A. sTAATsREGHT _.-. DBOIT PUBLIC

l. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ (RECHTSVERWElGERUNG)ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
DEN! DE JUSTICE)

18. Urteil van-1 10. Februar 1922 i. S. Burgergemeinde Bern gisgen
Bern Verwaltungsgericht. Bestimmung eines kantonalen Steuergesetzes
(Bern), wonach der Steuerpflichtige, der irrtümlicherweise eine ganz oder
teilweise nicht geschuldete Steuer bezahlt hat, den entsprechenden Betrag
zurückfordern kann. Die Auslegung der kantonalen Behörden, dass darunter
nur ein Irrtum bei der Zahlung, nicht die irrtümliche Anerkennung der
Steuerpflicht in der Seibsteinschätzung oder im Veranlagungsverfahren
überhaupt, die zu einem formell rechtskräftigen Veranlagungsak'ce geführt
hat, falle, ist nicht willkürlich und es verstösst diese Beschränkung
der Rückforderungsmöglichkeit auch an sich nicht gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV.

A. Nach dem bernischcn Gesetz betreffend die direkten Staatsund
Gemeindesteuern vom 7. Juli 1918 bestehen die direkten Staatssteuern
aus der Vermögenssteuer und der Einkommenssteuer . Der Vermögenssteuer
unterliegen neben dem im Kanton ge; legenen Grundeigentum die auf
steuerpflichtigem Grundeigentum pfandversicherten verzinslichen Kapitalund
Rentenforderungen (Art. 4), während andere Kapitalien irgendwelcher Art
in Gestalt der Belastung ihres Ertrages durch die Einkommenssteuer II,
Klasse erfasst werden (Art. 19). cc Jeder Steuerpflichtige hat

AS 48 I 1922 9

120 Staatsrecht.

alljährlich innert der festgesetzten Frist dem Einwohnergemeinderat ein
genaues Verzeichnis seiner (vermogens l steuerpflichtigen Kapitalien
und Renten bezw. der in} ihrem Bestande eingetretenen Veränderungen
einzureichen. An Hand dieser Verzeichnisse wird das Kapitalsteuerregister
angelegt (Art. 15). Als steuerund .anmeldepflichtig gelten dabei nur
diejenigen grundversioheitenf Kapitalien, welche vor dem 1. Januar
des Steuerjahres Pfandrecht erhalten haben und zinsbar geworden sind,
eine Beschränkung, auf die das für das Verzeichnis bestehende, dem
Steuerpflichtigen zur Ausfüllung Fuge-stellte amtliche Formular im Eingang
ausdriicklich hinweist. Im Abschnitt IV. Steuerbezug des Gesetzes wird
11. 3. bestimmt :

A rt. 3 4. Die Staatssteuern werden durch den Einwohnergemeinderat
jährlich einmal oder ratenweise emkassiert.

Der Bezug findet auf Grund der gemäss Art. 12 ff. (für die
Vermögenssteuer} und Art. 26 ff. (für die Einkommenssteuer) vorgesehenen
Feststellungen statt. Die nicht durch Rekurs bestrittenen, also
anerkannten Steuerbeträge sind sofort nach eingetretener Rechtskraft
des Steuerregisters zahlfällig.

A rt. 3 5. Die definitiv festgestellten Steuerregister stehen hinsichtlich
der Vollstreckung der darauf basierenden Steuerbeträge, mit Einschluss der
steuer-zuschläge, einem gerichtlichen Urteil im Sinne des SchKG gleich.

Ar t. 3 8. Ein geschuldeter Steuerbetrag kann auf Antrag der
Finanzdirektion durch den Regierungsrat gestundet oder ganz oder teilweise
nachgelassen werden.

a).." .............. '

c) beim Vorliegen besonderer Verhältnisse, unter welchen die ganze oder
teilweise Einforderung der nach dem Gesetze geschuldeten Steuer eine
unverhältnis-Gleichheit vor nem Gesetz. N° 18. 121

mässige schwere Belastung des 'Steuerpflichtigen darstellt. _

'a A rt. 3 9. ss Der Steuerpflichtige kann einen von ihm bezahlten
Steuerbetrag zurückfordern,

1. wenn er irrtümlicherweise eine ganz oder teilweise nicht geschuldete
Steuer bezahlte,

2. ....................... Weigern sich die Staatsbehörden
(Finanzdirektion oder Regierungsrat) auf gestelltes Gesuch hin den ge
forderten Betrag freiwillig zurückzuerstatten, so hat der Steuerpflichtige
seinen Anspruch durch Administra--

tivklage heim Verwaltungsgericht geltend zu machen.

