548 Obligationenzecht. N' 82.

82. Urteil der I. Zivihbtoilung vom 30. Oktober 1919 i. S. Studer gegen
Scherrer. Art. 20 OR, Nichtigkeit eines Kautgeschäitcs wegen Verletzung
des Bundesratsbeschlusses betr. künst-

liche Süsstotte vom 6. Juli 1917. Voraussetzng der Anwendbarkeit des
Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR?

A. Laut Bundesratsbeschluss vom 6. Juli 1917 müssen Mischungen künstlicher
Süsstoffe mit anderen Substanzen mindestens 20% des reinen Süsstoffes
enthalten. ,

Am 26. Juli 1917 lieferte der Beklagte Studer dem Kläger Scherrer,
der ihm am 21. Juli 1917 Saccharin wie gehabt bestellt hatte, 40
Kartons zu 135 Schachtelchen Saccharintabletten, die jedoch nur einen
Süssig- keitsgehalt von 4,3 bis 4,6 % hatten. Mit dem Hinweis darauf,
dass die Kunden ihm die Ware als minderwertig sisi retourniert, schickte
in der Folge der Kläger nach vor ausgegangenem Briefwechsel 39 von den
40 Schachteln zurück und lagerte sie, als der Beklagte die Annahme ver_
',weigerte, im Lagerhaus Gmür in Luzern ein.

. B. Am 20. Oktober 1917 reichte der Kläger gegen den Beklagten
Strafklage wegen Betruges und Wuchers und am 27. April 1918 die
vorliegende Zivilklage ein, mit der er Aufhebung des Kaufvertrages
und 2300 Fr. 20 Cts. Schadenersatz verlangt. · _ Er stellte sich
auf den Standpunkt, es liege ein zivilrechtlicher Betrug vor, weil
der Beklagte ihm arglistigerweise dem zitierten Bundesratsbeschluss
nicht entsprechendes Saccharin und ferner Schächtelchen à nur 89 bis
94 statt 95 bis 100 Tabletten geliefert und zudem einen nahezu 100%
höheren Preis verlangt habe als er selber seinem Verkäufer habe bezahlen
müssen. Eventuell sei die Anfechtung wegen Irrtums zulässig und auf alle
Fälle, d. h. 01) man Betrug oder Irrtum annehme, müsse der Beklagte nach
Art. 41
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OR Schadenersatz leisten. 'Ohligationumoht. N' 82. 549

Der Beklagte wies die Begehren des Klägers als unhegründet zurück,
indem er erklärte, sein Lieferant habe ihm gesagt, es sei ihm seitens
des Volkswirtschafts-

'departements die Erlaubnis erteilt worden, das noch

lagernde, dem zitierten BundesratSbeschluss nicht ent-' sprechende
Saccharin noch zu verkaufen. Mit der Fabrikation und Verpackung habe er
sich nicht befasst. Daraus ergehe sich, dass beim Wiederverkauf durch
ihn ein Betrug nicht vorliegen könne. Es sei auch gar nicht richtig,
dass er den, Kläger getauscht. Von einem wesentlichen Irrtum sodann könne
schon deswegen nicht die Rede sein, weil der Kläger ja Ware wie gehabt
bestellt habe, dementsprechend sei ihm eben Saccharin geliefert worden,
wie er es früher bezogen. Endlich sei die vom Kläger erhobene Mängelrüge,
weil verspätet, nicht mehr zu berücksichtigen. ' C. Die Vorinstanz hiess
in Bestätigung des vom Amtsgericht Luzern erstinstanzlich gefällten
Urteils die Klage im Betrage von 2161 Fr. 55 (Its. nebst Zins gut,
indem sie den streitigen Kaufvertrag wegen Betruges als

für den Kläger unverbindlich und den Beklagten gemäss s

Art. 41 ORschadenersatzpflichtig erklärte. Sie sah den Betrug des
Beklagten darin, dass er den Kläger über den Mindergehalt der Ware nicht
aufgeklärt habe. Auch wenn der Kläger Ware wie gehabt bestellt, habe
er doch zweifellos handelsfähiges also nicht gegen die bundesrätliche
Verordnung verstossendes Saccharin kaufen wollen. Entschuldigen
könne den Beklagten auch nicht, und darum sei eine diesbezüglich
beantragte Beweisergänzung abzulehnen, wenn sich seine Behauptung
als wahr erweisen würde, sein Verkäufer habe ihm vorgespiegelt,
vom Volkswirtschaftsdepartement eine Bewilligung zum Ausverkauf des
nicht verordungsgemässen Saccharins erhalten zu haben. Hievon hätte er
seinem Abnehmer auf alle Fälle Mitteilung machen miiSSen. Was sodann die
Schadensbereohnung anbelange, so habe die erste Instanz in zutreffender
Würdigung der einzel--

