334 Strait-echt.

_Missaehtung _der fraglichen Vorschriften unmittelbar, d. h. ohne dass
eine Mahnung des Fabrikinhabers durch die Aufsichtsbehörde vorausgeht-n
muss, bestraft Werden, sofern es sieh um einen o ff e n k u n d ig e
n Mangel der Anwendung gegebener Sehntzrnittel handelt. Das ist aber
hier unzweifelhaft der Fall ; denn es ist klar, dass das Fehlen der
normalerweise vorhandenen Schutzvorrichtung der Egalisiermaschine, das
den Unfall der Kassationsbekiagten ermöglicht hat, als ein Mangel der
durch Art. 2 FG gebotenen Sicherung der Arbeiter für die Fabrikleitung
ohne Weiteres erkennbar war und dass ihr deshalb die Weiterverwendung
der Maschine, solange jene Schutzvorkehr nicht zur Verfügung stand,
jedenfalls als Fahrlässigkeit anzurechnen ist. Und zwar konnte hiefür die
vom kantonalen Richter mit der ausgesprochenen Busse belegte Schuhfabrik
Baden A.-G. als Fabrikbesitzerin direkt verantwortlich gemacht werden, da
für die Uebertretungen des F abrikgesetzes auch eine Aktiengesellschaft
stratiähig ist (vergl. AS 41 I S. 538). Ob aber die eventuell verfügte
Umwandlung der Busse .in Gefängnis (mit Vollstreckbarkeit gegenüber dem
Fabrikdirektor) zulässig war, obschon sie in Art. 19 FG nicht vorgesehen
ist (vergl. Art. 151 OG), mag dahingestellt bleiben, weil diese Bestimmung
des kantonalen Urteils nicht speziell angefochten und wohl auch praktisch
belanglos ist, sodass der Kassationshef keine Veranlassung hat, sich
gemäss Art. 171 Abs. 2 OG von Amtes wegen damit zu belassen.

Demnach erkennt der Kassalionsho/ : Die Kassationsbesehwerde wird
abgewiesen.'

Ol lGANISA'l'lON , DER BUNDESRECHTSPFLEGÈ,

u H(k..les.svr10N JUDICIAIRE EITHER-uns-Vgl. Nr. 46. Voir n° 46.

OFDAG Offset . Formularund Fotodruck AG 3000 BernSTAATSREGHT DROIT PUBLIC

I. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ (RECHTSVBRWEIGERUNG) ·ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
(DÉNI DE JUSTICE)

47. Urteil vom 29. November 1919 i. S. Landwirtschaft-Hohe
Maschînenzentrale AFGgegen Stà-bii.

Rechtsverweigorung, wenn einer Fabrikunternehmuug nicht das Recht
zuerkannt wird, ihre Arbeiter deswegen sofort zu entlassen, weil sie
während einiger Stunden gemeinsam die Arbeit niedergelegt haben, um an
einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen ?

A. Die Rekurrentin betreibt eine Fabrik in Bümpliz. Das Verhältnis
zu ihren Arbeitern wird durch eine Fabrikordnung geregelt, die
u. a. folgende Bestimmungen enthält : . . . Art. 8. Kündigung. Gemäss
schriftliche Ver; einbarung ist die gegenseitige Kündigung aus sech Pago
festgesetzt und kann nur auf einen Samstag erfolgt n ..... Wer ohne
Entschuldigung an drei aufeinanderfolgenden Tagen fehlt, wird als ohne
Kündigung ausgetreten betrachtet. Art. 14. Entlassung ohne Kündigung.
Die Direktion ist zu sofortiger Entlassung eines Arbei- ters berechtigt
bei bedeutender Verletzung der Fabrik ordnung, insbesondere bei:
a) Vidersetzlichkeit, . . . c) wiederholtem Blauenmachen ; .....
Montag den 7. Juli 1919 veranstaltete die Arbeiterunion Bern eine
öffentliche Versammlung auf dem Bahnhofplatz Bern, um dem zu einer Strafe
verurteilten Arbeiterfilhrer

