484 Staatsrecht.

V. AUTONOMIE DER LANDESKIRCHE

AUTONOMIE DE L'ÉGLISE NATIONALE

61. Urteil vom 22. Dezember 1821 i. S. Kirchgemeinde Neumünster und
Hitbeteiligte gegen Zürich.

Beschluss des Regierungsrates, wodurch einer von der Synode der
evangelischen Landeskirche des Kantons (Zürich) beschlossenen
Ergänzung der Kirchenordnung i. S. der Wählbarkeit auch von Frauen
als Pfarrer die staatliche Genehmigung versagt wird. Anfechtung
wegen Verletzung der verfassungsmässig gewährleisteten Autonomie der
Landeskirche und Wei] die Behandlung des Pfarramts als öffent-liches
Amt i. S. der von der Wählbarkeit zu solchen handelnden allgemeinen
Bestimmungen der Verfassung willkürlich, jedenfalls unrichtig
sei. Umfang der. Kognition des Bundesgerichts in Bezug auf beide
Fragen. Beschwerdelegitimation. Abweisung der Beschwerde.

I. A. Der im Titel Unterrichtsund KirchenWesen stehende Art. 63 der
zürcherischen Verfassung vom 18. April 1869 bestimmt in Absatz 3 und 4:

Die evangelische Landeskirche und die übrigen kirchlichen Genossenschaften
ordnen ihre Kultusverhältnisse selbständig unter Oberaufsiclrt des
Staates.

Die Organisation der ersteren mit Ausschluss jedes Gewissenszwanges
bestimmt das Gesetz.

Art. 64 Abs. i, 2 und 3 lautet :

Die Kirchgemeinden wählen ihre Geistlichen und die Schulgemeinden die
Lehrer an ihren Schulen aus der Zahl der Wahlfähigen.

Der staat besoldet die Geistlichen und unter Mitbeteiligung der Gemeinden
die Lehrer im Sinne möglichster Ausgleichung und zeitgemässer Erhöhung der

Gehalte. Die Lehrer an der Volksschule und die Geistlichen

Autonomieider Landeskirche. N' 61. 485

der vom Staate unterstützten kirchlichen Genossenschaften unterliegen
alle sechs Jahre einer Bestätigungswahl u.s.W.

B. Das Gesetz betreffend die Organisation der evangelischen Landeskirche
des Kantons Zürich vom 26. Oktober 1902, welches an die Stelle des
früheren Gesetzes betreffend das Kirchenwesen des Kantons Zürich vom
20. August 1861 trat, erklärt in § 1 die evangelische Landeskirche des
Kantons als einen Teil der gesamten christlichen Kirche mit dem Zweck
der Erweckung und Erhaltung religiöser Gesinnung und sittlichen Lebens
ihrer Glieder nach Christi Lehre und Vorbild zum Heile der Einzelnen, zur
Erbauung der Gemeinden und zum Wohle des Volkes, welcher Zweck gemäss den
Grundsätzen des Protestantismus und entsprechend der verfassungsmässig
gewährleisteten Glaubensfreiheit zu erreichen gesucht werde. Die §§ 2
und 3 lauten : § 2 : Die Landeskirche steht bezüglich ihrer Organisation
unter der Gesetzgebung des Staates (Art. 63 der Staatsverfassung . .

Die Oberaufsicht des Staates wird durch den Kantonsrat ausgeübt. Die
Jahresberichte des Kirchenrates und die Protokolle über die Verhandlungen
der Kirchensynode sind dem Regierungsrate zuzustellen. Dieser erstattet
darüber Bericht an den Kantonsrat.

§ 3: Die Landeskirche ist innerhalb der Schranken dieses Gesetzes
berechtigt, die kirchlichen Angelegenheiten selbständig zu ordnen und
zu verwalten (Art. 63 der Staatsver'fassung).

Demgemäss hat die Synode eine Kirchenordnung zu erlassen (vgl. § 39 a und
c, §§ 7, 8, 14, 30, 46 Ziff. 9; 54, 57 11. 78), welche dem Regierungsrate
zur Prüfung ihrer Verfassungsund Gesetzmässigkeit vorzulegen ist.

Nach ; 4 bestreitet der Staat im allgemeinen die Leistungen für die
ökonomischen Bedürfnisse der Landeskirche, namentlich die Bescldungen der
Geistlichen. § 7 bezeichnet als Mitglied der Landeskirche jeden evangeli-

486 Sta-tacchi.

schen Einwohner des Kantons, der nicht. seinen Austritt genommen hat, und
§ 9 räumt das Stimmrecht in kirchlichen Angelegenheiten jedem Mitgliede
ein, das das 20. Altersjahr zurückgelegt hat und im Aktivhürgerrecht
nicht eingestellt ist (Art. 18 u. 50 der Staatsverfassung); vorbehalten
bleiben die Beschränkungen in § 40 des Gemeindegesetzes (Erfordernis
der Deposition der Ausweisschriften). Der Kanton ist nach dem Gesetz in
Kirchgemeinden eingeteilt, neben denen auch eine frauzösische Kirche
besteht. Der dritte Abschnitt handelt von den kirchlichen Behörden,
als welche die Gemeindekirchenpflege, die Bezirkskirchenpflege und
für den ganzen Kanton die Synode und der Kirchenrat genannt sind. Die
Gemeindekirchenpflege wird von der Kirchgemeinde bestellt; die Geistlichen
haben darin Sitz und beratende Stimme, sie können auch zu Mitgliedern,
nicht aber zu Präsidenten der Behörde gewählt werden (§ 24 Abs. 2). Die
in den Kantonsratswahlkreisen gewählte Synode hat n. a. die Kirchenordnung
aufzustellen und fünf Mitglieder des Kirchenrates zu wählen (è 39 litt. a
und b). Diesem, dem überdies zwei vom Kantonsrat bestellte Mitglieder
angehören und der im wesentlichen Vollziehungsund Vorberatungsbefugnisse
hat, steht

selbständig die Prüfung und Ordination der Pfarramts'

kandidaten zu, soweit erstere nicht nach interkantonalem Konkordate einer
anderen Behörde übertragen ist, ferner die Aufnahme fremder Geistlicher
in den Verband der zürcherisehen Geistlichkeit, die Erteilung des Rechts
zur Aushülfe im Pfarrdienst und die Wahl der Pfarrverweser, Pfarrhelfer
und Vikare (§ 46 Ziff. 8, 9 und 10) ; er übt auch die Oberaufsicht über
die kirchlichen Behörden und die Geistlichen aus (§ 46 Ziff. 12). Von
den letzteren handelt der vierte die §§ 51 bis 78 umfassende Abschnitt :
§ 54 lautet :

Die Kirchgemeinden Wählen ihre Pfarrer aus der Zahl der wahlfähigen
Geistlichen. Wahlfähig sind die ,nach den Vorschriften der Landeskirche
ordinierten oder

Autonomie der Landeskirche. N° 61. 487

gemäss Konkordatsbestimmungen oder durch Beschluss des Kirchenrates auf
Grund der Kirchenordnung als wälhbar anerkannten Geistlichen.

In § 55 wird der Art. 64 Abs. 3 KV inbezug auf die Amtsdauer der
Geistlichen wiederholt. § 56 regelt das Verfahren bei Erledigung einer
Pfarrstelle. § 57 umschreibt die kirchlichen Obliegenheitcn der Pfarrer
und § 58 setzt die Besoldungen fest. § 66 bestimmt : ,

im Falle der Suspension eines Geistlichen oder Bestellung eines
Vikariates im Sinne von § 47 (als durch den Kirchenrat verfügte
Disziplinarmassnahmen) setzt der Kirchenrat die aus dem Einkommen des
Geistlichen zu entrichtende Besoldung des Vikars bezw. den bezüglichen
Beitrag fest.

