194 Familienrecht. N° 29.

29. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Mai 1922
i. S. Hartmann gegen Stfirzinger. Vertragliche Verpflichtung der mehreren"
B ' " _ . erschlafer d Mutter die Niederkunftskosten und Alimentationen
{iiidas Kind zu bezahlen, ist nicht unsittlich. Der Vertrag

ist verbindlich, auch wenn die Vaterschaftskla e a Art. Abs. 2 ZGB
abgewiesen wird. g us 314

..... Es ist daher, (nachdem die Einrede der mehreren Beischläfer
begründet erklärt und die gegen St. erhobene Vatefschaftsklage abgewiesen
wird), zu prüfen ob und inwieweit der Beklagte aus den beiden Ueber;
einkommen vom 7. Januar 1920 zur Zahlung verhalten

werden kann. Dabei' fällt von vorneherein das eine

Übereinkommen ausser Betracht, worin sich der Beklagte gemeinsam mit
Fritschi zur Leistung eines Schweiggeldes von 2500 Fr. verpflichtet
hat. Indem ihn die Klägerin durch gerichtliche Klage als Vater des Kindes

' bezeichnete, hat sie ohne weiteres auf das Schweiggeld verzichtet.

Durch das zweite, am gleichen Tage unterzeichnete Abkommen hat sich
der Beklagte mit Fritschi zur Bezahlung der Niederkunftskosten und
von Alimenten von jährlich 400 Fr. bis zum zurückgelegten zehnten
Lebensjahr des Kindes verpflichtet. Mit Unrecht betrachtet die
Vorinstanz diese Vereinbarung als unsitthohes Rechtsgeschäft. Dass der
Vertrag auf Herbeiführung eines unerlaubten oder sittlich verwerflichen
Zweckes gerichtet sei, könnte nur in Betracht kommen, wenn er vor dem
Geschlechtsverkehr abgeschlossen worden wäre. Das Zahlungsversprechen,
das der Beklagte und Fritschi gegeben haben, zeugt nicht von einer
verwerflichen Gesinnung der Beteiligten. Es verletzt aber auch sonst
nicht des sittliche Gefühl. Die Schwangerschaft der Klägerin ist
auf den Geschlechtsverkehr zurückzuführen, den sie in der kritischen
ZeitFamilienrecht. N° 29. 195

mit den beiden jungen Leuten gehabt hat, sodass es unmöglich ist, die
Vaterschaft des einen oder andern festzustellen. Eine Vaterschaftsklage
war daher nach Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB ausgeschlossen. Haben aber der
Beklagte und Fritschi freiwillig und im Bewusstsein, dass sie eine
gesetzliche Pflicht zur Zahlung von Alimerten richt treffe, der Klägerin
Unterhaltsbeiträge für das Kind versprochen und damit einen Teil des
ökonomischen Schadens übernommen, der ihr aus diesem Verkehr entstanden
ist, so liegt darin nichts, was als unsittlich zu betrachten wäre,
gegenteils haben sie dadurch einer sittlichen Pflicht geringe getan, die
ihnen daraus erwachsen ist, dass sie. die Klägerin durch ihre unerlaubter
Beziehungen ins Unglück gebracht haben. Richtig ist, dass das ZGB,
entgegen seinem ursprünglichen Entwurfe und verschiedenen Stimmen bei
der Beratung und entgegen andern Rechten, z. B. dem österreichischen und
norwegischen (vgl. SILBERNAGEL, Komm. zu Art. 314
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB Ziff. V; EGGER,
Komm. zu Art, 314 ZGB Ziff. 3), der Klägerin einen gesetzlichen Anspruch
auf Alimente unter diesen Umständen nicht gewährt. Daraus darf aber,
wie das Bundesgericht schon im Urteil Müller gegen Karg am 20. Januar
1918 (BGB 44 II Nr. 2) erklärt hat, nicht gefolgert werden, dass die
freiwillige Verpflichtung zu Alimentationen ausgeschlossen sei. Der
Rechtsgrund der Zahlungspflicht, die der Beklagte mit Fritschi übernommen
hat, liegt nicht in der natürlichen Vaterschaft des einen oder andern von
ihnen, sondern in der im Uebereinkommen ausgesprochenen Schuldpflicht,
wozu der Beweggrund, wenigstens auf Seite. des Beklagten, im Bestreben
lag, eine Klage und damit das öffentliche Gerede zu vermeiden.

