294 Stantsrecbt.

Wehrmännern bis spätestens 3. Juni 1916 wieder der Feldpost übergeben
werden sollten. Ebensowenig ist etwas dagegen einzuwenden, dass von dem
damit auf-

' gestellten Grundsatze die Zettel der Bäckerkompagnie 5 und der
Rekonvaleszentenkompagnie 1 ausgenommen Wurden. Nachdem diesen Einheiten
die Stimmzettel erst am 3. Juni hatten zugestellt werden können, musste
ihnen selbstverständlich auch die nötige Zeit zu deren Ausfüllung und
Rücksendung gelassen werden. Mit der nachträglichen Zustellung der
Stimmzettel selbst aber wurde eine Säumnis der militärischen Organe
gutgemacht, was ja den Tendenzen der Rekurrenten entspricht und daher
mit Grund nicht beanstandet werden kann.

lm übrigen hat eine Eröffnung und Nachprüfung der sechs angeblich zu
Unrecht nicht mitgezählten Stimmzettel von denen beiläufig bemerkt keiner
aus der Bäckerkompagnie 5 oder der Rekonvaleszentenkompagnie 1 stammt
durch das Gericht ergeben, dass vier davon auf Nein und nur zwei auf Ja
lauten. Es würde sich also bei deren Berücksichtigung die verweriende
Mehrheit sogar von 2 auf 4 Stimmen erhöhen, sodass auch die 3 in der
Rekursantwort erwähnten, nach dem 7. Juni morgens eingegangenen weiteren
drei Zettel, die allerdings mit Ja ausgefüllt sind, am Ergebnis nichts
ändern könnten.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der Rekurs wird abgewiesen.

Niederlassungsfreiheit. N° 40. 295

IV. NIEDERLASSUNGSFREIHEITLIBERTÉ D'ÉTABLISSEMENT

40. Urteil vom 20. Oktober 1916 i. S. Abbt gegen Zürich.

Zulässigkeit der Aufschiebung des Vollzugs einer nach Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV
begründeten Ausweisungsvertiigung unter bestimmten Bedingungen. Personen,
denen die N i e d e rl a s s u n g gemäss Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
Ab s. 2 o der
3 BV verweigert oder entzogen werden kann, gewährt die Garantie
des A b s. 1 grundsätzlich auch keinen Anspruch auf b 10 s s v o
r üb e r gehenden Aufenthalt. Verhältnis des Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV zu Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.

in Verbindung mit Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV. Vorbehalt der Garantie des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV
gegenüber behördlichen Beschränkungen der Aufenthaltsoder sonstigen
Bewegungsfreiheit. Verfassungsmässigkeit des § 80 zürch. StGB.

A. Mit Beschluss vom 11. Februar 1915 untersagte der Regierungsrat des
Kantons Zürich in Anwendung von Art. 45 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV und Art. 14 zürch. KV
dem in der Stadt Zürich niedergelassenen Rekurrenten Alois Abbt von
Hermetschwil (Kanton Aargau) die Niederlassung im Kanton Zürich und
das Wiederhetreten desselben ohne Erlaubnis der Polizeidirektion
unter Androhung gerichtlicher Bestrafung gemäss § 80 StGB im
Nichtbeachtungsfalle, weil Abbt während seiner damaligen Niederlassung
wegen Hehlerei zu Gefängnis und Geldbuse verurteilt worden war und
ferner noch wegen einer Wucherangelegenheit in Strafuntersuchung stand,
nach-dem er bereits sechs Vorstrafen für Vermögensdelikte (insbesondere
Hehlerei und Betrug) erlitten hatte. _

In der Folge trug jedoch der Regierungsrat einem Wiedererwägungsgesuche
Abth in der Weise Rechnung, dass er c aus Billigkeitsgründen , um Abbt
mit Rücksicht auf seine kürzliche Wiederverheiratung noch eine letzte

;96 . Staatsrecht.