Ein suspendierter Geistlicher ist während der Dauer seiner Suspension
auf keine geistliche Amtsstelle wählbar.

Wird ein Geistlicher durch richterliches Urteil seines Amtes entsetzt
und für unfähig erklärt, ein geistliches Amt zu bekleiden, so ist er aus
der Liste des zürcherischen Ministeriums zu streichen. Der Kirchenrat
ist berechtigt,

} Geistliche in den Ruhestand zu versetzen, unter Vorbehalt

des Rekurses an den Regierungsrat (§ 68). zi-

C. Die durch das Kirchengesetz vorgesehene, von der Synode am 13. Februar
1905 erlassene und vom Regierungsrat unter einigen Vorbehalten am
22. Juni 1905 genehmigte Kirchenordnung verweist in § 18 für die Wahl der
Beamten und Angestellten der Kirchgemeinden auf das allgemeine Gesetz vom
7. Wintermonat 1869 betr. die Wahlen und die Entlassung der öffentlichen
Beamten und Angestellten, für die Pfarrwahlen auf die regierungsrätlich
genehmigte Verordnung des Kirchenrates vom 26. Februar 1903. Der vierte
Abschnitt betrifft die Geistlichen . Unter den allgemeinen Bestimmungen
wird zunächst die Prüfung und Ordination geregelt : gg 37 und 38 lauten :

§ 37. Wer an eine Pfarrstelle des Kantons Zürich .

488 _ Staatsrecht.

gewählt zu werden wünscht, hat sich über-die für das geistliche Amt
erforderlichen persönlichen Eigenschaften sowie über die vorgeschriebene
wissenschaftliche Bildung ' und über die praktische Befähigung
auszuweisen. Ersteres geschieht durch die vom Kirchenrate behufs
Zulassung zu den Prüfungen auszustellende Empfehlung, letzteres durch
die ordnungsgemäss vor der theologischen Konkordatshehörde abzulegenden
Prüfungen {Konkordat vom 19. Februar 1882; Reglement dazu vom 25. April
1898). '

§38. Kandidaten des Predigtamtes oder Geistliche, welche den
Konkordatsprüfungen entsprechende Examina bestanden haben, können vom
Kirchenrat auf Grund eines Kolloquiums (mündliche Prüfung) unter die im
Kanton Zürich wählbaren Geistlichen aufgenommen werden, vorausgesetzt,
dass sie Schweizerbürger sind und gute Zeugnisse über ihren Wandel
und eventuell auch über ihre bisherige pfarramtliche Berufstätigkeit
beibringen.

Kandidaten für das Pfarramt der französischen Kirchgemeinschaft in
Zürich haben kein Kolloquium zu bestehen, insofern sie im übrigen den
Wählbarkeitsanforderungen der Kirchenordnung entsprechen.

Auf Grundlage der vor schweizerischen Kirchenbehörden innerhalb
oder ausserhalb des Konkordatsgebietes abgelegten Prüfungen kann die
Wählbarkgit an zürcherischen Gemeinden zuerkannt werden, wenn sich der
betreffende Geistliche bereits in praktischer Wirksamkeit als tüchtig
erwiesen hat.

Nach § 39 folgt auf die Schlussprüfung die Ordination oder Einsegnung
zum geistlichen Amt, die von einem Mitglied des Kirchenrates vollzogen
und denjenigen Kandidaten erteilt Wird, welche der Kirchenrat zur
Konkordatsprüfung empfohlen hat (K.-0. § 37 n. Art; 7 des Konkordats},
ebenso den andern in den kantonalen Kirchendienst aufgenommenen
Geistlichen, sofern sie nicht bereits ordiniert sind, woran sich dann
das zu

Autonomie der Landeskirche. N° 61. 489

leistende ausschliesslich die kirchlichen Aufgaben betreffende -Gelübde
anschliesst. Unter dem Titel Wahl und Einsetzung bestimmt § 40:
Betreffend Wahl, Wählbarkeit-, Wahlverfahren, Bestätigungswahlen gelten
die Bestimmungen der §§ 54 bis 56 des Kirchengesetzes. Das V e r f a h
r e n bei den Pfarrwahlen wird durch die Verordnung vom 26. Februar 1903
geregelt. ' D. Nach dem Konkordat zwischen den Kantonen Zürich, Aargau,
Appenzell A.-Rh., Thurgau und Glarus betreffend gegenseitige Zulassung
evangelisch-reformierter Geistlicher in den Kirchendienst vom 19. Februar
1362, dem in der Folge auch noch Schaffhausen, St. Gallen, Basel-Stadt
und Basel-Land beigetreten sind, verpflichteten sich diese Kantone,
alle unter den vereinbarten Bestimmungen examiuierten Kandidaten in den
Kirchendienst zuzulassen. Es ist darin eine gemeinsame Prüfungshehörde
vorgesehen, die jeden Kandidaten zu den theologischen Prüfungen zulässt,
wenn er gewisse Bedingungen erfüllt, darunter eine Empfehlung der
kompetenten Kirchenhehörde des Kantons, in dem er seinen bleibenden
Wohnsitz hat und ein Zeugnis untadelhafter Sitten. Dem Kandidaten,
der die vorgesehenen Prü-

lungen in genügender Weise bestanden hat, wird von der

Prüfungshehörde ein Zeugnis der Vahlfähigkeit ausgestellt, und in dem
Kanton, der ihn zum Examen empfohlen hat, mit möglichster Beförderung
die Ordination erteilt, wodurch derselbe für den ganzen Umfang des
Konkordatsgebiets wahlfähig wird. Geistlichen, die von ausserhalb des
Konkordatsgebietes herkommen und in einem Kanton zum Kirchendienst
zugelassen worden sind, kommt damit die Wahlfähigkeit in den übrigen
Konkordatskantonen nicht zu.

E. Am 7. Januar 1914 hat der zürcherische Erziehungsrat ein Reglement über
theologische Fakultäteprüfungen an der Universität Zürich erlassen. Es
sieht in § 1 vor, dass Personen schweizerischer Herkunft,

die auf Grund der bestehenden Ordnungen und Vor-'

490 ss Staatsreeht.

schriften zu den offiziellen Prüfungen der Konkordatsbehörde nicht
zugelassen werden können (2.3. Damen) , _ sowie Ausländer, die in ihrer
Heimat zur Ablegung einer Prüfung keine Gelegenheit haben oder aus
besondern Gründen sich dazu nicht meldeten, sich einer solchen Prüfung
durch die theologische Fakultät unterziehen können. § 2 sagt : Das über
eine bestandene Prüfung auszustellende Zeugnis hat nicht die gleiche
Geltung wie ein Zeugnis einer staatlich eingesetzten Prüfungsbehörde und
verleiht insbesondere nicht die Anstellungsfähigkeit im Kirchendienst;
es enthält aber die Erklärung der Fakultät, dass der Geprüfte sich über
das Mass von Kenntnissen und praktischer Befähigung (mit Ausnahme von §
24) ausgewiesen habe, welche bei den Prüfungen der Konkordatshehörde
gefordert wird.

