74. umn dern. Zivilabteilung vom 1a. Dezember 1922 i. S. Bucher
gegen 1. Llsibaoh, 2. Zürich, Allgemeine Unfallund
Hafipflichtversicherungs-A.-G.

Klageanspruch aus Unfallund aus Haftpflichtversicherung (Erw. 1).

Ein Knecht ist aus Dienstvertrag nicht verpflichtet, den Bauer bei
Überwachung und Verteidigung des über den unmittelbaren Bestand von Haus
und Hof hinausgehenden Eigentums zu unterstützen, wenn dies im Vertrag
nicht besonders vereinbart ist. Leistet er dennoch Unterstützung, so
entsteht ein Mandatverhältnis (Erw. 2). .

In Art. 422
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 422 - 1 Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
1    Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
2    Diesen Anspruch hat der Geschäftsführer, wenn er mit der gehörigen Sorgfalt handelte, auch in dem Falle, wo der beabsichtigte Erfolg nicht eintritt.
3    Sind die Verwendungen dem Geschäftsführer nicht zu ersetzen, so hat er das Recht der Wegnahme nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung.
des rev. OR ist durch die Ergänzung, der Geschättsherr
habe dem Geschäftsführer ohne Auftrag auch für den andern Schaden nach
richterlichem Ermessen Ersatz zu leisten , die grundsätzliche Culpahaftung
des Geschäftsherrn im Sinne einer Kausalhaftung erweitert. Gleicherweise
haftet auch der Mandant für den Schaden, den der Mandatar bei Ausführung
eines unentgeltlich, rein altruistisch übernommenen Geschäftes, wie bei
Hülfeleistung in fremder Gefahr, erlitten hat. Art. 402
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 402 - 1 Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.
1    Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.
2    Er haftet dem Beauftragten für den aus dem Auftrage erwachsenen Schaden, soweit er nicht zu beweisen vermag, dass der Schaden ohne sein Verschulden entstanden ist.
OR ist in diesem
Sinne analog Art. 422
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 422 - 1 Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
1    Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
2    Diesen Anspruch hat der Geschäftsführer, wenn er mit der gehörigen Sorgfalt handelte, auch in dem Falle, wo der beabsichtigte Erfolg nicht eintritt.
3    Sind die Verwendungen dem Geschäftsführer nicht zu ersetzen, so hat er das Recht der Wegnahme nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung.
OR gestützt auf Art. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB zu ergänzen (Erw. 3).

Höhe des Schadenersatzes. Billigkeitsgründe (Erw. 4).

A. Am Abend des 22. November 1920 bemerkte der Erstbeklagte, dass in
seinem Walde Holz gestohlen wurde; er weckte den Kläger, der bei ihm
als Melker angestellt war, und veranlasste ihn, ihn in den Wald zu
begleiten, um nach den Dieben zu sehen. Sie trafen darauf drei Männer,
die im Begriffe waren, auf einem Karren Holz wegzuführen, stiessen den
Karren um und versetzten den zwei Burschen, die daneben einhergingen,
einige Schläge, worauf der Dritte der Diebe, die alle unerkannt entkamen,
dem Kläger mit einem Messer ins linke Auge _stach, das sofort ausrann
und später durch ein Kunstauge ersetzt werden musste.

Der Kläger belangte den Erstbeklagten und die Versicherungsgesellschaft
Zürich , bei der dieser sein landwirtschaftliches Personal 'kollektiv
bis zu 4000 Fr.

488 Obligationenrecht. N° 74.

für Invalidität gegen Unfall, sowie sich selbst' gegen die Folgen
der gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen versichert hatte, um
eine Entschädigung vom 15,000 Fr. nebst 5% Zins seit dem Tage des
Schadensereignisses. Die Zweitbeklagte erklärte sich zur Bezahlung von 30%
der Unfallsumme, also von 1200 Fr. nebst den Kosten der Spitalbehandlung
gegen volle Entlastung bereit. Der Kläger weigerte sich, die Unfallsumme
unter dieser Bedingung anzunehmen.

