416 Staatsrecht.

II. POLITISCHES STIMMUND WAI-ILRECHT

DROIT ELECTORAL ET DROIT DE VOTE .

51. Urteil vom 23. November 1923 i. S. Bachmann und Genossen gegen Jost
und Hummel und Regierungsrat von Luzern. Art. 43
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV, 27 luz. KV. Das
Stimmrecht ist grundsätzlich am Ort des zivilrechtlichen Wohnsitzes
auszuüben. Auf-

hebung einer Wahlverhandlung wegen verfassungsund gesetzwidriger
Aufstellung des Stimmregisters.

A. Art. 27 der Luzerner Staatsverfassung bestimmt in den ersten
2 Absätzen : Das politische Stimmrecht für kantonale Wahlen und
Abstimmungen wird ausschliesslich in der Wohngemeinde ausgeübt. Als
Wohngemeinde gilt diejenige Gemeinde, wo der betreffende Bürger in
den letzten drei Monaten vor der fraglichen Wahl oder Abstimmung
seinen ununterbrochenen gesetzlich regulierten Wohnsitz gehabt hat.
Nach Art. 88 Abs. 3 KV sind alle Kantonsbürger und niedergelassenen
Schweizerbürger, welche seit drei Monaten in der Gemeinde ,wohnen und die
Requisite der kantonalen allgemeinen Stimmfähigkeit (Art. 27) besitzen,
in den Gemeindeversammlungen der poiitischen Gemeinde stimmfähig. Die §§
8 und 9 des Gesetzes über wahlen und Abstimmungen vom 31. Dezember 1918,
die auch für Gemeindewahlen gelten, lauten : §8 : Das stimmrecht wird
ausschliesslich in der Wohngemeinde ausgeübt. Als Wohngemeinde gilt
die Gemeinde, wo der Bürger in den }etzten drei Monaten vor der Wahl
oder Abstimmung seinen ununterbrochenen nach Massgabe des Gesetzes über
das Niederlassungswesen regulierten Wohnsitz hatte. § 9 : Der Wohnsitz
befindet sich an dem Orte, wo jemand sich mit der Absicht dauernden
Ver--s sPolitisches Stimmund Wahlrecht. N° 51. 417

bleibens aufhält. Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz
haben. Nicht als Wohnsitz gilt der Ort, an welchem jemand sich bloss zu
besonderen Zwecken (Kur-, Studien-, Erwerbszwecken etc.) auf-hält. v

Am 10. Juni 1923 sollten im Kanton Luzern die Erneuerungswahlen, für die
Gemeindebehörden und beamten stattfinden. In der Gemeinde Knutwil, in der
bei den letzten Wahlen vom Jahre 1919 zum ersten Mal die Kandidaten der
liberalen gegenüber denjenigen der konservativen Partei gewählt worden
waren, suchten die beiden Parteien vor dem Stichtag, 10. März, möglichst
viele ihrer Anhänger auf das Stimmregister zu bringen, so namentlich in
der Weise, dass man Leute von auswärts kommen liess und dafür sorgte, dass
sie vor jenem Tag ihre Schriften einlegten. Der Amtsgehilfe von Sursee
machte in einem Bericht an das kantonale Militär-und Polizeidepartement
vom 12. März darauf aufmerksam, dass in Knutwil seit 1. Januar 1923 141
erwachsene männliche Personen von auswärts kommend ihren Wohnsitz durch
Schriftendeposition reguliert hätten, mit dem Beifiigen, es könne nicht
zweifelhaft sein, dass es sich um Stimmenzuzug handle, der von den beiden
politischen Parteien für die Neuwahl des Gemeinderates inszeniert werden
sei. In einer Zuschrift vom 20. März wies hierauf das Justizdepartement
den Gemeinderat von Knutwil auf diese Verhältnisse hin und ersuchte
ihn im Auftrage des Regierungsrates um einen Bericht und um Mitteilung
darüber, was er zu tun gedenke, um dem Wahlknechtentum in dort, das den
guten Ruf Ihrer Gemeinde, ja sogar des ganzen Kantons schwer gefährdet,
ein rasches Ende zu bereiten . In seiner Antwort vom 27. März vertrat
der Gemeinderat den Standpunkt, es seien die Personen, die seit dem
1. März ihre Schriften eingelegt hatten, an Zahl 99, mit Ausnahme von
8 eingezogenen Mietern und Pächtern, weil es sich dabei um Stimmknechte
handle, nicht ins Stimmregister einzu-

AS 49 1 1928 29

418 staatsrecht-

tragen, und wünschte eine Weisung in diesem Sinne. Das Justizdepartement
antwortete am 4. April, es sei in erster Linie Sache des Gemeinderates,
zu entscheiden, ob jemand ins Stimmregister gehöre, unter Vorbehalt
des Rekursrechtes. Da der Gemeinderat die seit dem 1. März angemeldeten
nicht in das Stimmregister eintrag, wurde gegen ihn beim Regierungsrat
Beschwerde geführt. Dieser beschloss, eine Untersuchung durch eine
dreigliedrige Kommission vornehmen zu lassen. Diese Kommission stellte
kest, dass seit dem 1. Januar auf dem Einwohnerregister von Knutwil
unter Abrechnung der Abmeldungen 125 Neueintragungen, 47 vom 1. Januar
bis 28. Februar; 78 vom 1. bis 10. März, vorgenommen worden seien. Für
die neu eingetragenen stellte sie Formulare mit Fragen über Wohn-und
Anstellungsverhältnisse usw. auf, die aber in der Hauptsache unausgefiillt
blieben. Zu einzelnen der neu eingetragenen wurden Bemerkungen gemacht,
dagegen nahm die Kommission nicht Stellung zu der Frage, ob alle seit
dem 1. März eingetragenen vom Stimmregister zu streichen seien, und
bemerkte weiter, sie finde sich nicht veranlasst, dem Regierungsrat
Vorschläge darüber zu machen, ob und welche Bürger als Wahlknechte zu
erachten und vom Stimmregister abzutragen oder ,nicht aufzutragen seien,
da die Ausweise noch nicht vorliegen und es sich um Ermessensfragen
handle, deren Lösung nur dem Regierungsrat zustehe. Daraufhin'wurde
vom Regierungsrat der Amtsgehilfe von Luzern mit der Aufstellung des
Stimmregisters von Knatij beauftragt. Mit Rücksicht auf die Schwierigkeit
derselben wurden die Wahlen vom Regierungsrat ferner auf den 29. Juli
verschoben. Am 27. Juni wurde das vom Amtsgehilfen von Luzern erstellte
Stimmregister öffentlich aufgelegt, woraufhin Präsident Bachmann und
Gemeindeammann Hodel (von der liberalen Partei) das Gesuch stellten, es
seien 11 Bürger aufund 45 abzutragen. Mit Entscheid vom 5. Juli entsprach
der Amtsgehilfe dem Begehren umPolitisches Stimmund Wahlrecht. N° 51. 419

