212 sehnldbetreibnngsund Konkursrecht. N° 54.

lungsfähig war, ein Entmündigungsgrund also schon damals bestand, und
kann demgemäss von den Aufsichtsbehörden nicht nachträglich aufgehoben
werden (AS 25 II s. 299 f. = Sep.-Ausg. 2 S. 97 f.). Insbesondere liegt
es dem Betreibnngsamt nicht ob, der Zustellung vorgängig von sich aus
danach zu forschen, ob der Schuldner anfällig wegen Geisteskrankheit
oder Geistesschwäche nicht urteilsfähig sei. Ueber diese dem materiellen
Zivilrecht angehörende Frage zu befinden, steht ihm, und ebensowenig den
Aufsichtsbehörde-m nicht zu, ganz abgesehen davon, dass sich das Verfahren
vor den letzteren für die' hiefür nötige Instruktion auch nicht eignet.

2. Die danach notwendig werdende Entscheidung über die Zulässigkeit
des nachträglichen Rechtsverschlages fällt nicht in die Kompetenz der
Aufsichtsbehörden, sondern wird vielmehr vom Gerichtspräsidenten von
Aarau zu treffen sein, der denn auch das Verfahren nur sistiert hat.

Demnach erkennt die Schuldbelrund Konkurskammer:

Der Reknrs Wird abgewiesen.

Schuldhetreihungsund Konkursrecht (Zivilabteilungen). N° 55. 213

XI. URTEILE DER ZIVILABTEILUNGEN

ARRETS DES SECTIONS CIVILES

55. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1921

i. S. Ersparniskasse des Amtsbezirks Interlaken gegen Boss.

Gemeinsamer Erwerb eines Grundstückes auf der Zwangsversteigerung durch
zwei Hypothekarsolidarbürgen ; Rechtsfolgen. Aus gemeinsamem Angebot
mehrerer an einer Zwangsversteigerung entsteht Solidarhaftung für die
überbundenen Hypothekarschulden. OR Art. 143, 530, 5-14; SchKG Art. 1
Abs. 1 ; VZG Art. 59.

A. Am 29. September 1905 liess Fritz Kaufmann, Eigentümer des Hotels
Bellevue auf der Schynigen Platte, eine dieses Grundstück im zweiten
Range belastende Pfandobligation für 62,000 Fr. zu Gunsten der
Klägerin, Ersparniskasse des Amtsbezirks Interlaken, errichten. In
der Folge leistete der Beklagte Johann Boss zusammen mit Samuel
Baumann, Peter Tschienner und Alfred Werken Solidarbürgschaft für
diese Pfandobligation. Im Jahre 1915 geriet Kaufmann in Konkurs. Auf
der zweiten Steigerung erwarben der Beklagte und Werren gemeinsam das
Hotel um 120,000 Fr. Dabei wurde ihnen die Pfandobligation,' die nicht
fällig war, in dem durch von Kaufmann geleistete Abza'hlungen auf 60,500
Fr. herabgesetzten Betrage überbunden. Seither sind der Beklagte und
Werreu als Miteigentümer des Hotelgmndstückes im Grundbuch eingetragen. s

B. Mit der vorliegenden, zufolge von Prorogation beim Bundesgericht
direkt eingereichten Klage stellt die Ersparniskasse das Rechtsbegehren:
Es sei gerichtlich zu erkennen, es hafte der Beklagte solidarisch (und
nicht bloss anteilmässig, d. h. zur Hälfte) mit Al-

214 Schuldbetreibnngsund Konkursreeht (Zivilabteilungen). N° 55.

fred Werren, Baumeister in Wilderswil für die der Klägerin ihnen
gegenüber zustehende, auf Pfandobligation vom 29. September 1905 beruhende
Pfandforderung von restanzlich 60,500 Fr. nebst Zinsen, unter Kostenfolge

Das Bundesgericht ziehi in Erwägung:

1. Die Solidarität zwischen dem Beklagten und Werren hinsichtlich der
mit der Pfandobligation verbundenen persönlichen Schuldpilicht lässt sich
nicht aus dem von der Klägerin angerufenen Art. 544 Abs. 3
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 544 - 1 Gli oggetti, i diritti reali ed i crediti trasferiti alla società od acquistati per essa appartengono ai singoli soci in comune, a norma del contratto di società.
1    Gli oggetti, i diritti reali ed i crediti trasferiti alla società od acquistati per essa appartengono ai singoli soci in comune, a norma del contratto di società.
2    I creditori di un socio non possono far valere i loro diritti che sulla quota sociale del loro debitore, riservata ogni diversa disposizione del contratto di società.
3    Ove i soci abbiano collettivamente assunto delle obbligazioni verso un terzo, trattando insieme personalmente, o per mezzo di rappresentanza, sono responsabili in solido, salvo patto contrario.
OR herleiten,
wonach Gesellschafter, die gemeinschaftlich Verpflichtungen eingegangen
haben, regelmässig solidarisch haften. Dass die beiden einen auf
gemeinsamen Erwerb des Hotels Bellevue gerichteten Gesellschaftsvertrag
ausdrücklich abgeschlossen haben, behauptet die Klägerin selbst
nicht. Aber auch ein stillschweigende'r Veltragsschluss kann nicht
angenommen werden. Denn der Beklagte und Werren haben das Hotel nicht etwa
zur gemeinsamen Fortführung des Betriebes erwor ben, sondern einzig zu
dem Zwecke, damit sie nicht aus der von ihnen geleisteten Bürgschaft für
den Pfandausfall in Anspruch genommen werden könnten, der sich mangels
anderer zureichender Angebote sonst ergeben hätte. Dabei handelte es
sich, wie beim Fehlen anderer Anhaltspunkte angenommen. werden muss,
für jeden von Beiden einzig darum, die ihm selbst drohende finanzielle
Einbusse abzuwenden. Der von ihnen verfolgte Zweck war also freilich
gleichartig, jedoch nicht gemeinsam. Und er liess sich auch sehr wohl
erreichen, ohne dass es des Abschlusses eines GesellschaftsVertrages
bedurfte, der, mindestens beim Fehlen einer gegenseitigen Abrede,
Gesamteigentnm begründet hätte: -dadurch nämlich, dass sie ohne jede
nähere Vereinbarung das Hotel einfach gemeinsam ersteigerten, wodurch
sie Miteigentümer desselben wurden. Sie haben denn auch selbst nicht
verlangt, als Gesamteigentümer im

Schuidbetreibungsund Konkursrecht (Zivilabteilungen). N° 55. 215

Grundbuch eingetragen zu werden, und auch die Klägerin hat gegen ihre
Eintragung als Miteigentümer nichts eingewendet.

2. Dagegen ist, wenn bei einer Zwangsversteigerung mehrere ein
gemeinsames Angebot machen, darin ohne weiteres auch die Erklärung zu
erblicken, dass jeder einzeln für die Erfüllung der ihnen durch die
Steigernngsbedingungen auferlegten Verbindlichkeiten hakten wolle,
weil ihnen andernfalls der Zuschlag nicht erteilt werden könnte. Dies
kann jedenfalls mit Bezug auf die, weil fälligen, bar zu bezahlenden
Grundpfaudforderungen nicht in Zweifel gezogen werden. Denn würde
jeder von mehreren Bietern nur im Verhältnis des ihm zufallenden
Miteigentumsanteiis haftbar, so könnte dann, wenn einer von ihnen den
ihn treffenden Teil nicht rechtzeitig bezahlt, natürlich auch nur die
Uebertragnng seines Miteigentumsanteils rückgängig gemacht werden, was
zur Folge haben müsste, dass sich die infolgedessen notwendig werdende
neue steigerung auf diesen Miteigentumsanteil beschränkte. Nun wird
,aber der Umstand, dass nur ein Miteigentumsanteil erworben werden kann,
das Ergebnis der Steigerung regelmässig empfindlich beeinträchtigen,
ohne dass vielleicht der frühere Ersteigerer für den ganzen Ausfall
aufzukommen vermag. Ausserdem stellen sich der Versteigerung eines
Miteigentumsanteils mindestens dann, wenn das Grundstück als solches
verpfändet ist, Schwierigkeiten verfahrensrechtlicher Natur entgegen
(vgl. VZG Art.. 130 bezw. 73 litt. b). Aus diesen Gründen muss die
Zwangsverwertung von Miteigentumsanteilen vermieden werden, wo nicht die
materielle Rechtslage dazu zwingt, in. a. W. es muss verhindert werden,
dass das Zwangsverwertungsverfahren selbst noch Anlass zu einer solchen
Verwertung bietet. Alsdann aber erscheint es ausgeschlossen, dass ein
gemeinsames Angebot mehrerer auf einer Zwangsversteigerung berücksichtigt
werden könnte, wenn die Bieter für die be-

216 sehnldhetreibungsund Konkursrecht (Zivilabteilungen). N° 55.