Jede rechtskräftig gewordene Steuer gilt als geschuldet.

B. siDie Rekurrentin Burgergemeinde Bern verkaufte am 15. November 1918
eine ihr gehörende Liegenschaft im Gemeindebann Bern um 125,000 Fr.
an Th. Tobler in Bern. Für den Kaufpreis wurde ein Schuldbrief errichtet,
an den der Käufer auf den 1. Mai

ss 1919 den Tag des vertraglich bestimmten Nutzens--

und Schadensübergangs inbezug auf die Liegenschaft 45,000 Fr. abzubezahlen
hatte, Während der Rest von 80,000 Fr. vom 1. Mai 1919 an zu 5 % zinsbar'
stehen bleiben sollte. Bei Ausfüllung des Verzeich-' nisses der im
Bestande der steuerbaren Kapitalien vorn ]. Januar bis 31. Dezember
1918 eingetretenen Ver.änderungen im Frühjahr 1919 stellte der, an
Stelle des ordentlicherweise mit dieser Funktion betrauten burgerlichen
Forstund Feldkassiers handelnde. Domänenverwalter der Burgergemeinde
unrichtigerweise in dieses Verzeichnis auch. den erwähnten Schuldhrief
ein, obwohl derselbe, weil erst im Laufe des Jahres 1919 selbst
verzinslich werdend, erst 1920 zur Steuer anzumelden gewesen Wäre. Als im
Frühjahr 1920 der burgerliche Forst-' und Feldkassier anlässlich anderer
Nachschlagungen den Fehler ,entdeckte, stellte die Burgergemeinde Bern
das Gesuch um Rückerstattung

122 Stualsrrcht

der inzwischen für das betreffende Kapital auf Grund der irrtümlich-In
Anmeldung bezahlten Staatsund Gemeindesteuern und klagte, von der
kantonalen Finanzdirektion und vom Regierungsrat abschlägig beschieden,
diesen Anspruch inbezug auk die bezahlte Staatssteuer von 437 Fr. 50
Cts. beim Verwaltungsgericht ein. Letzteres verwarf jedoch die Klage
am 25. Juli 1921 mit der Begründung : der Irrtum, welchen die Klägerin
geltend mache, sei nicht erst, wie es Art. 39 Steuergesetz voraussetze,
bei der Zahlung der Steuer, sondern schon bei der Steuererklärung
erfolgt, auf Grund deren die streitige Kapitalforderung in das
Kapitalsteuerregister eingetragen worden sei. Der Klage stehe
daher Art. 39 Abs. 3 des Steuergesetzes entgegen, der den auf Grund
der. angenommenen Selbstschatzung

oder eines nicht weitergezogenen behördlichen Ver -

anlagungsaktes erfolgten Einträgen ins Steuerregister die Bedeutung
einer verbindlichen Feststellung der schuldpflicht beimesse. Dass diese
Bestimmung sich nur auf die Einkommenssteuereinschi.t2ungen beziehe, wie
die Klage behaupte, sei nicht richtig. Die besonderen Vorschriften für
einzelne Steuerarten fänden sich in den Titeln II und III des Gesetzes;
die Titel I, IV, V und VI gälten für alle Steuern gemeinsam, soweit
darin nicht spezielle Arten von Steuern besonders erwähnt seien. Auch
der einzelne Inhalt der Art. 31 bis 39 zeige deutlich, dass hier'
über sämtliche Arten von Steuern legiferiert werde. Die Rekurrentin
selbst bestreite übrigens nicht, dass die Abs. I und 2 des Art. 39
für alle Steuern Anwendung finden und wolle einzig den Abs. 3 auf die
Einkommenssteuer beschränkt wissen. Schon unter der Herrschaft des alten
Steuergesetzes ,habe denn auch das Verwaltungsgericht die Rückforderung
angeblich materiell nicht geschuldeter bezahlter Steuerbetr'age in dem
nämlichen Sinne beschränkt. Wenn es sich bei jenen Entscheiden jeweilen
um die Einkommensteuer gehandelt habe, für welche dasGleichheit vor dem
Gesetz. N° 18. 123