Auftragung von 6 Bürgern und wies im übrigen die Begehren ab. Was die
Abtragungen betrifft, so hatten such die Gesuchsteller auf den Standpunkt
gestellt, dass die Schriftendepositionen seit dem 1. März zum grössten
Teil zu Stimmzwecken erfolgt seien. Es ist nicht zu bestreiten , sagt
hiezu der Amtsgehilfe, dass diese Auffassung ihre Berechtigung haben
kann, aber es ist auch nicht zu übersehen, dass in der Zeit vom 14. bis
28. Februar auch 23 schritten deponiert wurden, bei denen dies teilweise
zutreffen wird. Wenn man eine solche Frist bestimmen wollte, so müsste
man weiter zurückgehen, vielleicht auf den 2. Februar, als dem üblichen
Termin, wo die Dienstboten wechseln. Gemäss Gesetz wird nun verlangt,
dass bei Gemeindewahlen einer in der Gemeinde, wo er sein Stimmrecht
ausüben Will, einen dreimonatlichen ununterbrochenen gesetzlichen
Wohnsitz haben muss. Wer diese Requisiten erfüllt hat, dem kann sem
Stimmrecht nicht verkürzt werden. Demgemäss wurde bei denen, deren
Abtragung verlangt war, geprüft, ob sie seit dem 10. März in der Gemeinde
wohnten, und das wurde durchwegs bejaht, wobei immerhin bei einzelnen
wegen widersprechender Bescheinigungen eine strafrechtliche Untersuchung
angeregt wurde. Am 17. Juli sandte der Amtsgehilie einen Bericht über
seine Tätigkeit an den Regierungsrat, der folgende Angaben enthält
'. Vom 1. Januar bis 10. März seien in Knutwil 142 Schriften deponiert
worden, und zwar vom 1. bis 31. Januar 5, vom 1. bis 14. Februar 22,
vom 15. bis 28. Februar 20, vom 1. bis 3. März 62, vom 3. bis 10. März
33. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl von Knutwil, 905, sei dies eine
aussergewöhnliche Zahl. Diese Bevölkerungsbewegung sei unstreitig auf
politische Zwecke zurückzuführen ; jede Partei mache Anstrengungen, um
bei den Emeuerungswahlen die Mehrheit zu erlangen. Un_streitig handle
es sich in. Knutwil um ein krasses Wahlknechtentum . Das solle bekämpft
werden. Doch sei dies schwieriger als man glaube, angesichts der

420 Steam-WL

gesetzlichen Vorschriften, wonach auf das Stimmregister jeder aufgetragen
werden müsse, der die Erfordernisse des gesetzlich regulierten Wohnsitzes
erfîille, auch wenn er offensichtlich ein Wahlknecht sei. Es gehe aber
andere Wege, um den Kampf aufzunehmen. In Knutwil sei die Redensart,
dass vor einer Wahl oder Abstimmung und nach einer Jagd am meisten
gelogen werde, dieses Jahr übertroffen worden, derart, dass sich eine
Strafuntersuchung rechtfertige.

Gegen das auf diese Weise festgestellte Stimmregister sind innert der
Rekursfrist 4 Beschwerden erhoben worden : .

1. von Bernhard Hütter und Gottfried Brunner in St. Erhard im Namen der
liberalen Partei von Knutwil, mit den Begehren, es seien 16 Bürger in
das Stimmregister aufund 37 von demselben abzutragen ;

2. von Jakob Bachmann, Gemeinderatspräsident in St. Erhard und Kaspar
Hodel, Gemeindeammann in Knutwil, die die Auftragung von 10 Bürgern,
darunter von 5 der im ersten Rekurs genannten, und die Abtragung von
50 Bürgern, darunter von den meisten der im ersten Rekurs genannten,
und zudem Verschiebung der Wahlen bis in den Winter verlangten ;

3. von Anton Bucher in St. Erhard, der die Auftragung von 10 Bürgern
beantragte ;

4. von Heinrich Hummel unf Theodor Jost in Knutwil (namens der
konservativen Partei), die das Begehren um Abtragung von 26 Bürgern
stellten.

Die gegenseitigen Aufund Abtragungsbegehren wurden damit begründet,
dass die betreffenden die gesetzlichen Erfordernisse iür die Ausübung
des Stimmrechts besässen bezw. nicht besässen ; das Abtragungsbegehren
der liberalen Rekurrenten bezog sich in der Hauptsache auf solche Bürger,
die in der Zeit vom I. bis 10. März ihren Wohnsitz reguliert hatten.

In seinem Entscheide vom 25. Juli legte sich der Regierungsrat zunächst
die grundsätzliche Frage vor,

J-Politisches Stimmund Wahlrecht. N° 51. 421

ob einem Bürger, der seinen rechtlichen und tatsächlichen Wohnsitz gemäss
dem § 8 Abs. 2 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen reguliert hat,
die Stimmberechtigung abgesprochen werden dürfe einzig in Rücksicht
darauf, dass er zu Stimmoder Wahlzweeken in eine Gemeinde eingezogen
ist . Der Regierungsrat, heisst es weiter, habe sich bei der Behandlung
der Stimmrechtsverhältnisse in Knutwil zuerst auf diesen Boden stellen
wollen, welche Stellungnahme sich von der Warte politischer Moral
aus rechtfertigen liesse. Allein gegenüber der rechtlichen Überlegung
halte sie nicht stand. a Denn wer sich in einer Gemeinde einen Wohnsitz
gründet, um an Abstimmungen oder Wahlen teilzunehmen, schafft sioh damit
nur die Voraussetzungen, um seine öffentlichen Rechte und Pflichten
auszuüben. Das Gesetz verlange nun nur, dass jemand 3 Monate vor der
Wahl oder Abstimmung seinen ununterbrochenen, nach den Vorschriften des
Niederlassungsgesetzes regulierten Wohnsitz in einer Gemeinde gehabt habe,
um dort sein Stimmrecht ausüben zu können. Der Zweck sei nach dem Gesetz
gleichgültig; es Wäre auch schwer, diesen festzustellen. Die vom 1. bis
10. März angemeldetenzu streichen, gehe nicht an; dadurch Würden die im
Februar angemeldeten bevorzugt. Vielmehr ist, nachdem die gemäss dem §
8 Abs. 2 l. c. rechtzeitige Deposition der Ausweisschriften in keinem
Falle bestritten und zudem durch den Amtsgehilfen erhoben ist, dass diese
Schrifteneinlegungen durchwegs in diesem Sinne rechtzeitig und richtig
erfolgt sind, zuerst zu untersuchen, ob jeder einzelne Bürger, dessen
Auftragung oder Abtragung verlangt worden sind, am 10. Juni 1923 den
erforderlichen ununterbrochenen dreimonatlichen Wohnsitz in der Gemeinde
Knutwil hatte. Hiefür ist zum voraus zu bemerken, dass vorübergehende
Abwesenheit zu Kur-, Studienoder Erwerbszwecken den Wohnsitz nicht
unterbricht (vgl. § 9 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen vom
31. Dezember 1918), da solche Aufenthalte

