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16. Urteil der II. Zivilahteilung vom 27. Januar 1915 i. S. Reber,
Beklagter, gegen Behind, Kläger.

_ Art. 288 SchKG. Anfechtung im Konkurse. Deliktspauliana.'
Begünstigungsabsicht und ihre Erkennbarkeit. Art. 360 SchKG. Zulässigkeit
der Verfolgung des Abtretungsanspruches auch nach Schluss des
Konkursverfahrens. In diesem Falle ist der Abtretungsbeklagte berechtigt,
dem Abtretungsklägcr seinen Anspruch auf die Konkursdividende für die
im Sinne von Art. 291
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 291 - 1 Wer durch eine anfechtbare Rechtshandlung Vermögen des Schuldners erworben hat, ist zur Rückgabe desselben verpflichtet. Die Gegenleistung ist zu erstatten, soweit sie sich noch in den Händen des Schuldners befindet oder dieser durch sie bereichert ist. Darüber hinaus kann ein Anspruch nur als Forderung gegen den Schuldner geltend gemacht werden.
1    Wer durch eine anfechtbare Rechtshandlung Vermögen des Schuldners erworben hat, ist zur Rückgabe desselben verpflichtet. Die Gegenleistung ist zu erstatten, soweit sie sich noch in den Händen des Schuldners befindet oder dieser durch sie bereichert ist. Darüber hinaus kann ein Anspruch nur als Forderung gegen den Schuldner geltend gemacht werden.
2    Bestand die anfechtbare Rechtshandlung in der Tilgung einer Forderung, so tritt dieselbe mit der Rückerstattung des Empfangenen wieder in Kraft.
3    Der gutgläubige Empfänger einer Schenkung ist nur bis zum Betrag seiner Bereicherung zur Rückerstattung verpflichtet.
SchKG Wiedererstandene Forderung einredeweise
entgegenzuhalten.

A. Jakob Grossenbacher war Käser in La Schurra

bei Freiburg. Sein Schwager Reber, der heutige Beklagte, '

hatte ihm bei Eingebung des Pachtvertrages Bürgschaft geleistet. Auch
nachher stand Reber mit Grossenbacher in geschäftlicher Verbindung und
war ihm gelegentlich behilflich. So hatte er ihm mit seiner Unterschrift
ein Darleihen von 14,000 Fr. verschafft, für das er schliesslich
aufkommen musste und wofür ihm Grossenbacher am 10. April 1908 einen
Schuldschein ausstellte, kraft dessen das Darleihen auf erstes Verlangen
zurückzubezahlen war. Ende Juni 1908 war Grossenbacher ausser Stande
seine Milchlieferanten zu befriedigen. Roger de Diessbach in Freiburg,
der Grossenbacherden Milehlieferanten gegenüber Bürge war, liess um
diese Zeit den Reber nach La Schurra kommen und setzte ihm die Lage
Grossenbachers auseinander, worauf Reber erklärte, das Nötige für die
Zahlung tun zu wollen. Er besichtigte darauf die Käse und Schweine der
Käserei und sagte, er werde mit Grossenbaeher nach Bern zu einem Metzger
gehen um die Schweine zu verkaufen.

Am 14. Juli 1908 kam zwischen Grossenbacher einerseits und den
Metzgern Schürch, Gaf'fner und Schäfli in Bern anderseits eine
Vereinbarung zu Stande, wonach diese von Grossenhacher 90 Schweine für
9000 Fr. kauften. Da die Waare aber noch nicht zum Verkauf reif war,
so sollte sie erst später geliefert werden. Um aber dem Verkäufer