Gesetz ausdrücklich einerseits die behördliche Abweichung Von der
Selbstschatzung, andererseits bestimmte Rechtsmittel zu Gunsten des
Pflichtigen gegenüber der höheren behördlichen Einschätzung vorsche, so
sei doch damals schon der Grundsatz der Rechtskraft der Steuerregister und
der daraus folgende Ausschluss einer Rückforderungsklage gegenüber einem
registerkonformen Steuerbezuge auch da als zutreffend erklärt werden,
wo die Steuerbehörde die Selbstschatzung unverändert im Steuerregister
eingetragen habe. Er müsse daher umsomehr gelten bei Steuern, für die
der unveränderte Eintrag ins Register vom Gesetze selbst verlangt
und bei ungenügenden Erklärungen lediglich das Nachforderungsrecht
vorbehalten werde. Die Rechte des Bürgers seien hier dadurch geschützt,
dass er selbst über die Steuerpflicht entscheide und dass der Staat,
wenn er später mehr verlange, seinerseits den Prozessweg zu beschreiten
habe. Für den Gesetzgeber habe daher umsoweniger Anlass vorgelegen,
den Art. 39 Abs. 3 nicht auf alle Steuerarten _ auszudehnen, als das
Interesse des Staates an der Rechtskraft des Steuerregisters überall
dasselbe sei. Wo Billig' keitsgründe die Berücksichtigung auch solcher
bei der Selbstschatzung erfolgter Irrtümer zu erheischen schienen, bleibe
der Weg des Nachlassgesuches nach Art. 38 Ziff. 3 des Gesetzes offen,
indem als nach dem Gesetz geschuldete Steuer auch diejenige erscheine,
die durch Art. 39 Abs. 3 als geschnldet erklärt werde.

C. Gegen den ihr am 19. September 1921 eröffneten Entscheid des
Verwaltungsgerichts hat die Burgergemeinde Bern beim Bundesgericht
staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrage, derselbe
sei aufzuheben und der Staat Bern zur Rückvergütung der streitigen
43? Fr. 50 Cts. nebst Zins zu 5 % seit 21. April 1921 an die Rekurrentin
zu verurteilen. Sie beharrt darauf, dass die Bestimmung des Art. 39
Abs. 3 des Steuergesetzes sich der Natur der Sache nach auf

124 ' Staatsrecht.

die ausschliesslich auf Grund der Selbstschatzung erfolgenden Einträge
ins Kapitalsteuerregister nicht beziehen könne, 'und ficht die
entgegengesetzte Auslegung des Verwaltungsgerichts als willkürlich
an. Sollte die Vorschrift wirklich den allgemeinen Sinn haben,
den ihr das Verwaltungsgericht beilege, so müsste sie selbst, weil
gegen alle Grundsätze der Gerechtigkeit und Billigkeit verstossend,
als mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV unvereinbar angesehen werden. Der Satz, dass die
irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld zur Rückforderung des Geleisteten
berechtige, habe sich im Privatrecht seit der Einführung des römischen
.Kondiktionensystems so allgemein eingebürgert, dass er als ein
selbstverständliches Postulat der Gerechtigkeit erscheine. Er. müsse
auch im Verwaltungsund insbesondere im Steuerrecht gelten, soweit
als nicht diese allgemeine, dem Rechtsempfind'en allein entsprechende
Ordnung mit anderen Rechtsgütern, wie namentlich dem Anspruche' des
staates auf einen geordneten Einzug der Steuern, in ernsten Konflikt
geraten würde (wofür auf FLEINER, Institutionen des Verwaltungsrechts,
Auflage 1919 S. 406 /7 verwiesen wird). Wenn von diesem Gesichtspunkte
aus die Rückforderung vielleicht mit Recht da ausgeschlossen werden möge,
weder Steuererhebung ein förmliches Veranlagungsverfahren vorausgegangen
sei, in dem dem Pflichtigen gegen die unrichtige Steuer 'auflage der
Beschwerdeweg 'offen gestanden habe, so verhaite es sich doch anders bei
Steuern, bei denen ausschliesslich die eigene Erklärung des Pflichtigen
die Grundlage des Registereintrages bilde. Urteilscharakter könne einer
solchen Erklärung wegen der anschliessenden Aufnahme ins Register doch
höchstens für die Vollstreckung zukommen. Sie auch nach anderen Richtungen
einem auf Grund eines ganzen vorangegangenen Prozessverkahrens ergangenen
Urteile gleichzustellen, sei unhaltbar. Auch dem rechtskräftigen Urteil
gegenüber kenne übrigens jedes Prozessrecht