422 Staatsreeht.

auch keinen Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes zu begründen vermögen. In
Fällen sodann, wo offenbar ist, dass ein Bürger sich nicht ununterbrochen
in der Gemeinde Knutwil aufgehalten hat, wo also diese Gemeinde nicht
für die Dauer seiner Anwesenheit zum Mittelpunkt seiner persönlichen
und rechtlichen Beziehungen geworden ist, ist ein tatsächliches Wohnen
im Sinne der §§ 8 und 9 l. c. nicht als gegeben zu erachten und sind
deshalb dessen Wohnsitz und Stimmberechtigung in Knutwil zu verneinen,
Weil in diesem Falle nur ein Scheindomizil vorliegt. Demgemäss wurde
in den einzelnen Fällen geprüft, ob der betreffende Bürger während der
3 Monate vor der Wahl ununterbrochen in Knutwil gewohnt habe. Gestützt
auf diese Prüfung verfügte der Regierungsrat die Auftragung von 8,
die Abtragung von 6 Bürgern, im übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen.

Auf Grund des so bereinigten Stimmregisters fand die Wahlverhandlung
am 29. Juli statt. Nach dem Verbal über die Verhandlung nahmen von
335 stimmberechtigten Bürgern 331 an der Wahl teil, wovon 326 gültige
Stimmen abgaben. In allen Wahlen für 3 Mitglieder des Gemeinderates,
einen Ersatzmann desselben, für den Gemeinderatspräsidenten, den
Gemeindeammann, den Waisenvogt, den Verwalter, den _Betreibungsheamten
und seinen Stellvertreter erhielten die Kandidaten der konservativen
Partei die Mehrheit, im Verhältnis von 172 bis 174 gegenüber 150
bis 152'Stimmen. Diese Kandidaten wurden als gewählt erklärt, wobei
immerhin der Präsident des Wahlbureaus, ein Stimmzähler und der Sekretär
bemerkten, dass das Stimmregister nicht anerkannt werde, ebensowenig
die Gewählterklärung der im Verbal genannten Gemeinderatsmitglieder.

Die Wahlen sind am 11. August vom Regierungsrat genehmigt worden. Mit
Beschluss vom gleichen Tage trat dieser auf eine Beschwerde der Mehrheit
des Gemeinderates von Knutwil, von Präsident Bachmann und Gemeindeammann
Hodel, vom 4. August, die die Kassation der Politisches Stimmund
Wahlrecht. N° 51. 423

Wahlverhandlung wegen des mangelhaften Stimmregisters verlangt hatten,
nicht ein, weil den Beschwerdeführern die Legitimation zur Beschwerde
mangle, und weil nicht eine Kassationsbeschwerde im rechtlichen Sinne
vorliege, indem nicht geltend gemacht werde, dass bei der Wahl auf
der Grundlage, Wie sie durch den Stimmrechtse'ntscheid vom 25. Juli
geschaffen war, irgendwelche Rechtsverletzung vorgefallen sei, vielmehr
in Wirklichkeit ein Wiedererwägungsgesuch bezüglich jenes Entscheides
vorliege.

B. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 28. August stellen Jakob Bachmann,
Gemeindepräsident, St. Erhard, Kaspar Hodel, Gemeindeammann, Knutwil,
beide für sich und im Namen der Mehrheit des Gemeinderates von Knutwil,
Bernhard Rütter, St. Erhard, und Gottfried Brunner, daselbst, beim
Bundesgericht die Anträge, es seien, in Gutheissung der Beschwerde,
die Entscheidungen des Regierungsrates von Luzern vom 25. Juli und
11. August aufzuheben, die am 29. Juli stattgefundene Gemeinderats-und
Betreibungsbeamtenwahl in der Gemeinde Knntwil sei zu kassieren und
der Regierungsrat zu verhalten, auf den Winter Neuwahlen anzuordnen,
die sämtlichen in der Zeit vom 1. bis 10 März 1923 neuangemeldeten,
insbesondere sämtliche Bürger, deren Schriften durch alt Gemeindeammann
Brunner deponiert worden sind, seien, mit Ausnahme der Pächter und Mieter,
ab dem Stimmregister abzutragen.

Gleichzeitig ist beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde
eingelangt, die für die Mehrheit des Gemeinderates von Knutwil,
Gemeindepräsident Jakob Bachmann und Gemeindeammann Hodel, eventuell
für die beiden persönlich gegen den Regierungsrat von Luzern erhoben
wird und sich gegen den Beschluss des letztem richtet, auf die von den
beiden Rekurrenten im Namen der Mehrheit des Gemeinderates erhobene
Kassationsheschwerde gegen die Wahlverhandlung von KnutWil vom 29. Juli
nicht einzutreten. In dieser Beschwerde

424 staatsrecht.

wird in erster Linie die Aufhebung des Beschlusses des Regierungsrates vom
11. August beantragt. Sodann werden auch hier die Begehren gestellt, es
seien die vom 1. bis 10. März angemeldeten vom Stimmregister abzutragen,
jedenfalls diejenigen, für welche alt Gemeindeammann Brunner die schritten
depom'erte, und es sei die Gemeinderatsund Betreibungsbeamtenwahl vom
29. Juli zu kassieren.

Die erste Beschwerde stützt sich auf eine behauptete Verletzung der
Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und 43
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV, neben denen in einer später, noch innert der Rekursfrist
eingelangten Eingabe auch Art. 27 KV als verletzt bezeichnet wird; ferner
sind nach der Behauptung der Rekurrenten verletzt die §§ 8, 9 und 39 des
Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen. In tatsächlicher Beziehung wird
darauf hingewiesen, dass vom 1. Januar bis 1. März 1923 in Knntwil 47,
vom 1. bis 10. März 99 Niederlassungsbewilligungen erteilt worden seien,
denen ein Abgang von 14 und 1 entgegenstehe, Während in den entsprechenden
Perioden des Vorjahres der Zuwachs 12 und 1, der Abgang 10 und 2 betragen
habe. Sodann wird behauptet, die grösste Zahl der vor den Wahlen des
Jahres 1923 zuge-

zogenen Niedergelassenen sei nicht in der Absicht. '

dort zu bleiben, nach Knutwil gekommen, sondern lediglich zum Zweck der
Stimmhilie, wofür namentlich darauf verwiesen wird, dass am 3. März
31 und am 10. März 1? Schriften von der nämlichen Person eingereicht
worden seien. Solchen Personen stehe das Stimmrecht nach den genannten
Gesetzesbestimrnungen nicht zu, da die Absicht dauernden VerWeilens
fehle, auf weichen Standpunkt sich der Regierungsrat selber noch in einem
Entscheide vom 6. Januar 1923 i. S. Sigrist gegen Brunner gestellt habe.
Ausser der Gesetzesverletzung liege aber auch eine ungleiche Behandlung
der politischen Parteien vor, indem mehr Konservative zugelassen und mehr
Liberale gestrichen worden seien. Um neuen Missbräuchen zuPolitisches
Stimmund Wahlrecht. N° 51. 425

steuern, müsse nicht nur die Wahl kassiert, sondern auch festgestellt
werden, dass diejenigen, die vom 1. bis 10. März ihre Papiere eingelegt
hätten, nicht stimmberechtigt seien, insbesondere nicht diejenigen,
deren Papiere in der erwähnten Weise deponiert worden seien. Eine
Rechtsverweigerung liege auch darin, dass über das Begehren betreffend
Verschiebung der Wahl gar nicht entschieden werden sei. Zum Schlusse
wird bemerkt, dass auch von Seite der liberalen Partei in gleicher Weise
Hilfskräfte beigezogen worden seien. Allein die andere Partei habe damit
angefangen. ss

