244 Sanierung _von Hotelunternehmungeu. N? _72.

C. Sanierung von Hateluntornehmungen. ' Assainissamant des entreprisesss
hotelieres._ 72. Entscheid vom 20. Dezember 1922 . i. S. Glarner
Kantonalbank und Sparund Leihkasso stetsng gegen A. Zimmermann und
F. Zahler. 'HPfNV siAl-t. 2 litt. a-:si Das Pfandnachlassverfahren
kann Non demjenigen nicht in Anspruch genommen werden, welcher
aus freien Stücken ein Hotel zu einer Zeit erworben hat, da sich die
Nachkriegswirkungen auf die Hotelindustrie bereits in wesentlich gleicher
Schärfe wie bei der Stellung des Gesuches geltend machten (Erw. 1).
Eine Kollektivgesellschait kann das Pfandnachlassverfahren _ nicht in
Anspruch nehmen, sofern die Gesellschafter aus _ ihrem Privatvermögen
Zahlung zu leisten imstande sind. Hierüber hat die Nachlassbehörde
Feststellungen zu treffen (Erw. 2).

A. 5Die Rekursgegner A. Zimmermann und F. Zahler erwarben das Hotel
und Kurhaus Elm, dessen Ver'sicherungswert ohne Mobiliar 231,000 Fr.,
mit Mobiliar 565,000 Fr. beträgt, im Frühjahr 1921 um 120,000 Fr., das
Mobiliar inbegriffen. Auf dem Hotel einschliesslich Mobiliar lasten eine
Hypothek der Giarner Kantonalbank im Betrage von 85, 000 Fr. und ein
nachgehender Inhaberschuldbrief von 35, 000 Fr. ., welcher der Sparund
Leihkasse Steffisburg zur Versicherung eines kürzlich gekündigten
Darlehens in gleichem Betrage verpfändet ist. Da der Betrieb Verluste
ergab, vermochten die Rekursgegner die Pfandschulden nicht zu verzinsen;

"zudem, häuften sich unversicherte Schulden bis zum _

Betrage von rund 33,000 Fr. an. Am 15. November stellten sie
das Gesuch um Gewährung einer Nachlassstundung und Eröffnung des
Pfandnaehlassveriahrens.

Sanierung von Hoteluntemehmungen, N° 72. 245

B. Durch Beschluss _Vom 23 November hat ihnen das Zivilgericht des
Kantons Glarus eine Nachlassstundung von vier Monaten und die Eröffnung
des Pfandnachlassverfahrens bewilligt.

C. Diesen am. B_O. November zugestellten_ Be-

schluss haben am 9. Dezember die Glarner Kantonal-

bank und am Montag den 11.Dezember die Sparund Leihkasse Steffisburg
an das Bundesgericht weitergezogen, beide mit dem Antrag, es sei
die Eröffnung des Pfandnachlassverfahrens zu verweigern. Die Glarner
Kantonalbank macht geltend, das Pfandnachlassverfahren vermöchte eine
Sanierung nicht herbeizuführen, weil die Ursache' des Riickschlages in
der Betriebsführung zu suchen sei. Die Sparund Leihkasse Steffisburg weist
darauf hin, dass sich einer ihrer Biirgèn, Gottlieb Schwarz, ,anheischig
mache, das Hotel um 132,000 Fr. zu kaufen und die Rekursgegner von
ihren Pfandschulden an Kapital und Zinsen zu entlasten, wodurch sie von
'jeglichem Verlust verschont bliebe.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung.

1. Dass die Rekursgegner das Hotel im Frühjahr 1921 zu einem Preise kaufen
konnten, der weniger als einen Drittel des gesamten Versieherungswertes
{des Kaufsobjektes beträgt und nicht einmal den Versicherungswert des
Mobiliars allein erreicht, lässt sich nur aus dem schlechten Geschäftsgang
des Hotelgewerbes während der Kriegsund Nachla'iegszeit erklären. Gute
Aussichten auf Besserung dieser Verhältnisse bestandendamals ebensowenig
wie heute; insbesondere hatte sich bereits herausgestellt, dass die Krise
nicht etwa, wie während des Krieges vielfach, angenommen Werden war,
mit dessen Beendigung überwunden sein werde, sondern dass sie infolge
gewisser Nachwirkungen des Krieges in kaum verminderter Schärfe weiter
daure. Bei dieser Sachlage schloss der Erwerb des Hotels, sei