Gelegenheit zu bieten, sich moralisch zu rehabilitieren , am 1. April
1915 beschloss :

Die Ausweisung des Alois Abbt wird auf Zusehen hin aufgehoben unter
der Androhung, dass, wenn er neuer dings mit den Gesetzen und Behörden
in Konflikt ge raten sollte oder über seine Aufführung und sein Ge-
schäftsgebahren irgendwelche berechtigten Klagen ein gehen sollten,
die Ausweisung sofort beschlossen und vollzogen würde.

Am 11. Mai 1916 sodann fasste der Regierungsrat wieder'um den Beschluss :

Dem Alois Abbt von Hermetschwil (Kanton Aargau), Uhrenmacher und
Juwelenhändler, geboren am 25. Juni 1874, wird die Niederlassung im
Kanton Zürich entzo gen und das Wiederbetreten desselben ohne die Er
laubnis der Polizeidirektion untersagt, mit der Andro hung, dass er wegen
Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung dem Gerichte zur Bestrafung
gemäss § 80 des Strafgesetzbuches überwiesen würde.

Die Begründung geht dahin, dass die Voraussetzungen, unter denen von der
Ausweisung Abbts bis auf weiteres Umgang genommen worden sei, nicht in
Erfüllung gegangen seien. Abbt sei nämlich im Herbst 1915 neuer-dings
wegen Wuehers in Strafuntersuchung gezogen und obergerichtlieh zwar
freigesprochen, immerhin aber wegen der abstossenden und verwerfliehen
Art seines Geschäftsbetriebes mit den gesamten Kosten des Verfahrens
belastet worden. Nebenbei möge noch erwähnt werden, dass Abbt, der mit
seiner Verehelichung auch eine moralische Besserung in Aussicht gestellt
habe, laut Bericht des Polizeikommandos im April 1916 unter falschem Namen
mit notorischen Dirnen im Hotel 2. Bayrischen Hof in Zürich abgestiegen
sei. Obschon Abbt offenbar, um der Ausweisung zu entgehen nach seinen
letzten Mitteilungen das Kantonsgebiet verlassen habe, sei es angezeigt,
ihm die Niederlassung im Kanton und dessen Betreten noch ausdrücklich
zu untersagen, damit er nicht Wieder zurück-

Niederlassungsfrciheit. N° 4sfi. 297

kehren und sein verwerfliches Treiben von neuem beginnen könne.

B. Gegen diesen letzten, ihm am 26. Mai im Dispositiv zugestellten
Beschluss des Regierungsrates hat Abbt mit Eingabe seines Vertreters
vom 22. Juni 1916 den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht
ergriffen und beantragt, der Beschluss sei in dem Sinne aufzuheben,
dass dem Rekurrenten gestattet werde, sich jede Woche einen Nachmittag in
Zürich aufzuhalten oder im Kanton Zürich frei zu zirkulieren und daselbst
vorübergehende einzelne Geschäfte zu besorgen, und dass die Androhung
seiner Ueberweisung an die Gerichte zur Bestrafung wegen Ungehorsams
auf alle Fälle gestrichen werde.

Es wird vorgebracht :

a) Der angefochtene Beschluss sei schon aus formellen Gründen
aufzuheben. Er enthalte, soweit er dem Rekurrenten mitgeteilt worden sei,
keine Begründung und verstosse deshalb gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. Auch sei der darin
verfügte Niederlassungsentzug ein Widerspruch in sich, da der Rekurrent
laut vorgelegten amtlichen Bescheinigungen seine Niederlassung in Zürich
am 31. März 1916 freiwillig aufgegeben und sich in Genf niedergelassen
habe. so dass ihm logischerweise die Niederlassung in Zürich am 11. Mai
1918 nicht mehr durch einen Verwaltungsakt habe entzogen werden können.

b) Materiell liege darin, dass dem Rekurrenten auch das blosse Betreten
des zürcherischen Kantonsgebietes untersagt werde, ein Verstoss
gegen Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV, wonach kein Kanton einen Kantonsbürger aus seinem
Gebiete verweisen dürfe. Dieser Verfassungsgrundsatz beziehe sich
gemäss Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV auch auf kantonsf remde Schweizerbürger und auf die
polizeiliche wie die strafgerichtliche Ausweisung. Es sei also den
Kantonen nicht gestattet, einen Schweizerbürger aus ihrem Gebiet in
dem Sinne auszuweisen, dass ihm auch der vorübergehende Aufenthalt im
betreffenden Gebiete verwehrt und bei

AS 42 l lIlH 20

29 Î ' Stantsrecht.

