ÖG ...... Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege,
V. 22. März 1893. '

aOR ..... Bundesgesetz über das Obligationenrechi, v. 14. Juni 1881.

OB ...... Bundesgesetz über das Obllgationenrecht, v. 30. März 1911.

aPntG . . . . Bundesgesetz betr. die Erfindungspatente, v. 29. Juni 1888.

PHBG ..... Bundesgesetz betr. die Erfindungspatente, v. 21. Juni 1907.

PGB ..... Privatrechtliches Gesetzbuch.

PolStrG(B} . Polizei-Strafgesetz (buch).

PostBG . . . Bundesgesetz über das Postregal, r, 5. April 1910.

RPflG . . . . Rechtspflegegesetz.

SchKG. . . . BGes über Schuldbetreibung u. Konkurs, v. 29. Apri11889.

SWG-(B) . . . Strefgesetz (buch).

StrPO . . . . Stral'prozessordnung.

StrV. . . . Strafverfahren.

StsV ..... Staatsverl'assung.

UIlG ..... Bundesgesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur
und Kunst, v. 23. April 1883.

VVG ..... Bundesgesetz über d. Versicherungsvertrag, v. 2. April 1908.

VZEG . . . . Bundesgesetz über Verpfändung und Zwangsliquidation

von Eisenbahnund Schifiahrtsunteruehmungen vom 25. September 1917.

ZEG ..... Bundesgesetz betr. Feststellung und Beurkundung des Zivilstandes
u. die Ehev. 24. Dezember 1874.

ZG (B). . . . Zivilgesetzshuch).

ZPO ..... Zivilprozessordnung.

B. Abréviations franzzadses.

CC ...... Code civil.

CF ...... Constitution federale.

CO ...... Code des obligations, du M juin 1881.

CP ...... Code pénal. _

apa; ..... Code de procedure civile.

Cpp ..... Code de procedure penale.

LF ...... Loi federale.

LP ...... Loi federale sur la poursuite pour dettes et la faillite, du

29 avril 1889.

OJF ..... Organisation judiciaire federale, du 22 mars 1893.
c. Abbreviazioni italiane.

CC ...... Codice civile svizzero.

CO ...... ' Codice delle obbligazioni.

Cpc ..... Codice di procedura civile.

Cpp ..... Codice di procedura penale.

LF. . . . . . Legge federale.

LEF ..... Legge esecuzioni e fallimenti.

OGF ..... Organizzazione giudiziaria federale.STAATSRECHT DROIT PUBLIC

I. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ (RECHTSVERWEIGERUNG)ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
(DÉNI DE JUSTICE)

1. Urteil vom 3. Februar 1919, i. s. Elektrizitätswerke Davos si-G. (EWD)
gegen Kleinen Rat Graubünden.

' Statutengemässer V o r z u g s-L i c h t p r e i s der Aktionäre

der EWD gegenüber dem Lichtpreis der sonstigen Ahonenten: Der Betrag
der Preisermässig'ung auf dem von den Aktionären bezogenen Lichtstrom
stellt k e i n e E i n n ah m e der Gesellschaft dar, für die diese
einkommenssteuerpflichtig Wäre. Die gegenteilige Annahme ist vor AN;. 4
B V nicht haltbar. Die Bemessung der Ab· s c h r e i b u n g e n zur
Ermittlung des steuerpflichtigen

' Reinerträges gestaltet sich verschieden, je nachdem die
Abschreibungsquoten vom ursprünglichen Anlage-werte oder vom jeweiligen
Buchwerte der Vermögensgegenstände berechnet werden. Gegen Art. 4 B V
verstossende Verkennung dieses Unterschiedes. *

A. Die Rekurrentin ist im Jahre 1893 als Aktiengesellschaft unter der
Firma Elektrizitätswerke Davos A.-G. (EWD) mit Sitz in Davos-Platz zum
Zwecke der Erzeugung und Verwertung elektrischer Energie, insbesondere der
Lieferung von Lichtstrom für die Landschaft Davos, gegründet worden. Ihr
Gesellschaftskapital beträgt zur Zeit 450,000 Fr., bestehend aus 15,000
Namenaktien zu 30 Fr., die in vier Emissionen (woyon die zwei