II. A. Art. 16 der Kantonsverfassung vom 18. April 1869 lässt die
bürgerliche Handlungsfähigkeit, das Stimmrecht und die Wählbarkeit zu
allen Aemtern gleichzeitig mit dem zurückgelegten 20. Altersjahre
beginnen. Durch Art. 17 sind die im Kanton niedergelassenen
Schweizerbürger in Ausübung aller politischen Rechte den Kantonsbürgern
gleichgestellt. Art. 18 bestimmt : Die Einstellung im Aktivbürgerrecht
und in der Wählbarkeit erfolgt :

1. mit dem Verlust der bürgerlichen Handlungsfähig-

keit; .

2. wegen entehrender Verbrechen oder Vergehen, durch gerichtliches Urteil;
'

3. infolge Konkurses, gleichviel ob durchgeführten oder wieder
aufgehohenen, jedoch nur in Fällen der Verschuldung und zwar durch
gerichtlichen Entscheid auf die Dauer von 1 bis 10 Jahren;

4. wegen dauernder Almosengenössigkeit und nur Während derselben. ,

B. -si In der Volksabstimmung vom 29. Januar 1911 wurde ein Absatz 2
zu Art. 16 angenommen, der lautet: Die Gesetzgebung hat zu bestimmen,
inwieweit bei der

Autonomie der Landeskirche. N° 61. 491

Besetzung öffentlicher Aemter das Stimmrecht und die Wählbarkeit auch
Schweizerbürgerinnen verliehen werden können.,

III. A. Im Auftrage der Kirchensynode schlug der Kirchenrat am 17. Februar
1915 dem Kantonsrat als Initiativbegehren in Form einer einfachen Anregung
vor, das Stimmrecht in kirchlichen Angelegenheiten und das Recht der
Wählbarkeit innerhalb der verfassungsmässigen Bestimmungen auch den
weiblichen schweizerischen Mitgliedern der Landeskirche einzuräumen,
welche das zwanzig-site Altersjahr zurückgelegt haben. Der Regierungsrat,
dem die Sache überwiesen wurde, beantragte in einer Weisung vom 15. Januar
1916, der Anregung durch Abänderung der §§ 9 und 33 des Kirchengesetzes
grundsätzlich unter Beschränkung auf die Einräumung des Wahl rechtes und
der Wählbarkeit für die Besetzung der kirchlichen öffentlichen Aemter
zu entsprechen. Immerhin sollte danach die Wählbarkeit zum Pfarramt
ausgeschlossen sein. Das Gesetz kam nicht zur Annahme und die Initiative
wurde von der Synode am 2. März 1921 vorläufig zurückgezogen.

B. In dem Entwurf zu einem Gesetz betreffend die

Wahlen und Abstimmungen (Antrag der Redaktions-

kommission vom 11. September 1916) ist in § 1gesagt, dass das Stimmrecht
nur männlichen Schweizerbürgern unter Vorbehalt von Bestimmungen anderer
Gesetze zustehe; die §§ 9 u. 10 bestimmen über die Wählbarkeit zu
öffentlichen Aemtern und in die Behörden: § 9: Wählbar zu öffentlichen
Aemtern und in die Behörden ist jeder Stimmberechtigte; die Erfüllung
besonderer gesetzlicher Erfordernisse und die in den §§ 11 bis 21
aufgeführten Beschränkungen bleiben vorbehalten. § 10 : Die Gemeinden
sind berechtigt, die Wählbarkeit von Schweizerbürgerinnen als Mitglieder
von Kirchen-, Schulund Armenbehörden zu beschliessen. Ebenso können in
die dem Regierungsrat beigegebenen Kommissionen Schweizerhürgerinnen
als stimmberechtigte Mit-

492 . Staatsrecht.

glieder gewählt werden. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen anderer
Gesetze, welche Schweizerbürge _ rinnen auch für andere Aemter als
wählbar erklären.

C. Infolge einer vom Kantonsrat am 22. Oktober 1917 angenommenen Motion
Greulich legte der Regierungsrat am 23. November 1918 einen Antrag
auf Ergänzung und Abänderung von Art. 11 Abs. 3 u. Art. 16 Abs. 2
der Verfassung vor, wonach durch die Gesetz gebung der Frau auch das
Stimmrecht (nicht nur Wahlrecht und W'ählbarkeit) sollte eingeräumt
werden können. Der Antrag wurde durch eine weitergehende Initiative Lang
überholt, die das Frauenstimmund Wahlrecht in weitgehendster Form in der
Verfassung festlegen wollte. Die Initiative ist vom Kantonsrat angenommen,
aber vom Volke verworfen werden. _

D. Inzwischen hatte der Kirchenrat am 9. September 1918 (mit 4 gegen
3 Stimmen) entschieden, dass auch weiblichen Kandidaten der Theologie
die Ordination erteilt werden könne. Gleichzeitig beschloss er, für
zwei Bewerberinnen, darunter Frl. Elise Pfister, die mit Erfolg die
Fakultätsprüfungen an der Universität Zürich bestanden hatten,von der
Abnahme eines Kolloquiums (§ 46 Ziff. 8 des Kirchengesetzes und § 38 der
Kirchenordnung) Umgang zu nehmen. Den beiden wurde dann die Ordination
erteilt und Frl. Pfister in der Folge mit der aushilfsweisen Seelsorge in,
der Kirchgemeinde Nenmünster betraut, was die Predigt in sich schliesst.

IV. A. Am 2. März 1921 fasste die Kirchensynode des Kantons Zürich
folgenden Beschluss:

]. Der Entscheid über die Frage, ob und unter welchen Umständen Frauen
zum unbeschränkten Pfarrdienst zuzulassen seien, hat auf dem Wege der
Revision der Kirchenordnung zu erfolgen.

2. Als neuer § 38 bis wird in die Kirchenordnung aufgenommen: Die
Bestimmungen des 538 und nach entsprechender Revision des Konkordates
vom 19. Februar 1862 aueh diejenigen des §37 gelten ebenfalls

Autonomie der Landeskirche. N° 61. 493

für unverheiratete Schweizerbürgerinnen. Weibliche Pfarrer haben im
Falle ihrer Verehelichung von der Pfarrstelle zurückzutreten.

3. Mitteilung des § 38 bis der Kirchenordnung an den Regierungsrat,
mit dem Ersuchen um Genehmigung desselben gemäss § 3 Abs. 2 des
Kirchengesetzes. ,

Es sollte damit der Frl. Pfister die Bahn geöffnet werden, um in der
Kirchgemeinde Neumünster zum Pfarrer gewählt zu Werden. Im Anschluss
daran entschied sich die Kirchgemeindeversammlnng Neumünster am 21. Juni
1921 mit grosser Mehrheit dahin, für die durch den Rücktritt des Pfarrer
Dr. Bolliger frei werdende Pfarrstelle eine Verweserei zu errichten unter
der Voraussetzung, dass Frl. E. Pfister als Verweserin abgeordnet werde,
und an den Kirchenrat ein entsprechendes Gesuch zu richten, um so die
Wahl der Genannten zum Pfarrer vorzubereiten.