Strafe verboten werde (zu vergl. BGE vom 21. September 1910 i. S. Bertoni
: 38 l N° 67 und vom 25. Januar 1911 i. S. Staub: 37 [N° 5, sowie
AFPOLTER, Individuelle Rechte, 2. Aufl., S. 128 und Note 1 ; BERTHAU,
Bunuesrechtliche Praxis betr. Niederlassungsfreiheit, S. 27 ; KUNZ,
Strafe der Landesverweisung, S. 110). Uebrigens habe der zürcherische
Regierungsrat selbst im Rekursfalle Friedinger vom Jahre 1906 die
Auffassung vertreten, dass die zürcherischen Gemeinden wohl das Recht
zum Entzug oder zur Verweigerung der Niederlassung, nicht aber zu
dem der früheren Verbannung gleichkommenden Verbot des Betretens des
Gemeindegebiets hätten. Ferner habe er schon im Jahre 1903 erklärt,
dass es sich nicht mit den heutigen Verkehrsverhältnissen vertragen
würde, auch die Durchfahrt mit der Eisenbahn und den Aufenthalt in
den Hallen und Wartsälen des Bahnhofs-s zu verbieten (Prot. N° 1660
von 1903 und WE'I'TSTEIN, Gemeindegesetzgebung des Kantons Zürich,
S. 146 N° 413). Der Rekurrent wolle sich auf dem Gebiet des Kantons
Zürich weder niederlassen, noch aufhalten im engem Sinne. Sein Beruf
als Juwelenhändler und der Umstand, dass er jahrelang in Zürich gewohnt
und daselbst ein Geschäft betrieben.habe, brachten es aber mit sich,
dass er vorübergehend, zur Abwicklung eig"zelner Geschäfte, in Zürich
verweilen und bei Ausführung von Reisen in die Ostschweiz. namentlich
nach St. Gallen, wo er geschäftliche Beziehungen habe, Zürich passieren
müsse. Er verlange nur, dass ihm dies gestattet sei.

c) Die Androhung der Ueberweisung an den Stralrichter wegen Ungehorsams
gegen eine amtliche Verfügung stehe im Widerspruch mit dem Grundsatz
nulla poma sine lege (Art. 7 zürch. KV; Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV), dem Grundsatz der
Gewaltentrennung und dem Vorbehalt des Gesetzes im Sinne der Garantie,
dass alle polizeilichen Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger
der ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürften-. Allerdings habe
das Bundesgericht in den beiden Urteilen vom

Niederlassung-Fremde N° 40. 299

27. Januar 1916 i. S. Wagner und vom 23. März 1916 i. S. Dinges und
Konsorten den Standpunkt eingenommen, die Bestrafung wegen Ungehorsams
sei sachlich eine Form der verwaltungsrechtlichen Zwangsvollstreckung
und es lasse sich das Recht der Verwaltungshehörden, sie anzudrohen,
auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung aus der allgemeinen Befugnis
dieser Behörden, für die Vollziehung ihrer Befehle zu sorgen, herleiten.'
Allein es sei im gemeinen deutschen Verwaltungsrecht unbestritten, dass
ein Vollzugsmittel, das Freiheitsheschränkungen über den blossen Vollzug
hinaus mit sich bringe und insoweit nicht mehr die gerade Fortsetzung
des Befehles sei, wie vor allem die Ungehorsamsstrafg der gesetzlichen
Grundlage bedürte, und zwar einer eigenen Grundlage, einer besonderen
ge-setzlichen Ermächtigung. Und dieser Satz folge für die Schweiz aus
der Garantie der Freiheit als einem schweizerischen Verfassungsgrundsatz
(AFFOI TER, Individuelle Rechte, 2. Aufl., S. 20 und Note 3). Der §
80 StGB werde deshalb überhaupt als verfassungswidrig angefochten, und
dasselbe gelte auch für die Androhung seiner Folgen. Zur Vollstreckung
des Befehls genüge hier bei Zuwiderhandlung das zunächst und auf der
Hand liegende Mittel der Wegkührun g durch die Polizei ; nur dieses
Mittel stehe der Verwaltungsbehörde unmittelbar und ohne gesetzliche
Ermächtigung zu.