Die zweite Beschwerde wird damit begründet, dass es eine
Reehtsverweigerung bedeute, wenn der Mehrheit des Gemeinderates
die Legitimation zur Erhebung einer Kassationsbeschwerde gegen die
Wahlverhandlung abgesprochen werden sei.

C. Der Regierungsrat Von Luzern beantragt Abweisung der beiden
Beschwerden.

Der ersten Beschwerde gegenüber wird zunächst der Vorwurf der Willkür und
Parteilichkeit zurückgewiesen. Beide angefochtenen Entscheide entsprachen
in rechtlicher Beziehung einer konstanten Praxis. So, sei im Jahre 1919,
als zum ersten Mal seit Jahrzehnten bei den Gemeindewahlen die Liberalen
die Mehrheit erhalten hätten, ein konservativer Rekurs abgewiesen worden,
trotzdem verschiedene Unregelmässigkeiten vorgekommen seien. Gerade
dadurch, dass nach den Begehren der Rekurrenten entschieden wiirde,
entstände eine Rechtsungleichheit : Die Liberalen seien es, die zuerst für
eine ausserordentliche Verstärkung von auswärts gesorgt hätten, derart,
dass das Gros der liberalen Neubürger von Knutwil schon Vor dem 1. März
die Schriften deponiert habe. Die unter solchen Umständen einigermassen
begreifliche konservative Gegenaktion erfolgte erst in der Zeit vom 1. bis
10. März 1923. Wenn das Begehren um Verschiebung der Wahl übergangen
worden sei, so handle es sich um ein Versehen. Dass ihm nicht entspro-

426 Staatsreeht.

chen werden sei, habe sich aus dem Entscheide vom 25. Juli ohne weiteres
ergeben. Ohne Rechtsverletzung hätte übrigens die Verhandlung nicht
auf den Winter verschoben werden dürfen. sachlich handle es sich um das
Merkmal der Absicht dauernden Verbleibens im Sinne von § 9 des Gesetzes
über Wahlen und Abstimmungen. Darunter sei nicht nur die Absicht,
das ganze Leben oder doch mehrere Jahre an einem Orte zu verbleiben,
zu verstehen, sonst würden Mieter, Pächter, Angestellte, Arbeiter,
Dienstboten kaum je zur Ausübung ihres Stimmrechts gelangen. Der
Regierungsrat habe denn auch dem in Saisongeschäften angestellten
Hotelpersonal das Stimmrecht in den Gemeinden ihres Aufenthaltes
gewährt. Das erforderliche Mindestmass für die Absicht dauernden
Verbleibens sei aus den verfassungsmässigen Vorschriften über das
Stimmrecht abzuleiten, Art. 43 Abs. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV und § 27 Abs. 1 und 2 und §
88 Abs. 3 KV. Danach genüge es, wenn jemand beabsichtige, mindestens 3
Monate in einer Gemeinde zu verbleiben. Sonst wäre der verfassungsmässige
Grundsatz der Niederlassungsfreiheit verletzt. Es frage sich daher nur,
ob die Neubürger von Knutwil, die vom 1. bis 10. März dort eingezogen,
die Absicht hatten, mindestens 3 Monate in Knutwil zu verbleiben. Das
könne nur nach äusseren Merkmalen entschieden werden. Nun hätten alle,
die auf dem Stimmregister belassen wurden, unter Aufgabe ihres bisherigen
Wuhnsitzes vor dem 10. März in Knutwil einen neuen begründet und durch
Schriftendeposition reguliert, auch hätten sie sich Während der 3
Monate ununterbrochen dort aufgehalten. Danach seien die Beschwerden
betreffend Aufund Abtragung der Neubürger entschieden worden. Der
öffentlichrechtliche Wohnsitz falle nicht mit dem zivilrechtlichen
zusammen. Ersterer könne sehr wohl weiter gefasst werden (BURCKHARDT,
Komm. z. BV S. 372-374). Die von den Beschwerdeführern postulierte
Gesetzesauslegung bedeute eine Umkehrung der Beweislast, indem die
Be-Poli'dsches Stimmund Wahlrecht. N° 51. 427-

gründung des Stimmrechtswohnsitzes zu vermuten sei, wenn ein Bürger
während 3 Monaten vor dem Wahltag seinen ununterbrochenen gesetzlich
regulierten Wohnsitz in der Gemeinde gehabt habe, wie denn auch der
Gemeinderat von Knutwil die Neubürger, die vor dem 1. März einzogen,
ohne weiteres als dort wohnhaft und stimmberechtigt anerkannt habe. Den
seit dem 1. März zugezogenen gegenüber sei die Rechtslage keine andere.
Die Wehnsitzdefinition des § 9 des Gesetzes, die im früheren Gesetz nicht
enthalten gewesen sei, habe nur die Bedeutung, dass damit eine sichere
Grundlage für die Entscheidung von gewissen Stimmrechtsfragen gegeben
werden wollte, worüber bis jetzt Meinungsverschiedenheiten auftraten,
nämlich bei den Fällen der Konkurrenz des gesetzlich regulierten
Wohnsitzes mit dem Ort der Berufsausübung, bei Studienund Kuraufenthalt,
bei Abschluss einer Miete in einer Gemeinde ohne nachfolgende dauernde
Benutzung der Mietwohnung durch einen anderwärts in Stellung befindlichen
Mieter usw. Das ergebe sich aus dem Schlussatz von 59. Deshalb werde
daran festgehalten, dass es rechtlich nicht angängig sei, die in Frage
stehenden Neubürger von Knutwil nach dem Antrag der Beschwerdeführer
vom dortigen Stimmregister zu streichen. Dieselben mögen ausser zu
einem Erwerbszweck wohl auch in der Absicht nach Knutwil gekommen sein,
dort ihre Stimmkraft bei den Gemeindewahlen einer bestimmten Partei
zuzuwenden. Damit hätten sie aber nichts rechtswidriges begangen.
Wie das Stimmrecht als individuelles Recht vom Bürger in dem Sinne
ausgeübt Werden darf, wie es ihm beliebt, so darf er sich auch beliebig
den Ort für die Begründung des Stimmrechtswohnsitzes auswählen. Dass
die erwähnten Personen in diesem' Sinne als Wahlknechte angesehen werden
mögen, sei rechtlich unerheblich. Würde der grundsätzlichen Auffassung
der Beschwerdeführer zugestimmt, so wären, um der Rechtsgleichheit zu
genügen, auch die vom 1. Januar 1923 an in Knutwil zugezogenen