B. Der Regierungsrat versagte indessen am 7. Mai 1921 der von der Synode
beschlossenen Ergänzung der Kirchenordnung seine Genehmigung. Die
Begründung lässt sich wie folgt zusammenfassen : Das zürcherische
Staatsrecht unterscheide zwischen Wählbarkeit und

AWahlbefähigung. Auf erstere bezögen sich die Art. 15 bis

1 8 der Verfassung. Besondere Wahlfähigkeitsbedingungen bestünden für die
Notare, die Lehrer und die Geistlichen. So gebrauche auch Art. 64 der
Verfassung den Ausdruck wahlfähig im Gegensatz zu der Wählbarkeit der
Art. 16 bis 18. Im gleichen Sinne sei in § 54 des Kirchengesetzes von
der Wahlfähigkeit die Rede. Nur diese, d. h. die besondere berufliche
Befähigung werde danach der Kirchenordnung überlassen. Daneben galten
für die Pfarrer die allgemeinen Wählbarkeitserfordernisse der Art. 16
bis 18 der Verfassung. Unter den Aemtem im Sinne dieser Artikel sei
auch das Pfarramt zu verstehen ; der Ausdruck nmfasse regelmässig die
durch Volkswahl zu besetzenden Stellen. Das ergehe sieh auch daraus,
dass die Gesetzgebung die Organisation der Pfarrstellen, die

494 ss Statement.

Aufgaben der Pfarrer und ihre Besoldungsverhältnisse regle. Die
geschichtliche Betrachtung unterstütze diese Auffassung. Sei aber
das Pfarramt ein Amt im Sinne der . Art. 16 bis 18 der Verfassung, so
könne die Wählbarkeit der Frauen dazu nur auf dem Wege der Gesetzgebung
eingeführt werden. Es möge dahingestellt bleiben, ob zu einer Zeit,
da Art. 16 Abs. 2 der Verfassung noch nicht bestand, die Zulassung
von Lehrerinnen auf dem Interpretationswege staatsrechtlich richtig
war. Ein allfälliger Mangel wäre auf alle Fälle längst durch nachfolgende
Volksabstimmungen gehoben. Daraus einen bindenden Schluss auf die
Wählbarkeit der Frauen zum Pfarramt zu ziehen, wäre unzulässig. Bis
jetzt sei man immer davon ausgegangen, dass ohne eine Gesetzesänderung
eine Ausdehnung der Wählbarkeit der Frauen zum Pfarramt nicht denkbar
sei. Das in Vorbereitung befindliche neue Waldgesetz werde Gelegenheit
geben, die Frage auf diesem Wege zum Entscheide zu bringen. Selbst wenn
man aber annehmen wollte, die Art. IS bis 18 der Verfassung galten für
die Pfarrer nicht und § 54 des Kirchengesetzes übertrage die Regelung der
Wählbarkeit der Pfarrer der Kirchenordnung, so könne dies doch nicht als
Generalvollmacht zur Aufstellung eines besonderen kirchlichen 'Wahlreehts
aufgefasst und es dürften daraufhin nicht Bestimmungen aufgestellt
werden, die nach den allgemeinen staatsrechtlichen GrundSätzen nur
auf dem Wege der Gesetzgebung erlassen werden könnten. Dazu gehöre
namentlich der Rücktrittszwang im Falle der Verehelichung. Auch bei
der Lehrerin habe man diese Frage als der Gesetzgebung vorbehalten
betrachtet. Ein anderes Vorgehen beim weiblichen Pfarrer könne aus der
kirchlichen Autonomie nicht hergeleitet werden. Diese umfasse nur die
rein kirchlichen Angelegenheiten, wozu das Wahlrecht nicht gehörte. Die
kirchliche Autonomie könnte sich auch nur zur Abgrenzung der kirchlichen
Angelegenheiten gegenüber den weltlichen verwenden lassen, nicht aber

Autonomie der Landeskirche. N° 61. 495

zur Kompetenzabgrenzung zwischen dem gesetzgebendenVolk und seinen
Organen.

V. Gegenden Beschluss des Regierungsrates hat Rechtsanwalt
Dr. Kuhn in Zürich in eigenem Namen und im Namen der Kirchgemeinde
Neumünster,-f der dortigen Kirchenpflege, des Vereins freisinniger
Kirchgenossen von Neumünster, einer grössern Anzahl Stimmberechtigter
der Kirchgemeinde und der Frl. Vikarin Elise Pfister, staatsrechtliche
Beschwerde-beim Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, es sei derselbe
als verfassungswidrig aufzuheben und die von der. Kirchensynode
beschlossene Ergänzung der Kirchenordnung durch einen neuen g 38 bis als
verfassungsmässig zu erklären. Als Beschwerdegründe werden Verletzung von
Art. 16 bis 18 KV, der durch Art. 63 ebenda gewahr-Z leisteten Autonomie
der Landeskirrhe, Rechtsverweigerung liegend in der willkürlichen
Anwendung und Auslegung der ersterwähnten Verfassungsvorschriften sowie
Verstoss gegen die formelle Rechtsgleichheit geltend gemacht. Der letztere
soll darin liegen, dass im Kanton Zürich seit langem, auf Grund einer
im Jahre 1875 vom Regierungsrat dem Erziehungsrat erteilten

jErmächtigungweibliche Perser en zum Schuldienst

patentiert würden, für den Kirchendienst dagegen die Zulassung
verweigert werde, obwohl die Funktionen der Lehrer und Pfarrer inhaltlich
gleichartige seien und die Stellung beider Kategorien von Ange stellten
deshalb auch im gleichen Titel der Verfassung zusammenfassend und in
gleicher Weise umschrieben werde. -

VI. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat die Abweisung der
Beschwerde beantragt und dabei zum. eben erwähnten Punkte bemerkt,. dass
hinsichtlich. der Lehrerinnen im Unterschied zu den weiblichen Pfarrern
die durch Art. 16 Abs. 2 KV geforderte gesetzliche Grundlage heute
insofern vorhanden sei, als ,die Stimmberechtigten die ursprünglich auf
dem Inter-_

AS 4? I 1921 33

496 ss Staatsreeht.

pretatiortswege'; ; erfolgte Zulassung seither durch die Annahme
verschiedener Gesetzesvorlagen, welche neben _ den Lehrern auch die
Lehrerinnen erwähnen, wenigstens indirekt gebilligt hätten. Auch habe
zur Zeit jenes Interpretationsheschlusses die Schranke des Art. 16 Abs;
2 KV noch nicht bestanden, ganz abgesehen davon,idass die Auffassung
des Regierungsrates der 70ger

Jahre die Behörde in ihrer heutigen Zusammensetzung si

· nicht binde. Dazu komme, dass die Verwendung weiblicher-' Personen
im Lehrdienste im Gegensatze zum Kirchendienste, wo sie eine Neuerung
darstelle, das Ergebnis einer langen Entwicklung sei, indem schon vor
,der Annahme der Verfassung von 1869, seit dem 18. Jahrhundert in der
Stadt Zürichan den MädchenPrimarschule'n Lehrerinnen tätig gewesen
seien und auf diesen Zustand in § 260 des Unterrichtsgesetzes von 1860
ausdrücklich Rücksicht genommen werden sei.

Im übrigen ist die Begründung der Beschwerde und der Antwort sowie der
von den Parteien erstatteten Replik und Duplik, soweit nötig, aus den
nachfolgenden Erwägungen ersichtlich.

'Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

' 1. Den Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildet die
Weigerung des zürcherischen Regierungsrates, dem von der Synode der
evangelischen Landeskirche des Kantons Zürich aufgestellten neuen §
36 bis der Kirchenordnung, der Schweizerbürgerinnen zur Bekleidung des
zürcherischen Pfarramtes als fähig erklärt, die staatliche Genehmigung
zu erteilen. Der Regierungsrat stützt sich für seine ablehnende Haltung
darauf, dass das Pfarramt zu den öffentlichen Aemtern im Sinne der
Art. 16 bis 18 KV gehöre, nach diesen Vorschriften das aktive und passive
Wahlrecht zu solchen Aemtern als Bestandteil des nur Männern zustehenden
Aktivhiirgerrechts erscheineund Art. 16 Abs. 2 KV es der Gesetzgebung
vorbehalte zu bestimmen, inwieweit dieAutonomie der Landeskirche. N°
61. es?