AS 45 l 1929 1

2 Staatsrecht. -

letzten zum Kurse von 50 resp. 80 Fr.) ausgegeben worden

sind. Ueber den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft enthält

A r t. 3 6 der Statuten in Abs. 2,litt. a und _ d folgende Bestimmungen:

a) Die Abgabe des elektrischen Lichtes erfolgt auf zweierlei Weise:

1. An die Aktionäre, welche das Recht haben, für jede Aktie à 30
Fr. 60 Kwstd. nach den vom Verwaltungs rate festgesetzten Bestimmungen
zu beziehen .........

2. An Nichtaktionäre (Abonnenten). Der Preis von 60 Kwstd. ist für diese
um 5 Fr.. höher als der jeWeilen für die Aktionäre festgestellte .......

d) Bei Feststellung des Lichtpreises ist in Berück sichtigung zu nehmen :

1. dass vorab alle Unkosten des Betriebes und der Verwaltung, sowie die
Zinslasten, steuer-abgaben und anderweitigen Auslagen zu bestreiten sind ;

2. dass auf Grundstücken und Gebäuden 1 bis 2%, auf. hydraulischen"
Anlagen 5 bis 10%, auf Maschinen 10 %, auf Leitungen 10 %, auf Mobilien
10%, auf Werk-

zeugen 20% und auf Apparaten 15% abzuschreiben ·s sind;

3. dass eine ordentliche Dividende von 41/270 an die Aktionäre
auszurichten ist ; ss 4. dass es der Grundsatz der Gesellschaft ist,
nach Sicherstellung der Verzinsung des Kapitals den Licht" preis,
soweit immer möglich, herunterzusetzen.

Die den Aktionären gemäss Art. 36 litt. a Ziff. 1 der Statuten zukommende
Uchtpreis Ennässigun'g ergibt für das Rechnungsjahr 1916 [1917 gegenüber
dem vollen Lichtpreis der Nichtaktionäre eine zittern-lässig unbestrittene
Differenz von 46,000 Fr., und die Abschreibungen der Gesellschaft gemäss
Art. 36 litt.d Ziff. 2 der Statuten beliefen sich in jenem Rechnungsjahr
insgesamt auf 100, 236 Fr. 22 Cts.

Anlässlich der steuer-aufnehme für das Jahr 1918

Gleichheit vor dem Gesetz. iN ;. .;

taxierte die Kreissteuerkommission DavOs den steuerpflichtigen Erwerb
der EWD auf 114,888 Fr., indem sie dabei einerseits den erwähnten Betrag
von 45,000 Fr. als vorbezogenen Gewinn der Aktionäre mit in Rechnung
stellte, und anderseits Abschreibungen nur _in der Höhe von 34,000
Fr. anerkannte.

Hierauf rekurierte die Gesellschaft an den Kleinen Rat des Kantons
Graubünden mit dem Rechtsbegehren, ihre Taxation sei durch Streichung
des Postens vorbezogener Gewinn der Aktionäre und, durch Anerkennung
des vollen Betrages ihrer Abschreibungen zu reduzieren, sodass ein
steuerbarer Erwerb überhaupt nicht übrig bleibe.

Mit Entscheid vom 29. Oktober 1918 hat der Kleine Rat diesen Rekurs'aus
wesentlich folgenden Erwägungen abgewiesen: ss

Bezüglich der Frage, ob die den Aktionären statutarisch zuge'sicherte
Lichtpreis Ermässigung in analoger Weise, wie die Skontovergütnngen der
Konsumvereine der Steuer unterliege, sei der Hinweis der Rekurrentin .
darauf, dass die Gesellschaft selber aus dieser LichtpreisErmässigung
nicht nur keinen Vorteil, sondern, durch den damit verursachten Ausfall,
einen direkten Nachteil habe, irrelevant. Ausschlaggebend ist der
Umstand, dass die Abgabe des billigeren Lichtes eine Verteilung " des
Wirtschaftsergebnisses der Gesellschaft darstellt, welche Verteilung
ofienbar mit Rücksicht auf die Stabilität der Jahreserträgnisse
den Mitgliedern statu tal-isch zugesichert werden konnte. Es liegt
also hier allerdings statutarisch festgelegt eine Verteilung des
Geschäftsergebnisses an die Gesellschafter Vor. Die Auffassung der
Steuerkommission sei deshalb begründet und müsse geschützt werden.