428 Steam-echt.

Neubürger vom Stimmregister zu streichen. Würde dann das Wahlresultat
nach diesen Streichungen nachgeprüft, so würde es sich ergeben, dass auf
Grund des so bereinigten Stimmregisters die konservative Partei über eine
Stimmemnehrheit verfügen würde und es daher materiell nicht gerechtfertigt
Wäre, für Knutwil Neuwahlen anzuordnen. Auch der Regierungsrat sei der
Ansicht, dass politische Erscheinungen, wie sie im laufenden Wahljahre
in Knutwil zu Tage traten, energisch bekämpft'werden sollten. Der Kampf
dürfe aber nur auf dem Boden des Rechts geführt werden.

In der Antwort auf die Beschwerde gegen den Entscheid vom 11. August
betreffend Kassation der Wahiverhandlungvom 29. Juli wird daran
festgehalten, dass eine Behörde zur Wahrung individueller Rechte der
Bürger nicht legitimiert sei ; die Beschwerde hätte übrigens von der Hand
gewiesen werden müssen. Nachdemi nnerhalb der Fn'st für die kantonale
Kassationsbeschwerde eine solche von hiezu legitimierten Bürgern nicht
eingelegt worden sei, könne das Bundesgericht nicht materiell auf
die Frage eintreten, ob die Wahlverhandlung in Knutwil aus Gründen zu
kassieren sei, die' in dieser Verhandlung als solcher liegen. ss

D. Dem Theodor Jost und dem Heinrich Hummel in Knutwil, die bei der
stimmregisterbereinigung ihrerseits einen Rekurs an den Regierungsrat
eingereicht hatten, ist auf ihr Begehren Gelegenheit gegeben worden, sich
zu den beiden staatsrechtlichen Beschwerden zu änssern. Sie beantragen
deren Abweisung, indem sie darzutun versuchen, dass auch ohne die vom
1. Januar oder vom 1. März an zugelassenen Bürger die konservative Partei
die Mehrheit bei den Wahlen gehabt hätte.

E. Dem Rekurs ist durch Verfügung des Präsidenten des Bundesgerichts
aufschiebende Wirkung beigelegt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Der Amtsgehilfe von Luzern und der Regie-

rungsrat sind bei der Aufstellung und Bereinigung des

me: =--Politisches Stimmund Wahlrecht. N° 51. 429.

Stimmregisters von Knutwil für die Gemeindewahlen von 1923 und bei der
Entscheidung der dagegen erhobenen Stimmrechtsrekurse davon ausgegangen,
dass das Stimmrecht allen stimmfähigen Bürgern zuzuerkennen sei,
die während drei Monaten vor dem Wahltag ununterbrochen in Knutwil
wohnten und vorher ihre Niederlassung daselbst polizeilich geordnet
hatten. Da die Voraussetzungen zur Ausübung des Stimmrechte bei Wahlen
und Abstimmungen in kantonalen und Gemeindesachen auf Grund des
Art. 43
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV in der Kantonsveriassung bestimmt sind, Art. 27
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
und 88
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
,
so hat das Bundesgericht nach Art. 180
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
OG selbständig nachzuprüfen,
ob diese Auffassung richtig sei.

2. Art. 43 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV, wonach der niedergelassene Schweizerbiirger an
seinem Wohnsitz alle Rechte der Kantonsbürger und der Gemeindebürger
geniesst, enthält den Grundsatz, dass das Stimmrecht in kantonalen
und nieht bürgerlichen Gemeindesachen, gleichwie in eidgenössischen
Angelegenheiten, nur am Wohnsitz ausgeübt werden darf (vgl. AS 38
I S. 472 ff.). Das Domizil im Sinne dieser Bestimmung ist aber nach
der herrschenden Auffassung in der Regel der zivilrechtliche Wohnsitz
einer Person (vgl. BURCKHARDT, Komm. z. BV 2. Aufl. S. 371 ff.; BLOCK in
Zschr. f. schweiz. Recht N. F. Bd. 23 S. 406 ff. ; SALIS, Bundesrecht III
Nr. 1161, 1193 ff., 1220 und 1221). Das kantonale Recht kann nicht einen
hievon abweichenden Begriff des Stimmorts aufstellen. Zudem steht das
luzemische Recht in dieser Beziehung grundsätzlich auf dem gleichen Boden
wie Art. 43
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV. Die Luzerner Verfassung sieht die Ausübung des politischen
Stirnmrechts für Kantonsbürger und niedergelassene Schweizerbürger
in der Wohngemeinde vor und bezeichnet als solche diejenige, in der
der betreffende Bürger in den letzten drei Monaten vor der Wahl oder
Abstimmung seinen ununterbrochenen gesetzlich regulierten Wohnsitz hatte,
wobei für die gesetzliche Regulierung des Wohnsitzes das Gesetz über
das Niederlassungswesen vom 30. Mai 1894 massgebend ist, während

430 Staatsrecht.

das Erfordernis einer Dauer von 3 Monaten offensichtlich auf
der Vorschrift der Bundesverfassung beruht, dass in kantonalen und
Gemeindeangelegenheiten das Stimmrecht nach einer Niederlassung von drei
Monaten erworben wird, Art. 43 Abs. 5. Der Gebrauch des Wortes Wohnsitz,
das der Rechtsprache angehört und darin eine ganz bestimmte Bedeutung hat,
wäre in der Luzerner Verfassung so wenig als in Art. 43
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV verständlich,
wenn darunter nur das tatsächliche Wohnen verstanden sein sollte. Dass das
nicht der Fall ist, zeigen die Bestimmungen des Gesetzes vom 31. Dezember
1918 über Wahlen und Abstimmungen, wo im Anschluss an die Wiedergabe der
Bestimmung von Art. 27 Abs. 2 der Verfassung g 8 -in § 9 der Wohnsitz
dahin bestimmt wird, dass er sich da befinde, wo jemand sich mit der
Absicht [dauernden Verbleibens aufhält. Damit wollte das Gesetz gewiss
nicht über die Verfassung hinaus oder neben derselben vorheigehen,
sondern sie erläutern, woran der Umstand nichts ändert, dass eine solche
Erläuterung im früheren Gesetze über Wahlen und Abstimmungen fehlte. Der
Regierungsrat wendet ein, mit der neuen Bestimmung hätten nur gewisse
streitige Fälle entschieden werden wollen. Das mag sein. Wenn sie aber
auch andere Fälle entscheidet, die man nicht im Auge hatte, so geht
es nicht an, sie nur für die erstem, nicht aber auch für die letztem
gelten zu lassen. Daraus ergibt sich denn, dass für die Ausübung des
Stimmrechts in einer bestimmten Gemeinde ein dreimonatliches Wohnen
daselbst nicht genügt, dass vielmehr ein subjektives Moment hinzukommen
muss, die Absicht dauernden Verbleibens, die grundsätzlich von Art. 43
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV
für den Stimmort gefordert wird. Dabei kommt es auf die Verumständungen
des Falles an, wann eine solche Absicht anzunehmen ist, und auch ein von
vornherein. zeitlich begrenzter Aufenthalt schliesst nicht ohne weiteres
die Annahme eines Wohnsitzes aus. Immer aber muss das Verbleiben an dem
betreffenden Orte als solches um seiner selbst willenPolitisches Stimmund
Wahlrecht. N° 51. 431

beabsichtigt sein, damit von einem Wohnsitz gesprochen werden kann.

