liche Tatsachen eingetreten seien und das Begehren der ,Beklagten auf
Nichtigerklärung des klägerischen Patentes sich rechtfertige.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das angefochtene Urteil des
aargauischen Handelsgerichts vom 2. März 1918 aufgehoben und die Sache
im Sinne vom Erwägung 5 hievor zu neuer Behandlung und Beurteilung an
die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
63. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Juni 1916 i. S. Buta & Mannheimer
in Liq., Klägerin und Berufungsklägerin, gegen Table: & Cie in Liq.,
Beklagte und Berufungsbeklagte.
Prüfung'der Gültigkeit a u sl ä n dis c h e r P a t e n t e durch den
schweizerischen Richter im Sinne der Lösung von Präjudizialfragen für
den von ihm zu treffenden Entscheid. Lizenzv ertrag : Au sl egung dahin,
dass die Patentfäh i gk eit der zur Ausnutzung überlassenen Erfindung
zugesagt wurde. Gesetzliche Ge_w ährl ei stung spfli ch t in diesem Sinne
? Liegt in der mangelnden Patentfähigkeit gänzliche oder nur teilweise
Ni c h t e r f ül l u n g des Vertrages ? inwieweit ist der Lizenznehmer
von einer Leistungspflicht befreit ?
1. Durch Vertrag vom 13. Dezember 1901 hat die Klägerin, die in
Zürich eine Kunstanstalt betreibt, der Beklagten, Inhaberin einer
seither in Liquidation getretenen Chokoiadefabrik, die unbedingte und
ausschliessliche Ausnutzung des ihr auf die Rechnungs-Tahelle System
Beer von der Schweizerischen Eidgenossensehaft erteilten Patentes N°
22,235 und der ausserdem in den Staaten Deutschland, Österreich und
Ungarn angemeldeten Patente für diese Erfindung mit all' ihren Rechten
*** w... siErfindungsschutz. N° 63. 7 411
verkauft. Die in den genannten Ländern zu entrichtenden Patenttaxen
sollte allein die Klägerin tragen. Für die Einräumung des erwähnten
Benützungsrechtes hatte die Beklagte eine Lizenzgebühr von 50 Cts. für
jede verkaufte Reehnungstabelle, auf alle Fälle aber für 100,000 Stück
innerhalb eines Jahres, zu bezahlen. Der endgültige Termin zur Entrichtung
der Lizenzsumme sollte erst mit dem Tage der Inbetriebsetzung des
Versehleisses der Rechnungstabellen beginnen und die Inbetriebsetzung
im Laufe des nächsten Jahres, 1902, geschehen. Die Beklagte wurde
befugt, das Lizenzrecht in ihren Ländern weiter zu verkaufen , wobei
sie aber der Klägerin die Hälfte des erzielten Reingewinne-s abzutreten
hatte. Anderseits wurde ihr eine solche Gewinnbeteiligung für den Fall
zugesichert, dass die Klägerin das Patent oder die Lizenz eines der
ihr konzessionierten Staaten verkaufen Würde. Endlich wurde bedungen,
dass die Klägerin der Beklagten sofort eine gehörige Patentschrift mit
allen nötigen Beilagen usw. übermitteln solle ; worauf die Beklagte sie
auf Kosten der Klägerin einem Patentanwalt zur Prüfung und eventuell
Ergänzung oder Abänderung unterbreiten Würde.
Der Vertrag gelangte nicht zur Ausführung, indem die Beklagte dem
Begehren der Klägerin, die erforderliche Weisung für die Bestellung und
Lieferung der Rechnungstabellen zu geben, nicht nachkam. Der Vertreter
der Beklagten äusserte nämlich auf dieses Begehren hin Zweifel an der
Reehtsverbindlichkeit des Vertrages. Am 18. Dezember 1902 setzte die
Beklagte der Klägerin im Sinne von Art. 122 aOR Frist bis zum 27. Dezember
an, um sich über Erlangung rechtsgültiger Patente für die im Vertrage
erwähnten Länder auszuweise11. Mit Brief vom 31. Dezember 1902 erklärte
sie, festzustellen, dass das schweizerische und das nach Abschluss des
Vertrages erhaltene ungarische Patent wegen mangelnder Neuheit ungültig
seien und dass weder in Deutschland noch in Österreich die Patentierung
habe erwirkt werden können.
AS 42 Il 1918 28
412 ' Erfindungsschutz. N° 63.