Ueber die Abschreibungen sei zu bemerken : Gemäss § 10 des
steuer-gesetzes muss die Taxation des Ver mögens nach seinem W eb ren
Werte erfolgen. Zur Ermittlung dieses wahren Wertes hat der Kleine Rat

4 Staatsrecht.

wiederholt und in konstanter Praxis entschieden, dass die
Geschäftsbilanzen keine bindende Norm für .

die Steuereinschätzungen beanspruchen können. Der ' steuerwert kann
niemals mit dem Buchwert identifiziert werden. Was nun die Aufstellung
der Bilanzen anbe iangt, so ist den Erwerbsgesellschaiten freigestellt,
ihre jeweiligen Abschreibungen am ursprünglichen Anlage wert vorzunehmen,
um dadurch eine möglichst rasche Amortisation der Anlagen herbeizuführen
Ritdie steuer ermittlung kann jedoch diese Amortisationsart nicht
akzeptiert Werden. Für die Steuerveranlagung kann allein der Buchwert zu
Grunde gelegt werden und insbesondere die Abschreibungen nur von diesem
gestattet werden. Während nämlich der Zweck der geschäftspolitischen
Amortisation vom ursprünglichen Anschafiungswerte das Ziel verfolgt, die
gänzlichen Abschreibungen in kürzester Zeit zu erreichen, können die
Abschreibungen im steuerrechtlichen Sinne nur die Eruierung des wahren
steuerpflichtigen Wertes be zwecken. In der Regel ergibt sich derselbe
aus dem Buchwerte ........ Vom steuerpolitischen Standpunkt aus wird
grundsätzlich bei einem Geschäft die reine Ab nutzung, die sich aus dem J
ahresbetrieb durchschnitt lich ergibt, als Amortisation anerkannt. Zum
Ausgleich dieser ständigen, immerhin Variablen Entwertungen wird
eine durchschnittliche jährliche Amortisation ' auch für die Steuer in
Rechnung gebracht. Sie beträgt für Elektrizitätswerke normalerweise 3 %
(vergl. Rekurs des Elektrizitätswerkes Flims A.-G., Pr. Nr. 2413 Vom
Jahre 1916). Die Gesellschaftsstatuten, welche bedeu tend grössere
Abschreibungen versehen, sind für die Steuer .iirelevant. Unter die oben
erwähnte Fest setzung der normalen Abschreibungen Von 3% fallen alle
Betriebe in gleichen oder ähnlichen Verhältnissen. Wenn Rekurrentschait
auch darauf hinweist, dass einige Elektrizitätswerke statutarisch noch
reichere Abschrei bungen kennen, so ist damit gar nicht dargetan, dass

Gleichheit vor dem owed-. Tsäs l. .-

dieselben steuerrechtlich auch tatsächlich anerkannt werden. Dass die 3%
Abschreibung durchschnittlich nicht zu niedrig und den tatsächlichen
Verhältnissen entspricht, geht auch daraus hervor, dass z. B. die
Brusiowerke keine höhere Abschreibung kennen und das Elektrizitätswerk
Bündneroberland sogar noch eine kleinere Abschreibung hat. Daraus
geht hervor, dass die steuerrechtlich anerkannten Abschreibungen
von durchschnittlich 3 % des Buchwertes für normale, gleich artige
Betriebe angemessen ist. Was insbesondere die Abschreibungen der
Rekurrentin anbelangt, so Wurde bereits im Rekursentscheid vom Jahre
1917 (Pr. Nr. 1315) auf den Revisionsbericht der Treuhandgeselischakt
vom 3. August 1917 verwiesen, wonach die statutarisch vorgesehenen
Abschreibungen der A.-G. EWD um jährlich 46,000 Fr. reduziert werden
könnten. Daraus geht ohne Zweifel hervor, dass das EWD zu reichliche
Abschreibungen statutarisch vorsieht und auch tat sächlich vornimmt. Indem
Rekurrentschaft nicht nach zuweisen vermochte, dass Abschreibungen über
die, üblichen 3% der Elektrizitätswerke auch steuerrecht-

' lich erforderlich seien, muss auch dieser Entscheid der

Rekurskommission' bestätigt werden.