Frauen dazu zuzulassen seien, jedenfalls aber der Rücktrittszwang
infolge Verheiratung nicht im Wege der Verordnung aufgestellt
werden könne. Demgegenüber bestreiten die Rekurrentcn nicht,
dass die Aktivbürgerschait nach Art. 16'bis 18 KV, obwohl es darin
nicht. ausdrücklich gesagt ist, nur die männlichen Staatsangehörigen
umfasst und sich demnach auch Wahlrecht und Wählharkeit zu den
eigentlichen Aemtern , gesetzliche Ausnahmen vorbehalten, auf jene
beschränken. Ebenso wenden sie angesichts der Praxis des Bundesgerichts
(AS 13 S. 1 if.) mit Recht nicht etwa ein, dass diese verschiedene
Behandlung der Geschlechter, hinsichtlich des Rechtes zur Betätigung im
öffentlichen Leben, schon an sich gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV verstosse. Vielmehr ist
ihr Standpunkt der, dass die fraglichen Verfassungsvorschriften überhaupt
für die Pfarrer nicht gelten, weil diese sowenig wie die Lehrer Beamte im
Sinne der Art. 16 bis 18 seien : nach der verfassungsrechtlichen Stellung
der evangelischen Landeskirche und nach § 54 des Kirchengesetzes sei
die Ordnung der Wählbarkeit zum Pfarramt als eine interne Angelegenheit

,der Kirche zu betrachten, die in der Kirchenordnung

zu regeln sei : die Synode habe deshalb auch die heute streitige
Ausdehnung der Wählbarkeit auf Schweizerhürgerinnen autonom
beschliessen können, ohne dass gegenüber dieser Satzung ein staatliche-s
Interventionsrecht bestehe.

2. Nach § 3 Abs. 2 des Kirchengesetzes war der Beschluss der Synode vom
Regierungsrat auf seine Verfassungsund Gesetzmässigkeit zu prüfen. Das
Schicksal des Rekurses hängt demnach nicht, wie die Replik meint,
davon ab, ob die Synode damit offensichtlich gegen Verfassung und Gesetz
verstossen, sondern ob der Regierungsrat, indem er die Zustimmung zu ihrem
Vorgehen versagte, die Grenzen der ihm gegenüber dieser Körperschaft
zustehenden Aufsichtsgewalt in verfassungswidriger Weise überschritten
habe.

498 . Staats-recht.

Hiebei kann es sich für das Bundesgericht nicht darum handeln, die
Ansicht des angefochtenen Entscheides über die Bedeutung und Tragweite der
Art. 16 bis 18 KV frei auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Seine Kognition
geht vielmehr nur darauf, ob eine willkürliche oder rechtsungleiche
Auslegung und Anwendung der gedachten Vorschriften vorliege. Denn die
Rekurrenten selbst rufen dieselben ja nicht etwa in dem Sinne an, dass
darin die Wählbarkeit auch der Frauen zum Pfarramt gewährleistet wäre,
sondern behaupten nur, dass sie deren Einführung durch autonome Satzung
der Kirche nicht entgegenstehen. Vorschriften der Kantonsverfassung,
welche ohne ein individuelles Recht zu Gunsten gewisser Personenklassen
nach bestimmter Richtung zu statuiereri, lediglich objektive Rechtsnormen
für die'Ordnung eines Lebensverhältnisses enthalten, nehmen aber,
was die Kompetenz des Bundesgerichts zur Ueberpriifung ihrer Anwendung
und Auslegung betrifft, keine andere Stellung ein als das gewöhnliche
Gesetzesrecht. Es kann deshalb gegenüber ihrer Verletzung durch die
kantonalen Behörden nur der beschränkte Schutz aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV gegen
willkürliche und ungleiche Behandlung in Betracht kommen.

Eine weitergehende Kognition lässt sich hier auch aus dem von den
Rekurrenten ferner angerufenen Art. 63 KV nicht herleiten. Er ,erklärt
die Organisation der Landeskirche ausdrücklich als sache der Gesetzgebung.
Nur in der Ordnung der Kultusverhältnisse soll gleich den übrigen nicht
staatlich organisierten kirchlichen Genossenschaften auch die Landeskirche
selbständig sein, wobei aber immerhin das Oberauf-sichtsreeht des Staates
vorbehalten wird. Die Entscheidung darüber, ob ein Beschluss des obersten

Organs der Landeskirche, der Synode eine rein kirch'ss

liche Angelegenheit im erwähnten Sinne betreffe, muss aber
notwendigerweise in letzter Linie der staatlichen Behörde zukommen,
die gegenüber den kirchlichen

Autonomie der Landeskirche. N° 61. 499

Organen das Interesse des Staates und seine Rechts; ordnung wahrzunehmen
hat. Um Uebergriffe jener Organe in das Gebiet des staatlichen Rechtes
zu ver-

hüten, ist durch den bereits erwähnten und in seiner Rechtsbeständigkeit
nicht angefochtenen § 3 Abs. 2 des Kirchengesetzes die Pflicht der Synode,
ihre Beschlüsse dem Regierungsrat zur Genehmigung vorzu-legen, und das
Recht des letzteren, sie auf ihre Uebereinstimmnng mit Verfassung und
Gesetz nachzuprüfen, vorgesehen worden. Das Bundesgericht hat aber
von jeher erklärt, dass in solchen Fällen, selbst wo die Anwendung
individuelle öffentliche Rechte begründender Verfassungsvorschritten
(wie der gewissen innert des Staates bestehenden öffentlichrechtlichen
Verbänden gewährleisteten Befugnis zu autonomer Ordnung ihrer
Angelegenheiten) in Frage steht, auf die Ansicht derjenigen kantonalen
Behörde, welche nach dem kantonalen Staatsrecht in letzter Instanz zur
Lösung der daraus entstehenden Konflikte berufen ist, ein besonderes
Gewicht zu legen und davon nicht ohne Not, sondern nur dann abzuweichen
sei, wenn sich dieselbe als zweifellos umsichtig darstellt (AS 40 I
S. 399-400; 25 I S. 470-471 Erw. 3 und die hier angeführten früheren
Urteile). Steht die Auslegung der Art. 63 Abs. 3 u. 4 KV selbst hier
dem Bundesgericht infolgedessen nur in diesem Umfange zu, so kann aber
selbstverständlich auch die Frage, ob die vom Regierungsrat aus anderen
Verfassungsnormen, nämlich den Art. 16 bis 18 KV zur Unterstützung
seines Entscheides gezogenen Schlüsse mit der ersterwähnten Vorschrift
verträglich seien, nicht in weiterem Umfange untersucht werden. Im übrigen
ist klar, dass wenn diesen anderen Normen nach ihrer Fassung und ihrem
Inhalt eine allgemeine, auch die Besetzung öffentlicher Stellen von
der Art der kirchlichen Aemter umfassende Bedeutung beigemessen werden
muss und darf, dagegen nicht unter Berufung auf die verfassungsmässige
Autonomie der Kirche

500 ' Staatsrecht.