C. In einer weiteren Eingabe an die Direktion der Justiz und Polizei des
Kantons Zürich zuhanden des Bundesgerichts, vom 5. Juli 1916, hat der
Vertreter des Rekurrenten, nachdem ihm Gelegenheit zur Einsicht der Akten
und speziell der Begründung des Regierungsratsbeschlusses vom 11. Mai 1916
gegeben worden war, noch folgenden Einwand erhoben : Mit seinem Beschluss
vom 1. April 1915 habe der Regierungsrat die frühere Ausweisungsverfügung
tatsächlich aufgehoben. Dass dies nur auf Zusehen hin geschehen sei,
sei ohne Bedeutung ; denn weder die Bundesverfassung, noch die

300 staatsrecht-

zürcherische Gesetzgebung kenne eine bloss auf Zusehen hin gewährte
Niederlassung. Der Regierungsrat sei an diesen Beschluss so lange
gebunden, als keine Veränderung der ihm zu Grunde liegenden massgebenden
Verhältnisse eintrete. Er hätte somit dem Rekurrenten die Niederlassung
von neuem nur entziehen können, wenn dieser seit dem 1. April 1915
neuerdings wegen eines schweren Vergehens gerichtlich bestraft werden
wäre, was jedoch nicht der Fall sei.

D. Der Regierungsrat des Kantons Zürich trägt in seiner Vernehmlassung vom
15. Juli 1916, der er die vorstehend erwähnte Eingabe des Rekurrenten
beigelegt hat, auf Abweisung des Rekurses an. Er bemerkt zunächst,
die Einrede der mangelnden Begründung des angefochtenen Beschlusses
sei hinfällig, da der Rekurrent nachträglich auch von dieser Begründung
Kenntnis erhalten habe, und wiederholt bezüglich der beiden Einreden,
wonach er auf seinen Beschluss vom 1. April 1915 nicht hätte zurückkommen
und den neuen Niederlassungsentzug auch deswegen nicht hätte verfügen
dürfen, weil der Rekurrent seine Niederlassung in Zürich zuvor freiwillig
aufgegeben habe, die Argumentation des angefochtenen Beschlusses. Sodann
verteidigt er eingehend, wesentlich mit dem in der nachstehenden
Erwägung 3 erwähnten Zweckmässigkeitsargument, die Auffassung, dass
einem Verbrecher, bei dem die Voraussetzungen des Niederlassungsentzugs
nach Art. 45 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV gegeben seien, auch der blosse Aufenthalt im
Kantonsgebiet untersagt werden dürfe, und rechtfertigt endlich im Sinne
der vom Rekurrcnten angeführten bundesgerichtlichen Urteile auch die
der Ausweisung beigefügte Strafandrohung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Beschwerde des Rekurrenten darüber, dass der Ausweisungsbeschluss
des Regierungsrates vom

Niederlassungsfreiheit. N° 40. 801

11. Mai 1916, den er anficht, ihm ohne Begründung mitgeteilt worden sei,
ist heute gegenstandslos, da der Rekuirent nachträglich auch von der
Begründung dieses Beschlusses Kenntnis erhalten und hiezu in der als
Rekursnachtrag aufzufassenden Eingabe vom 5. Juli 1916 (oben, Fakt. C),
die dem Bundesgericht noch innert der 60 tägif gen Beschwerdekrist
zugekommen und deshalb mit zu berücksichtigen ist, Stellung genommen hat.