B. Das Amtsgericht Luzern-Land hat die Klage soweit gutgeheissen, dass
es den Erstbeklagten zur Bezahlung von 11,056 Fr. 18 Cts. nebst 5 %
Zins seit dem 18. Mai 1921, und die Zweitbeklagte zur Bezahlung von 1200
Fr. nebst 5% Zins seit dem 10. September 1921 verurteilte, nachdem es
festgestellt, dass die Zweitbeklagte die Spitalkosten bereits bezahlt
habe. Es ging davon aus, dass der Kläger als Knecht verpflichtet gewesen
sei, dem Erstbeklagten bei der Verfolgung der Diebe behülflich zu sein,
dass aber den Erstbeklagten bei dieser Verfolgung ein Verschulden treffe,
indem er es an den_genügenden Schutzmassnahmen für den _Kläger habe
fehlen lassen und daher aus Art. 339
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
OR für den von diesem erlittenen
Schaden hafte und zwar kumulativ neben der Haftung der Zweitbeklagten
aus der Unfallversicherung.

Das Obergericht des Kantons Luzern hat mit Urteil vom 9. Juni die Klage
aus Unfallversicherung ebenfalls gutgeheissen und die Zweitbeklagte
verurteilt, dem Kläger 1200 Fr. nebst 5% Zins seit dem 10. September 1921
zu bezahlen ; die gegen den Erstbeklagten gerichtete Schadenersatzklage
aber hat es abgewiesen, weil diesem bei der Verfolgung der Holzdiebe
keine Verletzung der ihm als Dienstherrn zum Schutze seines Arbeiters
obliegenden Sorgfalt zur Last falle und eine Haftung aus einem andern
Rechtstitel nicht in Betracht komme.

C. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag auf

Obllgatlonenrecht. N° 74. 489

gänzliche Gutheissung seiner Klage, eventuell auf Gutheissung in
der Höhe der vom Amtsgericht LuzernLand zugesprochenen Entschädigung,
eventuell sei die Sache zur Beweisergänzung zwecks näherer Feststellung
des Schadens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auch die Beklagten
haben gegen dieses Urteil die Berufung, eventuell die Anschlussberufung
erklärt, indem sie. beantragen, dem Kläger seien sämtliche Kosten auf-=
zuerlegen, die Zweitbeklagte sei berechtigt zu erklären, sämtliche,
sie allfällig treffenden Kosten des Haftpflichtproszeses von der
Unfallversicherungssumme von 1200 Fr. abzuziehen, und der Kläger sei zu
verhalten, ihr die aus dem Unfallprozess auf sie entfallenden Kosten zu
ersetzen. '

