302 si Staatsrecht.

pas s'opposer à ce qu'un groupe d'électeurs, qu'il eonstitue ou non
un parti politique, fasse figurer son nom sur la liste manuscrite ou
imprimée déposée à la Chancellerie en vue des elections. Il pourrait
tout au plus s'élever contre l'usage fait de son nom si cet usage devait
servir à d'autres fins que celle des elections et si par là il subissait
une atteinte dans ses intéréts personnels (art. 28 CCS) ; mais il lui
appartiendrait alors de porter devant le juge civil la question de l'abus
fait de cet attribut de sa personnalité privée. La Chancellerie d'Etat
n'a aucune competence pour exercer un controle à cet égard (cf. art 47).

Il convient de relever enfin que les recourants ne sont pas
conséquents. Par leur demande admise en novembre 1921, ils akkirmaient
leur dèsir de ne pouvoir etre élus que par les voix des électeurs
appartenant à leur parti et. de ne pas etre portes sur la liste des
partis adverses en coneession (p. 2 du recours). En 1922, les elections
se présentant dans d'autres conditions, ils veulent bien etre portes sur
des listes n'émanant pas de leur parti, mais ils entendent choisir ces
listes à leur gré. Il saute aux yeux que ces prétentions contradictoires
ont simplement pour origine des combinaisons électorales différentes,
mais ne sont point dictées par le souci de protéger les candidate contre
un abus éventuel de leur nom. On comprend donc que le Conseil d'Etat n'ait
pas voulu favoriser 'des pratiques qui portent atteinte à la liberté du
scrutin, laquelle doit demeurer entière. ' '

Le Tribunal fédéral pronome : Le recours est rejeté.

Vgl. auch Nr. 32. Voir aussi n° 32.Ni ederlassungsfreiheit. N° 40. 303

IV. NIEDERLASSUNGSFREIHEITLIBERTÉ D'ÉTABLISSEMEN'l'

40. Urteil vom 7. Juli 1922 i. S. Neuenschwander gegen Bern Regierungsrat.

Art. 43 BBB vom 9. April 1920 betretfend Bekämpfung der
Mietund Wohnungsnot. Aufhebung einer gestützt darauf eriolgten
Niederlassungsverweigerung _ohne Rücksicht auf die Kompetenz des BG,
die Frage des Bestehens einer Wohnungsnot an dem betreffenden Orte als
Voraussetzung der Anwendung der zitierten Vorschriften zu prüfen oder
nicht, wenn sich aus der Begründung der angefochtenen Verfügung selbst
ergibt, dass sie in Wirklichkeit nicht dem in Art. 43 vorgesehenen,
sondern einem andern, durch diese Bestimmung nicht gedeckten
Zwecke dienen soll. Ein solcher unzulässiger Zweck liegt in der
Niederlassungs-verweigerung nicht wegen Mangels an verfügbaren Wohnungen,
sondern um durch Beschränkung der Zuwanderung einen Abbau der zu hohen
Mietzinse herbeizuführen.'

A. Der Rekurrent Neuenschwander betreibt seit Jahren zusammen mit seiner
Ehefrau einen kleinen Handel in Weisswaren ; er bereist zu diesem Zwecke
den Kanton, um Bestellungen auf die teils fertig auf Lager gehaltenen,
teils von seiner Frau noch anzufertigenden Artikel aufzunehmen ; die
direkten Verkäufe im Magazin am Wohnortmachen nach seinen Angaben nur
einen kleinen Teil des ganzen Umsatzes aus. Bis zum Herbst 1921 wohnte
Neuenschwander in Kleindietwil, Amt Aarwangen, dann siedelte er nach
Bümpliz Bern über. Im März 1922 mietete er nach seiner Erklärung, weil
sich die Räume in Bümpliz als für seinen Betrieb ungeeignet und zu teuer
erwiesen hatten eine auf den 1. Mai freiwerdende Wohnung in der Nähe des
Bahnhofs Belp im Hause des Notars Suter und kam beim dortigen Mietamt
um die Einreisebewilligung ein. Das Mietamt

304 . Staatsrecht.