Gleichheit vor dem Gesetz. N} 18. 125

Revisionsgründe. Nur hier, der unangefochtenen Steuererklärung gegenüber
solle etwas Analoges ausgeschlossen sein. Dazu komme, dass im Gegensatz
zur Ein,' kommenssteuer, wo die Selbstschatzung stets. bis zu ,_
einem'gewissen Masse auf dem Ermessen des Pflichtigen und nachträglich
nicht nachprüfbaren Elementen beruhe, der Nachweis des Irrtums bei der
Kapitalsteuer durchaus einfach sei und seine Zulassung langwierige,
den Verwaltungsgang störende Erörterungen nicht veranlassen könne,
indem das auch den Steuerbehörden zugängliche öffentliche Grundbuch
abschliessend darüber Auskunft gebe, ob und in welchem. Umfange eine
Kapitalsteuer wirklich geschuldet sei oder nicht. Die Ablehnung des
Rückforderungsbegehrens würde ferner hier zu einer Doppelbesteuerung
führen, indem dle Burgergemeinde Bern für die fragliche Liegenschaft
pro 1918 schon die Grundsteuer auf dem vollen VWerte entrichtet habe,
während sie nun nach dem Entscheide des Verwaltungsgerichts für die
gleiche Periode als angebliche Inhaberin eines Schuldbriefes auf dem
Grundstücke noch die Kapitalsteuer im Werte einer in dieser

Höhe auch später nicht entstandenen Forderung zu

bezahlen hätte. Dieses äusserst stossende Ergebnis berühre das
Verwaltungsgericht in seinen Erwägungen nur ganz nebenbei, obwohl Art. 3
des steuer-gesetzes ausdrücklich jede Doppelbesteuerung verbiete-

D. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat die Abweisung der
Beschwerde beantragt. ,Die kantonale Steuerverwaltung hat auf
Gegenbemerkungen

verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung : ' . ,

1. Gegenstand der Beurteilung kann von Verne,herein nur das erste auf
Aufhebung des verwaltungsf gerichtlichen Urteils gerichtete Rekursbegehren
,sein. Zu positiven Anordnungen in. der Sache selbst, Wie sie mit dem
weiteren Antrag, den Staat Bern zur Ruck-_

126 Staatsrorht.

erstattung des streitigen Steuerbetrages von 437 Fr. 50 Cts. zu
verurteilen, verlangt Werden, wäre das Bundesgericht angesichts der
rein kassatorischen Natur des staatsrechtlichen Rekurses aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV
keinesfalls befugt.

2. Die Bestimmung des Art. 39 Abs. 1 des neuen bernischen Steuergesetzes,
wonach derjenige, der irrtümlicherweise eine nicht geschuldete Steuer
bezahlt hat, sie vom Staate zurückfordern kann, ist in der Tat
so allgemein gefasst, dass sie auf den ersten Blick nicht nur den
Fall eines dem Rückfordernden bei der Zahlung, sondern auch schon
eines ihm vo rhe r bei Erklärungen im Verfahren zur Feststellung
der individuellen Steuerpflicht unterlaufenen, jene Feststellung
beeinflussenden Irrtums zu umfassen scheint. Schon praktische Erwägungen
nicht abzuweisender Art legen indessen den Schluss nahe, dass dies
nicht die Meinung des Gesetzgebers sein kann. Sowohl die Erhebung
der Kapitalals der Einkommenssteuer erfolgt im Kanton Bern auf Grund
von Selbstschatzung des Pflichtigen, wozu bei der Einkommenssteuer ein
amtliches Veranlagungsverfahren in der Weise tritt, dass gegenüber einer
von der Selbstschatzung' abweichenden höheren amtlichen Einschätzung
dem, Betroffenen bestimmte befristete Rechtsmittel (Rekurs an die
kantonale Rekurskommission und Beschwerde an das Verwaltungsgericht)
eingeräumt werden. Jene Auslegung des Art. 39 Abs. 1 würde daher im
Erfolge dazu führen, dass der Pflichtige nach Bezahlung der Steuer das
ganze Veranlagungsverfahren durch das Mittel der Rückforderungsklage
von neuem aufrollen könnte, sobald er behauptet, dass er bei der
Selbsteinschätzung oder bei seinen späteren Erklärungen gegenüber der
Einschätzungsbehörde oder den Rekursinstanzen von für den Bestand oder
Umfang der Steuerpflicht bedeutsamen irrtümlichen Annahmen ausgegangen
sei, was praktisch die Finanzverwaltung wegen der damit für