550 Obligationen-echt N82.

nen Faktoren die Ersatzsumme auf 2161 Fr. 55 Cts. kæ esetzt. * Sg
-Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er
Abweisung der Klage und eventuell Einstellung des Zivilprozessas bis zur
Erledigung des Strafverfahrens verlangt. _ Zur Begründung dieser Anträge
hat der Beklagte in seiner Berufungsschriit auf die Berufungsbegründung
m einem anderen Prozess Studer gegenSchweizer verwiesen . und sodann im
einzelnen bestritten, dass der Klager sog.

Bundesware bestellt habe. Vielmehr habe er Ware wie '

gehabt , d. h. schlechtere, verlangt. Dem Kläger sei der fragliche
Bundesratsbeschluss auch bekannt gewesen-, wenn er daher trotzdem Ware
wie gehabt gekauft habe, so zeige das, dass er sich mit dem Mnderwert
des Sac' eharins abgefunden. Übrigens sei Saccharin nntwemger als
20% Süssigkeitsgehalt auch nach Erlass des Bundesratsbeschlusses im
Handel gesucht gewesen. Aus all dem ergebe sich, dass ein Betrug nicht
vorliege. Er,Beklagter, habe keinerlei Täuschungshandlungen vorgenommen
und auch eine Verletzung der im Verkehr gebotenen Aufklärungspflicbt
könne ihm nicht vorgeworfen werden. Was sodann die übrigen Einwendungen
anbelange, werde an den in der Klagebeantwortung eingenommenen
Stand-punkten festgehalten. . _

Der Kläger hat um Bestätigung des vonnstanzhchen Urteils nachgesucht
und diesen Antrag im wesentlichen in Übereinstimmung mit den Motiven
des Obergerichtes

begründet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Eine Einstellung des Verfahrens bis nach Abschluss "des Strafprozessas
ist nach Art. 80
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OG nutzlosî da das Bundesgericht allfällig neu eingehende
Akten nicht berücksichtigen könnte, sofern wenigstens der vonnstanzlich
festgestellte Tatbestand nicht einer Ergänzung im

Obligationenreeht. N° 82.

.4;

Sinne des Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OG bedarf. Diese Voraussetzung aber trifft nicht zu.

2. schon aus dem vorliegenden Tatbestand ergibt sich nämlich, dass der
streitige Vertrag für den Kläger nicht verbindlich sein kann, indem er
der Vorschrift des Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR, laut der Verträge mit widerrechtlichem
Inhalt nichtig sind, zuwiderläuft. ss

3. Allerdings ist vom Kläger die Unverbindlichkeit des Geschäftes
nicht aus Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR abgeleitet worden, allein das Bundesgericht hat in
konstanter Praxis sich auf den Standpunkt gestellt, es liege dem Richter
ob, gegebenenfalls den Art. 20 von Amtes wegen anzuwenden. AS 3011416;
33 H 430; 3711404; 39 1189, Urteil i. S. Scharff gegen Bourquin vom
10. November 1919 ; vergl. ferner Osnn zu Art. 20 N. V 2 b; BECKER N. 18.

4. Was sodann die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Art. 20 im
einzelnen anbelangt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der zitierte
Bundesratsbeschluss vom 6. Juli 1917, bezw. der durch ihn ergänzte
Art. 118 der Verordnung betr. den Verkehr mit Lebensmitteln vom 8. Mai
1914 den Handel mit nicht gesestzeskonformen Süsstoffen schlechthin
verbietet. Danach ist sowohl der Kauf als der Verkauf solcher Stoffe
verboten und damit das Requisit der beidseitigen Widerrechtlich-keit,
das für den Art. 20 allgemein aufgestellt wird, gegeben. OSER zu Art. 20
N. III 2.

Nun ist allerdings Doktrin und RechtSprechung zu Art. 20 darin einig, dass
auch beidseitig widerrechtliche Geschäfte nicht schlechthin unter Art. 20
fallen, sondern nur dann, wenn die betr. Gebotsoder Verbotsbestimmung
auch die zivilrechtliche Nichtigkeit als Folge ihrer Übertretung anführt,
oder wenn nach Sinn und Zweck des betr. Gesetzes die zivilrechtliche
Nichtigkeit als gewollt angenommen werden muss (vergl. AS 45 II 281 in
Sachen Klein gegen Munzinger und die dort zitierten Entscheidungen).