beantragte jedoch unter Berufung auf Art. 68, 69sssider kantonalen
Mieterschutzverordnung vom 14. September 1920 (inhaltlich übereinstimmend
mit Art. 43, 44 des BRB vom 9. April 1920 betr. Bekämpfung der Mietund
Wohnungsnot), dem Regierungsstatthalter, es sei dem Rekurrenten die
Niederlassung in Belp zu verweigern, da eine Notwendigkeit für ihn, sein
Geschäft gerade hier zu betreiben , nicht dargetan sei : das Mietamt,
so heisst es in dem betreffenden Antrage, ist der Ansicht, dass es im
heutigen Momente der scharfen Krise, unter welcher alle Geschäfte leiden,
nicht verantwortet werden könne ein neues Geschäft eröffnen zu lassen,
das die Konkurrenz auf hiesigem Platze noch verschärfen müsste und
zudem der betreffende Geschäftsherr selber nicht sicher ist, ob sich ein
neues Geschäft überhaupt rentieren würde. Da, wie bereits erwähnt, der
Gesuchsteller keinen anderen Erwerb in der Gemeinde Belp nachweisen kann,
ist überhaupt die Rechtfertigung zur Anwesenheit nicht erbracht, welche
als Voraussetzung für die Gewährung der EinreisebeWilligung vorhanden sein
muss. Herr Notar Suter gehe durch die Abweisung diesesEinreisegesuches
eines neuen Mieters nicht verlustig, da in der Gemeinde verschiedene
Anwärter auf das fragliche Logis vorhanden sind, sofern eben Suter einmal
eine Mietzinsreduktion statt immer eine Erhöhung vornehmen würde.

Durch Verfügung vom 29. März 1922 entsprach der Regierungsstatthalter
von Beip-Seftigen dem Antrag des Mietamtes, in dem er in den Motiven
ausführte:

I. Die Gemeinde Belp leidet an Wohnungsnot, hat ein Mietamt eingesetzt
und es können somit die Vorschriften der Weterschutzverordnung vom
14. September 1920 für dieselbe zur Anwendung gebracht werden.

2. Zur Anwendung kommen Art. 68, 69 der zitierten Verordnung. Danach
können unter Wohnungsnot leidende Gemeinden die Niederlassung an
Personen verweigern, welche die Berechtigung ihrer Anwesenheit nicht
hin-·Niederlassungsfreiheit. N° 40. 305

reichend zu begründen vermögenDie Rechtfertigung der Anwesenheit
liegt namentlich in der Ausübung eines Berufes oder Gewerbes. Bei. der
Zuwanderung darf überdies geprüft werden, ob die Tätigkeit gerade in
diesem Gebiete sich rechtfertigt.

3. Wie Neuenschwander sich ausgesprochen hat, betreibt seine Frau ein
Weisswarengeschäft und er reist auf diesem Artikel, (1. h. er sucht die
Ware an auswärtige Kunden zu vertreiben. Er benötige dazu ein geeignetes
Logis in der Nähe einer Station. Daraus kann ohne weiteres geschlossen
werden, dass Neuenschwander nicht

durchaus genötigt ist, in Belp zu wohnen, zu welcher

Gemeinde er bis jetzt keine Beziehungen hatte. Auf jeden Fall muss Bümpliz
mit seinen zwei Bahnhöfen und der Stadtnähe für sein Geschäft ebenso
günstig oder noch günstiger gelegen sein, und kann ihm die Übersiedlung
nach Belp fügiich verweigert werden ohne Einbusse in seinem Erwerb,
wo. nebenbei bemerkt es an solchen Geschäften nicht mangelt.

4. Es ist Tatsache, dass seit Kriegsausbruch einige Hausbesitzer es
verstanden haben, die Mietzinse um mehr als das doppelte zu steigern,
und dass solche viel dazu beigetragen haben, in den Mietverhältrfissen
eine allge-ss meine wesentliche Teuerung herbeizuführen We n n 11
un die Wohnungsnot nicht mehr so empfindlich ist, so kann es weiter
die Aufgabe des Mietamtes sein, an Hand der zum Schutze der Mieter
erlassenen Vorschriften entsprechend dem allgemeinen Preisabbau sich
zur Aufgabe zu machen, auch inbezug auf die hohen Mietzinse einen Abbau
zu bewerkstelligen. Dies kann aber für Belp nur herbeigeführt werden,
wenn der Zu-

ss zug von auswärts, namentlich von Bern, wo die Mietzinse

Wesentlich höher sind, verhindert wird. si Einen dagegen gerichteten
Rekurs Neuenschwanders wies der bernische Regierungsrat am 2. Mai 1922 mit

" der Begründung ab: Bei seinem Entscheide hat der

Regiemngsstatthalter von Seftigen in Betracht gezogen,

306 Staatsrecht. dass der Rekurrent hinsichtlich der Ausübung seines

Berufes nicht an die Gemeinde Belp, die unter Wohnungs

not leidet, gebunden sei. Da es sich um eine Zuwanderung handle, dürfe
demnach die Niederlassung verweigert werden. Der Regierungsrat hält den
erstinstanzlichen Entscheid, auf dessen im allgemeinen zutreffende Motive
er verweist, für richtig und beschliesst .......