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 18. 127

sie verbundenen erhöhten Umtriebe in nicht zu billigender Weise
komplizieren und auch sonst den Staatshaushalt, der mit der nach den
Ergebnissen des Veranlagungsverfahrens zu erwartenden Einnahmen muss
rechnen können, stören müsste. Die Bestimmung kann denn auch sehr
wohl anders, nämlich so verstanden werden, dass sie sich nicht auf das
Vorhandensein der materiellen, sondern bloss der formellen Schuldpflicht,
eines die Steuererhebung in der vorgenommenen Höhe deckenden gültigen
Veranlagungsaktes, bezw. auf ihm beruhenden Steuerregistereintrages
bezieht, sodass also die Möglichkeit der Rückforderung sich auf die
Fälle beschränkt, wo entweder ein solcher überhaupt fehlte, während sein
Bestand vom Zahlenden irrtümlich vorausgesetzt worden war, oder ein
höherer Steuerbetrag, als der im Register eingetragenen Einschatzung
entspricht, erhoben werden ist oder der Pflichtige aus Versehen mehr,
als von ihm gefordert worden war, oder den gleichen Betrag zweimal
bezahlt hat (ähnlich wie der Kondiktion des auf ein rechtskräftiges,
wenn schon vielleicht materiell unrichtiges

,Zivilurteil Geleisteten die Einrede der abgeurteilten

Sache entgegensteht). Die dahingehende Interpretation des
Verwaltungsgerichts wäre daher selbst dann nicht zu beanstanden, wenn
eine dies in authentischer Weise aussprechende nähere Erläuterung der
Vorschrift im Gesetze fehlte. Dass sie die allein richtige ist, wird nun
aber durch den nachfolgenden Abs. 3 ausser Zweifel gestellt. Wenn es hier
heisst, dass jede rechtskräftig gewordene Steuer als geschuldet gelte,
so ist damit auch der Begriff der nicht geschuldeten Steuer in Abs. 1
in diesem Sinne eingeschränkt und präziSiert, zum Ausdruck gebracht,
dass die Rückforderungsklage nicht zu einer erneuten Aufwerfung der
Frage der materiellen Steuerpflicht, sondern nur zur Wieder-, erlangnng
solcher Beträge angehoben werden kann, die auch formell auf Grund des
massgebenden Steuer-

128 si Staatsrecht

registereintrags nicht gefordert werden konnten, weil ein formell
zulässiger und giltiger solcher Eintrag nicht vorlag oder sich daraus
nach dem gesetzlichen Steuersatz nur eine geringere steuersumme ergeben
hätte. Denn rechtskräftig ist eben nach den oben wiedergegebenen weiteren
Bestimmungen desbernischen Steuergesetzes, die Steuerforderung, die auf
einem in formell giltiger Weise zu Stande gekommenen Registereintrag
über die Höhe des steuerbaren Vermögens oder Einkommens beruht und ihm
dem Betrage nach entspricht. Die Rekurrentin bestreitet denn auch selbst
gar nicht, dass dies wenigstens für die Einkommenssteuer als der Wille
des Gesetzes anzusehen ist, und gibt zu, dass in einer solchen Ordnung
auchan sich für jene ein Verstoss gegen Art. ,4 BV nicht gefunden
werden kann. Der Einwand aber, dass das Gesetz bei der in Art39 Abs. 3
ausgesprochenen Einschränkung der Rückforderung n u r die Einkommensteuer
und nicht auch die ausschliesslich auf Grund der Selbstschatzung ohne
amtliche Ueberprüfung veranlagte Kapitalsteuer im Auge habe, ist vom
Verwaltungsgericht mit Gründen" zurückgewiesen worden, die keinesfalls
als willkürlich bezeichnet werden können und auf die daher zur Wider-

legung der dahingehenden Rüge einfach verwiesen wer-

den kann._

Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Möglichkeit der Kondiktion
wegen eines dem Rückfordernden bei der Selbsteinschatzung unterlaufenen
Irrtums über die Voraussetzungen der steuerpflicht sich hier als
ein derart elementares Gebot der Gerechtigkeit aufdränge, dass eine
abweichende gesetzliche Regelung als mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV unvereinbar anzusehen
Wäre. 'Das Verhältnis zwischen dem Staate als Träger der Steuerhoheit
und dem Bürger kann nicht

ohne weiteres mit demjenigen zwischen einem privat-'

rechtlichen Gläubiger und Schuldner auf gleiche Linie gestellt werden,
weshalb ,auch das Bundesgericht den

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 18. 129 .

