220 Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

45. Entscheid. vom 10. Juli 1917 i. S. Sengelé.

Internationale Uebereiukunft betr. Zivilprozessrecht. Unzulässigkeit der
direkten Zusendung von Betreibungsurkunden an in Deutschland wohnhakte
Schuldner _mittelst der Post, auch dann wenn die um Ausführung der
Zustellung ersuchte deutsche Behörde ihre Mitwirkung unter Berufung auf
Art. 4 der Uebereinkunft verweigert.

A. Auf Begehren des Jean Sengele in Borgogesia, Italien und gestützt
auf einen von ihm erwirkten Arrestbefehl belegte das Betreibungsamt
Basel-Stadt am 21 . November 1916 ein Guthaben der Arrestschuldnerin,
Bank in Mülhausen i. E. an den Schweizerischen Bankverein in Basel mit
Beschlag. Während die Arresturkunde der Schuldnerin auf dem üblichen'Wege
in Mülhausen durch die dortigen Gerichtsbehördenzugestellt werden könnte,
verweigerte das Amtsgericht Mülhausen die Zustellung des Zahlungshefehles
in der Arrestbetreibung, weil eine deutsche Bundesratsverordnung vom
26. November 1916 jede unmittelbare oder mittelbare Zahlung nach Italien
verbiete, eine solche aber hier indirekt angestrebt werde. Ein darauf
durch Vermittlung des Bundesrats gemachte-r Versuch, die Zustellung
auf diplomatischem Wege zu bewirken, hatte keinen Erfolg, indem die
deutschen Behörden sich auf Art. 4 der Internationalen Uebereinkunft
über Zivilprozessreeht,beriefen, wonach die Ausführung einer Zustellung
verweigert werden könne, wenn sie die Sicherheit des ersuchten Staates
gefährden würde, was im vorliegenden Falle zutreife.

Um das Verfahren dennoch weiterführen zu können, liess daher das
Betreihungsamt Basel-Stadt am 7. Juni 1917 den Zahlungsbefehl der
Schuldnerin durch eingeschriebenen Brief zugehen. Auf Beschwerde derselben
hob jedoch die kantonale Aufsichtsbehörde am 25. Juni 1917 die auf diesem
Wege erfolgte Zustellung unter Berufung auf die im Kreisschreiben des
Bundesgerichts vom 12. Juni 1913 ausgesprochenen Grundsätze als ungiltig
auf.und Konkurskammer. N° 45. ' III

B. Gegen diesen ihm am 26. Juni 1917 mitgeteilten Entscheid rekurriert
der Arrestgläubiger Sengelé am 3. Juli 1917 an das Bundesgericht mit dem
Antrage, in Aufhebung desselben die angefochtene Zustellung als zulässig
zu erklären oder aber auf andere Weise die Möglichkeit zu gewähren, dass
der Arrest prosequiert werden könne. Die Entscheidung der Vorinstanz,
so wird ausgeführt, habe zur Folge, dass ein in der Schweiz giltig
vollzogener Arrest deshalb wirkungslos bleibe, weil die deutschen
Behörden in willkürlicher Weise ihre Mitwirkung zur Zustellung der
Betreibungsurkunden abiehnten. Aus dieser Lage müsse ein Ausweg gefunden
werden, der offenbar nur in der Zulassung der Uebermittlung durch die
Post oder aber in der Ediktalzustellung auf Grund analoger Anwendung
des Art. 66 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 66 - 1 Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.
1    Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.
2    Mangels einer solchen Bezeichnung erfolgt die Zustellung durch Vermittlung des Betreibungsamtes des Wohnortes oder durch die Post.
3    Wohnt der Schuldner im Ausland, so erfolgt die Zustellung durch die Vermittlung der dortigen Behörden oder, soweit völkerrechtliche Verträge dies vorsehen oder wenn der Empfängerstaat zustimmt, durch die Post.122
4    Die Zustellung wird durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt, wenn:
1  der Wohnort des Schuldners unbekannt ist;
2  der Schuldner sich beharrlich der Zustellung entzieht;
3  der Schuldner im Ausland wohnt und die Zustellung nach Absatz 3 nicht innert angemessener Frist möglich ist.123
5    ...124
SchKG bestehen könne. Wenn die deutsche Behörde es
ablehne, ihren Verpflichtungen aus dem Staatsvertrage nachzukommen,
müsse sie es sich auch gefallen lassen, dass die Mitteilung an den
Schuldner auf dem Wege erfolge, der ohne Staatsvertrag beschritten werden
könnte, (1. h. dass dafür auf die Regeln des internen Gesetzesrechtes
zurückgegriffen werde.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht

in Erw'àgung:

Nach Art. 1-3 in Verbindung mit Art. 6 der Internationalen Uebereinkunft
über Zivilprozessrecht vom 17. Juli 1905 sind Schriftstücke in Zivilund
Handelssachen, wozu auch die gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilungen
im Betreibungsund Konkursverfahren zählen, an im Auslande wehnhafte
Personen durch die zuständige Behörde des betr. auswärtigen Staates
zuzustellen. Die direkte Zusendung durch die Post ist nur statthaft, wenn
sie durch ein Abkommen zwischen den beiden Staaten vorgesehen ist oder,
mangels eines Abkommens, der Staat, auf dessen Gebiet die Zustellung
geschehen soll, nicht widerspricht. Da ein solcher Widerspruch nach
den Fest-

222 Entscheidungen der Schnldbetreibungs-

stellungen des von der Vorinstanz angeführten bundesgerichtlichen
Kreisschreibens von Seite Deutschlands vorliegt und die Bestimmungen
eines vonder Bundesversammlung genehmigten Staatsvertrages nach
allgemeinem Grundsatze den ihnen widersprechenden Vorschriften des
internen Gesetzesrechtes derogieren, ist demnach die Zustellung von
Zahlungsbefehlen an in Deutschland wohnhaftechhuldner auf anderem Wege
als durch Vermittlung der deutschen Behörden unzulässig und muss die
Vorschrift des Art. 66 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 66 - 1 Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.
1    Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.
2    Mangels einer solchen Bezeichnung erfolgt die Zustellung durch Vermittlung des Betreibungsamtes des Wohnortes oder durch die Post.
3    Wohnt der Schuldner im Ausland, so erfolgt die Zustellung durch die Vermittlung der dortigen Behörden oder, soweit völkerrechtliche Verträge dies vorsehen oder wenn der Empfängerstaat zustimmt, durch die Post.122
4    Die Zustellung wird durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt, wenn:
1  der Wohnort des Schuldners unbekannt ist;
2  der Schuldner sich beharrlich der Zustellung entzieht;
3  der Schuldner im Ausland wohnt und die Zustellung nach Absatz 3 nicht innert angemessener Frist möglich ist.123
5    ...124
SchKG, welche neben dieser Zustellungsart
alternativ auch die Uebermittlung durch die Post vorsieht, insoweit als
modifiziert angesehen werden.

An dieser Rechtslage vermag auch eine auf Art. 4 der Uebereinkunkt
gestützte nach Ansicht der schweizerischen Vellstreckungsbehörden
unbegründete Weigernng der deutschen Behörden, die Zustellung zu
vollziehen, nichts zu ändern. Denn der zitierte Artikel bestimmt
ausdrücklich, dass die Zustellung verweigert werden könne, wenn sie nach
der Auffassung des Staates, auf, dessen Gebiet sie erk 0 lg e n s o l 1,
geeignet erscheine, seine Hoheitsrechte zu verletzen oder seine Sicherheit
zu gefährden (im französischen Originaltexte: 'si l'Etat sur le territoire
duquel elle devrait étre faite, la juge de nature à porter atteinte à sa
souveraineté ou à sa sécurité ). Er überlässt es demnach ausschliesslich
dem ersuchten Staate, darüber zu befinden, ob die eben umschriebenen
Voraussetzungen für die Ablehnung der Rechtshilfe zutreflen. Indem
die der Uebereinkunit beigetretenen Staaten dieser Regelung zugestimmt
und davon abgesehen haben, für die Entscheidung hierüber entstehender
Meinungsverschiedenheiten eine unbeteiligte Instanz einzusetzen, haben
sie auch die Folge auf sich genommen, dass die Zustellung schon durch
den blossen Einspruch des ersucht-en Staates verunmöglicht werden kann.