AS 45 l 1919 23

3336 staatsrecht-

Grimm bei seiner Abreise nach dem Ort des Strafvollzuges ihre Sympathie
kundzugeben. Die Rekurrentin verweigerte ihren Arbeitern die nachgesuehte
,Erlaubnis, die Arbeit zum Zwecke der Teilnahme an der Versammlung zu
unterbrechen. Trotzdem wurde die Arbeit am erwähnten Tage im Laufe des
Vormittags niedergelegt und damit der Betrieb der Fabrik eingestellt. Als
die Arbeiter, die sich wegen derBeteiligung bei der Sympathiekundgebung
für Grimm aus der Fabrik entfernt hatten, nachmittags die Arbeit
wieder aufnehmen wollten, wurden sie alle oder doch die meisten von der
Fabrikdirektion sofort entlassen. Dabei wurde ihnen der Lohn ausbezahlt
und erklärt, dass sie wieder angestellt würden, wenn sie sich Dienstag
Vormittag hiefür anmeldeten. Unter den entlassenen Arbeitern befand
sich auch der Rekursbeklagte. Er erhob gegen die Rekurrentin vor dem
Gewerbegericht der Stadt Bern eine Klage auf Zahlung von Schadenersatz
im Betrage von 123 Fr. 90 Cts.

Durch Urteil vom 10. Oktober 1919 wurde die Klage für einen Betrag
von 111 Fr. 50 Cts. gutgeheissen, indem von der Forderung IO % wegen
Mitverschuldens des Rekursbeklagten abgezogen wurden.

Zur Begründung verwies das Gewerbegericht u. a. auf sein Urteil
i. S. Hirschi gegen Landwirtschaftliche Maschinenzentrale vom 29. Juli
1919, worin folgendes ausgeführt wird : Hirschi gehöre zu den Arbeitern,
die am Vormittag des 7. Juli die ,Arbeit zum Zweck der Teilnahme an der
öffentlichen Versammlung niedergelegt hätten und. die infolgedessen mit
dem Vorbehalt der Wiederanstellung entlassen worden seien. Nun erscheine
die Versagung der Erlaubnis zur Unterbrechung der Arbeit als unbillige
Härte. Die Teilnahme an der Sympathiekundgebung könne nicht als wichtiger
Grund, der die vorzeitige Auflösung des Dienstvertrages reehtfertigte,
angesehen werden. Nach Art. 8 Abs. 4 der Fabrikordnung werde ein Arbeiter
erst dann als ausgetreten betrachtet, wenn er an drei aufeinanderfolgenden
Tagen fehle.Gleichheit vor dem Gesetz. N° 47. Lis?

Die Rekurrentin sei somit grundsätzlich entschädigungspfliohtig. Dem
Rekursbeklagten habe nicht zugemutet werden können, sich bei der
Rekurrentin am Tage nach der Entlassung wieder um Arbeit zu bewerben.

B. Gegen dieses Urteil hat die Landwirtschaftliche Maschinenzentrale
A.-G. am 21. Oktober 1919 die staatsrechtliche Beschwerde an das
Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag auf Aufhebung. .