3. Daran ist für den Wohnsitz als Voraussetzung für die Ausübung des
Stimmrechts auch aus allgemeinen Erwägungen festzuhalten : Die Ausübung
der politischen Rechte ist nichts anderes als die Mitwirkung bei den
öffentlichen Angelegenheiten eines Gemeinwesens. Sie setzt grundsätzlich
die Mitgliedschaft, die Zugehörigkeit zu diesem Gemeinwesen voraus. Nach
eidgenössischem und nach Luzerner Recht wird diese Mitgliedschaft in den
öffentlichen Gemeinwesen von Schweizerbürgern durch den Wohnsitz erworben,
von den rein bürgerlichen Angelegenheiten abgesehen. Wer auf solche
Weise einem Gemeinwesen angehört, soll in den Angelegenheiten desselben
mitreden können, wenn er überdies die nötigen persönlichen Eigenschaften
besitzt. Von einer Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen kann aber nur da
die Rede sein, wo neben äussern Beziehungen zu demselben auch der Wille
vorhanden ist, demselben anzugehören, was gewöhnlich dahin umschrieben
wird, dass die Absicht dauernden Verbleihens mit dem Aufenthalt an
einem bestimmten Orte verbunden sein muss. Wer nicht in einer derartigen
Verbindung mit einem Gemeinwesen steht, gehört ihm nicht an und hat keinen
Anspruch darauf, in seinen Angelegenheiten mitzusprechen. Deshalb erklärt
auch g 9 des luzernischen Wahlgesetzes im Hinblick auf die Ausübung des
Stimmrechts ausdrücklich den Aufenthalt zu Kurund Studienzwecken als
ungeeignet für die Begründung des Wohnsitzes. Die Absicht, an einem Orte
sein Stimmrecht auszuüben, kann die Zugehörigkeit zu dem Gemeinwesen nur
begründen, wenn daneben die Absicht dauernden Verweilens besteht, was
dann in der Regel ausgeschlossen ist, wenn es sich nur um die Teilnahme
an e i n e r Abstimmung oder Wahl handelt. Leute, die zu diesem Zwecke
sich an einen bestimmten Ort begeben, sind nicht Glieder des betreffenden
Gemeinwesens, sondern wollen von aussen her in die An-

432 Staatsrecht.

gelegenheiten desselben hineinreden. Das trifft namentlich dann zu, wenn
sie nicht von sich aus, sondern auf Veranlassung Dritter an den Ort sich
begeben, wo sie mitstimmen oder wählen sollen. Da hat man es vollends
nicht mit der Ausübung des Stimmrechts an dem Orte _zu tun, dem diese
Leute als Glieder des Gemeinwesens angehören, sondern es stellen dieselben
ihr Stimmrecht Dritten zu Zwecken zur Verfügung, bei denen sie nach
ihren Beziehungen nicht nfitzuwirken berufen sind. Nicht der Wahlkörper
wird durch solchen Zuzug vergrössert, sondern die Parteien im Gemeinwesen
verschaffen sich auf diese Weise Stimmhilfe von aussen. Die Berufung auf
die Niederlassungsfreiheit ändert hieran nichts. Sie lässt wohl jedem
Bürger die Wahl seines Aufenthaltsortes; aber sie führt keineswegs zu
der Annahme eines von den übrigen Verhältnissen losge-lösten, bloss von
der Niederlassungsbewilligung abhängigen politischen Wohnsitzes. Die
Gemeinde und der Kanton sind nicht Verbände von 'Stimmberechtigten,
sondern Gemeinschaften derjenigen, die ihnen kraft der

von ihnen frei geschaffenen Beziehungen zu denselben--

angehören. Diese Voraussetzung fehlt bei solchen Personen, die sich nur
zum Zwecke der Beteiligung an einer bestimmten Wahl oder Abstimmung an
einen Ort begeben und dort sich während der geforderten Mindestzeit vor
der Wahl oder Abstimmung aufhalten, insbesondere dann, wenn der Zuzug
von dritter Seite veranlasst worden ist.

4. Der Regierungsrat wendet ein, dass seine bisherige Rekurspraxis auf der
Annahme eines rein formalen, lediglich auf das Wohnen in einer Gemeinde
abstellenden politischen Wohnsitzes beruhe. Eine solche Praxis wäre
aber bundesrechtswidrig und auch abgesehen hievon jedenfalls nach dem
Inkrafttreten des neuen kantonalen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen
nicht mehr aufrecht zu erhalten. Das Beispiel, das der Regierungsrat für
eine solche Praxis anführt, beweistPolitisches Stimmund Wahlrecht. N°
,51. 433

übrigens nichts für seine Auffassung. Die Hotelangestellten, die sich
nur während einer Saison in einer Gemeinde aufhalten, gehören dieser
Gemeinde eben, wenn nicht zu einer andern stärkere Beziehungen bestehen,
kraft besonderer, ausserhalb des Zweckes der Teilnahme an den fVahlen
und Abstimmungen liegender Beziehungen an, weshalb sie dann durchaus
richtigerWeise als dort wohnsitzund stimmberechtigt erklärt wurden. Damit
ist also für die Lösung der Frage bei denjenigen, die an einen Ort gezogen
sind, nur um dort das Stimmrecht anszuüben, nichts gewonnen. Solche
Leute, die in Luzern allgemein als Wahlknechte bezeichnet werden, sind
nicht frei zugezogene Bürger einer Gemeinde, die dort des Wohnens und der
Beschäftigung halber sich aufhalten, und es ist ihnen deshalb das Recht,
in den Angelegenheiten dieser Gemeinde mitzureden, auch dann abzuspreehen,
wenn das äussere Erfordernis des ununterbrochenen Wohnens in der Gemeinde
Während einer bestimmten Zeit erfüllt ist. Die Schwierigkeiten des
Beweises für die Absicht dauernden Verbleibens vermögen die Behörden von
der Anwendung dies Satzes nicht zu entbinden. Sie bieten sich überall,
wo die Beurteilung eines Rechtsverhältnisses vom Wohnsitz abhängt,
so im Gerichtsstandsund im Steuerrecht, und bei der Anwendung anderer
Kollisionsnormen im privaten und öffentlichen Recht, wo es auf den
Wohnsitz ankommt. Wie auf diesen Gebieten die Beweissehwierigkeiten
durchwegs überwunden werden, ist dies auch da möglich, wo der Wohnsitz die
Voraussetzung für die Ausübung des Stimmrechts ist. Gerade bei der Art,
wie in Knutwil Stimmhilfe von aussen beigezogen wurde, dürfte es nicht
unüberwindliche Schwierigkeiten bieten, festzustellen, ob man es mit
einer ernsthaften Wohnsitznahme, oder nur mit der Schaffung der äussern
Erfordernisse für die Ausübung des Stimmrechts zu tun habe. Ursprünglich
hatte sich denn auch das Inzernische Justizdepartement auf den Boden A8
49 I _ 1923 so