B. Diesen Entscheid des Kleinen Rates hat die Gesellschaft EWD
rechtzeitig durch staatsrechtlichen Rekurs beim Bundesgericht angefochten
und beantragt, es sei im Sinne ihres beim Kleinen Rat gestellten
Rechtsbegehrens zu entscheiden. Aus der Begründung des Rekuxses ist
hervorzuheben :

Die Besteuerung des sog. vorbezogenen Gewinns der Aktionäre bedeute eine
Willkür und Verletzung der Rechtsgleichheit. Dieser angebliche Gewinn
sei kein solcher ; er unterscheide sich ssvon den RückVergütungen der
Konsumvereine dadurch, dass er _auch formell nicht in der Rechnung der
Gesellschaft figuriere und nicht verteilt werden könne, weil er niemals
eingenommen worden sei. Zur Steuer heranziehbar seien nur Vorteile eines

6 Steam-echt.

Untemehmens, die Geld einbrächten, eine Besteuerung nicht tatsächlich
gemachter, sondern nur wirtschaftlich möglicher Einnahmen dagegen sei
ausgeschlossen. Die Abgabe billigern Lichtes an die Aktionäre sei keine
Verteilung des Wirtschaftsergebnisses der Rekurrentin ; denn dieses
Wiitsehaftsergebnis sei, steuerrechtlich betrachtet, nicht die Summa der
erzeugten elektrischen Energie, sondern der in Geld umgesetzte Reinertrag
dieser Energie, den ihre Verwertung zu den von der Gesellschaft in freier
Weise bestimmten Preisen ergebe-

Auch in der vom Kleinen Rat geschützten Reduktion der Abschreibungen
seitens der Steuerkommission liege eine Rechtsverweigerung und
gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV verstossende Willkür. Wenn man richtig rechnen
Wolle, seien die Abschreibungen vom Anlagekapital zu machen. Das
geschehe andern Geschäften und Privaten gegenüber tatsächlich auch im
Besteuerungsverfahren ; folglich hätten die Aktiengesellschaften hierauf
ebenfalls Anspruch. Ferner würden in allen gut geführten Geschäften die
Abschreibungen nach Kategorien der Wertobjekte, deren Abnutzung eine
Verschiedene sei, unterschieden. Dieses Verfahren durch eine allgemeine
Durchschnittsabschreibung zu ersetzen, sei nicht nur praktisch un-richtig
und kaufmännisch fehlerhaft, sondern auch rechtlich willkürlich und führe,
weil nicht allen steuerpflichtigen gegenüber in gleicher Weise anwendbar,
si direkt zu rechtsungleicher Behandlung. Massgebend müsse sein, dass
eine richtige Abschätzung der Wertabnahme der einzelnen Objekte vorliege,
und das sei bei den Ansätzen der Rekurrentin der Fall.

C. Der Kleine Rat des Kantons Graubünden hat Abweisung des Rckurses
beantragt. Er beruft sich gegenüber den vorstehend erwähnten
Rekursargumenten einfach auf die Erwägungen seines Entscheides.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Als bündnerisches Steuerrecht ist vorliegend

;Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1. 7

.noch massgebend das kantonale Steuergesetz vom Jahre

1881 (an dessen Stelle nunmehr ein steuer-gesetz vom 23. Juni 1918
getreten ist). Darnach' ist der Erwerbssteuer unterworfen jeder Erwerb
und: jedes Einkommen von Privaten und im Kanton bestehenden Korporationen
und Erwerbsgesellschaiten (§ 5). Die Grundlage für die Ausmittlung
der Steuerpflicht bildet das letzt} ährige Jahresergebnis (& 10),
und zwar fällt in Betracht , der Gesamtbetrag jeder Art Von Einkommen,
welches das Ergebnis einer Fachoder Berufstätigkeit ist ..... , wobei als
solchelTätigkeit u. a. jede Art von Handel und Industrie verstanden wird
(g 19). Vom Gesamtertrag eines Gewerbes können 4% des darauf verwendeten
und dem Kanton Vorsteuerten Betriebskapitals, die Handlungs-, Gewerbsoder
Berufskosten, Unterhalt und Lohn der Angestellten, Gesellen, etc.
in Abzug gebracht werden (g 20). Diese allgemeinen Bestimmungen müssen
auch für anonyme Erwerbsgesellschaiten gelten, da das Gesetz Von 1881,
im Gegensatz zu demjenigen von 1918, für sie keine sondervorschriften
enthält. sie nennen die Einkommensquellen und die zulässigen Abzüge ;
im übrigen aber definiert das Gesetz den Begriff des Einkommens oder
Erwerbes nicht und stellt daher offenbar auf einen allgemein anerkannten
Begriff ab. Nun lautet eine

verbreitete Definition, auf die auch das Bundesgericht

schon Bezug genommen hat (AS 37 .1 s. 479 und 480), dahin, dass unter
dem Einkommen einer Person die Summe der wirtschaftlichen Güter zu
verstehen sei, die sie in einem gewissen Zeitraume zur Befriedigung
ihrer Bedürfnisse verwenden könne, ohne ihren Vermögens-stand zu
schm'a'lern. Dem entspricht bei den anonymen Erwerbsgesellschaften nach
richtiger Terminologie der Reinertrag , der sich im Sinne von § 20 des
bündnerischen Steuergesetzes ergibt, wenn vom Bruttoertrag sämtliche
Unkosten und die 4%ige Verzinsung des Betriebskapitals abgezogen
werden. Individual-Einkommen und Gesellschafts-Reinertrag stimmen darin
überein,_ dass sie

8 i ' Staatsrecht.

in einer Geldsumme zum Ausdruck kommen, die als

wirtschaftliches Gut indexHand des steuerpflichtigen zu _

dessen Verfügung steht. Daraus folgt, dass ein Betrag, den eine
Einzelperson oder Gesellschaft nicht eingenommen hat und der daher niemals
in ihren-Hand war und zu ihrer Verfügung stand, begrifi'lich unmöglich zum
Einkommen oder Ertrag dieser Person oder Gesellschaft gerechnet werden
kann. Das ist aber bei der hier zur Diskussion stehenden Bewertung der
Lichtpreisermässigung, welche die Rekurrentin ihren Aktionären gewährt,
der Fall. Allerdings bedeutet diese Vergünstigung für den Aktionär
eine Minderausgabe, die wirtschaftlich einer Einnahme gleichkommt und
den Verkehrswert der Aktien mitbestimmt. Allein vom Standpunkte der
Gesellschaft aus kann sie schlechterdings nicht als Einnahme,

sondern höchstens als Verzicht auf eine mögliche Ein-.

nahme angesehen werden. Die Abgabe des billiger-en Lichtstroms an
die Aktionäre stellt nicht, wie der Kleine Rat sagt, eine Verteilung
des Wütschaitsergebnisses der Gesellschaft dar. Denn der abgegebene
Lichtstrom ist an sich bloss das t e c h n i s c h e Ergebnis des
Geschäftsbetriebes der Bekarrentin, und von einem Wi r t ss c h a f
t s ergebnis kann nur gesprochen werden, soweit die Stromabgahe der
Gesellschaft tatsächlich Einnahmen bringt. Die Differenz zwischen dem
Vorzugspreis der Aktionäre und dem vollen Lichtstrompreis aber ist
eben keine Einnahme, sondern, wenigstens unmittelbar, gegen-teils
eine Nichteinnahme . Sie kann daher für die V e r t e i l u n g
des Whtschaitsergehnisses, die doch den B e s t a n d eines solchen
d. h. vorhandene Einnahmen voraussetzt, unmöglich in Betracht fallen. Der
Kleine Rat dürfte jenen Satz dem Urteil des Bundesgerichts vom 22. April
1904 i. S. des Konsumvereins Chur (AS 39 IS.