B. Gegen den Entscheid des Regierungsrates hat Neuenschwander die
staatsrecht'liche Beschwerde ans Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrage, er sei wegen Verletzung der Verfassungsmässig gewährleisteten
Niederlassungsund Gewerbefreiheit aufzuhehen. Er macht geltend, dass das
Vorliegen genügender Motive für die Niederlassung in Belp mit Grund nicht
verneint werden könne, nachdem er, wie im kantonalen Verfahren dargetan,
seine bisherige Wohnung in Bümpliz als zu teuer

habe aufgeben müssen, um sein Geschäft überhaupt

rentabel betreiben zu können auf die Verlegung an einen billigeren Ort und
wegen seiner Reisen auf die Nähe einer grösseren Bahnstation angewiesen
sei. Nach den schon im Rekurse an den Regierungsrat ges machten Angaben
fiber leerstehende Wohnungen (für

die nunmehr die entsprechenden Zeugnisse vorgelegt -

würden) könne auch davon nicht die Rede sein, dass in Belp heute noch
eine Wohnungsnot bestehen würde,

welche die Anwendung der Bestimmungen der Mieter·

schutzerlasse über die Beschränkung der Freizügigkeit zu rechtfertigen
vermochte. Die Verweigerung der Niederlassung unter Berufung auf jene
Noterlasse enthalte deshalb eine flagrante Verfassungsverletzung .

C. Der Regierungsrat von Bern hat Abweisung der

Beschwerde beantragt und dabei 11. a. zum zweiten

Punkte ausgeführt: In seinem Beschluss vom 2. Mai bezeichnete der
Regierungsrat die Motive des erst-in-

stanzlichen Entscheides im allgemeinen als zutreffend '

und hält an dieser Auffassung auch heute noch fest, soweit jene Motive
vorstehend als sachbezüglich wieder-Niederlassungsfreiheit. N° 40. 307
gegeben worden sind. Was zunächst die Frage der

Wohnungsnot anbelangt, so kann keinem Zweifel unter-V

liegen, dass die Gemeinde Belp die für Anwendung der Vorschriften über die
Freizügigkeitsbeschränkung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Durch
die Behauptung des Rekurrenten, dass die eine oder andere Wohnung in
dieser Gemeinde momentan leerstehe, wird in keiner Weise der Nachweis
erbracht, dass keine Wohnungsnot mehr besteht. Es ist selbstverständlich,
dass in einer grösseren Gemeinde durch Umzug, Neubauten usw. gelegentlich
Wohnungen frei werden, und es ist zum

Teil gerade auch den Einrichtungen für die Bekämpfung

der Wohnungsnot zuzuschreiben, wenn dieser Fall eben eintritt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Die Art. 68, 69 der bernischen Mieterschutzverordnung vom 14. September
1920, auf die sich formell die angefochtene Niederlassungsverweigerung
stützt, decken sich wörtlich mit den Bestimmungen des VI. Abschnittes
des BRB vom 9. April 1920 betr. Bekämpfung der Mietund Wohnungsnot
Beschränkungen der Freizügigkeit infolge Wohnungsnot (Art. 43 ff.,
über deren Rahmen sie denn auch sachlich, weil es sich um einen Eingriff
in die bundesverfassungsrechtlich gewährleistete Niederlassungsfreiheit
handelt, nicht hinausgehen könnten. Andererseits hat der kantonale Erlass
die betreffenden Bestimmungen nicht selbst unmittelbar für das ganze
Kantonsgebiet oder bestimmte Teile desselben als anwendbar erklärt; er
überlässt es in Art. 1 den einzelnen Gemeinden deren Einführung für ihr
Gebiet zu beschliessen, wobei, soweit ersichtlich, eine Genehmigung der
Kantonsbehörde für die Gütigkeit solcher Beschlüsse nicht gefordert wird.