der Zivilkammern. N° 16. 71

Geld sofort zu verschaffen in der Meinung, dass er es zur Bezahlung der
Milchlieferanten verwende, einigte man sich dahin, dass er auf Grund eines
durch die Käufer verbürgten Wechsels bei der Sparund Leihkasse Bern die
Kaufsumme sofort beziehen solle : bei Verfall würden dann die Käufer
den Wechsel einlösen. Reber war bei diesen Verhandlungen zugegen. Er
erwartete den Grossenbaeher bei der spat und Leihkasse und liess
sich von ihm fast den ganzen von der Bank erhaltenen Betrag (8900 Fr.)
aushändigen. Im gegenwärtigen Prozesse versuchten Grossenbacher und Reber
diese Geldübergabe damit zu erklären, dass sie behaupteten, es habe Reber
am 14. Juli dem Grossenbaeher ein weiteres Darleihen von 20,000 Fr. unter
der Bedingung in Aussicht gestellt, dass zuerst die Schuld von 14,000
Fr., zu deren à conto Zahlung die Leistung von 8900 Fr. erfolgt war,
vollständig getilgt werde ; Grossenbaeher habe infolge dieses Versprechens
im Momente der Leistung die Hoffnung gehabt, den Konkurs noch vermeiden
zu können. Da er aber dann nicht in der Lage gewesen sei, die vollen
14,000 Fr. zu tilgen, so habe ihm Reber eine weitere Hilfe versagt.

Elf Tage nachher d. n. den 25. Juli 1908 erklärte sich Grossenbacher
insolvent. In seiner Insolvenzerklärung bemerkte er, dass er überschuldet
und nicht mehr in der Lage sei, die Milchlieferanten zu bezahlen. Er
legte der Insolvenzerklärung eine Bilanz bei; dieser ist zu entnehmen,
dass er sein Vermögen auf 28,000 Fr. schätzte, welchem er ein Passivum
von zirka 60,000 Fr. gegenüberstellte. Das Ergebnis des am 28. Juni
1910 abgeschlossenen Konkurses war indessen noch erheblich ungünstiger.
Zur Verteilung an die Forderungen der V. Klasse, die allein 77,561 Fr. 35
Cts. betrugen, gelangten blos 24,722 Fr. 35 Cts., was eine Dividende
von 31 % bedeutet.

B. Im Konkurse hatte Fritz Reber eine Forderung von 21,924 Fr. angemeldet,
von welcher er die am 14. Juli 1908 & conto erhaltenen 8900 Fr. und
eine weitere Zahlung von 900 Fr. (die hier nicht weiter in Betracht
fällt) abzog-

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Diese Forderung bestand aus dem Darleihen von 14,000 Franken (soweit
nicht als getilgt angenommen durch die Leistung vom 14. Juli 1908) und
zwei anderen Ansprüchen aus Schuldverpflichtungen des Konkursiten. Die
Forderung im Restbetrage von 12,124 Fr. 30 Cts. wurde von der
Konkursverwaltung nicht zugelassen. Am 5. Mai 1909 teilte sie zudem dem
Reber mit, dass sie die Rückzahlung der Summe von 9000 Fr. (sollte 8900
heissen), die er im Juli 1908 in aniechtbarer Weise erhalten hatte,
verlange und dass sie diesen Anfechtungsanspruch gegenüber seiner
Konkursforderung Widerklagweise geltend machen werde. Im darauffolgenden
Ko]lokation-sanfechtungsprozcss Rebers gegen die Masse Grossenbacher erhob
letztere in der Tat Widerklagweise den Anspruch auf Anfechtung jener
Zahlung. Als indessen das Appellationsgericht Freiburg, aus formellen
Gründen, die Widerklage von der Hand wies so hat die Konkursmasse den
Aniechtungsansprneh auf Reber am 2. Mai 1910 an einen Konkursgläubiger
Fritz Schürch in Bern im Sinne von Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458
SchKG ab und erklärte den
20. Mai 1910 im Kollokatiousanfechtungsprozess den Abstand unter Wahrung
der Rechte des Abtretungsgläubigers.