Im nunmehrigen Prozess hat die Klägerin das Begehren
gestellt, die Beklagte habe ihr den aus der Nichterfüllung des Vertrages
vom 13. Dezember 1901 erwachsenen Schaden in richterlich zu bestimmender
Höhe zu ersetzen. Die Beklagte hat auf Abweisung dieses Klagebegehrens
angetragen und widerklagsweise verlangt, die Klägerin habe ihr wegen
Nichterfüllung des Vertrages eine angemessene Entschädigung, mindestens
4000 Fr. zu bezahlen. Dieses Widerklagebegehren ist zur Zeit nicht mehr
streitig, ss denn die Vorinstanz hat durch Urteil vom 25. Februar 1916
sowohl das Klage als das Widerklagebegehren abgewiesen, und die Beklagte
hat dieses Urteil nicht angefochten. Wohl aber hat die Klägerin vor
Bundesgericht als Berufungsinstanz ihre Klageanträge erneuert.
2. Mit der allein noch streitigen Hauptklage wird ein
Schadenersatzansprueh wegen Nichterfüllung des Lizenzvertrages vom
13. Dezember 1901 geltend gemacht.
Die Beklagte wendet gegenüber diesem Anspruch
ein, die Klägerin habe ihrerseits den Vertrag nicht erfüllt
und ihn überhaupt nicht erfüllen können : Es stehe ihr , nämlich kein
Erfinderrecht an der fraglichen Rechnungstabelle zu, weil die angebliche
Erfindung nicht 11 eu sei. Somit seien das schweizerische Patent N° 22,235
und das ungarische Patent nichtig, weich' beide ,Patente die Klägerin
für ihre Rechnungs'eabelle nur deshalb habe erlangen können, weil die
schweizerische und die ungarische Gesetzgebung die amtliche Vorprüiung
nicht kennen. Die Erwirkung ,des deutschen und des österreichischen
Patentes sodann, die der Klägerin vertraglich noch obläge sei unmöglich
wegen des in diesen Staaten bestehenden Vorprüfungssystems. Nun setze aber
die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung der Klägerin zur Überlassung
der unbedingten und ausschliesslichen Ausnutzung des schweizerischen
Patentes und der andern laut Vertrag zu erwirkenden Patente voraus,
dass diese Patente auch tatsächlich und zwar als rechtsbestäudige
erlangt würden
è......-Eriizrduiigsscliutz. N° 53. ai è;;
und die fragliche Rechnungstabelle durch sie des Erfindungsschutzes
teilhaftig sei. ' 3. Diesen Einwendungen der Beklagten ist zunächst
insofern beizupflichten, als das schweizerische Patent in der Tat
wegen mangelnder Neuheit der Erfindung nach Art. 10 Ziffer 1
SR 783.0 Loi du 17 décembre 2010 sur la poste (LPO) LPO Art. 10 Boîtes aux lettres et autres installations - Le Conseil fédéral fixe les conditions concernant les boîtes aux lettres et autres installations aménagées aux lieux d'habitation.