25Z) entnommen haben, Wo die vom damaligen Rekurrenten jeweilen am Ende
des Geschäftsjahres vorgenommene Auszahlung eines sog. Skontos an seine
Mitglieder als Verteilung eines Teils des wirtscheitsergebnisses der

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1. '9

Genossenschaft bezeichnet, und ihre Besteuerung als Erwerb in
Bestätigung früherer Entscheidungen (AS 25 I S. 492 f. ; 27 1 S. 155
iî.) als vor Art. 4BV nicht anfechthar erklärt ist. Hiehei hat der
Kleine ,Rat den wesentlichen Unterschied zwischen dem damaligen. unddem
heutigen Tatbestande übersehen, der darin liegt, ;;dass die Beträge
der Skonto-Bückzahlungen der Konsumvereine-, wie auch der Betrag
der im Falle seitenfebrik Sunlight A.-G. gegen Solothurn (AS 37 I
S. 16. f.) zur Beurteilung gelangten RückVergütung , zunächst wirklich,
der Vereinsoder Gesellschaitskasse zufliessen undsdenns ' verteilt
werden, si also wenigstens formell als Betriebseinnehmen erscheinen,
Während das für den hier fraglichen Preisdifferenzhetrag nicht zutrifft
ihm Winden vielmehr Skonti entsprechen, die bei Bereinkäuien jeweilen
sofort in Abzug gebracht werden ; solche Skonti aber sind, im Gegensatz
zu später-n Rückzahlungen, nicht als steuerpflichtiger Erwerb der sie
gewährenden Unternehmung behandelt Werden (vergl. die Gegenüberstellung
in AS 27 I S. 156 f. und 37 I S. 17, Erw. 1 in fine). Zudem ist nicht
ohne-iweiteres anzunehmen, dass die Rekurrenthn hei Nichtgewährung eines
Vorzugslichtpreises an ihre Aktionäre den aus dessen Unterschied zum
vollen Lichtpreis zu berechnenden Betrag als. Mehreinnalune erzielt hätte.
Denn in diesem Falle wäre wohl der volle Lichtpreis mit

. Rücksicht auf Art. 36 litt. d Ziff. 4 der statuten niedriger

angesetzt Werden. Die Behandlung des fraglichen Preisditkerenzbetrages als
Bestandteil des steuer'pilichtigen Erwerbs der Rekurrentin erweist sich
demnach als schlechterdings unhaltbar. Sie verkennt den Einkommensoder
Ertragshegrifi derart, dass sie als objektiv willkürlich

bezeichnet und aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV beanstandet werden muss.

' 2. Die Abschreibungen der Rekurrentin für das Geschäftsjahr 1916 [17
im Gesamthetrage von 106,236 Fr. 22 (Dis., dessen volle Anerkennung sie
verlangt, sind, wie sich aus den unbestritten gebliebenen. Angaben ihres
Bekurses an densiKleineanat' ergibt, vom ursprünglichen

10 , Staatsrecht.

Anlagewert (Anschafiungswert) der Objekte, der annähernd 2,000,000
Fr. betrug, gemacht und nach den verschiedenen Ansätzen in Art. 36
litt. d Ziff. 2 der Statuten bemessen. Demgegenüber haben Kreissteuerkom-

mission und Kleiner Rat Abschreibungen von ins-' gesamt nur34,000 Fr.,
berechnet nach dem Buchwert

der Objekte zu Beginn jenes Geschäftsjahres von 1,333,000 Franken und
zum allgemeinen Durchschnittsansatz von 3%, zugelassen. In diesem Punkte
dreht der Streit sich um die Fragen, ob die Abschreibungsquote von
ursprünglichen AnlageWerte oder Vom jeweiligen Buchwert-e zu berechnen
ist, und ob die Rekurrentin ,sich eine allgemeine Durchschnittsquote,
an Stelle ihres statutarischen Systems der verschiedenen, den einzelnen
Objektskategorien angepassten Quoten, gefallen lassen muss, eventuell,
ob die, Durchschnittsquote mit dem Ansatz der Steuerbeihörden nicht
erheblich zu tief bemessen ist. Zur Beantwortung dieser Fragen ist von
folgenden allgemeinen Erwägungen auszugehen (vergl. hierüber namentlich
REHM, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften, etc., 2. Aufl., S. 282 ff.,
sowie schon BLUM in Hirths Annalen des Deutschen Reiches für Gesetzgebung,
Verwaltung und ,Volkswirtschaft, Jahrgang 1903, s. 32 ff'.) :