434 Staatsrecht.

gestellt, dass die Vahlknechte nicht auf das Stimmregister gehören. Und
der Fragebogen, den die zuerst zur Aufstellung des Stimmregisters
von Knutwil beauftragte Kommisson für diejenigen aufstellte, deren
Stimmrecht fraglich sein konnte, beruht auf dem gleichen Gedanken. Denn
es finden sich darin Fragen nach dem Tag der Wohnsitznahme in Knutwil
(neben derjenigen nach dem Tage der Schriftenhinterlegung), nach dem
Antrag zur Einstellung in Knutwil, nach dem vertraglichen Dienstherrn
(neben derjenigen nach dem ständigen Arbeitgeber), nach der Art und Dauer
des Dienstverhältnisses nach dem künftigen Wohnund Arbeitsort (nach den
Wahlen) und nach besonderen Versprechungen, was alles zeigt, dass man
beabsichtigte, den Zweck des Einzugs in Knut-wil mit in Berücksichtigung
zu ziehen. Diese Fragen sind freilich unbeantwOrtet geblieben und der mit
der endlichen Feststellung des Stimmregisteis beauftragte Amtsgehilfe von
Luzern hat sich, wie dann auch der Regierungsrat, auf den Boden gestellt,
es komme auf

diese Verhältnisse nichts an, sondern nur darauf, dass

jemand ununterbrochen während 3 Monaten vor der Wahl in Knutwil wohnte
und vorher seine Niederlassungsverhältnisse polizeilich geordnet
habe. Dabei hat der Amtsgehilfe immerhin zugegeben, es habe die
Auffassung, dass die Wahlknechte vom Stimmregister zu streichen seien,
eine gewisse. Berechtigung, nur müsste man mit den Abtragungen weiter
zurückgehen als bis zum 1. März, wie es der Gemeinderat verfügt hatte.
Und er redet in der Vernehmlassung auf die Rekurse an den Regierungsrat
von krassem Wahlknechtentum, das mit aller Energie bekämpft werden
müsse. Er schlug zu diesem Zwecke eine Strafuntersuchung vor, die
festzustellen hätte, ob dem § 98 des Wahlgesetzes zuwidergehandelt
worden sei, wo u. a. mit Strafe bedroht ist, wer eine Wahlstimme kauft
oder verkauft, oder auf die an der Wahlverhandlung teilnehmenden Bürger
durch Drohungen Einfluss auszuüben sucht, und wer unbe-

l --o-.-zz ..... :..-..: --

lPolitisches Stimmund Wahlrecht. N° _51. 435

fugber Weise an einer solchen Wahl oder Verhandlung teilnimmt
oder andern bei der unbefugten Teilnahme in rechtswidriger Weise
behilflich ist. Allein gerade die letztere Bestimmung versagt, wenn die
Administrativbehörden die Wahlknechte als stimmberechtigt erklären,
und die erstere wird schwer zur Anwendung zu bringen sein bei einem
eingelebten Missbrauch. Dass man es mit einem solchen zu tun hat,
gibt auch der Regierungsrat zu. Er hatte'es in der Hand, selber diesen
Missbrauch abzustellen, sobald er Verfassung und Gesetz nach Sinn und
Zweck auslegte, wozu er doch gerade durch die Überlegung hätte geführt
Werden müssen, dass seine Auslegung den Missbrauch des Wahlknechtentums
nicht nur fortbestehen liess, sondern geradezu sanktionierte.

5. Die unrichtige Auffassung des Amtsgehilfen von Luzern und
des Regierungsrates über die Voraussetzungen zur Ausübung des
Stimmrechts hatte zur Folge, dass das Stimmregister von Knutwil,
das der Wahlverhand-lung vom 29. Juli zu Grunde lag, nicht den
verfassungsund gesetzmässigen Wahlkörper der Gemeinde darstellt. Es ist
festgestellt, dass etwa während 2 Monaten vor dem Stichtag, lO. März, eine
unverhältnismässig grosse Anzahl von stimmfähigen Leuten nach Knutwil
gekommen sind und dort ihre Schriften eingelegt haben oder einlegen
liessen. Nicht alle, aber eine grössere Anzahl dieser Personen sind auf
das Stimmregister eingetragen und vom Regierungsrat trotz Anfechtung
darauf belassen werden, ohne dass geprüft Wurde, ob das Erfordernis der
Absicht dauernden Verbleibens gegeben sei, obwohl nicht nur die Zahl
der Anmeldungen, sondern auch die Art, wie sie bewerkstelligt wurden,
vermuten liessen, dass man es bei diesem Zuzug in der Hauptsache um
fremde Stimmhilfe zu tun hatte. Es ist deshalb sicher, dass an der Wahl
vom 29. Juli Personen teilgenommen haben, die nach richtiger Auslegung
von Verfassung und Gesetz nicht hätten stimmen dürfen. Anderseits ist
es auch nicht ausgeschlossen, dass aus der unrichtigen Auslegung