des PG vom
29. Juni 1888 an Nichtigkeit leidet. Es lässt sich in dieser Beziehung
einfach auf die Erwägungen der Vorinstanz hierüber und die ihnen zu
Grunde liegenden Ausführungen der gerichtlichen Experten verweisen, die
eine allseitige und rechtlich zutreffende Erörterung der Frage geben,
namentlich auch was die neuheitszerstörende Wirkung früher veröfienthchter
Patentschriften anlangt. Hinsichtlich des u n g a ri s eh e n P ate
ntes sodann kommt die Vorinstanz gestützt auf das Patentgesetz Ungarns,
besonders dessen Art. 33, zu der Annahme, dass es aus gleichem Grunde
wie das schweizerische Patent nichtig sei. In diesem Punkte untersteht
der angefochtene Entscheid keiner Nachprüfung des Bundesgerichtes,
da ausländisches Recht anzuwenden ist. Das nämliche gilt, insofern
im weitem die Vorinstanz bei den Patentanmeldungen in Deutschland und
Österreich auf Grund der Akten und in Anwendung der Gesetzgebungen dieser
Staaten zu dem Ergebnisse gelangt, diese Anmeldungen seien endgültig
abgewiesen werden und ein Patentschutz in den genannten Ländern nicht
mehr erhältlich. In Betreff der Patentierung in allen jenen fremden
Staaten ist endlich zu bemerken, dass die Vorinstanz die Grenzen ihrer
Zuständigkeit nicht überschritten hat, zum mindesten nicht in einer
gegen Bundesrecht verstossenden Weise, wenn
sie sich über die Nichtigkeit des ungarischen Patentes _
und über die Patentunfähigkeit der angeblichen Erfindung in Deutschland
und Österreich ausspricht. Damit greift sie nicht in die KompetenzsPhäre
der in Patentsachen zuständigen Behörden dieser Länder ein : Sie
ent-scheidet keinen Anspruch, der deren Rechtsprechung untersteht,
sondern löst lediglich Fragen, die für die Ent-
414 Erfindungsschutz. N° 68.
scheidung eines vom schweizerischen Richter zu beurteilenden Anspruches
präjudiziell sind, nämlich der eingeklagten Schadenersatzforderung,
welcher Einwendungen entgegengehalten werden, die der Anwendung
ausländischen Patentrechtes rufen.
4. Mit Recht behauptet also die Beklagte, dass die Klägerin die im
Vertrage genannten vier Patente als gültige weder erwirkt habe noch
je erwirken könne. Es fragt sich nun, ob darin eine Nichterfüllung
vertraglicher Verpflichtungen liege, wodurch die Beklagte ihrerseits von
der Bezahlung der Schadenersatzforderung entbunden wird, die -infolge
ihres Vertragsrücktrittes an stelle der vertraglichen Pflicht zur
Bezahlung von Lizenzgebühren den Gegenstand der Klage bildet. Nach
Wortlaut und Sinn des Vertrages muss diese Frage bejaht werden :
Wenn die Klägerin der Beklagten die unhedingte und ausschliessliche
Ausnützung des schweizerischen Patentes und jener drei (noch nicht
erwirkten) ausländischen Patente gegen Entgelt einräumt und zwar mit
all' ihren Rechten , so kann dies nur die Meinung haben, dass damit ein
eigentliche-, vollgülti ges Lizenzrecht versprochen wird, dass also die
behauptete Erfindung, deren Ausnützung derBeklagten überlassen wird,
wirklich eine solche sei und dass daher in den im Vertrags genannten
vier Staaten unanfechtbare Patente dafür erlangt werdennkönnen. Hiernach
hat die Klägerin ihrer vertraglichen Verpflichtung nicht genügt, wenn sie
lediglich die der fraglichen ,Rechnungstahelle zu Grunde liegende Idee als
solche, wie sie in der (ohne Vorprüfung ausgestellten) schweizerischen
Patentschrift beschrieben wird, der Beklagten zur Ausnutzung überliess,
gleichgültig, ob diese Idee patentfähig sei oder nicht. Für jene strengere
Auslegung sprechen ferner die Vertragshcstimmungen, wonach die Beklagte
das Lizenzrecht weiter verkaufen kann und wonach sie sich eine genauere
Prüfung des beim Vertragsabschluss bereits erwirkten schweizerischen
Patentes vorbehält. Sodann ist Erfindungsschutz. N ° 63. 415
namentlich darauf hinzuweisen, dass die Lizenzgebühr auf den hohen
Betrag von 50,000 Fr. (als Minimum) festgesetzt wurde, wozu sich die
Beklagte sicherlich nicht verstanden hätte, wenn sie das Risiko hätte
übernehmen müssen, in der wirtschaftlichen Verwertung des (angeblichen)
Erfindungsgedankens mangels Patentschutzes von irgendwelchen Andern
konkurrenziert oder sogar von Patentberechtigten verhindert und ihnen
schadenersatzpflichtig zu werden. Ferner entspricht die genannte
Vertragsauslegung auch der Natur des Lizenzvertrages, indem anzunehmen
ist, dass der Lizenzgeber dem Lizenznehmer ordentlicherweise für den
Bestand des Patentrechts, auf das sich die eingeräumte Lizenz bezieht,
im Sinne einer Gewährleistungspflicht einzustellen hat (vgl. Blätter
für zürcherische Rechtssprechung 2, 13 S. 193; Handelsgerichtliche
Entscheidungen Bd. 17 S. 229 ff.; und auch EB 28 II S. 117 ff. Erwägung
5, welche Entscheidung freilich den Verkauf, nicht die lizenzweise
Überlassung einer Erfindung betrifft; MUNK, Patentrechtliche Lizenz,
S. 146 H.; KOHLER, Handbuch des Patentrechts, S. 591 und SELIGSOHN,
Kommentar zum Patentgesetz, S. 153). Nach dem vorher Gesagten aber haben
sich die Parteien bei der vertraglichen Ordnung ihrer Rechtsbe-ziehungen
an die normale Regelung des Verhältnisses, wie sie von Rechts wegen
besteht, halten wollen. Anderweitige Gründe, aus denen trotzdem auf einen
abweichenden Vertragswillen zu schliessen wäre, sind nicht zu ersehen,
namentlich nicht aus den zwischen den Parteien gepflogenen schriftlichen
und mündlichen Unterhandlungen.