2. Wäre davon auszugehen, dass die Gemeinde Belp noch heute in einem
Masse an Wohnungsnot im Sinne von Art. 43, 44 BBB leidet (bezw. bei
Erlass des ange--

308 Staatsrecht.

fochtenen Entscheides daran litt), welches die Anwendung der in diesen
Vorschriften vorgesehenen Freizügigkeitsbeschränkungen gestattet, so
müsste die vorliegende Beschwerde ohne weiteres abgewiesen werden. Denn
die Begründung, mit welcher das Regierungsstatthalteramt Seftigen den
Nachweis der Notwendigkeit für den Rekurrenten, sich zur Ausübung seines
Gewerbes gerade in Belp niederzulassen (Art. 44 BRB) verneint hat,
kann keinesfalls als willkürlich bezeichnet werden.

Ueber die Frage, inwieweit das Zutreffen jenes anderen präjudiziellen
Erfordernisses vom Bundesgericht bei Gelegenheit eines staatsrechtlichen
Rekurses gegen eine konkrete Niederlassungsverweigerung nachgeprüft werden

kann, hat sich das Gericht in einem neueren Urteile in"

Sachen Strub gegen Baselstadt vom IO. Februar 1922 wie folgt ausgesprochen
:

" Art. 1 und 2 des BBB vom 9. April 1920 ermächtigen die unter Wohnungsnot
leidenden Kantone, nach Massgabe des Bedürfnisses die Bestimmungen
des genannten Beschlusses oder einzelne derselben für das ganze
Kantonsgebiet oder für bestimmte Gemeinden -durch vom eidgen. Justizund
Polizeidepartement zu genehmigende Verordnung der Kantonsregierung
als anwendbar zu erklären, wovon der Kanton Baselstadt hinsichtlich
der Art. 43 bis 47 BRB durch die vom eidg. Justizu. Polizeidepartement
genehmigte Verordnung vom 9. Juli 1920 unbestrittenermassen Gebrauch
gemacht hat. Das Bestehen einer Wohnungsnot in dem betreffenden Gebiete
ist demnach die allgemeine Voraussetzung für die Anwendbarerklärung
der Bestimmungen des BRB in demselben, d. h. für den Erlass einer darauf
gehenden Verordnung und als solche von derjenigen Bundesbehörde zu prüfen,
welche die Verordnung zu genehmigen hat,

dem eidgen. Justizdepartement. Ist diese Genehmigung .

erteilt, so ist damit auch das Zutreffen der Bedingungen für die Ausübung
der Ermächtigung des Art. 1 BBB verbindlich festgestellt, der kantonale
Erlass durch letztereNiederlassungsfreiheit. N° 40. 309

Vorschrift gedeckt und muss so lange seine Wirkungen entfalten, als er
nicht von der verordnenden kantonalen Behörde ganz oder teilweise wieder
ausser Kraft gesetzt worden ist oder die genehmigende eidgen. Instanz
ihre Zustimmung widerrufen hat. Eine seither eingetretene Besserung der
Wohnverhältnisse könnte deshalb auch höchstens zu einer darauf gerichteten
Petition an diese Stellen Anlass geben. Keinesfalls können die Während des

formellen Fortbestehens des Erlasses gestützt auf dessen

Bestimmungen im einzelnen Falle getroffenen Verfügungen wegen
Fehlens jener allgemeinen Voraussetzung angefochten werden, weshalb
auch im vorliegenden Falle auf die Beanstandung der streitigen
Niederlassungsverweigerung, soweit sie mit dem angeblichen Nichtbestehen
einer Wohnungsnot inbezug auf grössere Wohnungen in Basel begründet wird,
nicht einzutreten ist.

Es mag dahingestellt bleiben, ob an dieser Beschränkung der Kognition
auch da festzuhalten sei, wo, wie hier, die Anwendbarerklärung der Art. 43
ff. BRB auf dasGebiet einer bestimmten Gemeinde nicht unmittelbar auf vom
eidgen. Justizdepartement genehmigter Ver-j ordnung . der Kantonsregierung
beruht, sondern die, kantonale Ausführungsverordnung die Beschlussfassung
darüber den einzelnen Gemeinden überlassen hat, ohne dass deren Beschluss
noch der Genehmigung einer eidgen. Instanz unterstünde. Selbst wenn man
der'Ansicht sein wollte, dass ein hinreichender Grund zu verschiedener
Behandlung der beiden Fälle nicht bestehe, muss doch ein Einschreiten
jedenfalls da möglich sein, wo sich aus der Begründung der angefochtenen
Einzelverfügung selbst ergibt, dass sie in Wirklichkeit nicht zu dem in
Art. 43 vorgesehenen Zwecke, d. h. zur Bekämpfung einer Wohnungsnot im
Sinne dieser Vorschrift als hiezu nötige Massregel ergangen ist, sondern
anderen durch den BRB nicht gedeckten Zwecken dienen soll. Eine solche
nur formell auf die Art. 43 ff. BRB gestützte,