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Mit Recht hat die Vorinstanz dem Kläger gegen die Zweitbeklagte
ein direktes Klagerecht eingeräumt, da ihm gemäss Art. 87
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.
VVG aus der
kollektiven Unfallversicherung ein eigenes Forderungsrecht gegen die
Versicherungsgesellschaft zusteht. Soweit die Klage jedoch über den
Unfallversicherungsanspruch hinausgeht, kann sie sich nicht direkt
gegen die Zweitbeklagte richten; der Kläger hat trotz der zwischen dem
Erstbeklagten und der Zweitbeklagten bestehenden Haftpflichtversicherung,
die kein Vertrag zu seinen Gunsten ist, sondern nur eine Versicherung
gegen den aus der gesetzlichen Haftplicht sich ergebenden eigenen Schaden
des Versicherungsnehmers, ohne dass behauptet wäre, der Kläger habe im
Sinne von Art. 113
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 113 - Wenn ein Dienstherr gegen die Folgen der gesetzlichen Haftpflicht versichert war und der Dienstpflichtige nicht weniger als die Hälfte an die Prämien geleistet hat, so steht der Anspruch aus der Versicherung ausschliesslich dem Dienstpflichtigen zu.
OR wenigstens die Hälfte an die Prämien geleistet,
keinen direkten Forderungsanspruch gegen die Versicherungsgesellschaft.
(Art. 60
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 60 - 1 An dem Ersatzanspruche, der dem Versicherungsnehmer aus der Versicherung gegen die Folgen gesetzlicher Haftpflicht zusteht, besitzt der geschädigte Dritte im Umfange seiner Schadenersatzforderung Pfandrecht. Der Versicherer ist berechtigt, die Ersatzleistung direkt an den geschädigten Dritten auszurichten.
1    An dem Ersatzanspruche, der dem Versicherungsnehmer aus der Versicherung gegen die Folgen gesetzlicher Haftpflicht zusteht, besitzt der geschädigte Dritte im Umfange seiner Schadenersatzforderung Pfandrecht. Der Versicherer ist berechtigt, die Ersatzleistung direkt an den geschädigten Dritten auszurichten.
1bis    Dem geschädigten Dritten oder dessen Rechtsnachfolger steht im Rahmen einer allfällig bestehenden Versicherungsdeckung und unter Vorbehalt der Einwendungen und Einreden, die ihm das Versicherungsunternehmen aufgrund des Gesetzes oder des Vertrags entgegenhalten kann, ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versicherungsunternehmen zu.113
2    Das Versicherungsunternehmen ist für jede Handlung, durch die es den Dritten in seinem Rechte verkürzt, verantwortlich.
3    Der geschädigte Dritte kann in Fällen, in denen eine obligatorische Haftpflichtversicherung besteht, vom haftpflichtigen Versicherten oder von der zuständigen Aufsichtsbehörde die Nennung des Versicherungsunternehmens verlangen. Dieses hat Auskunft zu geben über Art und Umfang des Versicherungsschutzes.114
VVG; OSTERTAG, Anmerkung 7 hierzu und Anmerkungen zu Art. 87
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 339 - 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
1    Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2    Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre.
3    Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3.

VVG).

2. Mag auch mit der Vorinstanz angenommen werden, die enge
Hausgemeinschaft, die beim landwirtschaftlichen Dienstverhältniszwischen
der Familie

490 si " . . Obligatlonenrecht. N74.

des Arbeitgebers und dessen Knecht besteht, bringe es als
selbstverständliche Folge des Dienstvertrages mit sich, dass der Knecht
wie ein Familienglied des Bauern verpflichtet sei, seinem Dienstherrn
zur Abwendung von der Hausgemeinschaft unmittelbar drohender Gefahr
beizustehen, so kann doch der Auffassung nicht zugestimmt werden, dass
ein Knecht ohne be. sondere vertragliche Bestimmung hierüber gehalten
sei, den Bauer bei Überwachung und Verteidigung seines weitem, über
denunmittelbaren Bestand von Haus und ,Hof hinausgehenden Eigentums zu
unterstützen. Wenn daher der Kläger der Aufforderung seines Dienstherm,
ihn bei der Feststellung oder Verfolgung der · Holzdiebe in seinen Wald
zu begleiten, Folge geleistet hat, so hat er damit keine ihm bereits
aus dem Dienstvertrag obliegende Pflicht erfüllt, sondern er hat dadurch
einen besondern, vom Dienstverhältnis unabhängigen Auftrag angenommen,
und es ist damit ein besonderes Mandatverhältnis zwischen ihm und dem
Erstbeklagten entstanden.