5. Hat daher die Klägerin die ihr vertraglich obliegende Leistung
-Einräumung von Lizenzrcchten an vollgültigen Patenten nicht erfüllt,
so kann sie auch ihrerseits nicht von der Beklagten Vertragserfüllung
Bezahlung der Lizenzgebühren verlangen und es steht ihr daher der
eingeklagte S ch ad e ne rs atz a n spruch, den sie aus der gegnerischen
Nichterfüllung
416 Bründungsschutz. N° 63.
ableitet, nicht zu. Die von der Beklagten gegen ihre Zahlungsptlicht
erhobene Einwendung erweist sich als begründet, gleichgültig aus
welcher der in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen sie nach
der Natur des streitigen Rechtsverhältnisses und den Umständen des
Falles am besten hergeleitet wird : ob aus dem Art. 17 aOR (Nichtigkeit
des Lizenzvertrages wegen Unmöglichkeit der Lizenzgewährung), oder aus
Art. 95 aOR (Einrede des nicht erfüllten Vertrages), oder aus Art. 122
(VertragsauflösungwegenNichterfüllung),oder aus Art.145 (Erlöschen des
Vertrages wegen Unmöglichwerden der Lizenzgewährung), oder endlich aus
den Grundsätzen über die Gewährleistung für verkaufte oder zur pachtweisen
Ausnutzung überlassene Rechte. --
6. Nun hat freilich die Klägerin noch geltend gemacht und heute
hervorgehoben, dass sie wenigstens teilweise erfüllt habe, nämlich
insofern sie der Beklagten die Idee der fraglichen Rechnungstahelle für
die wirtschaftliche Ausnützung zur Verfügung gestellt und die Beklagte in
den Stand gesetzt habe, die Verbreitung der Tabelle zu betreiben. Indessen
liegt darin auch nicht einmal eine teilweise Gewährung des vertraglich
Gescholdeten. Dieses bestand nach dem Gesagten nicht in der Bewirkung
eines bloss tatsächlichen, sondern eines rechtlichen gesicherten
Znstandes. Die Beklagte hatte Anspruch darauf, das ihr die Klägerin für
die beabsichtigte Ausnütznng der Rechnungstabelle als Reklamemittel die
Vorteile des Patentschutzes verschalie, und nur diese Leistung braucht sie
als wirkliche vertragliche Erfüllung gelten zu lassen. Diese Auffassung
rechtfertigt sich unter allen Umständen dann, wenn man mitberücksichtigt,
dass, wie auf Grund der tatsächlichen Würdigung des Vorderrichters
anzunehmen ist, die Verbreitung der Tabelle ohne die Garantie des
Patentschutzes für die Beklagte wegen der Möglichkeit anderweitiger
Ausnützung der Idee und von Anständen mit Patentberechtigten die grössten
Risiken und eventuell geschäftliche Schädigung zur Folgell
Erfindungsschusitz. N° 63. 417
gehabt hätte. Sonach bestreitet die Beklagte auch der Höhe nach mit
Grund die Pflicht zur Bezahlung von Gebühren und damit die behauptete
Schadenersatzpflicht.
7. Die Frage endlich, ob die Beklagte ihrerseits wegen Nichterfüllung des
Vertrages S e h a d e n e r s a t zansp rii ch e gegenüber der Klägerin
erlangt habe, braucht nicht geprüft zu werden. Denn die Hauptklage ist
schon von den obigen Erwägungen ,aus abzuweisen und insoweit der Bestand
verrechenbarer Gegenforderungen der Beklagten nicht zu untersuchen;
das Widerklagebegehren aber, womit die Beklagte Schadenersatz wegen
Nichterfüllung des Vertrages gefordert, liegt nicht mehr im Streite. Damit
entfällt im besonderen auch eine Nachprüfung der von der Vorinstanz
erörterten Frage, ob die Schadenersatzpilicht der Klägerin auf Grund
einer Nichtigkeit des Vertrages nach Art. 17 aOR gegeben sein müsse und
also ein Verschulden des auf Ersatz Belangten voraussetze oder ob die
Bestimmungen über die Gewährleistung des Rechtsbestandes zutreffen und
es also keines solchen Verschuldens bedürie.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des
Kantons Bern vom 25. Februar 1916 bestätigt.