Am 11. Juli 1913, cl. h. lange nach Abschluss des Konkurses Grossenbacher
und drei Tage vor dem Ablaul' der Verjährnngsfrist gemäss Art. 292
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 292 - 1 Das Anfechtungsrecht verjährt:
1    Das Anfechtungsrecht verjährt:
1  nach Ablauf von drei Jahren seit Zustellung des Pfändungsverlustscheins (Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1);
2  nach Ablauf von drei Jahren seit der Konkurseröffnung (Art. 285 Abs. 2 Ziff. 2);
3  nach Ablauf von drei Jahren seit Bestätigung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung.
2    Bei der Anerkennung eines ausländischen Konkursdekretes wird die Zeit zwischen dem Anerkennungsantrag und der Publikation nach Artikel 169 IPRG518 nicht mitberechnet.
SchKG,
hob der Zessionar die vorliegende ;}nieehtungsklage an mit lolgenden
Begehren :

l. Die Hingabe von 8900 Fr. sei weil anleohtbar unwirksam zu erklären.

2. Der Beklagte sei zu verurteilen, dem Kläger für sich und zu Handen
der Konkursmasse Grossenbacher diese Summe nebst Zins zu 5% seit dem
14. Juli 1908 zu bezahlen, unter Kostenfolge.

In rechtlicher Hinsicht stürzte sich die Klage auf Art. 287
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 287 - 1 Die folgenden Rechtshandlungen sind anfechtbar, wenn der Schuldner sie innerhalb des letzten Jahres vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen hat und im Zeitpunkt der Vornahme bereits überschuldet war:508
1    Die folgenden Rechtshandlungen sind anfechtbar, wenn der Schuldner sie innerhalb des letzten Jahres vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen hat und im Zeitpunkt der Vornahme bereits überschuldet war:508
1  Bestellung von Sicherheiten für bereits bestehende Verbindlichkeiten, zu deren Sicherstellung der Schuldner nicht schon früher verpflichtet war;
2  Tilgung einer Geldschuld auf andere Weise als durch Barschaft oder durch anderweitige übliche Zahlungsmittel;
3  Zahlung einer nicht verfallenen Schuld.
2    Die Anfechtung ist indessen ausgeschlossen, wenn der Begünstigte beweist, dass er die Überschuldung des Schuldners nicht gekannt hat und auch nicht hätte kennen müssen.510
3    Die Anfechtung ist insbesondere ausgeschlossen, wenn Effekten, Bucheffekten oder andere an einem repräsentativen Markt gehandelte Finanzinstrumente als Sicherheit bestellt wurden und der Schuldner sich bereits früher:
1  verpflichtet hat, die Sicherheit bei Änderungen im Wert der Sicherheit oder im Betrag der gesicherten Verbindlichkeit aufzustocken; oder
2  das Recht einräumen liess, eine Sicherheit durch eine Sicherheit gleichen Werts zu ersetzen.511
und 288
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 288 - 1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
1    Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
2    Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.513
SchKG.

Der Beklagte Reber bestritt in erster Linie die klagerisehe Legitimation
zur Klagerhebung weil die Klage erstder Zivilkammern. N° 16. 73

nach Schluss des Konkursverfahrens eingeleitet worden war. Materiell
trug er auf Abweisung an, unter Bestreitung der Klagebegehren prinzipiell
und dem Masse nach.

C. Mit Urteil vom 18. Juni 1914 hiess die erste Instanz (das Amtsgericht
von Signau) die Einrede der mangelnden Legitimation zur Klageerhebung gut
und wies aus diesem Grunde die Klage ab. Das Obergericht des Kantons Bern
hingegen ver-warf am 10. November 1914 diese Einrede, hob die Zahlung
vom 14. Juli 1908 als anfechtbar im Sinne von Art. 288
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 288 - 1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
1    Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
2    Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.513
SchKG auf und
verurteilte den Beklagten gemäss Klagebegehren 2, zur Zahlung von 8900
Fr. nebst Zins zu 5% seit dem 14. Juli 1908 und zu den Prozesskosten.

D. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrage : Es
sei in Aufhebung des angefochtenen Urteils dieKlage gänzlich abzuweisen,
unter Kosteniolge.