3. Die Haftung des Mandanten ist nun in Art. 402
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 402 - 1 Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.
1    Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.
2    Er haftet dem Beauftragten für den aus dem Auftrage erwachsenen Schaden, soweit er nicht zu beweisen vermag, dass der Schaden ohne sein Verschulden entstanden ist.
OR entgegen der
gemeinrechtlichen, allerdings umstrittenen Theorie, welcher der Code
Napoleon in Art. 2000 gefolgt ist, und wonach der Auftraggeber auch für
zufällige Verluste haftet, auf der Grundlage der Culpahaftung geregelt,
immerhin in der Weise, dass er dem Beauftragten für den diesem aus dem
Mandat erwachsenen Schaden nur dann einzustehen hat, wenn er seine
Schuldlosigkeit nicht darzutun vermag. Ein Verschulden kann aber im
vorliegenden Falle dem Erstbeklagten nicht zur Last gelegt werden. Der
Kläger kannte die Gefährlichkeit des Unternehmens ebensogut wie dieser
selbst, und wenn auch der Erstbeklagte beim Zusammentreffen mit den
Dieben gemeinsam mit dem Kläger gleich Gewalt angewendet und dadurch
vielleicht die Gefährlichkeit ihrer Lage erhöht hat, ' so liegt darin
kein Verschulden, da er in

Obllgatlonenrecht. N° 74. 491

berechtigter Selbsthülfe gehandelt hat. Es wäre allerdings denkbar,
dass er z. B. durch einen Schreckschuss die Diebe zur Flucht hätte
bewegen können; allein der Erfolg einer solchen nicht ungefährlichen
Massnahme wäre derart zweifelhaft gewesen, dass dem Erstbeklagten ihre
Unterlassung nicht zum Verschulden angerechnet werden kann. Entgegen
nun dieser reinen Culpahaftung des Mandanten hat das revidierte OR die
Haftung des Geschäftsführers ohne Auftrag in Art. 422 im Sinne einer
Kausalhaftung erweitert, indem es bestitht, dass der Geschäftsherr,
bei dem ja ein Verschulden mangels irgend welcher Beziehungen zum
Geschäftsführer nicht in Betracht kommen kann, nicht nur wie im alten
-OR verpflichtet sei, dem Geschäftsführer die Verwendungen samt Zinsen
zu ersetzen und ihn von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien,
sondern ihm auch f ü r a n d e r n S c h aden nach richterlichem
Ermessen Ersatz zu leiste n . Mit dieser Ergänzung wollte man, wie
der Referent in der Expertenkommission vom 19. Oktober 1908 (Seite 9
des Protokolls) ausführt (entgegen der Annahme OSERS, Kommentar 3 b
zu Art. 422
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 422 - 1 Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
1    Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
2    Diesen Anspruch hat der Geschäftsführer, wenn er mit der gehörigen Sorgfalt handelte, auch in dem Falle, wo der beabsichtigte Erfolg nicht eintritt.
3    Sind die Verwendungen dem Geschäftsführer nicht zu ersetzen, so hat er das Recht der Wegnahme nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung.
OR), eine Erweiterung der Ansprüche des Geschäftsführers
einfügen, die zwar im Widerspruch zu einer gemeinrechtlichen Theorie
stehe, jedoch der Billigkeit entspreche . Aus Billigkeitsgründen ist damit
der Geschäftsführer ohne Auftrag besser gestellt als der Mandatar, da sich
"der Auftraggeber, wie ausgeführt, nach der Fassung des Art. 402 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 402 - 1 Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.
1    Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.
2    Er haftet dem Beauftragten für den aus dem Auftrage erwachsenen Schaden, soweit er nicht zu beweisen vermag, dass der Schaden ohne sein Verschulden entstanden ist.

OR, die aus dem alten OR unverändert ins revidierte OR übernommen worden
ist, durch .den Exculpationsbeweis von der Haftung befreien kann, während
eine solche Befreiung für den Geschäftsherrn ohne Auftrag naturgemäss
nicht in Frage kommt. Die weniger strenge Haftung des Mandanten ist
gerechtfertigt, wo es sich um entgeltliche Mandate handelt; denn wer
ein Geschäft gegen Vergütung übernimmt, übernimmt damit auch