angekämpft werden kann, da diese dann eben durch dieselbe Rechtsquelle,
nämlich die Verfassung Selbst von vorneherein als in entsprechendem
Sinne beschränkt erscheint. Richtig betrachtet behauptet ,zudem der
Rekurs selbst gar nicht ernstlich, dass die Frage der Wählbarkeit zum
Pfarramt schon nach der Verfassung Art. 63 Abs. 3 und-4 als eine der
inneren kirchlichen Ordnung überlasse-ne gelten müsse. Rechnet doch auch
die Rekursschrift auf S. 16 zu den durch die Gesetz-' gebung zu los-enden
Organisationsfragen im Sinne von Art. 63 Abs. 4 KV neben der {Umschreibung
der Zugehörigkeit zur Landeskirche, der Bezeichnung der Kirchgemeinden,
Bestimmung von Zusammensetzung und Wirkungskreis der kirchlichen Behörden
auch die Ordnung des Pfarramtes ; Wenn in Uebereinstimmung damit das
Kirchengesetz von 1902'tatsächlich nicht bloss die Besoldungsverhältnisse
der Pfarrer, sondern auch die Zahl und Art der Besetzung der Pfarrämter,
die den *Pfarrern obliegenden kirchlichen Aufgaben und den Umfang
ihrer Rechte und Pflichten von Staatswegen bestimmt hat, ohne dass die
Rekurrenten dem staatlichen Gesetzgeber die Zuständigkeit hiezu bestreiten
und die Giltigkeit der betreffenden Vorschriften bezweifeln würden so ist
aber nicht ersichtlich, weshalb hinsichtlich der Wählbarkeitsbedingungen,
die doch sachlich zweifellos ebenfalls einen Teil jener Ordnung des Amtes
bilden, der Wille der Verfassung ein anderer gewesen sein sollte. Art. 64
Abs. 3 KV greift denn schon selbst auch in dieses Gebiet ein, indem er
die Wirkung der erfolgten Wahl auf sechs Jahre beschränkt und damit
eine Anstellung auf längere Zeit ausschliesst. Was geltend gemacht
wird, ist vielmehr im Grunde nur (vgl. S. 18 der Rekursschrift), dass
gesetzt es wäre die Normierung der Wählbarkeitsbedingungen nicht schon
von Verfassungswegen eine innere kirchliche Angelegenheit, sie doch
jedenfalls durch das Ausführungs(Kirchen-) gesetz von :*

Autonomie der Landeskirche. 2 33 Bi. sei

1902 in g 54 dazu gemacht werden sei _. indem der darin verwendete
Ausdruck Wahlfähigkeit nach deerassung und dem Zusammenhang der
Bestimmung auf alle Erfordernisse ,der W'ählbarkeit bezogen werden
müsse und nicht nur das eine Erfordernis des besonderen beruflichen
Befähigungsausweises im Auge haben könne. Eine falsche Auffassung des
Regierungsrates über die Bedeutung. einer nicht in der KantonSverfassung,
sondern bloss in ,einem Gesetze enthaltenen Kompetenzdelegationkann
aber auch nicht die Kantonsverfassung, sondern nur das Gesetz verletzen,
dessen Anwendung und Auslegung eben der Nachprüfung des Bundesgerichts
bloss im. Rahmen des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV untersteht.

3. Der Anspruch auf Schutz gegen willkürliche und ungleiche Behandlung
nach Massgabe dieser Vorschrift, der nach dem Gesagten allein hier
in Betracht fällt, steht nur demjenigen zu, der durch eine kantonale
Verfügung oder einen kantonalen Erlass persönlich in seinen Rechten oder
rechtlich geschützten Interessen betroffen wird. Die Zugehörigkeit zur
Staatsgemeinschaft und das allgemeine staatsbürgerliche Interesse an der
Beseitigung eines behördlichen Erlasses oder einer Verfügung genügen
zur Erhebung des staatsrechtlichen Rekurses nicht. Zur Geltendmachung
solcher Interessen dienen die politischen Rechte der Bürger. Von
diesem Gesichtspunkte aus ist es sehr zweifelhaft, ob der Kirchenpflege
Neumünster, dem Verein freisinniger Kirchgenossen von Neumünster und den
einzelnen Stimmberechtigten der Kirchgemeinde, welche rekurriert haben,
die Legitimation zur Beschwerdeführung zuerkannt werden könnte. Die Frage
braucht indessen deshalb nicht gelöst zu werden, weil jedenfalls diese
Befugnis der Mitrekurrentin Frl. Pfister nicht abgesprochen werden
kann. Infolge ihrer rnitder Ordination verbundenen Aufnahme in den
zürcherischen Kirchendienst ,ist sie an der Genehmigung

502 Staatsrecht.

des Beschlusses der Synode und der Aufhebung des die Genehmigung
versagenden Beschlusses des Regie-rnngsrats nicht nur ir der oben
erwähnten Eigenschaft, sondern auch persönlich interessiert und muss
sich deshalb gegen den in dir Verweigerung der Genehmigung liegenden
Eingriff in ihre Interessen, soweit er der Ausfluss einer ungleichen
und willkürlichen Anwendung des massgebenden objektiven Rechts ist,
zur Wehre setzen können.

4. Fragt sich demnach zunächst, ob die Annahme des Regierungsrates,
dass die materiellen Wählbarkeitsbedingungen der Art. 16 bis 18 KV auch
für die Pfarrer gelten und der kirchlichen Ordnung nur die Regelung der
besonderen beruflichen Erfordernisse zustehe, einen solchen Verstoss
gegen klares Recht enthalte, so ist dies zu verneinen. Die Pfarrer
werden in der Zürcherisehen Gesetzessprache bald unter die Beamten
einbezogen, bald werden sie mit den Lehrern neben diesen aufgeführt. So
reiht § 1 des bald nach der Verfassung erlassenen Gesetzes betr." die
Wahlen und die Entlassung der Beamten und öffentlichen Angestellten die
Geistlichen wie die Lehrer unter _die Beamten, ebenso die Ueberschrift
des Abschnittes 5 über die Entlassung, während sie in § 2, der von
den Gemeindewahlen handelt, und in § 6 neben den Gemeindebehörden und
Gemeindebeamten genannt sind. Der Schluss, welchen die Rekurrenten aus
den beiden letzteren Bestimmungen auf die Verneinung der Beamtenqualität
ziehen wollen, ist demnach keinesfalls zwingend. Ebensowenig freilich
die Folgerung des Regierungsrats, es gälten die allgemeinen Bestimmungen
der Art. 16 bis 18 der Verfassung für die Pfarrer deshalb, weil § 54 des
Kirchengesetzes, der von den Pfarrwahlen handelt, von Wahlfähigkeit,
nicht von W'ählbarkeit spreche, und weil ersterer Ausdruck sich nur
auf die besonderen beruflichen Bedingungen der Fähigkeit zum Pfarramt
beziehe ; der Ausdruck wahlfähig in § 54 des Kirchen-

... ;;]... ,....