In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Berufungsklägers dieses
Begehren begründet, wogegen der Vertreter des Berufungsbeklagten den
Antrag auf Abweisung stellte.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

i. Nach den rechtsverbindlichen Feststellungen der Vorinstanz unterliegt
es keinem Zweifel, dass die Voraussetzungen der Deliktspauliana
gemäss Art. 288
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 288 - 1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
1    Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
2    Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.513
SchKG im vorliegenden Falle gegeben sind. Dass eine
den Beklagten begünstigende und die übrigen Gläubiger schädigende und
damit eine. objektiv aniechtbare Handlung vorliege, ergibt sich daraus,
dass Reber für einen Teil seiner Forderung vollständig gedeckt werden
ist, Während er für den Rest im Konkurse kollozirt und wie die übrigen
Gläubiger die darauf entfallende Dividende und den Verlustschein erhalten
hat. Ebenfalls steht die Benachteiligungsabsicht Grossenbachers fest. Nach
konstanter

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bundesgerichtlicher Praxis (AS 37 II S. 305 und die dort angegebenen
Präjudizien) ist nicht erfodrerlich, dass die Schädigung der Gläubiger
geradezu den ZWeck des Rechtsgeschäftes bilde : es genügt, wenn
dieser Erfolg vom Schuldner als die natürliche Folge der anfeehtbaren
Rechtshandlung vorausgesehen werden konnte und musste. In diesem
Sinne ist die Voraussetzung der Benachteiligungsabsicht zweifellos
vorhanden. Schon der Umstand, dass Grossenbacher elf Tage nach der
Zahlung an den Beklagten sich insolvent erklärte, lässt den Schluss
zu, dass er bereits am 14. Juli wissen musste, wie schlecht seine
Sachen standen. Zudem ergibt sich aus den Konkursakten und schon
aus der Bilanz, die der Schuldner der Insolvenzerklärung beilegte,
dass dessen Vermögenslage seit längerer Zeit eineprekäre war und dass
die verhältnismässig sehr bedeutende Unterbilanz nicht plötzlich,
etwa infolge einer unglücklichen Spekulation, eingetreten ist. Roger de
Diesshach hatte schon im Juni 1908 den Grossenbacher auf seine schwierigen
Vermögensverhältnisse aufmerksam gemacht und dieser Zeuge erklärt, dass
Grossenbacher selbst seine Lage eingesehen hatte. Auch der überstiirzte
Verkauf der Schweine, die als unreife Waare veräussert wurden, beweist,
in welcher Notlage Grossenhacher sich befand, und dass er sich dessen
bewusst sein musste. Grossenbacher musste also am 14. Juli erkennen,
dass nach dem zu erwartenden Laufe der Dinge die Zahlung an den Beklagten
zum Nachteile der übrigen Gläubiger gereichen werde. Umsonst wendet der
Beklagte ein, dass er am 14. Juli die Hoffnung haben konnte, den Konkurs
zu vermeiden da Reber ihm die Zusicherung einer weiteren Unterstützung
von 20,000 Fr. unter der Bedingung gegeben hatte, das ältere Darleihen
von 14,000 Fr. vollständig zu tilgen, und dass Grossenbacher noch damals
darauf rechnen konnte, die Paar tausend Franken beizubringen, die hiezu
nötig gewesen wären. Ob dies zutriift, braucht nicht einmal festgestellt
zu werden: denn die blosse Hoffnung des Schuldners, sich

der Zivilkammern, N° 16. 75

aus seiner misslichen Lage zu befreien, die sich dann als
trügerisch erweist, genügt nicht um ihn'zu entlassen. (AS 34 11
S. 791.) Grossenbacher musste in alien Fällen mit der Möglichkeit
rechnen, dass die volle Rückzahlung des Darleihens ihm nicht gelingen
oder dass Reber aus sonst einem anderen Grunde seinem Versprechen nicht
nachkommen würde : er musste also erkennen, dass er Gefahr lief den
Räber zu begünstigen, wenn er ihm das Geld gab, ohne sich Sicherheiten
für die Erfüllung der Gegenleistung geben zu lassen. si