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es auch zu einem verhältnismässig niedrigen Preis, ein grosses,
für jedermann erkennbares Risiko in sich, m. a. W. war er eine
Spekulation. Wenn die Rekursgegner heute ihre Pfandschulden nicht
zu verzinsen vermögen, so ist dies nach dem Gesagten nicht etwa auf
nicht voraussehbare Ereignisse zurückzuführen, durch welche sie
überrascht worden wären, sondern auf Umstände, mit denen sie zur
Zeit des Erwerbs des Hotels rechnen mussten. Das Fehlschlagen ihrer
Spekulation kann aber nicht als unverschuldete Zahlungsschwierigkeit
angesehen werden, wie sie Art. 2 litt. & HPfNV'für die Eröffnung des
PiandnachlassVerfahrens voraussetzt. So hat das Bundesgericht bereits
unter der Herrschaft der Hotelschutzverordnuug von 1915 hinsichtlich
der eigentlichen Kriegswirkungen auf das Hotelgewerbe entschieden
(AS 42 III S. 189 f.), und es ist hieran in dem Sinne festzuhalten,
dass das Nachlassverfahren von demjenigen nicht in Anspruch genommen
werden kann, welcher aus freien Stücken ein Hotel zu einer Zeit
erworben hat, da sich die Nachkriegswirkungen bereits in wesentlich
gleicher Schärfe geltend machten, wie es bei Stellung des Gesuches um
Eröffnung des Pfandnachlassverfahrens der Fall. ist, was vorliegend
zutrifft. Der-Berücksichtigung dieses Umstandes steht es nicht entgegen,
dass ihn die Rekurrenten nicht geltend gemacht haben, da es sich dabei
um eine reine Rechtsfrage handelt.

2. Hievon abgesehen könnte der angefochtene Beschluss auch deswegen
nicht bestätigt werden, sondern müsste mindestens eine Rückweisung an die
Vorinstanz zur Beweisergänzung erfolgen, weil nicht festgestellt ist, dass
keiner der Rekursgegner imstande wäre, aus seinem Privatvermögen Zahlung
zu leisten. Wenn sie auch keinerlei Mittel in die Gesellschaftskasse
eingeschossen haben, so kann daraus noch nicht ohne weiteres geschlossen
werden, dass ihnen solche überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Solange
aber die Verzinsung aus dem

· ___.-. -Sanierung von Hoteluntemebmungen. N° 72. E?

Privatvermögen der Gesellschafter möglich ist, kann die Eröffnung des
Pfandnachlassverfahrens wie überhaupt jeglichen Nachlassverfahrens nicht
bewilligt Werden (AS 42 III S. 76 ff, Erw. 3). Dies gilt insbesondere auch
für eine Kollektivgesellschaft, wie sie unter den Rekursgegnern besteht,
weil sich die Wirkungen des Nachlassvertrages einer solchen Gesellschaft
auch auf die Gesellschafter persönlich erstrecken (AS 45 II S. 301).

3. Obwohl die Rekursanträge sich auf die Frage der Eröffnung des
Pfandnachlassverfahrens beschränken, muss ihre Gutheissung auch die
Aufhebung der Nachlassstundung nach sich ziehen, indem sich aus den
Akten nicht mit Sicherheit ergibt, dass die Vorinstanz ohne gleichzeitige
Eröffnung des Pfandnachlassverfahrens eine solche bewilligt haben würde,
gegenteils aus ihrer Erwägung, die Nachlasstundung könne nur in Verbindung
mit der Eröffnung des Pfandnachlassverfahrens zum Ziele führen, auf
das Gegenteil geschlossen werden. kann; zudem müsste mindestens deren
Dauer auf die in Art. 295
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 295 - 1 Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
1    Das Nachlassgericht ernennt einen oder mehrere Sachwalter.
2    Dem Sachwalter stehen insbesondere folgende Aufgaben zu:
a  er entwirft den Nachlassvertrag, sofern dies erforderlich ist;
b  er überwacht die Handlungen des Schuldners;
c  er erfüllt die in den Artikeln 298-302 und 304 bezeichneten Aufgaben;
d  er erstattet auf Anordnung des Nachlassgerichts Zwischenberichte und orientiert die Gläubiger über den Verlauf der Stundung.
3    Das Nachlassgericht kann dem Sachwalter weitere Aufgaben zuweisen.
4    Auf die Geschäftsführung des Sachwalters sind die Artikel 8, 8a, 10, 11, 14, 17-19, 34 und 35 sinngemäss anwendbar.528
SchKG erwähnte Hist herabgesetzt werden.
Indessen bildet der vorliegende Entscheid kein formelles Hindernis für
die Bewilligung einer anfällig nachgesuehten einfachen Nachlasstundung ;
doch wird die Vorinstanz beim Entscheid darüber immerhin die in Erw. 2
hie-vor erwähnten, wie auch die von ihr selbst bereits geäusserten
Bedenken zu berücksichtigen haben.

Demnach erkennt die Schuldbetr.und Konkurskammer :

Die Rekurse werden gutgeheissen, der Entscheid des Zivilgerichts des
Kantons Glarus vom 23. November 1922 aufgehoben und das Gesuch der
Rekursgegnerin um Eröffnung des Pfandnachlassverfahrens und Bewilligung
einer Nachlasstundung abgewiesen.