Autonomie der Landeskirche. N° 61. 503

gesetzes ist offensichtlich aus Art. 64 der Verfassung übernommen, und es
kann nicht gesagt werden, der Begriff bedeute-etwas anderes, als derjenige
der Wählbarkeit, zumal da 554 selbst zum Schlusse das Wort wählbar im
gleichen Sinne braucht. Der blosse Wortlaut der Bestimmung lässt ebensogut
die Auffassung zu, das Kirchengesetz wolle, wenn es die Wahlfähigkeit
der Pfarrer ordnet, alle Bedingungen der Wählbarkeit festsetzen, sodass
demnach dafür in der Tat einzig die Vorschriften der Kirchenordnung und
des Konkordates über die gegenseitige Zulassung von Geistlichen massgebend
wären. Aber auch das ergibt sich nicht notwendig aus den gebrauchten
Wendungen. Die Rekurrenten sehen sich denn auch selbst veranlasst,
die tatsächlich durch die Kirchenordnung über die Wahlfähigkeit der
Pfarrer aufgestellten Bestimmungen zu Hülle zu nehmen, um darzutun,
dass im Sinne des Kirchengesetzes alle Wählbarkeitsbedingungen der
kirchlichen Ordnung vorbehalten seien. Aber § 37 der Kirchenordnung
spricht nur von den für das geistliche Amt erforderlichen persönlichen
Eigenschaften und dem Ausweis über die Befähigung. Daneben haben andere
aus einer anderen Quelle geschöpfte staatsbürgerliche Erfordernisse,
wie die Staatsangehörigkeit u. s. w. wohl Raum. Allerdings ist dann in §
38 das Schweizerbürgerrecht als Bedingung der Zulassung gefordert; aber
die Bestimmung handelt nur von der Zulassung solcher Kandidaten, welche
nicht die Konkordatspriifung sondern bloss ein anderes Examen abgelegt
haben, auf Grund besonderen Beschlusses des Kirchenrates, und statt zu
schliessen, wie es die Rekurrenten tun, das Erfordernis gelte deshalb,
weil es in g 38 aufgestellt ist, auch für die Kandidaten, die unter g
37 fallen, liegt es ebenso nahe anzunehmen, -- mit dem Regierungsrat,
es ergehe sich aus einer andern, ausserhalb der Kirchenordnung stehenden
Quelle, als welche nur die allgemeinen Ver-

504 Staatsrecht.

fassungsbestimmungen über die Vählbarkeit zu einem Amt oder allenfalls
andere allgemeine staatsoder kir-

_ chenrechtliche Normen in Betracht fallen können. Er;--

gibt sich so aus dem Wortlaut der von der VVählbarkeit der Beamten und
der Pfarrer handelnden Bestimmungen der Verfassung und der Gesetze keine
sichere Lösung der Frage, ob die Wählbarkeitsbedingungen der Art. 16 bis
18 KV auch für die Bekleidung des Pfarramtes gelten, so lassen sich auch
für jede der beiden Lösungen Erwägungen allgemeiner Art anführen. Den
Rekurrenten ist zuzugeben, dass nach der Struktur der Verfassung die
fraglichen Bestimmungen vorab das aktive und passive Wahlrecht für
die Staatsämter

sssi im engem Sinne, denen die Ausübung der eigentlichen

obrigkeitlichen Befugnisse zusteht, im Auge hatten. Dazu gehört das
Pfarramt nicht, sowenig wie das Lehramt. Es handelt , sich hier um
allgemeine Kultur-aufgaben, deren sich der Staat zwar annimmt und
die er regelt, die aber nicht zu. den wesentlichen Staatsaufgaben
gehören. Insbesondere hat die Kirche einen selbständigen Zweck, denjenigen
der Pflege und Sorge für die religiösen Bedürfnisse einer Gemeinschaft,
der an sich nicht an eine staatliche Organisation gebunden ist. Der
Pfarrer ist in der evangelischen Kirche das Organ, das in erster Linie
diesem Zwecke dient und zwar nnerhalb der Gemeinde und für diese. Das
Amt bestand schon vor den meisten eigentlichen Staatsämtern und bevor
den Gemeindegenossen die Wahl übertragen war. Auch nachher lag keine
Notwendigkeit vor, die Wahlfähigkeit von dem Besitz des Aktivbürgerrechts
abhängig zu machen. Zur richtigen Erfüllung der Aufgabe ist an sich nicht
einmal die Staatsangehörigkeit erforderlich, sowenig wie der Wohnsitz in
der Gemeinde Letzteres Erfordernis ist auch in Zürich durch das Konkordat
von 1862 positiv beseitigt. Auf der andern Seite erfordert das Pfarramt
besondere Berufung und Eignung in ganz anderem Masse als die gewöhnlichen

Autonomie dersissLsiandeskiL-che. N° 61. 595

Staatsämter. Dies alles, in Verbindung mit der Tatsache, dass in den
Art. 16 bis 18 der Verfassung auf solche besondere Erfordernisse nicht
hingewiesen ist, lässt sich dafür anführen, dass das Pfarramt nicht-zu den
Aemtern im Sinne von Art. 16 gehört, woraus dann folgen würde, dass die
genannten Verfassungsbestimmungen der Zulassung der Frauen zum Pfarramt
nicht entgegenstehen. So ist denn auch früher für die verwandte Tätigkeit
des Lehrers vom Regierungsrat selbst die nämliche Auffassung vertreten
worden. Allein auch für die abweichende Ansicht, welche die Behörde heute
zur Begründung der Nichtgenehmigung des Beschlusses der Kirchensynode
verfieht, lassen sich Gründe anführen. In ihrer äussern Erscheinung
und Wirksamkeit ist die zürcherische evangelische Landes,_ kirche
eine Schöpfung des Staates. Sie ist territorial und nach dem Bestande
beschränkt auf das KantonsÎ} gebiet und die Kantonsangehörigen. Der
Staat regelt s die Einteilung des Gebiets, er bestimmt die Aemter,
denen die Besorgung. und'Verwaltung kirchlicher Angelegenheiten zusteht,
auch soweit sie rein kirchliche Aufgaben haben, und ordnet ihre Rechte
und Pflichten. An anderer Stelle ist bereits festgestellt werden, dass
letzteres insbesondere auch vom Pfarramt gilt. Diese Tatsachen können
aber wohl dazu führen, dass auch , es als staatliches Amt angesehen und
die Wählbarkeit Ldazu von den für solche aufgestellten Erfordernissen ss
abhängig gemacht wird. Dafür spricht seit der Einführung der. Volkswahl
zudem der Zusammenhang von aktivem und passive-m Wahlrecht, indem doch in
der Regel die Wählbarkeit von dem Besitz der.persönlichen Eigenschaften
abhängt, die das aktive Wahlrecht bedingen, und kein genügender Grund
ersichtlich ist, für die Pfarrer eine Ausnahme zu machen, die sich
für Lehrer viel eher rechtfertigen lässt. Das Pfarramt hat eben im
landeskirchlichen System zwei Seiten, eine innere, indem der Pfarrer
als Diener derKirche

.

506 si Staatsrecht.

nach ihrer Ordnung und Satzung für das religiöse Bedürfnis ihrer
Angehörigen sorgt, und eine äussere, indem er durch die Seelsorge
gleichzeitig eine staatliche Pflicht erfüllt. Wenn bei dieser Sachlage die
Staatsbehörde, die zu entscheiden hatte, ob die Wählbarkeitsbedingungen
der Art. 16 bis 18 der Verfassung auch für Pfarrer gelten, die Frage
in letzterem Sinne löste, so kann darin eine Willkür nicht erblickt
werden. Damit fällt aber nach dem oben Gesagten auch der Vorwurf eines
Eingriffes des Regierungsrates in die durch Art. 63 gewährleistete
Autonomie der Landeskirche ohne weiteres als unbegründet dahin.