Noch viel weniger kann über die Erkennbarkeit der Begünstigung auf Seiten
Rebers irgend ein Zweifel bestehen. Er war über die Vermögensverhältnisse
Grossenbachers vollständig im Klaren : er war ihm wiederholt finanziell
beigestanden und wenn er es noch im April 1908 getan hat, so beweist
dies nicht gegen seine Kenntnis von der Lage Grossenbachers, denn
es ist anzunehmen, dass er es aus verwandsehaftlichen Rücksichten
tat. Jedenfalls war der Anfechtungsbeklagte über die Vermögensverhältnisse
Grossenbachers seit der Besprechung mit Roger de Diessbach (Ende Juni
1908) genau orientirt. Reber war es, welcher Grossenbacher veranlasste,
die unreife Waare zu verkaufen und dieses Geschäft mit den Metzgern
in Bern vermittelte. Es muss daher angenommen werden, dass dem Reber
die Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners nicht nur erkennbar war,
sondern geradezu, dass er sie erkannte und ihrer bewusst wurde.

2. Was die Frage anhetriiit, ob auf die Klage noch eingetreten werden
könne, obgleich sie erst nach dem am 28. Juni 1910 erfolgten schlusse
des Konkurses angehoben werden ist (11. Juli 1913), ist auch in diesem
Punkte der Auffassung der Vorinstanz beizupflichten. Zwar ist richtig,
dass die Abtretung nach Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458
SchKG ihre Wirksamkeit verliert,
wenn der Konkurs nicht durchgeführt oder widerrufen (z. B. infolge
Nachlassvertrags aufgehoben) werden ist : denn dann fallen die Rechte
der Gläubiger auf das schuldnerische Vermögen, die der Anfechtungs-

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klage als Basis dienen, überhaupt dahin. Anders wenn der Konkurs
durchgeführt und mit der Verteilung des Erlöses und der Ausstellung der
Verlustscheine seine Erledigung gefunden hat : in diesem Falle kann nicht
gesagt werden, dass die Rechte der Masse auf die Vermögensbestandteile des
Schuldners, die nicht zur Realisierung gelangt sind, mit dem Schlusse des
Verfahrens schlechterdings dahingefallen sind. Diese Folgerung ergibt sich
aus Art. 269
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 269 - 1 Werden nach Schluss des Konkursverfahrens Vermögensstücke entdeckt, welche zur Masse gehörten, aber nicht zu derselben gezogen wurden, so nimmt das Konkursamt dieselben in Besitz und besorgt ohne weitere Förmlichkeit die Verwertung und die Verteilung des Erlöses an die zu Verlust gekommenen Gläubiger nach deren Rangordnung.
1    Werden nach Schluss des Konkursverfahrens Vermögensstücke entdeckt, welche zur Masse gehörten, aber nicht zu derselben gezogen wurden, so nimmt das Konkursamt dieselben in Besitz und besorgt ohne weitere Förmlichkeit die Verwertung und die Verteilung des Erlöses an die zu Verlust gekommenen Gläubiger nach deren Rangordnung.
2    Auf gleiche Weise verfährt das Konkursamt mit hinterlegten Beträgen, die frei werden oder nach zehn Jahren nicht bezogen worden sind.467
3    Handelt es sich um einen zweifelhaften Rechtsanspruch, so bringt das Konkursamt den Fall durch öffentliche Bekanntmachung oder briefliche Mitteilung zur Kenntnis der Konkursgläubiger, und es finden die Bestimmungen des Artikels 260 entsprechende Anwendung.
SchKG. Denn, wenn gemäss dieser Bestimmung die nach Schluss
des Konkurses entdeckten 'Massabestandteile zu Gunsten der zu Verlust
gekommenen Gläubiger zu liquidieren sind, so will das heissen, dass der
Konkursschluss an sich nicht alle weiteren Vorkehren zur Realisierung
von Massavermögen sehlechterdings ausschliesst. Zum Massavermögen gehört
aber auch ein nach Art. 260 abgetretener AnfechtungsansPruch : denn
diese Zession bedeutet keine Entäusserung des Anspruches, sondern nur
die Uebertragung des Prozessführungsrechtes an den Abtretungsgläubiger
(AS 37 IIS. 128). Daraus folgt, dass grun dsätzlich der Schluss des
Konkurses weder der Anhebung der Anfechtungsklage noch deren Durchführung
im Wege steht. Allerdings ist richtig, dass die Bestimmung des Art. 269,
ihrem Wortlaute nach, sich bloss auf Vermögensstüeke bezieht, die erst
nach dem Konkursschluss entdeckt worden sind; zu diesen kann aber ein
von der Masse abgetretener Anspruch selbstverständlich nicht gezählt
werden. Indessen hat das Bundesgericht wiederholt fest ' gestellt, dass
der Grund wesswegen Ansprüche, die der Konkursmasse bereits bekannt
waren. nach Durchführung des Konkui ses nicht mehr realisiert werden
können, darin zu suchen sei, dass in der Unterlassung ihrer früheren
Liquidation ein Verzicht der Masse liege, den fraglichen Vermögensteil
als Massagut zu beanspruchen. Von einem Verzichte kann jedoch hier nicht
die Rede sein. Abgesehen davon, dass die Masse elber die Geltendmachung
des Anspruches eingeleitet hatte (widerklagsweise, vor den Freiburger
Gerichten), so hat sie den Anspruch immerder Zivilkammern. N° 16. si 'i?