AS 45 ll 1919 38

552 ohngaookeakeche NO sa.

lm vorliegenden Falle ist nur die Strafsankücn ausdrücklich festgelegt
worden. Art. 41 des Lebensmittel' gesetzes bestimmt ; a Wer vorsätzlich
den in Ausführung

von Art.? 54 erlassenen Verordnungen (und hier-Unter siällt auch der
streitige Bundesratslieschluss) Zuwidersihandelt... wird;, bestraft. ·--

Auf eine ausdrückliche Gesetzesbes'timmung kann sich

somit die Auffassung, dass im vorliegenden Streit Art. 20

anwendbar sei, nicht stützen. Dagegen weisen? Sinn und

Zweck der zitierten Verhossbestinnnung in der Tat

darauf hin, dass der Gesetzgeber sich nicht mit der-

strafrechtlichen Sanktion begnügen wollte.

Die streitige Ergänzung des Art. ' 118 der lebensmittelverordnung wurde
veranlasst durch die Verhältnisse wie sie der Weltkrieg "gebracht
hat. Das Auftauchen zahlloser minderwertiger surrogates auf dem
Lebensmittelmarkt liess die geltenden, im Interesse der Konsumenten
aufgestellten Bestimmungen nicht als genügend erscheinen. Insbesonclere
entsprach auch die Vorschrift des zitierten Art. 118 betreffend den
Verkehrmit Süsstoffen', die lediglich die deutliche Bezeichnung der
küntlichen silsstofie und ihrer Mischungen mit anderen Substanzen
verlangte, diesem Schutzzweck nicht mehr.

Einmal ging ja den Konsumean die nötige Fachkenntnis ab,].un aus
der blossen Bezeichnung Schon-auf Wert und Minderwert schliessen zu
können, und sodann hatte die!" Zuckerknappheit eine eigentliche Notlage
geschaffen, die zum Kauf von Surrogaten zwang und bis zu einem gewissen
Grade die Abnehmer der Willkür der Produzenten aussetzte. Aus diesen
Gründen schritt der Gesetzgeber zur Ergänzung der fraglichen Bestimmung
des Arai ;] 18, von dieser Sachlage muss daher auch die Interpretation des
Ergänzungsgesetzes ausgehen. Zunächst konnte es sich für den Bundesrat
zweifellos nicht um. den Erlass einer blossen Ordnungsvorschrikt
handeln. Aber auch eine blosse Strafsanktion vermochte den Umständen
nicht zu genügen. Schon damals war es allgemeine, durch

educational-echt... & 82. 553

die Kriegsverhältnisse gegebene Erfahrungstatsache, dass

Strafandrohungen zwar präventiv wirkten, den Handel mit verbotenenArtikeln
aber doch nicht wirksam genug zu bekämpfen vermochten, Dazu kommt die
Erwägung,

,dass Strafen zwar dem staatlichen Strafanspruch, nicht .

aber dem Anspruch des Publikums vor Schaden bewahrt zu werden, genügen
können. Trotz Bestrafung des Verkäufers müsste der Konsument unter
Umständen, ssd. h.

sofern nicht andere Anfechtungsgrunde gegeben, die

minderwertige Ware behalten und könnte auch-bereits gemachte Zahlungen
nicht Mehr-erlangen Nur die Möglichkeit, das ganze-Geschäft wegen
Nichtigkeit anzu-siss fechten, gibt hier-he erforderlichen Garantien,
dass ein Schaden m'cht entstehe oder wieder gutgemacht werden könne. Es
entspricht daher durchaus: dem gesetzgeberischen Zweck und dem aus der
Entstehungsgeschichte ersichtlichen Sinn der streitigen Bestimmung wenn
an die Übertretung die zivilrechtliche Nichtigkeitsfolge geknüpft wird
(vergl. das oben zitierte Urteil in Sachen Keim gegen Munzinger). .

Im vorliegenden Falle ist es allerdings kein Konsument, sondern ein
Zwischenhändler, zu dessen Gunsten die Bufimmung desArt. 20 zur Anwendung
gelangen soll. ,

Anali das ändert an der Entscheidung siemens '

frage nichts. Wenn eine Wapessim Interesse des letzten Abnehmen;
vom Verkehr ausgesehlossenwird, se sind selbstverständlich auch alle
Zwischenkäufe und Verkäufe, da sie nur die Verletzung des Konsumenten
vorbereiten, widerrechtlich. Je früher die zivilrechtliche Nichtigkeit
in den wider-rechtlichen Verkehr eingreift,

um so sicherer ist der Konsument, dass ihm diese Waren

nicht angeboten werden. ' .