Sie macht geltend, dass Rechtsverweigerung voi liege, indem sie ausführt:
Den Arbeitern sei nicht bloss die Erlaubnis zur Unterbrechung der
Arbeit verweigert, sondern es sei ihnen zugleich mitgeteilt worden,
dass diejenigen, die die Arbeit verliessen, als entlassen betrach-tet
wiirden. Trotzdem hätten eine Reihe von Arbeitern, darunter der
Rekursbeklagte, die Maschinen abgestellt, die Arbeit niedergelegt,
die andern Arbeiter gezwungen, ein gleiches zu tun, und die Fabrik
geschlossen. Sie seien dann unter dem Vorbehalt der Wiederaustellung
entlassen worden. Die erwähnten Handlungen, deren sich die Arbeiter trotz
des erhaltenen Befehls und trotz der Androhung der sofortigen Entlassung
schuldig gemacht hätten, bildeten zweifellos einen Grund zur vorzeitigen
Auflösung des Vertrages. Doktrin und Praxis seien darin einig, dass ein
Arbeiter ohne weiteres entlassen werden könne, wenn er in einem Streit
zwischen dem Arbeitgeber und seinen Mitarbeitern für diese Partei ergreife
und andern Arbeitern von der Fortsetzung der Arbeit abrate oder wenn er
einen andern veranlasse, die Fabrik zu verlassen, oder ohne regelrechte
Anzeige an einem Streik teilnehme oder sich weigere, den Anweisungen oder
Beiehlen der Vorgesetzten nachzukommen. Das Gewerbegericht der Stadt Bern
habe selbst in einem Urteil erklärt, dass ein Arbeiter wegen Niederlegung
der Arbeit sofort entlassen werden könne (Jahresbericht 24 S. 28). Es
werde auf die Kommentare zum Obligationenrecht, auf LANG, Arbeitsvertrag ;
HAFNER, Gewerbl. Dienstvertrag (Ztschr. für schweiz. Recht 45 S.

Sli-' Staatsrecht

328), die SJZ 4 s. 6, ll S. 6 und die bundesgerichtliche Praxis verwiesen.

C. Das Gewerbegericht und der Rekursbeklagte haben Abweisung der
Beschwerde beantragt, indem sie u. a. folgendes ausführen: Die
Beschwerdeführerin hat in der Gerichtsverhandlung nicht im geringsten
dar getan, dass Stähli einer der Arbeiter gewesen wäre, der die
Maschinen abgestellt, Arbeitswillige von der Arbeit l'erngehalten
und die Fabrik geschlossen hätte. Es ist von jeher darauf aufmerksam
gemacht worden, dass jeder einzelne Fall unabhängig von den andern
ent schieden werde, dass demnach jeweilen zu entscheiden sei, ob ein
wichtiger Grund zur einseitigen Auflösung des Dienstvertrages bestanden
habe. Auch ist es un richtig, dass alle Arbeiter (bei der Entlassung)
das gleiche Schreiben erhalten hätten, sondern es ist Tatsache, dass
einzelne Arbeiter ohne weiteres entlassen worden sind, . während andere
Wieder das erwähnte Schreiben er halten haben. Das Gewerbegericht hat
entschieden, dass ein wichtiger Grund zur einseitigen Auflösung des
Vertrages nicht bestanden habe, weil dem Ar beitgeber die Fortsetzung,
des Dienstverhältnisses wohl zugemutet werden dürfe, da die einzige
Verfehlung des Arbeiters darin bestanden hatte, dass er sich für einige
Stunden von der Arbeitsstelle entfernt hatte, un dies erst dann, als
auf wiederholtes Verlangen hin die; Fabrikleitung einen Dispens nicht
geben wollte. An dere Verstösse sind im Streitfalle Stähli nicht geltend
gemacht worden ....... Der Hinweis auf den Entscheid des Gewerbegerichts
im Jahresbericht 24 Seite 29 ist nicht stichhaltig, wie sich aus den
Erwägungen mit aller Deutlichkeit ergibt.

Der erwähnte Jahresbericht wird vorgelegt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

'l. (Eintretensfrage). 2. siDas Bundesgericht kann im vorliegenden
FalleGleichheit vor dem Gesetz. N° Al ;. ::;ss-

lediglich prüfen, ob das Gewerbegerichtsurteil, soweit es von der
Rekurrentin angefochten wird, auf Willkür beruhe; die Frage, ob es eine
richtige, einwandfreie Lösung des Streites darstelle, ist von ihm nicht
zu untersuchen.