310 Staatsrecht.

in Tat und Wahrheit materiell aber ausserhalb dieses Erlasses stehende
Verweigerung der Zuwanderung ver stösst nicht bloss gegen die genannten
Vorschriften,

sondern auch gegen die in Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV gewährleistete

Niederlassungsfreiheit, die nur aus den im hundese rätlichen Noteriass
vorgesehenen Gründen beschränkt werden darf. Mit einem derartigen
Tatbestande hat man es aber hier zu tun.

Zwar kann kein entscheidendes Gewicht darauf gelegt werden, dass
schon der Antrag des Mietamts Belp an den Regierungsstatthalter
sich begnügt auf die Konkurrenz hinzuweisen, welche das Geschäft des
Rekurrenten den bereits ansässigen Gewerbetreibenden bereiten müsste
(ein Gesichtspunkt, der selbst bei effektiv hestehendem Wohnungsmangel
allein nicht ausreichen könnte, um dem Rekurrenten die Niederlassung
zu verweigern, d. h. die Berechtigung seiner Anwesenheit in der
Gemeinde zu verneinen), ohne sich über die Frage, ob überhaupt mit
Rücksicht auf die Lage des Wohnungsmarktes noch ein Grund bestehe an
der Beschränkung der Zuwanderung festzuhalten, irgendwie zu äussern.
Denn der Regierungsstatthalter hat sich jene Argumentation nicht zu
eigen gemacht, sodass sie auch für die Beurteilung der Zulässigkeit
dervon ihm ausgesprochenen Niederlassungsverweigerung unmittelbar nicht
in Betracht fallen kann. Massgebend ist, dass auch nach der Begründung,
die er seinem Erkenntnis beigegeben hat, als Beweggrund und Zweck der
Massnahme ein anderer als der in Art. 43 BBB vorgesehene und allein
zulässige erscheint. ·

Wenn die genannte Vorschrift von Wohnungsnot spricht, so kann damit
nur der Mangel an verfügbaren Wohnungen, ein hinter der Nachfrage
zurückbleibendes Angebot an solchen und die dadurch hervorgerufene Gefahr
der Obdachlosigkeit oder doch ihr nahestehender Unterkunftsverhäitnisse,
welche durch die Möglichkeit freier Zuwanderung aus anderen Orten
verschärft werdenNiederlassungsfreiheit. 'N° 40, 311

müsste, gemeint sein, nicht eine nach Ansicht der Behörden zu hohe
Preislage der Mietzinse am Orte. Dem Einschreiten gegen solche
übertriebene Forderungen der! Vermieter dienen die Bestimmungen des
II. Abschnittes des BBB Abschluss und Kündigung von Mietverträgen und
Mietzinse , wonach der geforderte Mietzins nicht nur, wie früher allein,
bei unter Beobachtung der Kündigungsfrist während des Mietverhältnisses
vorgenommenen Erhöhungen, sondern nunmehr auch beim Neuabschluss von
Mietverträgen auf den angemessenen und sachlich gerechtfertigten Betrag

. herabgesetzt werden kann, falls sich der Vermieter der

Ausbeutung einer bei Eingehung des Vertrages für den Mieter bestehenden
Zwangslage schuldig gemacht hat. Eine künstliche Beeinflussung der Höhe
der Mietzinse in der Weise, dass durch Beschränkung der Zuwanderung
ein Überangebot an Wohnungen und damit ein Preisfall herbeigeführt
werden soll, kann angesichts der schweren Bedenken, unter denen sich
der Bundesrat überhaupt zu dem in Art. 43 ff. liegenden Eingriff in die
Freizügigkeit als einen Fundamentalgrundsatz der verfassungsrecht-lichen
Wirtschaftsordnung entschlossen hat, unmöglich als im Willen dieser
Vorschriften gelegen und als ein durch sie gedeckter Zweck angesehen
werden, wie denn auch die Botschaften sowohl zum früheren Beschluss vom
29. Oktober 1918 als zum heute geltenden ihn aufnehmenden vom 9. April
1920, sich'für die Rechtfertigung des Eingriffs ausschliesslich auf die
Notwendigkeit der auf andere Weise schlechterdings nicht zu verhütenden
Übervölkerung gewisser Ortschaften entgegenzutreten, und mit keinem
Worte etwa auf jenes andere Motiv berufen (BBl 1918 VS. 54 ff.; 1920
III S. 232 ff.).