Anspruch auf Rückforderung zu viel bezahlter Steuern gleichwie
den steueranspruch des Staates selbst wiederholt als einen rein
öffentlichrechtlichen erklärt. hat, dessen Erfordernisse und
Umfang vom kantonalen Rechte selbständig und ohne Rücksicht auf die
privat-rechtlichen Kondiktionsgrundsätze des OR bestimmt werden können
(AS 34 I S. 63 ff.). Die Voraussetzungen der Kapitalsteuerpflicht
sind nun durch das Steuergesetz, die dazu gehörende Verordnung vom
23. Januar 1919 und das Selbstschatzungsformular selbst genau bestimmt
und umsohrieben. Der Bürger, der zur Ausfüllung eines solchen Formulars
aufgefordert wird, ist demnach auch in der Lage, zu ermessen, ob sie für
die in seinem Besitze befindlichen Kapitaltitel zutreffen, und nach der
Natur der Aufforderung zur Selbsttaxation als einer behördlichen Auflage,
sich darüber auszusprechen, verpflichtet dies zu prüfen. Es lässt sich
daher sehr wohl der Standpunkt vertreten, dass die Folgen eines ihm
dabei unterlaufenen Irrtums grundsätzlich ihn treffen müssen und den
Staat nicht berühren können (wie denn schon FLEINER,

,dessen Ausführungen über die Notwendigkeit der Zu--

lassung der condictio indebiti auch bei öffentlichen Abgaben die
Rekurrentin anruft, sie da ausschliesst, wo der Steuererhebung
eine Veranlagung auf Grund der Selbstschatzung des Pflichtigen
vorangegangen ist und das Gesetz in diesem Verfahren dem Pflichtigen
ausreichend Gelegenheit zur Prüfung und Beschwerde gegeben hat,
wobei die letztere Bedingung offenbar nur auf die Fälle einer von der
Selbstsehatzung abweichenden höheren behördlichen "Veranlagung und ,
nicht auf diejenigen bezogen werden darf, wo die Behörde einfach die
Selbstschatzung akzeptiert hat). Auch auf dem Gebiete des Privatrechts
ist bekanntlich die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld vielfach
durch die Gesetzgebung von der Entschuldbnrkeit des Irrtums, d. h. davon
abhängig gemacht worden, .

130 Staatsrecnt .

dass der Rückforderndc diesen nicht bei gehöriger Sorgfalt hätte vermeiden
können (so wenigstens nach der herrschenden Ansicht im gemeinen Recht und
in _manchen Partikulargesetzgebungen, wiihrend allerdings für das OR die
Frage einstweilen noch als hestritten anzusehen. ist). Den Anforderungen
der Billigkeit ist demnach genügend Rechnung getragen, wenn für besondere
Fälle ein N ac hlas s der an sich, for-

mell geschuldeten Steuer vorbehalten wird, wie es in

Art. 38 Ziff. 3 des bernischen Steuergesetzes geschieht. Die hier
enthaltene Bestimmung kann sehr wohl dahin verstanden werden, dass der
Nachlass auch dann eintreten soll, wenn die in der Selbstschatzung oder
anderen Erklärungen des Pflichtigen im Veranlagungsverfahren liegende
Anerkennung der Steuerpflicht aus Irrtum erfolgte und ein Beharren auf der
danach formell gegebenen Schuldpflicht entweder wegen des Fehlens eines
Verschuldens bei jenen Erklärungen auf Seite des Pflichtigen oder wegen
des Missverhältnisses zwischen diesem und den Folgen eine übermässige
Strenge oder Bestrafung für ihn darstellen würde, eine Auffassung, die
denn auch offenbar den Ausführungen des Verwaltungsgerichts inbezug auf
die eventuelle Anwendbarkeit der Vorschrift zu Grunde liegt.