492 Obllgatlonenrecht. N° 74.,

das Risiko, das notwendig mit der Ausführung eines Geschäftes verbunden
ist. Bezieht sich das Mandat jedoch auf ein rein altruistisches
Geschäft, dann verlangt es die Billigkeit mindestens ebensosehr wie
bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, dass der Auftraggeber dessen
Risiko ganz oder teilweise trage. Denn es ist billig, dass niemandem
die Erfüllung einer Pflicht, die er altruistisch und nicht eigenen
Vorteils wegen übernommen hat, nachteilig sei (C. CHR. BURCKHARDT,
Die Revision des Schweiz. OR insi Hinsicht auf das Schadenersatzrecht,
Z. f. schw. R. Bd. 44 S. 409). Wenn daher Art. 402
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 402 - 1 Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.
1    Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien.
2    Er haftet dem Beauftragten für den aus dem Auftrage erwachsenen Schaden, soweit er nicht zu beweisen vermag, dass der Schaden ohne sein Verschulden entstanden ist.
OR eine solche
weitergehende Haftung des Mandanten für zufällige Schadensereignisse bei
rein altruistischen Mandatverhältnissen nicht vorsieht, während doch
Art. 422
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 422 - 1 Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
1    Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
2    Diesen Anspruch hat der Geschäftsführer, wenn er mit der gehörigen Sorgfalt handelte, auch in dem Falle, wo der beabsichtigte Erfolg nicht eintritt.
3    Sind die Verwendungen dem Geschäftsführer nicht zu ersetzen, so hat er das Recht der Wegnahme nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung.
OR eine solche Haftung bei der Geschäftsführung ohne Auftrag
aus Billigkeitsgründen statuiert, so kann es sich um nichts anderes als
um ein Versehen des Gesetzes handeln, das zu korrigieren gemäss Art. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.

ZGB Sache des Richters ist. Danach soll der Mandant dem Beauftragten
ähnlich wie der Geschäftsherr nach Art. 422
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 422 - 1 Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
1    Wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten war, so ist dieser verpflichtet, dem Geschäftsführer alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Masse von den übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien sowie für andern Schaden ihm nach Ermessen des Richters Ersatz zu leisten.
2    Diesen Anspruch hat der Geschäftsführer, wenn er mit der gehörigen Sorgfalt handelte, auch in dem Falle, wo der beabsichtigte Erfolg nicht eintritt.
3    Sind die Verwendungen dem Geschäftsführer nicht zu ersetzen, so hat er das Recht der Wegnahme nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung.
OR nach richterlichem
Egnessen für den Schaden ersatzpflichtig sein, den dieser bei Ausführung
eines unentgeltlich, rein altruistisch übernommenen Mandates, wie bei
Hülfeleistung in Gefahr für Leib und Gut, erlitten hat. (Vergl. C. (lim.
RURCKHARDT, a. a. O. spez. S. 507 /10; vergl. auch die Zusammenstellung
der Anträge und Anregungen zur Revision des OR vom 3. März 1905 zu
Art. 1456, S. 45, wo ein Antrag Burckhardts zur Ergänzung von Art. 400
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 400 - 1 Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist, zu erstatten.
1    Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist, zu erstatten.
2    Gelder, mit deren Ablieferung er sich im Rückstande befindet, hat er zu verzinsen.
OR
(alt) aufgenommen ist, dessen aber in den spätern Berichten und Beratungen
nicht mehr Erwähnung getan wird).. Der Erstbeklagte hat daher den Kläger
für den erlittenen Schaden in billiger Weise zu entschädigen.

4. Bei der Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes ist zunächst von der
Schadensberechnung, wie sie die erste Instanz vorgenommen hat, auszugehen.