5. Der streitige Kauf ist aber nicht nur. nichtig, sondern auch der
verkäuier schadenersatzpfiichtig zu erklären.

Der Beklagte bestreitet nicht, über die Tatsache auf-

" geklärt gewesen zu sein, dass die verkaufte Ware den

554 Obligationenrecht. N° 82.

gesetzlichen Betsimmungen nicht entsprach. Ein gleiches Wissen des Klägers
dagegen, der lediglich Ware wie gehabt bestellte, geht aus den Akten
nicht hervor. Sein guter Glaube ist daher zu vermuten. Allerdings hat
der Beklagte sich darauf berufen und auch Beweis dafür angetragen,
dass sein Verkäufer ihm erklärt, das Volkswirtschaftsdepartement
habe ihm ausnahmsweise den Ausverkauf des noch auf Lager befindlichen
minderwertigen Saccharins gestattet. Allein auch wenn dies zutreffen
sollte, durfte der Beklagte sich auf eine solche Zusicherung nicht
verlassen, wenn ihm nicht auch die erforderlichen Beweise, also etwa eine
Zuschrift des Departementes an seinen Lieferanten, vorgelegt wurden. Sein
Verhalten ist daher zum mindesten grob fahrlässig und macht ihn dem
Kläger gegenüber nach Art. 41
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OR schadenersatzpfliehtig.

6. Hinsichtlich des Masses der Ersatzpilicht sind in der Berufungsschrift
keine Einwendungen mehr erhoben worden. Allerdings wird auf die
Klageantwort verwiesen, in der seinerzeit die Ersatzforderung auch dem
Masse nach bestritten werden ist. Allein diese Bestreitung in der Antwort
ist so allgemein gehalten, dass sie dem Bundesgericht keine Anhaltspunkte
dafür gibt, welche Posten zu reduzieren wären. Mangels genügender
Substanziierung dieses Abänderungsantrages ist daher diesbezüglich das
vorinstanzliche Urteil einfach zu be-

stätigen. Demnach erkennt das Bundesgericht : Die Berufung wird abgewiesen
und das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 11. Juni 1919
bestätigt.

.)bligaiionenrerht. R 83. Isr-

83. Urteil der I. Zivisslabtailung vom 11. November 1919
i. S. Schweiz. Metallund membeiterverbaad, Sektion Barn gegen Enti L-G'.

Art. 322
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 322 - 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
1    Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
2    Lebt der Arbeitnehmer in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber, so bildet der Unterhalt im Hause mit Unterkunft und Verpflegung einen Teil des Lohnes, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist.
. OR, Gesamtarbeitsvertrag: Der Abschluss eines solchen begründet
im Zweifel nur bezüglich der im Vertrag geregelten Verhältnisse eine F
ri e d en s p f l i c h t der Parteien. Auslegung des konkreten Vertrages

hinsichtlich der Frage, ob er einen p o l i t i s c h e n bzw. S y m p
a t h i e s t r e i k der Arbeiter verbietet.

A. Zwischen der Klägerin, der Firma Fritz Marti . A.-G. Bern, und dem
Beklagten, dem Schweiz. Metall-' und Uhrenarbeiterverband (Sektion Bern)
besteht ein Gesamtarbeit-Vertrag über Arbeitsund Freizeit, Kündigung,
Lohnverhältnisse etc. für den Fall der Übertretung dieses Vertrages
bestimmt Art. 14 desselben folgendes :

cc Die Sektion Bern des Schweiz. Metallund Uhrenarbeiterverbandes steht
für die Erfüllung dieses Vertrages seitens der Arbeiterschaft der Firma
Fritz Marti A. G. ein.

Im Falle von Kollektivstreitigkeiten verfällt die Partei, welche den
Vertrag zu Unrecht bricht, in eine Konventionalstrafe von 1000 Fr.

Die Verletzung des Vertrages durch die Arbeiterschaft in diesen
Fällen gilt als Verletzung des Vertrages durch die Sektion Bern des
Schweiz. Metallund Uhrenarbeiterverbandes.

Anlässlich des am 9. November 1918 in verschiedenen Ortschaften der
Schweiz zum Prötest gegen das vom Bundesrat erlassene Truppenaufgebot
erklärten Proteststreikes legte die gesamte Arbeiterschaft der Klägerin
die Arbeit nieder. Drei Tage später brach der Generalstreik aus, worauf
die klägerischen Arbeiter am 12., 13. und 14. November wiederum von der
Arbeit fernblieben.

B. In diesem Verhalten ihrer Arbeiter erblickte die Klägerin einen
doppelten Bruch des Gesamtarbeits--