In tatsächlicher Beziehung ist davon auszugehen, dass der Rekursbeklagte
am Vormittag des 7. Juli während einiger stunden seine Arbeit verliess,
um an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen, und zwar obwohl ihm
die Erlaubnis hiezu von der Fabrikleitung verweigert worden war. Dass
er, wie in der staatsrechtlichen Beschwerdeschrikt noch geltend gemacht
wird, mitgeholl'en habe, die Maschinen abzustellen, Arbeitswillige von
der Arbeit abzuhalten und die Fabrik zu schliessen, ist nach der für
das Bundesgericht verbindlichen Feststellung des Gewerbegerichts als
nicht erwiesen anzusehen. In der Auffassung des kantonalen Richters,
dass die erwähnte Niederlegung der Arbeit während einiger Stun-den die
Bekurrentin nicht berechtigte, den Dienstvertrag sofort aufzulösen, könnte
nun nur dann eine Willkür gefunden werden, wenn nach dem gesetzlichen
Dienstvertragsrecht oder den besondern, das Vertragsverhältnis zwischen
den Parteien regelnden Bestimmungen eine Arbeitsunterbrechung, wie sie
sich der Rekursbeklagte zu schulden kommen liess, ganz offensichtlich und
unverkennbar einen Grund zur sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses
bildete. Das muss aber verneint werden. Nach Art. 352
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 352 - 1 Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
1    Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
2    Wird aus Verschulden des Heimarbeitnehmers die Arbeit mangelhaft ausgeführt, so ist er zur unentgeltlichen Verbesserung des Arbeitserzeugnisses verpflichtet, soweit dadurch dessen Mängel behoben werden können.
OR kann der
Dienstvertrag aus wichtigen Gründen sofort aufgelöst werden, namentlich
wenn dem Zurücktretenden aus Gründen der Sittlichkeit oder nach Treu und
Glauben die Fortsetzung des Verhältnisses nicht mehr zugemutet werden
darf , und das Bundesgericht hat sich in dem Sinne ausgesprochen, dass
ein wichtiger Grund dann vorliege, wenn die wesentlichen Voraussetzungen
persönlicher und sachlicher Art, unter welchen der Vertrag abgeschlossen
wurde, sich als hinfällig erweisen (AS LB S. 317). Der Richter hat danach
(vgl. Art. 352 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 352 - 1 Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
1    Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
2    Wird aus Verschulden des Heimarbeitnehmers die Arbeit mangelhaft ausgeführt, so ist er zur unentgeltlichen Verbesserung des Arbeitserzeugnisses verpflichtet, soweit dadurch dessen Mängel behoben werden können.
OR) in der Hauptsache nach freiem

340 Staatsreeht.

Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen, ob
bestimmte Handlungen des Dienstpflichtigen als solche Auflösungsgründe
anzusehen seien, und es kann ihm jedenfalls nicht der Vorwurf der
willkürlichen Verletzung des Art. 352
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 352 - 1 Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
1    Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
2    Wird aus Verschulden des Heimarbeitnehmers die Arbeit mangelhaft ausgeführt, so ist er zur unentgeltlichen Verbesserung des Arbeitserzeugnisses verpflichtet, soweit dadurch dessen Mängel behoben werden können.
OR gemacht werden, wenn er
eine einmalige kurze Arbeitsunterbrechung sollte auch ausdrücklich
eine hiefür erbetene Erlaubnis verweigert worden sein, nicht als
derartigen Grund gelten lässt, dies um so weniger, als Doktrin und
Praxis im allgemeinen einem Dienstherrn nicht das Recht zusprechen,
wegen einer solchen Arbeitsunterbrechung das Dienstverhältnis sogleich
zu beendigen (vgl. HAFNER, Meisterrecht und Arbeiter-recht S. 116
ff., insbes. S. 116 Anm. 2 und Nr. 193 ff.; Gewerbi. Dienstvertrag in
Ztschr. t'. schweiz. Recht 45 S. 328 ; Osna, Komm. z. OR Art. 352 N. IV
2 a, LANDMANN, Deutsche Gewerbeordnung § 123 Ziff. 3 N. 6; LOTMAR,
Arbeitsvertrag 1 S. 497 und 2 S. 138 N. 4, wonach regelmässig nur die
beharrliche oder wiederholte Arbeitsniederlegung als Grund zu sofortiger
Vertragsauflösung anerkannt wird). Der Hinweis der Rekurrentin auf das
im 24. Jahresbericht der bern. Gewerbegerichte S. 29 abgedruckte Urteil
geht fehl ; dort wurde die Entlassung ohne Kündigungsfrist deshalb
als zulässig erklärt, weil der Arbeiter während vier Tagen gestreikt
hatte. Dazu kommt, dass die besondern, für das Verhältnis zwischen den
Parteien aufgestellten Vertragsbestimmungen dafür sprechen, dass eine
solche Arbeitsunterbrechung-, wie sie sich der Rekursbeklagte