Die Abschreibungen bezwecken, die Wertverminderung der einem
Geschäftsbetriebe dienenden Gegenstände zufolge ihres Gebrauchs
rechnungsmässig zum Ausdruck zu bringen. Diese Wertverminderung bewegt
sich in den Grenzen zwischen dem Anfangsoder Neuwert, der durch die
Anschafiungs , Anlageoder Einstandskosten gegeben

ist, und dem Ende oder Alt-wert nach Ablauf der Zeit der
Gebrauchsfähigkeit, der bis auf Null sinken kann. Obschon
diewertverminderungsursaehen nicht während der ganzen
Gebrauchsiähigkeitsdauer gleichmässig Wirken, erscheint es aus
praktischen Gründen richtiger, die Entwertung in prozentual stets gleichen
Jahresquoten in Rechnung zu steilen (Wie es vorliegend sowohl nach dem
System der Rekurrentin, ais auch nach demjenigen der Steuerbehör-

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1. 11

den geschieht). Dabei ist die J ahresquoteso zu bemessen, dass die Summe
der ihr während aller Jahre der Gebrauchskähigkeit jeweilen entsprechenden
Wertbeträge den Betrag der Gesamtentwertüng (Antangswert minus Endwert)
ergibt. Diese Bemessung gestaltet sich rechnerisch am einfachsten ,Wenn
sie in Prozenten des A n -. fangs-oderAnlagewertesvorgenommenwird, weil
in diesem Falle nicht nur der jährliche Prozentsatz als solcher, sondern
auch der ihm entsprechende Wertbetrag absolut gleich bleibt. Ueberdies
passt sich damit . die Abschreibung dem wirklichen Verlauf der Wertver-'
minderungam besten an, indem der absolut konstante Abschreibungsbetrag im
Verhältnis zum sinkenden Rest wert jedes Jahr grösser wird, gleich der
Abnutzung, die eriahrungsgemäss gegen das Ende der Gehrauchsfähigkeit
verhältnissmäsig zunimmt. Es ist aber technisch auch möglich,
die Bemessung in Prozenten des j e W eilig e n B u e h w e r t e s
d. h. desjenigen Wertes vorzunehmen, auf den der Anfangsoder Anlagewert zu
Beginn des hetreffenden Geschäftsjahres in der Buchführung des Gesehäkts
bereits abgeschrieben ist. Nur zeigt sich bei dieser Rechnungsweise,
dass mit Rücksicht auf das alljährliche sinken des Buchwertes auch der
dem gleichbleibenden Prozentsatz der Abschreibung hievon ent-

sprechende Wertbetrag im Gegensatz zur Intensität der

Abnutzung alljährlich abnimmt und dass deshalb , der , feste
Abschreibungs-Prozentsatz des B u c h Wertes stets höher sein muss, als
derjenige des A n l a g e Wertes, damit die Summe der entsprechenden
Wertbeträge bis zum Ende der Gebrauchsfähigkeit ,in beiden Fällen den
gleichen Betrag der zu kompensierenden GesamtentWertung erreicht. Und zwar
ist der Unterschied der beiden Prozentsätze ganz erheblich ; so beträgt
ineinem von BLUM, a.a.0. S. 34, angeführten Beispiel einer LokomotiVe
mit 20jähriger Gebrauchstähigkeitsdauer der Ansatz vom Anschafiungswert
4,7 %, vom jeweiligen Buchwert dagegen 13,2 %.

12 ' Staatsrecht.

