245 Familienrecht. N° 43.

haupt nicht verpflichtet werden könne. Auch das ZGB geht grundsätzlich
davon aus, dass sich die Ehegatten über die ökonomischen Folgen der
Scheidung durch Vertrag verständigen können, dass allerdings eine
derartige Vereinbarung im bereits erwähnten Sinne der Genehmigung
des Scheidungsrichter unterliegt. Dabei ergibt sich aus dem Eingang
des Art. 158 selbst, der für den Scheidungsprozess auf das kantonale
Prozessreeht abstellt, dass die Ziffer 1 bis 5 dieses Artikels, wie
übrigens der Randtitel deutlich erklärt, als Verfahrensvorschriften,
also Vorschriften prozessualer Natur aufzufassen sind. Daraus ergibt
sich klar, dass Art. 158 ZGB grundsätzlich nur für den schweizerischen
Richter Normen aufstellt, für den ausländischen Richter aber nur
soweit, als dieser nach seinem Prozessrecht diese Vorschriften bei
Scheidungen von Schweizerbürgem anwenden kann oder anwenden will. Nach
der Haagerkonvention und auch sonst im Umfang des Art-. 59 Ziff. Tg der
Anwendungshestimmungen des ZGB wird die Zuständigkeit von ausländischen
Gerichten zur Scheidung von Schweizern anerkannt. Keine Rede ist aber
davon., dass die Verfahrensvorschriften des Art. 158 ZGB für die im
Ausland durchzuführenden Scheidungen verbindlich wären. _

Daraus folgt, dass, wenn, wie im vorliegenden Fall, rechtsverbindlich
feststeht, dass die Genehmigung des Ver-gleiches über die Nebenfolgen
im Scheidungsprozess nicht erfolgen konnte oder nicht erfolgt ist, der
zwischen den Parteien abgeschlossene, den Vorschriften des deutschen
Rechts entsprechende und keine zwingende materiellen Vorschriften
des schweizerischen Rechts verletzende Vertrag auch ohne richterliche
Genehmigung gültig ist.

Diese Lösung entspricht einzig einer vernünftigen Rechtsanwendnng
und verletzt keinerlei zu schützende Interessen des Beklagten. Auf
den streitigen Vertrag findet natürlich, wie auf einen richterlichen
AusspruchFamilienrecht. N° 44. 247

über die Nebenfolgen auch Art. 153 ZGB. Anwendung, sodass auch in diesem
Verfahren der Standpunkt zu . hören wäre, es sei dem Beklagten wegen
Aenderung seiner ökonomischen. Verhältnisse die Erfüllung des Vertrages
nicht mehr zuzumuten; er hat aber diese Behauptung gar nicht aufgestellt.

44. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Juli 1921 i. S. B. gegen 3.
E 11 e s c h ei d u n g: Der Ehebruch kann als, Grund der Scheidung zum
selbständigen Gegenstand einer Berufung

gemacht werden. Verhältnis von Art. 137 zu Art. 142 ZGB. -Entschädigung
und Genugtuung: Art. 151 ZGB.

A. Der Kläger F. B., war in erster Ehe verheiratet, als er 1913 die
Beklagte .I. C. D. im Café M. in Zürich kennen lernte, wo sie bei
ihrem Bruder in Stellung war. Es bildetevsich zwischen ihnen ein
Liebesverhältnis mit Geschlechtsverkehr. Der Kläger liess sich von seiner

si ersten Frau durch Urteil vom 14. Juni 1917 scheiden,

nachdem er sie durch das Versprechen eines jährlichen Ünterhaltsbeitrages
zum schliesslichen Einverständnis hatte bewegen können. Am 24. April
1919 heiratete er die Beklagte, die ihn jedoch, nachdem es zwischen ihr
und dem Kläger und den Kindern erster Ehe wiederholt zn Tätlichkeiten
und Beschimpfungen gekommen war, bereits am 15. Juli gleichen Jahres
verliess und zu ihrem Bruder zurückkehrte. Der Kläger nahm darauf E. P.,
die Erzieherin seiner Kinder, mit der er während seiner ersten Ehe
ebenfalls Gesehlechtsverkehr gepflogen, sie aber während der Dauer der
zweiten Ehe entlassen hatte, wieder zu sich.