zu schulden kommen liess, nicht berechtige, einen Ar--

heiter sofort zu entlassen. Die genannten Vertragsbestimmungen sind in der
Fabrikordnung der Rekurrentin enthalten, die nach Art. 1 das Verhältnis
zwischen Arbeitgeber und Arbeiter regelt. Danach ist eine Entlassung
ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zulässig, wenn ein Arbeiter ohne
Entschuldigung an drei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen fehlt (Art. 8)
oder sich des wiederholten Blauenmachens schuldig machtHielt-jileck
'."ui um; unstet- Z

(Art. 14). Hieraus lässt sich schliessen, dass nur eine trotz Mahnung
wiederholte oder länger dauernde unentschuldigte Arbeitsunterbrechung
zur sofortigen Entlassung führen darf. Und wenn das Gewerbegericht
die Handlung des Rekursbekiagten weder als Widerseizlichkeit, noch als
bedeutende Verletzung der Fabrikordnung ansah, so lässt sich auch hierin
eine Willkür nicht erblicken. Der Begriff der Widersetzlichkeit umfasst
nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht jede mangelhafte Erfüllung des
Vertrages von seiten des Dienstpflichtigen, sondern nur die VVeigerung,
den besondern Befehlen oder Anordnungen der Vorgesetzten nachzukommen
Solche Weisungen sind nun regelmässig nur zur Regelung von Einzelheiten
der Vertragsausführung erforderlich, die der Vertrag selbst offen liess,
insbesondere in Beziehung auf die Art der Arbeit, deren technische
Ausführung, und es lässt sich annehmen, dass bloss die Nichtbeachtung
derartiger Weisungen als Widersetzlichkeit gelten solle. Die Arbeitszeit
ist durch den Anstellungs v e r t r a g bestimmt und kann daher
nicht durch Befehle geregelt werden. Da zudem in der Fabrikordnung
speziell bestimmt wird, in welchen Fällen ein einzelner Arbeiter wegen
Arbeitsunterbrechung sofort entlassen werden kann, so darf angenommen
werden, dass dadurch die Anwendung der allgemeinén gesetzlichen Norm über
die Entlassung wegen Widersetzlichkeit oder bedeutender Verletzung der
Fabrikordnung auf blosse Arbeitsunterbrechungen, deren sich ein einzelner
Arbeiter schuldig macht, ausgeschlossen werde. Allerdings liegt wohl
darin, dass alle oder die meisten Arbeiter am Vormittag des 7. Juli die
Arbeit verlassen und dadurch der Rekurrentin die Einsteliung des Betriebes
aufgezwungen haben, eine bedeutende Verletzung der Fabrikordnung. Der
Rekursbeklagte hätte aber höchstens dann hiefür verantwortlich erklärt
werden können, wenn die Rekurrentin im Prozesse sich auf den Standpunkt
der Kollektivität gestellt und behauptet hätte, dass ein

:3-12 Staatsrecht.