Diese allgemeine Grundlage seines Entscheides hat sich der Kleine Rat
offenbar nicht klar gemacht, wenn er sagt, die Abschreibungen könnten
steuerrechtlich nur vom Buchwert gestattet werden, weil sie die Eruierung
des wahren steuerpflichtigen Wertes bezweckten, der sich in der Regel
aus dem Buchwert ergebe, während die geschäftspolitische Amortisation
vom ursprünglichen Anschafiungswerte das Ziel Verfolge, die gänzlichen
Abschreibungen in kürzester Zeit zu erreichen. Denn diese Ausführung
verkennt völlig die Möglichkeit des erörterten zweikachen Vorgehens
und vermengt in unverständlicher Weise die Art der Abschreibung mit der
dadurch bedingten Höhe der Abschreibungsquete Und auch die anschliessenden
Erörterungen über die als für Elektrizitätswerke normal bezeichnete
Quote von 3% (des BuchWertes) sind schon deswegen nicht schlüssig, weil
nicht feststeht, ob die Abschreibungen des Elektrizitätswerkes Flims,
der Brusiowerke und des Elektrizitätswerkes Bündneroberland, die zum
Vergleiche angerufen Werden, wirklich ebenfalls vom Buch'werte oder
nicht vielmehr was nach dem Gesagten von vorn-herein wahrscheinlicher
ist vom Anlagewerte gemacht sind. Wenn auch der Buchwert in der Regel
den jeweiligen wirklichen Wert der Betriebsgegenstände darstellen mag ss
und die A b s c h r e i b u n g s o p e r a t i o n selbstverständlich
stets an diesem wirklichen Werte a u s z u f'ü h r e n ist, so folgt
doch daraus keineswegs, wie der *Kleine Rat anzunehmen scheint, dass die
Qu o t e und damit auch der jeweilige B et r ag der so auszuführenden
Abschreibung notwendigerweise nach dem Buchwerte h e m e s s e n werden
muss. Rechnerisch einfacher und wirtschaftlich richtiger ist gegenteils,
wie dargetan, die Bemessung nach dem Anlagewert. Im angefochtenen
Entscheid ist der Kern der zu lösenden, allerdings nicht ganz leichten
Abschreibungefrage mangels näheren Studiums, zu dem eine oberste
Steuerrekursinstanz verpflichtet ist, überhaupt nicht erfasst Werden,
sondern der Kleine Rat argumentiert

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1.13

auch in dieser Hinsicht in einer Art und Weise, die vor Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV nicht
bestehen kann. ss

Dagegen ist im weitern die Anwendung einer alle Gegenstände umfassenden
einheitlichen Durchschnittsquote für die Abschreibung aus dem
Gesichtspunkte des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV grunsdätzlich nicht zu heanstanden. Wohl
mag die Differenzierung nach einzelnen Kategorien von Gegenständen
zu einem genaueren Ergebnis führen.. Doch kann auch ein allgemeiner
Durchschnittsansatz wenigstens nicht als willkürlich bezeichnet werden,
sofern er auf einer sorgfältigen Würdigung der massgebenden Faktoren,
insbesondere vor allem einer Abklärung der erörterten Bemessungsgrundlage,
beruht.

3. Die vorstehenden Erwägungen führen zur Aufhebung des kleinrätlichen
Entseheides in der Meinung, dass der Kleine Rat unter Berücksichtigung
ihres Inhalts über die Beschwerde der Rekurren'tin neuerdings zu
entscheiden hat. Er wird sich also zunächst darüber schlüssig machen
müssen, ob die Abschreibung vom Anlagewert (richtigeres System) oder
vom Buchwert (weniger befriedigendes, aber doch immerhin zulässiges s
System) zu machen sei, und je nachdem den Prozentsatz der" Abschreibung
zu bestimmen haben. Dieser würde nach dem letztern System erheblich} höher
sein müssen, als nach dem ersteren, und dürfte mit 3 % des Buchwertes

' wohl zu niedrig angesetzt sein, wenn beachtet wird, dass

z. B. ein Gegenstand im Anschaffungswerte von 1000 Fr. bei jährlicher
Abschreibung von 3% dieses Anlagewertes in 33 -1J3 Jahren vollständig
abgeschrieben, bei jährlicher Abschreibung von 3 % des jeweiligen
Buchwertes dagegen nach 100 Jahren erst auf 120 Fr. amortisiert ist.

Demnach erkennt das Bandesgericht':

,Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid des Kleinen Rates
des Kantons Graubünden vom 29. Oktober 1918 irn-Sinne der Erwägungen
aufgehoben. si