' Ferner kann ein formeller Einwand gegen den angefochtenen
Ausweisungsbeschluss aus der Tatsache, dass der Rekurrent seine
Niederlassung in Zürich vor dessen Erlass aufgegeben hat, jedenfalls
insofern nicht abgeleitet werden, als der Beschluss nicht nur den
Niederlassungsentzug ausspricht, sondern dem Rekurrenten zugleich das
Wiederbetreten des zürcherischen Kantonsgebiets untersagt.

2. In materieller Hinsicht verkennt das auf den Regierungsratsbeschluss
vom 1. April 1915 gestützte Argument des Rekursnachtrages, wonach die
streitige Ausweisungsverfügung überhaupt nicht verfassungsmässig begründet
wäre, den Sinn und Zweck jenes ,Beschlusses. Die darin ausgesprochene
Aufhebung der noch nicht vollzogenen früheren Ausweisung kommt nicht
der Bewilligung einer neuen Niederlassung gleich, sondern bedeutet als
Zurücknachme des Entzugs der noch bestehenden Niederlassung die Gestattung
der Fortdauer dieser b i s h e r i g en Niederlassung. Der Regierungsrat
wollte mit dem Beschluss vom 1. April 1915 auf die, wie heute unbestritten
ist, nach dem damaligen Tatbestand zulässige Ausweisung des Rekurrenten
nicht schlechthin verzichten. Die Meinung des Beschlusses geht vielmehr
nnverkennba1 nur dahin, es solle von diese1 Ausweisungsmöglichkeit
vorläufig und im so lange nicht Gebrauch gemacht werden, als sich de1
Rekurrent von nun an im näher bezeichenten Sinne klaglos aufführe.
Durch den fraglichen Beschluss ist also in Wirklichkeit hloss die
Vollziehung der bereits verfügten Ausweisung

30?Steam-echt.

unter der angegebenen Bedingung aufgeschoben worden, und es bedurfte
deshalb zur Rechtfertigung der angefochtenen neuen Ausweisungsverfügung
keiner weitem Bestrafung des Rekurrenten im Sinne von Art. 45 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV,
sondern nur der Nichterfüllung jener Bedingung des Aus-weisungsaufschubs.
Eine derart bedingte Ausweisung ist bundesrechtlich nicht zu
beanstanden. Denn da Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV den Niederlassungsentzug unter den in
Abs. 2 und 3 erwähnten Voraussetzungen ohne zeitliche Beschrän-kung seiner
Anordnung und Durchführung gestattet, so muss es den Kantonen freistehen,
mit einer nach jenen Voraussetzungen zulässigen Ausweisung nicht nur
überhaupt zuzuwarten, ohne dass hieraus ohne Weiteres ein Verzicht auf
das Answeisungsrecht abgeleitet werden könnte, sondern auch bloss ihre
Vollziehung unter bestimmten Bedingungen aufzuschieben (vergl. hiezu schon
BGE 20 N° 4 Erw. 2 S. 18, sowie auch 33 l N° 45 S. 288 ff.). Anfechtbar
wäre ein solches Vorgehen nur aus dem allgemeinen Gesichtspunkte der
Willkür, gegen die Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV Schutz gewährt. Von Willkür könnte jedoch
speziell beim bedingten Aufschub des Ausweisungsvollzugs nur dann die
Rede sein, wenn die ihn gewährende Behörde nachträglich unter offenbarer
Missachtung der gestellten Bedingung hierauf zurückkäme. Ein solcher Fall
liegt aber hier nicht vor; viel-mehr lässt sich jedenfalls das Gesch 'aft
s gebahren des Rekurrenten seit dem l. April 1915, das ihm in der neuen
Ausweisungsverfügung zur Last gelegt ist, zwanglos als ein der Bedingung
des Ausweisungsanfschubs nicht entsprechendes Verhalten auflassen.

