette loi (art. 16 ch. 1), il faut, d'une part,
qu'il y ait idée ou pensée créatrices et, d'autre part, que cette idée
ou cette pensée représente un progrès technique réel. Ne saurait donc
donner lieu à brevet la simple découverte d'une propriété nouvelle d'un
appareil connu, lorsque le mode d'utilisation de l'appareil est resté
essentiellement le meine et que Ie résultat obtenu est également connu.

Le 29 juin 1917, l'Usine de l'Avanchet S. A. à Vernier près Genève,
a fait une demande de brevet principal