40. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Mai 1921 i. S. Schmid gegen
Niederhäuser.
Art. 59 und 63 OG. Nichtbeobachtung dieser Vorschriften
zwingender Natur zieht die Unwirksamkeit der Berufung nach sich.

A. Durch Urteil vom 20. Juli 1920 hat das Obergericht des Kantons
Solothurn über die Rechtsbegehren :

a) der Klage: der Beklagte habe an den? Kläger einen nach richterlichem
Ermessen, aber bedeutend höhern Schadenersatzbetrag als den vom
Amtsgericht zugesprochenen Betrag von 1000 Fr. nebst Zins zu 5 % seit
der Klageanhebung zu bezahlen, unter Kostenfolge für den Beklagten ;

b) der Klageantwort: die Klage sei in vollem Umfange abzuweisen, eventuell
nur in ganz geringem Betrage zuznsprechen,

. erkannt :

1. Der Beklagte Jacques Schmid hat dem Kläger Arnold Niederhäuser eine
Schadenersatzsnmme von 500 Fr. (fünfhundert Franken) mit Zins zu 5 %
seit 14. Februar 1919 zu bezahlen; die Mehrforderung des Klägers ist
abgewiesen.

2. Der Beklagte hat dem Kläger die gesetzliche Parteikostenrechnung zu
bezahlen, welche mit einer Vortragsgebührr von 50 Fr. auf 724 Fr. 80
Cts. festgesetzt ist.

3. Der Beklagte hat sämtliche Gerichtskosten mit einer Gerichtsgebühr
von 150 Fr. zu bezahlen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
erklärt und kostenfällige Anweisung der Klage in vollem Umfangs:
beantragt.

224 Prole-Brecht. N° 40

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

' Gemäss Art. 59 , Abs. 1, OG ist in Rechtsstreitigkeiten über
vermögensrechtliche Ansprüche die Be--

rufung nur dann zulässig, wenn der Streitwert nach -

Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz
noch streitig waren, wenigstens 2000 Fr. beträgt. Dass im vorliegenden
Falle der Streitgegenstand einer vermögensrechtlichen Schätzung fähig
ist, unterliegt keinem Zweifel. Zur formellen Gültigkeit der Berufung
ist mithin erforderlich, dass die Parteien in ihren Rechtsbegehren vor
der letzten kantonalen Instanz den Streitwert angehen. Angesichts des
Umstandes, dass es sich vorliegend um Schadenersatzansprüche handelt,
war es allerdings nicht nötig, den Streitwert ziffernmässig genau
festzusetzen, dagegen aber war der Kläger nach Art. 63 , Ziffer 1, und
59 OG verpflichtet, auch in der Vorinstanz anzugeben, ob der geforderte
Höchstbetrag mindestens 2000 Fr. erreiche. Er hat jedoch keine bestimmte
Forderung geltend gemacht, und auch der Beklagte hat es unterlassen.
ihn zur Stellung eines dem Gesetze entsprechenden Begehrens zu verhalten.

Die Akten enthalten keine bestimmte Erklärung

darüber, welcher Forderungshetrag in der Vorinstanz noch streitig war,
wie sie überhaupt für die Streitwertbemessung keine sichern Anhaltspunkte
bieten, und es hat auch die Vorinstanz in dieser Hinsicht keine Angaben
gemacht. Jedenfalls aber müsste der Streitwert, da der Beklagte seiner
Berufungserklärung keine die Berufung begründende Rechtssehrift im
Sinne von Art. 67 , letzt. Absatz, OG beigelegt hat, mindestens 4000 Fr.
betragen. ' '

Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, zieht die
Nichtbeobachtung der gedachten, im Interesse einer geordneten
Prozessführung aufgestellten zwingenden Vorschriften die Unwirksamkeit
des eingelegtenProzessrecht. N° 40; 225

Rechtsmittels nach sich (vergl. As 28 II 326; 31 II 783; 39 11436 ff.),
und es kann daher auf die vorliegende Berufung nicht eingetreten werden.

Eine Rückweisung der Akten an die Vorinstanz gemäss Art. 64 GG ist nicht
angezeigt, da es sich um einen von den Parteien zu vertretenden Mangel
in der Prozedur handelt.

Aber auch wenn unter den vorliegenden Umständen das Bundesgericht den
Streitwert nach freiem Ermessen bestimmen könnte, so müsste angenommen
werden, dass gegenüber den vom Amtsgericht zugesprochenen 1000 Fr. ein
Betrag von weniger als 2000 Fr. eine bedeutend höhere Entschädigung im
Sinne des klägerischen Begehrens darstellen würde.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Auf die Berufung wird nicht
eingetreten.