3. Erscheint demnach die hier streitige Ausweisung als grundsätzlich
berechtigt, so ist ferner der Einwand des Rekurrenten zu prüfen, welcher
dahin geht, die AusWeisungsverfügung vom 11. Mai 1916 sei wenigstens
insofern unhaltbar, als ihm dadurch nicht nur die N iederlas-sung im
Kanton Zürich entz0gen, sondern auch das Wiederbetreten des zürcherischen
Kantonsgebietes zu bloss

Niederlassungsfreiheit. N° 40, 303

vorübergehend-Im Aufenthalt verboten werde. Nun hat allerdings
das Bundesgericht in den vom Rekurrenten angemfenen zwei
Urteilen-i. S. Bertoni (AS 38 I N° 67 Erw. 2 f. s. 371 n.) und i. s. Staub
(AS 37 l N65 Erw. 3 f. s. 25 lt.) entgegen der früheren bundesrät
lichen Praxis (vergl. BALLS, Bundesrecht, il N° 611 S. 897 Ziff. 4 und N°
614. S. 399) die Auffassung vertreten, dass die Niederlassungsverweigerung
und der Niederlassungsentzug auf Grund von Art. 45 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
und 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV das
Verbot des bloss vorübergehenden Anfe'nthalts nicht in sich schliessen
könnten. Allein hieran kann bei erneuter Prüfung der Frage nicht
festgehalten werden.

Die Niederlassung , von der Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV handelt, steht, wie der
nachfolgende Art.. 47 ohne weiteres erkennen lässt und das Bundesgericht
auch in den erwähnten beiden Urteilen angenommen hat, im begrifflichen
Gegensatz zum . Aufenthalt . Und wenn auch das in Art. 47
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 47 Eigenständigkeit der Kantone - 1 Der Bund wahrt die Eigenständigkeit der Kantone.
1    Der Bund wahrt die Eigenständigkeit der Kantone.
2    Er belässt den Kantonen ausreichend eigene Aufgaben und beachtet ihre Organisationsautonomie. Er belässt den Kantonen ausreichende Finanzierungsquellen und trägt dazu bei, dass sie über die notwendigen finanziellen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen.12
BV vorgesehene
Bundesgesetz zur Bestimmung des Unterschiedes dieser zwei Begriffe nicht
erlassen worden ist, so führt doch schon der allgemeine Sprachgebrauch
dazu, unter Niederlassung das den Umständen nach von vornherein für
eine gewisse Dauer geplante, unter Aufenthalt dagegen das an sich
bloss vorübergehende oder wenigstens nicht auf längere Zeit berechnete
Verweilen an einem Orte zu verstehen. Der Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV gibt. somit einen
Re ch t s ansprach auf den blossen Aufenthalt selbst nieht. Immerhin
aber gewährleistet er zufolge des Umstandes, dass die Niederlassung den
Aufenthalt begrifflich in sich schliesst, diesen letzteren im Umfange der
Niederlassung tatsächlich ebenfalls. Denn wer den Voraussetzungen, unter
denen nach Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV die Niederlassung gewährt werden muss, entspricht
also einen Heimatschein oder eine andere, gleiehbedeutende Ausweisschrift
besitzt (Abs. 1) und nicht einen der zur Niederlassungsverweig'erung
oder zum NiederlaSsungsentzog berechtigenden Tatbestände (Abs. 2 und 3)
gegen sich hat , kann sich auf dieses Niederlassungsrecht auch

304 Staatsrecht.

zum Zwecke eines blossen Aufenthalts berufen und so unter dem Schutze
des Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV sein Verweilen überhaupt frei bestimmen. Dagegen folgt
aus der vorstehenden Begrifisausscheidung umgekehrt, dass wer die
Niederlassungsfreiheit nicht beanspruchen kann, sie insbesondere kraft
eines der verfassungsmässigen Verweigerungsoder Entzugsgründe verwirkt
hat, aus Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV auch keinen Anspruch auf einen blossen Aufenthalt
ableiten kann. Für diesen Fall steht vielmehr der Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV kantonalen
polizeilichen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit grundsätzlich nicht
entgegen (vergl. auch BURCKHARDT, Kommentar zur BV, S. 398).

Das gleiche gilt aber fern er auch von Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
in Verbindung mit Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.