Trifft dies zu, so kann es aber nicht angehen, im Falleund
Konkurskammer. N° 46. 223-

eines solchen Einspruchs nunmehr die Zustellung doch durch die Post oder
gar in extensiver Auslegung des Art. 66 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 66 - 1 Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.
1    Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.
2    Mangels einer solchen Bezeichnung erfolgt die Zustellung durch Vermittlung des Betreibungsamtes des Wohnortes oder durch die Post.
3    Wohnt der Schuldner im Ausland, so erfolgt die Zustellung durch die Vermittlung der dortigen Behörden oder, soweit völkerrechtliche Verträge dies vorsehen oder wenn der Empfängerstaat zustimmt, durch die Post.122
4    Die Zustellung wird durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt, wenn:
1  der Wohnort des Schuldners unbekannt ist;
2  der Schuldner sich beharrlich der Zustellung entzieht;
3  der Schuldner im Ausland wohnt und die Zustellung nach Absatz 3 nicht innert angemessener Frist möglich ist.123
5    ...124
SchKG durch öffentliche
Bekanntmachung vorzunehmen, um dann nachher das Verfahren gleich
fortzuführen, wie wenn sie in giltiger Form geschehen wäre. Sollte
der ersuchte Staat sich zu Unrecht auf die Bestimmung des Art. 4 der
Internationalen Uebereinkunft berufen und damit seine vertragliche
Rechtshilt'epflicht verletzt haben,. so kann das allenfalls dem
ersuchenden Staate Anlass. geben, sich im Verhältnis zum ersuchten Staate
vom Vertrage loszusagen, d. h. von ihm zurückzutreten. Dagegen können,
so lange ein solcher Rücktritt nicht vor liegt, die mit der Handhabung
des Vertrages betrauten Gerichtsund Vollstreckungsbehörden des ersuchten
Staates dadurch nicht berechtigt werden, sich nunmehr auch ihrerseits
über dessen Bestimmungen hinwegzusetzen und statt ihrer die Vorschriften
des internen Gesetzesrechtes anzuwenden.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt :

Der Reican wird abgewiesen.

46. Entscheid vom 14. September 1917 i. S. Bòsîger.

Art. 395
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 395 - 1 Errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung, so bestimmt sie die Vermögenswerte, die vom Beistand oder von der Beiständin verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung stellen.
1    Errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft für die Vermögensverwaltung, so bestimmt sie die Vermögenswerte, die vom Beistand oder von der Beiständin verwaltet werden sollen. Sie kann Teile des Einkommens oder das gesamte Einkommen, Teile des Vermögens oder das gesamte Vermögen oder das gesamte Einkommen und Vermögen unter die Verwaltung stellen.
2    Die Verwaltungsbefugnisse umfassen auch die Ersparnisse aus dem verwalteten Einkommen oder die Erträge des verwalteten Vermögens, wenn die Erwachsenenschutzbehörde nichts anderes verfügt.
3    Ohne die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person einzuschränken, kann ihr die Erwachsenenschutzbehörde den Zugriff auf einzelne Vermögenswerte entziehen.
4    ...480
und 419
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 419 - Gegen Handlungen oder Unterlassungen des Beistands oder der Beiständin sowie einer Drittperson oder Stelle, der die Erwachsenenschutzbehörde einen Auftrag erteilt hat, kann die betroffene oder eine ihr nahestehende Person und jede Person, die ein rechtlich geschütztes Interesse hat, die Erwachsenenschutzbehörde anrufen.
ZGB. Befugnis eines für die Vermögensverwaltung
bestellten Beirates, auch gegen den Willen des Vertretenen für fällige,
zum Kapital gehörige Forderungen die Betreibung durchzuführen.

A. Durch Urteil des Amtsgerichtes Aarberg vom 21. September 1916 wurde
entschieden, dass dem Christian Habegger in Aarberg die Verwaltung seines
Vermögens zu entziehen und einem Beirat zu übertragen sei. Als Beirat
wurde Rudolf Liechti in Aarberg bezeichnet. Dieser liess für eine dem
Habegger zustehende, am