Gesamtarheitsvertrag mit ihren Arbeitern bestehe. Das

ist nicht geschehen; denn sie hat gegen die individuelle Behandlung
der einzelnen Arbeiter weder im kantonalen noch im bundesgerichtlichen
Verfahren Einwendungen erhoben, weshalb das Bundesgericht seinem
Entscheide

nicht von Amtes wegen einen Tatbestand zu Grunde-

legen kann, der von der Rekurrentin in keinem Stadium des Verfahrens
geltend gemacht worden ist.

Die Frage, ob die öffentliche Versammlung, deretwegen der Rekursbeklagte
seine Arbeit unterbrach, einen moralisch zu billigenden Zweck verfolgt
habe, kann im vorliegenden Falle keine Rolle spielen.

3. Zu erheblichen Bedenken gibt andrerseits das Mass des dem Kläger
_zugesprocheuen Schadenersatzes Anlass angesichts des Umstandes, dass
es ihm möglich war, gleich wieder bei der Beklagten einzutreten. Doch
ist in dieser Beziehung das Urteil nicht angefochten, weshalb auf diese
Frage nicht näher einzutreten ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Der Rekurs wird abgewiesen.

48. Urteil vom 19. Dezember 1919 %. S'. Max Aebi gegen Rekurskommission
des thing. Obergerichts. Bestrafung eines Experten wegen verspäteter
Ablieferung des

Gutachtens ohne vorherige Ansetzung einer Ordnungsfrist: Willkür.

,l. In dem beim Bezirksgericht Kreuzlingen hängigen Zivilprozesse
Theophil Bührer gegen Arthur Rieter A. G. wurde Ende Mai 1918 eine
Expertise angeordnet und Ende Juni der Rekurrent Max Aebi, zusammen
mit R. Hausammann, als Sachverständiger bezeichnet. Am 7. Dezember 1918
erfolgte die Instruktion der beiden

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 48. 343

Experten. Dabei wurden die Akten Hausammann über geben in der Meinung,
dass er sie an den Rekurrenten weiterleiten solle. Dies geschah denn auch
Mitte Februar 1919. Mit Schreiben vom 18. Mai schlug der Rekurrent dem
Mitexperten eine gemeinsame Besprechung vor. Haus . ammann sagte zu,
teilte aber in der Folge dem Rekurrenten mit, dass er verhindert sei
und liess sich von diesem die Akten wieder zustellen, um das Gutachten
allein auszuarbeiten.

Inzwischen hatte der Anwalt der Prozesspartei Bührer, Advokat J . Huber
in Rorschach, mit Eingabe vom 8. Mai gegen den GerichtSpräsidenten
von Kreuzlingen Beschwerde wegen Rechtsverzögerung erhoben. Diese war
jedoch durch Beschluss der Rekurskommission des Obergerichts des Kantons
Thurgau vom 16. Mai als gegenstandslos abgeschrieben worden, mit der
Begründung, dass der Experte Hausammann die Ablieferung des Gutachtens
mit Erklärung vorh 12. Mai für die nächsten Tage zugesichert habe. Eine
erneute Beschwerde vom25. Juli 1919 bezeichnete die Rekurskommission
am .'). August wiederum als gegenstaudslos, da inzwischen das Gutachten
eingegangen war. Im lautet dieser Beschluss : .

2. Die wegen 'Säumnis den Experten unterm 23.Juni 1919 angedrohte Busse
von je 100 Fr. wird als verfallen erklärt. '

3. Der Rekurrent . . . hat bei den Experten je 15 Fr. an Beschwerde-kosten
zu erheben.

In der Begründung wird die Säumuis der Experten als unverantwortlich
bezeichnet und im übrigen auf eine Vernehmlassung des Gerichtspräsidiums
Kreuzlingen vom 30.Juli 1919 verwiesen. Darin behauptet dieser, er habe
s nicht bloss Hausammann wiederholt gemahnt und ihm durch Schreiben
vom 19. Juni 1919 eine Busse angedroht, sondern sich auch an den
andernExperten'gewandt, und ihm Vorstellungen gemacht, aber'bisssher
fohne-IZrkolgssss

Auf zwei Wiedererwägungsgesuche, die der Rekurrent