Anders läge die Sache freilich, wenn richtig wäre, dass der Beklagte,
wie er im Prozesse behauptet hat, bei der Unterzeichnung der Vereinbarung
vom Umgang der Klägerin mit Fritschi in der kritischen Zeit keine Kenntnis
gehabt, und er daher gestützt auf die Angabe der

196 Obllgätlonenrecht. N° 30.

Klägerin, sie habe in dieser Zeit mit niemand anders verkehrt, sich
als Vater des Kindes betrachtet habe. Unter diesen Umständen könnte eine
Anfechtung der Vereinbarung Wegen Irrtums in Frage kommen. Allein es fehlt
nicht nur jeder Beweis für diese Behauptung, sondern es ergibt sich das
Gegenteil aus der Deposition der Mutter des Beklagten, die bezeugt, der
Vater der Klägerin habe ihr mitgeteilt, ihr Sohn und Fritschi hätten mit
seiner Tochter Umgang gehabt, worauf die Zeugin sofort erklärt habe, dann
müssten auch beide zahlen. Sie hat denn auch den Beklagten zur Eingehung
des Abkommens veranlasst und dabei mitgewirkt, sodass ihm die Tatsache
des Umgangs der Klägerin mit Fritschi nicht unbekannt sein konnte.

III . OBLIGATIONENRECHT

DROIT DES OBLIGATIONS

30. Urteil der I. given-einzig vom 21. Februar 1922 i. S. Eäfliger gegen
Volksbank Wollmsen Malters.

B ii r g s c h a f t. Art. 509 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 509 - 1 Durch jedes Erlöschen der Hauptschuld wird der Bürge befreit.
1    Durch jedes Erlöschen der Hauptschuld wird der Bürge befreit.
2    Vereinigen sich aber die Haftung als Hauptschuldner und diejenige aus der Bürgschaft in einer und derselben Person, so bleiben dem Gläubiger die ihm aus der Bürgschaft zustehenden besondern Vorteile gewahrt.
3    Jede Bürgschaft natürlicher Personen fällt nach Ablauf von 20 Jahren nach ihrer Eingehung dahin. Ausgenommen sind die gegenüber der Eidgenossenschaft oder ihren öffentlich-rechtlichen Anstalten oder gegenüber einem Kanton für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, wie Zölle, Steuern u. dgl., und für Frachten eingegangenen Bürgschaften sowie die Amts- und Dienstbürgschaften und die Bürgschaften für periodisch wiederkehrende Leistungen.
4    Während des letzten Jahres dieser Frist kann die Bürgschaft, selbst wenn sie für eine längere Frist eingegangen worden ist, geltend gemacht werden, sofern der Bürge sie nicht vorher verlängert oder durch eine neue Bürgschaft ersetzt hat.
5    Eine Verlängerung kann durch schriftliche Erklärung des Bürgen für höchstens weitere zehn Jahre vorgenommen werden. Diese ist aber nur gültig, wenn sie nicht früher als ein Jahr vor dem Dahinfallen der Bürgschaft abgegeben wird.
6    Wird die Hauptschuld weniger als zwei Jahre vor dem Dahinfallen der Bürgschaft fällig, und konnte der Gläubiger nicht auf einen frühern Zeitpunkt kündigen, so kann der Bürge bei jeder Bürgschaftsart ohne vorherige Inanspruchnahme des Hauptschuldners oder der Pfänder belangt werden. Dem Bürgen steht aber das Rückgriffsrecht auf den Hauptschuldner schon vor der Fälligkeit der Hauptschuld zu.
OR : Verantwortlichkeit des
Gläubigers für Verminderung der Sicherheiten. Die Bestimmung gewährt
dem Bär-gen eine Einrede gegen die Belangung aus der Bürgschaft. Eine
Verminderung liegt auch bei unstatthafter Verwendung der Sicherheiten zur
Deckung anderer, nicht verbiirgter Forderungen gegen den Hauptschuldner
vor. Entstehungsgeschichte des Art. 509

Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 509 - 1 Durch jedes Erlöschen der Hauptschuld wird der Bürge befreit.
1    Durch jedes Erlöschen der Hauptschuld wird der Bürge befreit.
2    Vereinigen sich aber die Haftung als Hauptschuldner und diejenige aus der Bürgschaft in einer und derselben Person, so bleiben dem Gläubiger die ihm aus der Bürgschaft zustehenden besondern Vorteile gewahrt.
3    Jede Bürgschaft natürlicher Personen fällt nach Ablauf von 20 Jahren nach ihrer Eingehung dahin. Ausgenommen sind die gegenüber der Eidgenossenschaft oder ihren öffentlich-rechtlichen Anstalten oder gegenüber einem Kanton für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, wie Zölle, Steuern u. dgl., und für Frachten eingegangenen Bürgschaften sowie die Amts- und Dienstbürgschaften und die Bürgschaften für periodisch wiederkehrende Leistungen.
4    Während des letzten Jahres dieser Frist kann die Bürgschaft, selbst wenn sie für eine längere Frist eingegangen worden ist, geltend gemacht werden, sofern der Bürge sie nicht vorher verlängert oder durch eine neue Bürgschaft ersetzt hat.
5    Eine Verlängerung kann durch schriftliche Erklärung des Bürgen für höchstens weitere zehn Jahre vorgenommen werden. Diese ist aber nur gültig, wenn sie nicht früher als ein Jahr vor dem Dahinfallen der Bürgschaft abgegeben wird.
6    Wird die Hauptschuld weniger als zwei Jahre vor dem Dahinfallen der Bürgschaft fällig, und konnte der Gläubiger nicht auf einen frühern Zeitpunkt kündigen, so kann der Bürge bei jeder Bürgschaftsart ohne vorherige Inanspruchnahme des Hauptschuldners oder der Pfänder belangt werden. Dem Bürgen steht aber das Rückgriffsrecht auf den Hauptschuldner schon vor der Fälligkeit der Hauptschuld zu.
rev. OR.

A. Durch Urteil vom 29. Oktober 1921 hat das ,

Obergericht des Kantons Luzern erkannt: Die Beklagte, Minna Häfliger,
hat der Klägerin, Volksbank W01husen-Malters, zu bezahlen: 6711
Fr.Obligationen-sehn N° 30. 197

nebst Zins zu 0% seit dem 30. September 1920 und 1/3 %

Kommission pro Quarta . B. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die
Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem Begehren, -d1e

Klage sei völlig abzuweisen

Das Bundesgericht Zieht in Erwägung :

1. Siegfried Peyer, Zigarrenfabrikant in Malters, stand mit der Klägerin
im Geschäftsverkehr. Nachdem er ihr am 22. Februar 1915 im Hinblick auf
ein kurz vorher gestelltes Kreditgesuch eine am 16. Februar 1911

auf seiner Liegenschaft Freihof in Malters errichtete

Gült von 2000 Fr. zu Pfand gegeben hatte, suchte er im April 1915 bei
ihr um einen Kredit von 7000 bis 10,000 Frnach. lWegen der hiefür zu
leistenden Sicherheit wandte er sich an die Beklagte und an Frl. Rosa
Jenny in Zug, und hat sie, als Burgen einzustehen. Dem Frl. Rosa
Jenny schrieb er am 23. April, er Würde der Bank für einen Kredit von
10,000 Fr. als Sicherheit seine Lebensversicherungspolize, auf 10,000
Fr. lautend, übergeben, sowie sehnldbrieke im Betrage von zusammen 6000
Fr. auf seiner Liegenschaft, wornach nach seiner Meinung genügend Deckung
vorhanden sei. Am 1. Mai verhandelte er mit der Klägerin und schrieb
ihr am 2. Mai : Habe Ihnen gestern noch vergessen, mitzuteilen, dass
ich für die betreffende Summe, für die Burgen, eine Hinterlage auf Ihrer
Bank deponieren werde. Der Kredit wäre auf Verlangen ganz auszubezahlen,
ebenfalls würde ich die schon hinterlegte Gült zurückziehen. Am 3. Mai
schrieb ihm die Klägerin: Wir bestätigen Ihnen unsere Unterredung vom
1. Mai und besitzen Ihr Geehrte-s von gestern. Mit Gegenwärtigem teilen
wir Ihnen nun höflich mit, dass Wir gewünschten Kredit nur gewähren
können, wenn Sie uns zu den genannten Burgen noch einen uns bekannten
Nachbürgen stellen.

Peyer liess nun in den Tagen vom 1. bis 3. Mai auf seiner Liegenschaft
zum Freihof drei Schuldbriefe von