436 Staatsrecht.

heraus einzelnen Bürgern das Stimmrecht versagt wurde, weil man danach
zu grosses Gewicht auf das Erfordernis des ununterbrochenen Wohnens
gelegt zu haben scheint. Wie viele mitgestimmt haben, die nicht
stimm-berechtigt waren und umgekehrt, liesse sich nur durch eine auf
richtiger Grundlage durchgeführte neue Untersuchung über alle Fälle,
in denen das Stimmrecht bestritten war, und durch Aufstellung eines
neuen Stimmregisters feststellen. Keinenfalls ginge es an, was die
Rekurrenten anstrebten und auch vom Bundesgericht verlangen, dass einfach
die zwischen dem 1. und 10. März angemeldeten vom Stimmregister gestrichen
werden. Ebensowenig aber, dass in dieser Beziehung, wie die Rekursgegner
wollen, bis zum 1. Januar 1923 zurückgegangen werde. Vielmehr müsste eine
allgemeine Durchsicht und Bereinigung des Stimmregisters stattfinden.
Eine solche erübrigt sich nun aber aus folgenden Gründen : Nach der ganzen
Sachlage ist es sicher, dass eine nicht unerhebliche Zahl Leute an der
Wahlverhandlung vom 29. Juli teilgenommen haben, die nicht stimmberechtigt
waren. Eine solche Wahlverhandlung gibt nicht den Willen der Gemeinde,
d. h. des nach Verfassung und Gesetz richtig zusammengesetzten Wahlkörpers
getreu wieder und ist deshalb als ungültig zu erklären (vgl. AS 40 I
Nr. 41). Das Wahlergebnis hönnte nur dann aufrecht erhalten werden,
wenn die richtige Zusammensetzung des Wahlkörpers nachgeholt und dann
bestimmt werden könnte, dass trotz der danach möglichen Änderung in den
Stimmenverhältnissen das Schlussergebnis der Wahlen dasselbe geblieben
wäre (vgl. AS 42 I S. 294 und 46 I S. 135 ff.). Das Wahlergebnis
ist die Feststellung des durch den Stimmzettel ausgedrückten Willens
derjenigen, die an der Wahlverhandlung teilgenommen haben; es kann
nicht auf nachträgliche Berechnungen gestützt werden, bei denen davon
ausgegangen wird, dass Leute an der Verhandlung teilnehmen, die davon
hätten ausgeschlossen werden sollen,Politisches Stimmund Wahlrecht. N°
51. 437,

und umgekehrt. Eine Ausnahme ist nur da zulässig, wo mit Sicherheit
festgestellt werden kann, dass das Schlussergebnis auf Grund des
berichtigten Wahlregisters kein anderes gewesen wäre. Schon die
Berichtigung des Wahlregisters begegnet aber hier Schwierigkeiten,
da hintendrein die vor der Wahlverhandlung bestehenden Verhältnisse
viel schwerer festgestellt werden können als damals. Insbesondere
dürfte es nicht leicht sein, alle zugezbgenen, was unerlässlich wäre,
über die Umstände ihres Zuzugs nach Knutwil einzuvernehmen. Wenn es
aber auch gelingen sollte, ein berichtigtes Stimmregister nachträglich
herzustellen, so ist es durchaus unmöglich, mit Sicherheit auszumitteln,
ob das Schlussergebnis der Wahlen sich nicht geändert hätte, wenn die
Wahlverhandlung auf Grund des so berichtigten Stimmregisters vor sich
gegangen wäre. Die Stimmen der Parteien gingen im vorliegenden Falle
nicht weit auseinander. Wie diejenigen gestimmt haben, die nicht hätten
stimmen sollen, ist mit Sicherheit nicht festzustellen. Die Stimmzettel
geben über ihre Herkunft keinen Aufschluss. Das Geheimnis der Stimmabgabe
(vgl. §§ 40,47 ff. des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen) verhindert
es, dass hierüber Nachforschungen angestellt werden. Wohl scheinen die
beiden Parteien zu wissen, wie jeder einzelne bei der Wahlverhandlung
gestimmt hat oder gestimmt hätte. Allein auf ihre Angaben darf schon
mit Rücksicht auf das Stimmgeheimnis von den Behörden nicht abgestellt
werden. Auch dann bliebe übrigens eine gewisse Unsicherheit bestehen. Ein
Wahlergebnis muss aber auf durchaus sicheren Grundlagen beruhen. So
ist es denn unmöglich, hintendrein mit Sicherheit zu bestimmen, welches
das Wahlergebnis gewesen Wäre, wenn die Wahlverhandlung auf Grund eines
richtig erstellten Stimmregisters stattgefunden hätte. Bei dieser Sachlage
bleibt nichts anderes übrig, als die Vornahme einer neuen Wahl, für die
das Stimmregister auf Grund der richtigen Auslegung von Ver-

438 Staatsrecht.

fassung und Gesetz über die Voraussetzungen zur Ausübung des Stimmrechts
neu zu bereinigen ist. Dafür sprechen auch Gründe der Zweckmässigkeit,
indem für eine neue Wahlverhandlung die Wirkung des im Anfang des Jahres
hewerkstelligteu Zuzugs von auswärtiger Stimmhilfe sich nicht mehr fühlbar
machen wird und für neue Wahlmachenschaften die Zeit nicht hinreicht.
sodass auf diese Weise die Gewähr dafür geboten ist, dass die Wahlen in
Knutwil von dem richtigen Wahlkörper vorgenommen werden.

(S. In diesem Sinne und Umfang erscheint die Stimmrechtsbeschwerde der
Rekurrenten als begründet. Der Antrag, dass diejenigen Bürger, die in
der Zeit vom 1. bis 10. März die schritten zum Zweck der Stimmhilfe in
Knntwil deponiert haben, jedenfalls diejenigen, für welche Schriften
von einer dritten Person eingelegt wurden, vom Stimmregister abzutragen
seien, ist nach dieser Erledigung der Beschwerde gegenstandslos. Der
Antrag könnte übrigens nur dahin gutgeheissen werden, dass bezüglich
dieser Personen eine neue Prüfung der

Voraussetzungen für die Ausübung des Stimmrechte)

stattzufinden habe, und es müsste dies, wie der Regierungsrat mit Recht
hervorheht, dahin erweitert werden, dass eine solche Nachprüfung bei allen
Personen, bei denen die Frage der Stiminberechtigung wegen des Zwecks
der Wohnsitznahme in Knutwil zweifelhaft sein kann, vorzunehmen wäre.

7. Da wegen der Mangelhaftigkeit des Stimmregisters die Wahlverhandlung
vom 29. Juli als ungültig zu erklären ist, fällt die am 11. August vom
Regierungsrat vorgenommene Genehmigung des Wahlergebnisses als wirkungslos
dahin, zumal da sie, wie der Regierungsrat selber ausführt, nicht etwa
den Sinn einer Bestätigung des Entscheides über die Beschwerde betreffend
das Stimmregister hatte, sondern sich nur auf die formelle Gültigkeit der
Wahlverhandlung und die richtige Feststellung des Ergebnisses derselben
bezog. Das macht auch die

nPolitisches Stimmund Wahlrecht. N° 51. 439

Beschwerde, die gegen diesen Genehmigungsbeschluss erhoben wurde,
gegenstandslos.

8. Völlig zweckund gegenstandslos ist die Beschwerde darüber, dass der
Regierungsrat über das Begehren um Verschiebung der Wahl nicht förmlich
entschieden habe, was einer weiteren Ausführung nicht bedarf.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Beschwerde gegenüber dem Stimmrechtsentscheid des Regierungsrates
vom 25. Juli 1923 wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, die
Wahlver-handlung vom 29. Juli 1923 als ungültig erklärt und der
Regierungsrat eingeladen, eine neue Wahlverhandlung und im Hinblick
darauf eine Bereinigung des Stimmregisters von Knutwil auf Grund der
richtigen Auslegung von Verfassung und Gesetz über die Voraussetzungen
zur Ausübung des stimmt-echte anzuordnen. ss

HI. DOPPELBESTEUERUNG

DOUBLE IMPOSITION

Vgl. Nr. 49. Voir N° 49.