BV, auf die das Bundesgericht i. S. Bertoni und Staub zur Rechtfertigung
des gegenteiligen Standpunktes hauptsächlich verwiesen hat. Das absolute
Verbot der Verbannung (Verweisung) aus dem Kantonsgebiet ist in Art. 44
nur mit Bezug auf die Kantonsbürger aufgestellt. Es erscheint nach
dem Zusammenhang unverkennbar als Ausflnss des Bürgerrechts, aus dessen
verfassungsmässig garantierter Unverlierbarkeit sich natürlicherweise der
Anspruch des Bürgers ergibt, unter allen Umständen an seinem Bürgerorte
Aufnahme zu finden. Diesem Sinn und Zweck entspräche die Ausdehnung
des Verbots zugunsten auch der kantonsfremden Schweizerbürger überhaupt
nicht. Und jedenfalls kann sie aus Art. 60
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 60 Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee - 1 Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
1    Die Militärgesetzgebung sowie Organisation, Ausbildung und Ausrüstung der Armee sind Sache des Bundes.
2    ...19
3    Der Bund kann militärische Einrichtungen der Kantone gegen angemessene Entschädigung übernehmen.
BV nicht gefolgert werden,
denn dieser schreibt die rechtliche Gleichstellung der kantonsfremden
Schweizerbiirger mit den Kantonsbürgern ausdrücklich nur den Kantonen
für Gesetzgebung und gerichtliches Verfahren vor. Er berührt also
das Bundesrecht im allgemeinen und speziell eine ihm als besonderer
Bestandteil derselben Rechtsquelle direkt koordinierte Bestimmung,
wie Art.. 44 BV, nicht (ähnlich BURCKHARDT, a. a. O., S. 397).

Zu den bisherigen, rein rechtlichen Betrachtungen kommt noch die
vom Regierungsrat in der Bekursantwort mit v. CLEnic (Stadtund
Kantonsvemeisung

!Niederlassungsfreiheit. N° 40. 305

gegenüber Schweizerbürgern, in der Schweiz. Juristenzeitung vom
1. Januar 1912, Bd. 8 S. 202 ff. spez. S. 205) hervorgehobene ebenfalls
beachtenswerte Zweckmässigkeitserwägung, dass die auf die Bekämpfung
des Verbrechertums abzielenden Ausweisungen im Sinne des Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV
vielfach wirkungslos wären, wenn den ausgewiesenen Verbrechern jeder
blosse Aufenthalt im Kantonsgebiet' ohne weiteres gestattet bliebe,
ja bei dieser Auslegung sogar, wie der Regierungsrat beifügt, die
sicherheitspolizeilich unerwünschte Folge hätten, dass die Verbrecher
lediglich die mit der Schriftenabgabe verbundene Niederlassung vermeiden
und dafür als Aufenthalter in Wirtschaften und Herbergen ein unstetes,
ihre Ueberwachung und Kontrolle erschwerendes Wanderleben führen würden.

4. Aus der vorstehenden Erwägung folgt, dass die Regelung des
örtlichen Verweilens der kantonsfremden Schweizerbürger, soweit
diese der bundesverfassungsmässigen Niederlassungsfreiheit nicht
teilhaftig sind, an sich völlig den Kantonen zusteht. Dagegen finden
deren Verfügungen und Erlasse eine Schranke an dem durch die Praxis
aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV abgeleiteten allgemeinen Individualreeht auf Schutz
vor Willkür und Schikane, und es sind demnach kantonalbehördliche
Beschränkungen der Aufenthaltsoder. sonstigen Bewegungsfreiheit auf
dem Kantonsgebiet nur soweit zulässig, als sie einen vernünftigen,
sachlich irgendwie zu rechtfertigenden Grund haben. Diesem Erfordernis
wird aber die vorliegende Ausweisungsverfügung dadurch gerecht, dass sie
dem Rekor-renten das Wiederbetreten des Kantons Zürich nicht schlechthin,
sondern nur ohne die Erlaubnis der Polizeidirektion untersagt. Denn
es ist klar, dass die damit gestellte Bedingung einer besonderen
polizeilichen Beaufsichtigung seines zukünftigen Verweilens auf dem
Kantonsgebiet gegenüber einem Verbrecher von der Art des Rekurrenten
grundsätzlich durchaus gerechtfertigt ist.