Der in letzter Linie erhobene Vorwurf einer gegen Art. 3 Steuergesetz
verstossenden (innerkantonalen) Doppelbesteuerung, ist abgesehen davon, ob
er überhaupt gegenüber der Tatsache, dass die Erhebung der Kapitalsteuer
auf einer Selbstschatzung des Besteuerten beruhe, Bedeutung besitzen
könnte, schon deshalb

unerheblich, weil die Rekurrentin selbst den Vorwurf;

dass das Verwaltungsgericht sich durch seinen Entscheid einer
willkürlichen Missachtung jenes Artikels schuldig gemacht habe, nicht
erhebt. Er Wäre zudem wohl auch sachlich unbegründet, da die Re-kurrentin
die Grundsteuer von der Liegenschaft nur bis und mit 1918 bezahlt hat,
während sich die auf

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 19. 131

Grund der Steuererklärung vom Mai 1919 erhobene Kapitalsteuer von einer
Schuldbriefforderung von 125,000 Fr. offenbar nur auf das Steuerjahr
1919 beziehen kann.

Demnach erkenni das Bundesgericht : Die Beschwerde wird abgewiesen.

' 19. Urteil vom 4. März 1922 i. S. Luthiger g'gen Kantonsgericht Zug.

Behandlung der Erbengemeinschaft als besonderes Steuersubjekt für die
ordentliche Vermögensund Erwerbssteuer und Vollstreckung des ,gegenüber
derselben ergangenen Steuerentseheides gegen einen einzelnen Erben
als Solidarschuldner nach Teilung der Erbschaft. Anfechtung der gegen
diesen erteilten Rechtsöffmmg wegen Willkür. Abweisung. Befugnis des
Reehtsöffnungsrichters, die Zulässigkeit einer solchen Veranlagung der
Erbschaft statt der einzelnen Erben für ihren Anteil zu prüfen ?

A. Nach dem am 26. August 1919 erfolgten Tode des Josef Luthiger,
Schmiedmeister in Hünenberg, stellte der Gemeinderat Hünenberg seinen
Erben ein Selbstt:zxrriionsformular für die ordentliche Vermögens-und
Erwerbssteuer zu. Da es nicht ausgefüllt und zuruckgesandt wurde,
schätzten die Steuerbehörden die Erben Josef Luthiger sel. als Einheit
pro 1920 von Amtes wegen und zwar die kantonale Steuerkommission für
die Staatssteuer mit 200,000 Fr. im Vermögen und 5000 Fr. im Erwerb
ein. An den entsprechenden Steuerbetrag von 905 Fr. 50 Cts. wurden 184
Fr. 75 ct3. anbezahlt. Für den Rest von 720 Fr. 75 Cts. hob der Staat,
nachdem sich eine Vollstreckung gegen die Erhschaft als solche im Sinne
von Art.49
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 49 - Die Erbschaft kann, solange die Teilung nicht erfolgt, eine vertragliche Gemeinderschaft nicht gebildet oder eine amtliche Liquidation nicht angeordnet ist, in der auf den Verstorbenen anwendbaren Betreibungsart an dem Ort betrieben werden, wo der Erblasser zur Zeit seines Todes betrieben werden konnte.
, 59
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 59 - 1 In der Betreibung für Erbschaftsschulden besteht vom Todestage des Erblassers an während der zwei folgenden Wochen sowie während der für Antritt oder Ausschlagung der Erbschaft eingeräumten Überlegungsfrist Rechtsstillstand.114
1    In der Betreibung für Erbschaftsschulden besteht vom Todestage des Erblassers an während der zwei folgenden Wochen sowie während der für Antritt oder Ausschlagung der Erbschaft eingeräumten Überlegungsfrist Rechtsstillstand.114
2    Eine zu Lebzeiten des Erblassers angehobene Betreibung kann gegen die Erbschaft gemäss Artikel 49 fortgesetzt werden.115
3    Gegen die Erben kann sie nur dann fortgesetzt werden, wenn es sich um eine Betreibung auf Pfandverwertung handelt oder wenn in einer Betreibung auf Pfändung die in den Artikeln 110 und 111 angegebenen Fristen für die Teilnahme der Pfändung bereits abgelaufen sind.
SchKG, weil diese inzwischen schon verteilt werden war,
als nicht