Obllgatlonenrecht N° 74. 493

Danach hat der Kläger als Melker normaler Weise einen Wochenlohn
von 20 Fr. neben freier Kost und Wohnung, die mit 5 Fr. auf den Tag
eingesetzt werden, bezogen; sein Jahreseinkommen betrug danach vor
dem Schadensereignis 2865 Fr. Es ist sodann der ersten Instanz auch
beizustimmen, wenn sie die Arbeitsunfähigkeit, die der Verlust des linken
. Auges bei der Berufskategorie, der der Kläger angehört, nach sich zieht,
mit 25% der vollen Invalidität annimmt. Der Kläger erleidet daher einen
jährlichen Erwerbsausfall von 716 Fr. 25 Cts. Der Barwert einer diesem
Erwerbsausfall entsprechenden Rente beläuft sich, da der Kläger zur Zeit
des Unfalls im 32. Lebensjahre stand, nach. den Piccardschen Tabellen auf
10,851 Fr. 18 Cts., wozu noch die Kosten der Erneuerung des Kunstauges
kommen, die die erste Instanz mit 200 Fr. eingesetzt hat und damit den
Schaden auf etwas über 11,000 Fr. berechnet. Diese Schadensberechnung
ist nun aber maximal gehalten. Zudem kann dem Erstbeklagten der volle
Ersatz dieses Schadens deshalb nicht überbunden werden, weil er die Gefahr
gemeinsam mit dem Kläger getragen hat und die Haftung bei Hülfeleistung
in einem vernünftigen Verhältnis zum abzuwendenden Schaden stehen muss,
wonach die Haftung billiger Weise weniger weit geht, wenn der Schaden bei
Hülfeleistung zur Verteidigung des Eigentums entstanden ist, als wenn
es sich dabei um die Anwendung einer drohenden Lebensgefahr gehandelt
hätte. Nach Abwägung sämtlicher Verhältnisse scheint ein Schadenersatz
von 3000 Fr. angemessen. Damit wird der Erstbeklagte nicht in einem
seine Vermögensverhältnisse übersteigenden Masse belastet, da er keine
Reduktionsgründe in diesem Sinne geltend gemacht und auch die erste
Instanz keine Bedenken gehabt hat, ihm sogar den Ersatz des ganzen
Schadens aufzuerlegen.

5. Dass neben dieser Haftung des Erstbeklagten die Zweitbeklagte für
die 1200 Fr. aus der Unfallver-

494 .Obllgatloneiuecht. N° 74.

sicherung hafte, ist vor Bundesgericht nicht bestritten. Die Berufung der
beiden Beklagten ficht nur die Überbindung der Kosten an und verlangt die
Feststellung, dass die Zweitbeklagte berechtigt sei, den sie anfällig
betreffenden Kostenanteil von der Unfallversicherungssumme abziehen zu
dürfen. Es mag dabei dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen zur
selbständigen Berufung der Beklagten gegeben sei, da auf deren Berufung in
jedem Fall als Anschlussberufung einzutreten ist. Materiell aber ist ihre
Berufung unbegründet. Die Zweitbeklagte hat die Unfallversicherungssumme
nur gegen volle Entlastung d. h. gegen Verzicht auf jeden weitern
Haftpflichtanspruch des Klägers gegen den Erstbeklagten aushändigen
wollen. Das ging, wie der Ausgang der Haftpflichtklage zeigt, zu
weit, sodass die bezüglichen Prozesskosten als von der Zweitbeklagten
verursacht von ihr zu tragen sind. Ob sodann die Verrechnung der die
Zweitbeklagte treffenden Kosten mit der Unfallversicherungssumme überhaupt
zulässig sei, kann dahingestellt bleiben, da sie nach § 17 der Unfallund
Haftpflichtversicherungspolice nur in Betracht kommt, wenn die neben der
Unfallversicherung geltend gemachten Haftpflichtansprüche abgewiesen
werden, was im vorliegenden Prozess nicht zutrifft.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung der ZWeitbeklagten wird abgewiesen, diejenige des Klägers
teilweise gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern
vom 9. Juni 1922 dahin abgeändert, dass der Erstbeklagte venurteilt wird,
dem Kläger 3000 Fr. nebst dem Zins zu 5°]o seit dem 22. November 1920
zu bezahlen.