B. Der Kläger erhob Scheidungsklage, der sich die Beklagte anfänglich
wider-setzte ; sie verlangte dann

248 . Familienrecht. N° 44.

aber ihrerseits Scheidung, zog jedoch die Klage wieder zurück,
erklärte sich schliesslich aber vor Obergericht doch mit der Scheidung
einverstanden, indem sie beantragte, es sei das Scheidungsbegehren des
Klägers abzuweisen und die Ehe, gestützt auf Art. 137 , 138 eventuell 142
ZGB, wegen Verschuldens des Klägers zu scheiden, ferner sei der Kläger zu
verpflichten, ihr eine angemessene Entschädigung und Genugtuung gemäss
Art. 151 und 153 ZGB in Form einer jährlichen Rente von 12,000 Fr. zu
bezahlen. '

C. Mit Urteil vom 5. März 1921 hat das Obergericht des Kantons Zürich die
Ehe der Parteien wegen tiefer Zerrüttung gemäss Art. 142 ZGB geschieden,
dem Kläger die Eingebung der Ehe für zwei Jahre, der Beklagten für ein
Jahr verboten, die weitergehenden Rechtshegehren aber abgewiesen.

D. Gegen dieses am 6. April zugestellte Urteil hat die Beklagte am
25. gleiehen Monats unter Erneuerung ihrer vor der Vorinstanz gestellten
Anträge die Berufung an das Bundesgericht erklärt ; eventuell beantragt
sie, die Akten seien zur Abnahme des angetragenen Beweises über die
Vermögensund Einkommensverhältnisse des Klägers an ,die Vorinstanz

zurückzuweisen. In der heutigen Verhandlung hat sie--

auf Geltendmachung des Scheidungsgrundes der Misshandlung und
Ehrenkränkung gemäss Art. 138 ZGB verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Die Vorinstanz hat, obschon sie es als nach kantonalem Prozessrecht
als zulässig erklärte, dass die Beklagte erst vor zweiter Instanz
einen Antrag auf Scheidung wegen Verschuldens des Ehemannes stelle,
nicht untersucht, ob der von ihr dafür geltend gemachte Ehebruch des
Klägers Wirklich vorgekommen sei, sondern in den Motiven erklärt,
es treffe beide Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe ein Verschulden,
und es hatFamilienrecht. N ° 44 249

die Ehe gestützt auf Art. 142 wegen allgemeiner Zerrüttung geschieden,
ohne im Dispositiv sich darüber auszusprechen, ob die Scheidung auf
Klage des Mannes oder auf diejenige der Frau hin ausgesprochen werde.

Mit Recht hat die Beklagte dagegen in ihrer Berufung sich auf den
Standpunkt gestellt, dass zunächst zu untersuchen sei, ob ihr ein
Ehescheidungsanspruch, gestützt auf den speziellen Scheidungsgrund
des Ehebruches, zustehe. Denn das Gesetz weiss nichts davon, dass die
auf Ehebruch gestützte Scheidungsklage dann zessieren würde, wenn als
Entschuldigung für den Ehebruch die bereits bestehende Zerrüttung der Ehe
angeführt wird. Unzweifelhaft wird jeder aussereheliche Geschlechtsverkehr
während bestehender Ehe, sogar wenn die Parteien miteinander im
Ehescheidungsprozess stehen, vom Gesetz als Ehehruch betrachtet, und muss
daher auch dem beleidigten Ehegatten die Klage auf Scheidung gehen. Wenn
das nicht ausschliesst, dass auch der andere Ehegatte gleiehzeitig eine
aus den allgemeinen Grund des Art. 142 gestützte Klage anstrengt, so ist
doch mit der bisherigen Praxis (vergl. AS 21, S. II ?66; 25, S. ?61) daran

festzuhalten, dass zunächst der geltend gemachte beson-

dere Scheidungsgrund des Ehebruches untersucht werden muss. Das ergibt
sich schon aus Art. 150 Abs. 1 als notwendig, weil bei Vorhandensein eines
Ehebruches immer, und zwar von Amtes wegen, eine Wartefrist ausgesprochen
werden muss, die auch ausnahmsweise auf mehr als zwei Jahre ausgedehnt
werden kann. Aber auch hievon abgesehen, bedeutet der Ehebruch eine so
schwere Verletzung der ehelichen Treue, dass dem verletzten Teil das
Recht auf dessen Feststellung. durch den Ehescheidungsrichter in allen
Fällen gewahrt werden muss, selbst wenn besondere Entsehädigungsfolgen
daran gar nicht geknüpft werden. Daher muss der verletzte, auf Scheidung
wegen Ehebruchs klagende Teil auch das Recht haben, gegenüber