Im vorliegenden Falle geht aber die _grundliegende, vom Regierungsrat
geschützte Verfügung des Regierungsstatthalters von Seftigen selbst
davon aus, dass ein Wohnungsmangei, der die weitere Anwendung der

312 St aatsrecht.

streitigen Freizügigkeitsbeschränkungen notwendig machen und rechtfertigen
wurde, in der Gemeinde Belp nicht mehr bestehe. Wenn er gleichwohl dem
Verlangen der Gemeindebehörde entsprochen hat, so ist dies lediglich
im Hinblick auf die nach seiner Ansicht bestehende Wünschbarkeit eines
Abbaus der zu hohen Mietzinse in der Gemeinde geschehenss, der ohne
Verhinderung der Zuwanderung von auswärts nicht herbeigeführt werden
könne. Anders lässt sich der Satz in Ziff. 4 der Erwägungen: Wenn nun die
Wohnungsnot nicht mehr so empfindlich ist, so kann es weiter Aufgabe des
Mietamtes sein usw. )z in Verbindung mit den nachfolgenden Ausführungen
nicht verstehen. Es handelt sich dabei nach dem Zusammenhang nicht etwa
nur, wie die Beschwerdeantwort geltend machen will, um ein subsidiäres
Motiv, das neben dem Wohnungsmangel verstärkend für die Berechtigung
des getroffenen Entscheides in Betracht fallen soll, sondern "um den
entscheidenden Grund, aus dem überhaupt der Regierungsstatthalter dazu
gekommen ist, den Antrag der Gemeinde auf Verweigerung der Niederlassung
gutzuheissen, trotzdem er eine ernstliche Wobnungsnot im eigentlichen
Sinne selbst nicht. mehr für vorhanden hielt, und aus dem sich auch
ergibt, wie der Eingangssatz der Erwägungen : Die Gemeinde leidet unter
Wohnungsnot usw. in Wirklichkeit zu verstehen ist. Und es hatte, wie
bereits festgestellt, denn auch die Gemeindebehörde von Belp in ihrem
Gesuche selbst etwas anderes nicht behauptet, sondern es in einer solchen
Weise begründet, welche die Annahme rechtfertigt, dass das Institut der
Niederlassungsverweigerung nach Art. 43 BRB damit einem anderen als dem
wirklichen Zwecke diensthar gemacht werden sollte.

Läuft auch die Verfügung des Regierungsstatthalters

auf dessen Anwendung zu einem solchen unzulässigeu Zwecke hinaus, so
wird aber hieran dadurch nichts geändert, dass der Regierungsrat das
erstinstanzlicheNiederlassungsfreiheit. N° 40. 313

Erkenntnis unter der nach dem Gesagten unrichtigen Annahme, dass es sich
um eine im Rahmen des Art. 43 BRB getroffene und durch diesen gedeckte
Massnahme handle, bestätigt hat. Hierauf beschränkt sich aber nach seinem
Inhalt der angefochtene regierungsrätliche Entscheid. Es werden darin
lediglich die Motive des erstinstanzlichen Erkenntnisses aufgenommen,
nicht etwa jene unrichtige Rechtsauffassung des Regierungsstatthalters
desavouiert, aber ausgeführt, dass aus anderem Grunde, wegen einer
im Gegensatz zu seiner Annahme nach wie vor bestehenden wirklichen
Wohnungsnot, sachlich gleich entschieden werden müsse. Auch die
Beschwerdeantwort enthält eine eigene, positive Feststellung des
Regierungsrates in diesem Sinne nicht, sondern macht lediglich geltend,
dass durch den Hinweis des Rekurrenten auf einzelne leerstehende Wohnungen
der Gegenbeweis nicht als erbracht gelten könne. Ein solcher Gegenbeweis
brauchte aber vom Rekurrenten nicht angetragen und erbracht zu werden,
wenn, wie dargetan, die angefochtene Massnahme selbst nicht auf dem
allein zulässigen Motive der Bekämpfung eines bestehenden Wohnungsmangels,
sondern auf anderen Grün den beruhte.

Demnach erkenni das Bundesgericht :

Die Beschwerde wird gutgeheissen und der ange fochtene Entscheid des
Regierungsrates des Kantons Bern vom 2. _Mai 1922 aufgehoben.