5. soweit der Rekurrent endlich noch die in der Ausweisungsverfügung
enthaltene Androhung der Bestrafung

305 ' stinkt-Mk

von Zuwiderhandlungen gemäss § 89 StGB beanstandet, Wird seine
Argumentation bereits durch die von ihm selbst angeführten sin der
AS nicht abgednickten votentscneidc vom 27. Januar 1916 i. s. Wagner
und vom 23. März 1916 i. S. Dinges und Mitbeteiligte widerlegt.
Dnneehsteht fest, dass in § 80 Zin-ch; StGB (der den Ungehorsam gegen
amtliche, von kompetenter Stelle erlas. serie Verfügungen als in näher
bezeichnetem Sinne strafbar erklärt, wenn in der Verfügung für den
Fall des Ungehorsmns die Uehei'weisung an die Gerichte angedroht war
) eine gesetzliche Ermächtigung zur Androhung der darin vorgesehenen
Strafe auf den Ungeheream gegen diejenigen kompetenterweise getroffenen
behördlichen Verfügungen erblickt werden darf, deren Uebertretung
nicht Unmittele unter eine anderweitige gesetzliche Strafandrohung
fällt. Warum eine solche Ermächtigung nicht als genügende gesetzliche
Grundlage der betreffenden Strafandrohung anzusehen sein sollte, hat
der Helan-rent nicht dargetan. Ist aber demnach der § 88 StGB selbst,
in seiner angegebenen Auslegung, nicht anfechtbar, so muss ohne weiteres
auch dessen vorliegende, nicht besonders angefochtene Anwendung ge-schätzt
werden. -

Demnach hat das Bundesgericht e 1 k & n n t : '

Der Rekurs wird abgewiesen-

Niederlassungstreiheit. N° 41. . 367

41. Arx-dt da 2 novembre 1916 dans la cause Anbert contre Genève.

Liberté d'établissement. Le droit garanti à l'art. 45 const. féd. étant
imprescriptible, le 'citoyen peut formule: une no'uvelle demande
d'établissement auprés de l'autorité cantonale qui l'a expulsé. La
decision de cette autorité fait courir un nouveau délai de recours.

A. Charles-Francois Anbei t, citoyen vandois, domicilié à Genève, a été
condamné le 12 juin 1915 à 14 mois d'emprisonnement pour attentat à la
pudeur par la Cour correctionnelle de Genève. Aubert n'a subi aucune
autre eondamnation. Apres avoir été gracié et etre rentré à Genève,
il a été expulsé du territoire de ce canton par arrété du 18 mars 1916
du Département de justice et police.

Le 28 mai, Auhert a recouru contre cette decision au Conseil d'Etat du
canton de Genève. Le 10 juin 1916, cette autorité, considérant que le
recourant a été condamné le 12 juin 1915 pour attentat à la pudeur,
a mainteuu et confirmé l'arrété d'expulsion. Aubert a adresse deux
nouvelles requétes, le 28 juin et le 18 aoùt 1916, au Conseil d'Etat,
lequel, par arretes des 30 juin et 25 aoüt, s'est refusé à revenir sur
sa decision du 10 juin.

B. C'est contre ces arrétés du Conseil d'Etat et du Département de
justice et police qu'Aubert & forme le 11 septembre 1916 un recours de
droit public auprès du Tribunal fédéral. Le recourant expose qu'il n'a
jamais subi d'autre condamnation que cene du 12 juin 1915 et que la Cour
correctionnelle n'a pas prononcé contre lui la peine de la privation des
droits civiques. Il est an bénéfice d'une carte de séjour provisoire,
renouvelable chaque mois. ll gagne sa vie comme garcon laitier à Genève
où il a toute sa famille. En conséquence, il conclut à l'annulatien
de l'arrété d'expulsion per contre lui par le Département de justice
et police et maintenu par le Conseil d'Etat en violation de l'art. 45
Constitution federale; _