250 ' si Familienrecht. N° 44.

einem die Scheidung zwar aussprechenden aber auf die Frage des Ehebruchs
nicht eingehenden kantonalen Urteile die Berufung an das Bundesgericht
zu erklären, um diese Feststellung zu erwirken. Sofern die bisherige
Rechtsprechung dieses Recht nicht anerkannt haben sollte. (vergl. Pnaxrs
II,' Nr. 27), so könnte daran nicht festgehalten werden.

2. Priift man'von diesem Gesichtspunkte aus das vorinstanzliche Urteil,
so ergibt sich, dass es zu Unrecht die Frage offen liess, ob der Kläger
mit der P. während der Ehe ehebrecherischen Verkehr gepflogen habe. Eine
Rückweisnng zur Feststellung darüber erscheint _ jedoch nicht notwendig,
da die aktenmässig festgestellten Tatsachen genügen, um eine violenta
pracsumptio dafür anzunehmen, dass der Kläger den Geschlechtsverkehr
mit der P., sofern er überhaupt je mit ihr gebrochen haben sollte,
sofort Wieder aufnahm, als sie in sein Haus zurückkehrte. Daher ist dem
Begehren der Beklagten auf Scheidung wegen Ehebruchs auf alle Fälle zu
entsprechen. Die Klage des Ehemannes auf Scheidung wegen tiefer Zerrüttung
könnte darnach nur dann noch zugesprochen werden, wenn gesagt werden
könnte, dass an dieser von dem Ehebrueh eingetre-

tenen Zerrüttung die Beklagte das ausschliessliche Ver-.

schulden trägt. so liegen jedoch die Verhältnisse nicht, denn wie die
Vorinstanz zutreffend feststellt, trug die Ehe von Anfang an den Keim
der Zerrüttung in sich und trägt der Ehemann daran das Hauptverschnlden.
Unter diesen Umständen kann das spätere rohe und leidenschaftliche
Benehmen der Beklagten während der Ehe nicht so schwer ins Gewicht
fallen, um auch dem Kläger ein besonderes Klagerecht auf Scheidung wegen
Zerrüttung der Ehe durch Verschulden der Beklagten zuzugestehen. ,

Dagegen ist dieses Verhalten der Beklagten in de Sinne zu würdigen, dass
ihr, weil sie nicht als schuldlos erscheint, weder eine Entschädigung,
noch eine Genugtuung zugesprochen wird.___ ,LA;Erbrecht. N° 45. 251

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich vom 5. März 1921 dahin abgeändert, dass die Ehe der
Parteien auf Begehren der Beklagten gemäss Art. 142 und 137 ZGB geschieden
wird. Im übrigen wird das angefochtene Urteil bestätigt.

: 11. ERBRECHT

DROIT DES SUCCESS IONS

45. M de la. 11° Section civile du 15 juin 1921 dans la cause Savio contre
Savio. Le contrat de pai-tage successoral, méme lorsqu'il s'applique à
des immenbles, ne nécessite pas d'autre forme que la forme

éerite. Rapports des art. 634 al. 2 et 657 al. 1 CCS. 'Inapplicabilité
de l'art. 22 al. 2 CO. ' '

A. Emile-Vincent Savio est décédé à Rue (Fribourg) le 19 février 1919
laissant quatre fils : Alfred, Henri, Francois et Léon et une fille
Emilie, mariée à Louis Jaquier. Par testament du 10 février 1919, il avait
légué à ses deux fils Francois el; Léon par prerogative et hors part le
qual-t de tous ses biens, leur donnant en nutre, à titre de rémunération
de leur travail dans l'exploitation de son domaine, tout son mobilier, son
bétail et son chédail . Le restant de ses biens devait étre partagé par
park-s égales entre tous ses enfants, étant stipulé toutefois qu'Alfred
Savio avait déjà recu du testateur une somme de 5000 fr. qu'il aurait
à porter en déduction de sa part, ssss en la rapportant à la masse. .