5. Wollte man aber auch in dem gedachten Punkte grundsätzlich anderer
Meinung sein, so kann es doch jedenfalls nicht als verfassungswidrig
bezeichnet werden, dass der Regierungsrat die heute im Streite
liegende spezielle Frage der Wählbarkeit von Frauen als eine durch die
staatliche Gesetzgebung zu lösende erklärte. Die Wählbarkeit der Frauen zu
öffentlichen Aemtern und Stellen ist eine Bedingung besonderer Art. Sie
ist überall, und so auch im Kanton Zürich von jeher in Verbindung mit
der Frage des aktiven Stimmund Wahlrechts der Frauen gebracht worden.
Um der Anteilnahme der Frauen am öffentlichen Leben auf kantonalem
Boden die Bahn zu öffnen, wurde vom Kantonsrat im Jahre 1911 dem Volke
die Verfassungsbestimmung von Art. 16 Abs. 2 vorgelegt und von diesem
angenommen, wonach die Gesetzgebung zu bestimmen hat, inwieweit bei der
Besetzung öffentlicher Aemter das Stimmrecht und die Wählbarkeit auch
sehweizerbürgerinnen verliehen werden kann. Damit wurde einerseits eine
Schranke beseitigt, die bisher den Frauen die Teilnahme am öffentlichen
Leben verwehrt hatte, und es wurde die Möglichkeit geschaffen, dass
sie zum aktiven und passiven Wahlrecht zugelassen werden konnten. Neben
dieser, die Gleichstellung der Geschlechter im öffentlichen Leben be--

Autonomie der Landeskirche. N° 61. 507

günstigenden Wirkung will die Bestimmung aber anderseits die
staatsrechtliche Form festsetzen, in der die Zulassung vor sich
gehen soll. Und zwar weist sie die Frage der Gesetzgebung zu, womit
der Volksgesamtheit ein Mitspracherecht dabei eingeräumt ist, ob und
in welchem Umfange die aktive und die passive Wählbarkeit der Frau
einzuführen sei. Der Bericht des Regierungsrates zu der Verfassungsnovelle
von 1911 spricht dies mit den Worten aus: Es muss sich daher vor allem
einmal darum handeln, das Prinzip der Zulassung der Frauen zur Mitarbeit
bei der Gesetzgebung und öffentlichen Verwaltung verfassungsmässig
anznerkennen. Sache der Gesetzgebung ist es dann das Mass der
praktischen Ausführung des Grundsatzes zu bestimmen. Auch bei Annahme des
vorgeschlagenen Verfassungsartikels ,wird es demzufolge das Volk jederzeit
in der Hand haben, zu entscheiden, in welchem Umfange es die Tätigkeit
der Frauen in seinen Parlamenten und Behörden wünscht. Nach den oben
angestellten allgemeinen Betrachtungen und der Ent-stehungsgeschichte
dieser Vorschrift kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass jedenfalls
sie für das ganze Gebiet des kantonalen öffentlichen Rechts mit Einschluss
des staatlichen Kirchenrechts gilt. Auch die landeskirchlichen Aemter
sollen nach der neuen Verfassungsbestimmung den Frauen offen stehen,
wenn und soweit die Gesetzgebung dies zulässt. Dazu gehört vorab das
Pfarramt. Wie die übrigen Aemter der Landeskirche. wird es durch Wahl
besetzt, erhält es seine rechtliche Gestaltung durch die staatliche
Ordnung. Ob Frauen zuzulassen seien, ist eine staatspolitische Frage,
die hier sogar von erheblich grösserer Wichtigkeit ist als bei den
Verwaltungsämtern. In Hinsicht auf diese Frage ist es daher jedenfalls
als öffentliches Amt im Sinne der Bestimmung in Art. 16 Abs. 2 der
Verfassung anzusehen. Auch wenn anzunehmen wäre, die Wählbarkeit der
Frauen zum Pfarr--

568 ss Staatsreeht.

amt sei bisher durch die Kirchenordnung, nicht durch die Verfassung
ausgeschlossen gewesen, so ist es nunmehr Sache der staatlichen
Gesetzgebung, die Wähl' barkeit einzuführen. Dabei stünde wohl
nichts entgegen, dass das Gesetz die Kompetenz dazu den kirchlichen
Behörden delegieren würde. Es bedürfte dazu aber einer besonderen
neuen gesetzlichen Vorschrift. Das Kirchengeseîz, das in § 54 die
Vählbarkeitshedingungen der Pfarrer der Kirchenordnung zuweist, ist zu
einer Zeit entstanden, da von einer Zulassung der Frauen zum Pfarramt,
die wenigstens für schweizerische Verhältnisse eine durchaus neue
Tendenz darstellt, noch keine Rede war. Selbst wenn man daher die darin
enthaltene Ermächtigung nicht nur auf die berufliche Befähigung, sondern
auch auf die sonstigen Voraussetzungen der Wählbarkeit bezieht, so kann
sie doch nicht auf die Frage der Zulassung der Frauen erstreckt werden,
an die man damals nicht dachte und für die eine solche Ermächtigung
gewiss nicht irteilt worden wäre. Von dieser Auffassung sind denn auch,
wie aus Fakt. Ill obenhervorgeht, bisher alle Teile, bis zum streitigen
Beschlusse vom 2. März 1921 auch die Kirchensynode ausgegangen.

"6. Wenn 'die Rekurrenten demgegenüber auf die abweichende Behandlung
der Lehrerinen verweisen, so ist einmal festzustellen, dass hier die
Rechtslage von'vorneherein insofern eine 'andere war, als schon vor der
Verfassung von 1869 die Verwendung weiblicher Lehrkräfte wenigstens in der
Stadt Zürich üblich und für das Gebiet dieser durch das Unterrichtsgesetz
von 1860 ausdrücklich gebilligt worden war. Es liess sich daher die
Ausdehnung, der Zulassung auch auf den übrigen Kanton schon mit dem Gebote
der Rechtsgleichheit rechtfertigen, da für eine verschiedene Lösung der
Frage in Bezug auf die Stadt und die übrigen Gemeinden des Kantons in der
Tat innere Gründe nicht ersichtlich sind. Wollte man aber dieser Argumen-

Interkant. Verkehr mit Motorfahrrädern u. Fahrzeugen. N° 62. 509

tation nicht beistim'men, so wäre zu sagen, dass man in dieser Beziehung,
da die Gründe, welche dafür sprechen, das Pfarramt zu den Aemtern im
Sinne der Art. 16 bis 18 KV zn'rechnen, an sich in gleichem, wenn nicht
in verstärktem Masse für das Lehramt zutreffen, vor einem anorr'nalen,
formell mit der Verfassung nicht übereinstimmenden Zustande steht. Aus
einem solchen kann aber ein Anspruch darauf, dass die gleiche Entbindung
von den verfassungsreehtlichen Beschränkungen und Erfordernissen auch
noch für weitere öffentliche Stellen gewährt werde, nicht hergeleitet
werden. Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV gibt dem Bürger nur ein Recht auf gleiche Behandlung
gemäss und nicht entgegen dem Gesetz.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Die Beschwerde wird abgewiesen.

VI. INTERKANTONALER VERKEHR MIT MOTORFAHRZEUGEN UND FAHRRÄDERN

CIRCULATION INTERCANTONALE DES VÉHICULES AUTOMOBILES ET DES CYCLES

62. Urteil vom 17. Dezember 1921 i. S. Luzern gegen Aargau.

Art. 20
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
Konkordat betr. den Verkehr mit Motorfahrzeugen vom 7. April
1914, 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV. Zuständig zur Ausstellung der Verkehrsbewilligung
für ein Motorfahrzeug und damit zunächst auch zu dessen Besteuerung
ist der Kanton des ordentlichen Standortes des Fahrzeuges und nicht des
Vohnsitzes des Eigentümers. ·

A. Die Aktiengesellschaft Ziegelwerke HorW-'Geitnau-Muri mit Sitz in Horw
und Fabriken in Gettnau und Muri wurde anfangs 1921 vom Bezirksamt Muri