dungene Barzahlung nicht solidarisch haften wollten. Da nun angenommen
werden darf, dass nur Angebote . gemacht werden, auf welche hin der
Zuschlag erteilt werden kann, so ist davon auszugehen, jedes gemeinsame
Angebot mehrerer schliesse auch ihre Erklärung ein, dass jeder einzeln
für die Leistung der ganzen hedungenen Barzahlung haften wolle. Halten
sonach die mehreren Bieter für die fälligen und daher bar zu hezahlenden
Grundpfandsehulden solidarisch, so ist nicht einzusehen, wieso für die
nicht fälligen und daher gemäss Art. 135
SR 281.1 Legge federale dell'11 aprile 1889 sulla esecuzione e sul fallimento (LEF)
LEF Art. 135 - 1 Le condizioni dell'incanto devono indicare che i fondi sono aggiudicati con tutti gli oneri che li gravano (servitù, oneri fondiari, pegni immobiliari, diritti personali annotati) e che le obbligazioni personali che ne derivano sono accollate al deliberatario. Il precedente debitore di un'ipoteca o di una cartella ipotecaria è liberato se il creditore non gli notifica entro un anno dall'aggiudicazione di tenerlo ancora per obbligato (art. 832 CC275). Se sono esigibili, i debiti garantiti da pegno immobiliare non vengono assegnati, bensì estinti col ricavo della realizzazione.276
1    Le condizioni dell'incanto devono indicare che i fondi sono aggiudicati con tutti gli oneri che li gravano (servitù, oneri fondiari, pegni immobiliari, diritti personali annotati) e che le obbligazioni personali che ne derivano sono accollate al deliberatario. Il precedente debitore di un'ipoteca o di una cartella ipotecaria è liberato se il creditore non gli notifica entro un anno dall'aggiudicazione di tenerlo ancora per obbligato (art. 832 CC275). Se sono esigibili, i debiti garantiti da pegno immobiliare non vengono assegnati, bensì estinti col ricavo della realizzazione.276
2    Le condizioni dell'incanto stabiliscono inoltre quali spese debba sostenere il deliberatario.
und 259
SR 281.1 Legge federale dell'11 aprile 1889 sulla esecuzione e sul fallimento (LEF)
LEF Art. 259 - Alle condizioni dell'incanto si applicano per analogia gli articoli 128, 129, 132a, 134 a 137 e 143. Le funzioni dell'ufficio d'esecuzione spettano all'amministrazione del fallimento.
SchKG zu überbindenden
Grund 'pfandschnlden etwas anderes gelten sollte. Insbesondere könnte
auch nicht zugelassen werden, dass durch ein gemeinsames Angebot
mehrerer die Stellung des Gläubigers insofern erschwert Würde, als er,
um für einen sich später allfällig ergebenden Pfandausfall Befriedigung
zu erlangen, diesen in einzelne T eilforderungen zerlegt bei den
mehreren Bietern geltend machen müsste. Hiegegen vermag der Beklagte
nicht mit dem Einwand aufzukommen, die Steigerungsbedingungen erwähnen
von solidariseher Haftbarkeit nichts. Abgesehen davon, dass nach dem
Ausgeführten die solidarisehe Haltbarkeit durch ein gemeinsames Angebot
mehrerer in Verbindung mit dem Zuschlag ohne weiteres begründet wird,
waren sie für ein derartiges Angebot -. gar nicht zugeschnitten, sondern,
wie üblich. bloss für den Normalfall des Einzelangebotes.

3. Uebrigens wäre. die Klage auch, wie. die Klägerin ebenfalls
geltend gemacht hat, in Anwendung des vom Bundesgericht im Urteil
v. 5. Oktober 1921 in Sachen Aargauische Hypothekenbank gegen Tschabold
und Konsorten (AS 47 III S. 146 ff hievor) ausgesprochenen Grundsatzes
der VVeiterhaktung des Bürgen für die im Konkurse auf den Erwerber
überbundenen Schulden aus Grundpfandversehreibung und Schuldbrief dem
die bernische Pfandobligation durch Art. 165 EG zum ZGB gleichgestellt
werden ist zuzuspreehen. W {'u-de nämlich

Sanierung von Hotelunternehmungen. N° 56. 217

davon ausgegangen, der Beklagte und Werren seien nicht durch ihr Angebot
ohne. weiteres sonder-schuldner der Pfandobligation geworden, sondern
jeder nur Schuldner der Hälfte, so wäre jeder kraft der seinerzeit für
Kaufmann geleisteten Solidarbürgschaft auch . für die seinem Mitbieter
überbundene Hälfte haftbar. Eine Entlassung aus dieser Bürgschaft könnte
in dem Beschluss des Verwaltungsrates der Klägerin vom 7. Juli 1916,
dass der Beklagte und Werren als neue Schuldner angenommen werden nicht
gesehen werden.

Demnaeh erkennt das Bandesgerschi :

Die Klage wird zugesprochen.

B. Sanierung von Hotelunternehmungen. Assainissement des entreprises
hotelières.

56. Entscheid vom 27. Dezember 1921 i. S. Christen & C'e.

HPÎNV Art.. 23 Abs. 3: Die Einstellung der Betreibung bei Belangung
von Solidarbürgen oder anderen solidarisch Verpflichteten vor dem
Hauptsehuldner ist durch den Richter anzuordnen.

A. Die Rekursgegnerin, die Sparund l,.eihkasse Thun, betrieb die
Rekurrentin, die Firma Christen & Cie in der Betreihung Nr. 87,268 am
29. September 1921 auf Zahlung einer auf dem Hotel National in Adelboden
haftenden, von ihr (der Rekurrentin) neben andern Burgen verhiirgten
Grundpfaudforderung. Die Rekurrentin erhob Rechtsvorschlag und reichte
am 7. Oktober 1921 sowohl beim Betreibungsamt Basel-Stadt als auch