aufrecht erhalten und zum Zwecke der G e l t e n dm a c h u n g
abgetreten. Daraus folgt, dass wenn, wie hier, kein besonderer
Verwirkungsgrund, wie z. B. eine terminierte Abtretung, vorliegt,
der nach Art. 260 abgetretene Anfechtungsanspruch den Konkursschluss
überdauert und er somit auch nach Schluss desselben geltend gemacht
werden kann (AS 37 II S. 130).

3. Ist somit das erste Klagebegehren prinzipiell begründet, so fragt
sich noch, ob auch das zweite Klage-hegehren im vollen Umlange
gutzuheissen ist, nachdem der Beklagte die Forderung nicht nur
prinzipiell sondern auch der Höhe nach bestritten hat ; mit anderen
Worten, ob der Anfechtungsbeklagte zur Rückgabe der vollen am 14. J uli
1908 erhaltenen Summe zu verhalten ist. Zweifel hierüber können wegen der
besonderen Gestaltung entstehen, die der Konkursschluss vor Durchführung
des Anfechtungsprozesses diesem Falle verliehen hat. Nach Art. 291
Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 291 - 1 Wer durch eine anfechtbare Rechtshandlung Vermögen des Schuldners erworben hat, ist zur Rückgabe desselben verpflichtet. Die Gegenleistung ist zu erstatten, soweit sie sich noch in den Händen des Schuldners befindet oder dieser durch sie bereichert ist. Darüber hinaus kann ein Anspruch nur als Forderung gegen den Schuldner geltend gemacht werden.
1    Wer durch eine anfechtbare Rechtshandlung Vermögen des Schuldners erworben hat, ist zur Rückgabe desselben verpflichtet. Die Gegenleistung ist zu erstatten, soweit sie sich noch in den Händen des Schuldners befindet oder dieser durch sie bereichert ist. Darüber hinaus kann ein Anspruch nur als Forderung gegen den Schuldner geltend gemacht werden.
2    Bestand die anfechtbare Rechtshandlung in der Tilgung einer Forderung, so tritt dieselbe mit der Rückerstattung des Empfangenen wieder in Kraft.
3    Der gutgläubige Empfänger einer Schenkung ist nur bis zum Betrag seiner Bereicherung zur Rückerstattung verpflichtet.
SchKG tritt die getilgte Forderung mit der Rückerstattung des
Empiangenen wieder in Kraft. Der Anfechtungsbeklagte erhält also mit dem
Momente, in welchem er auf Grund des Urteiles das Empfangene zurückgibt,
eine Forderung im gleichen Betrage, die er im Konkurse als gewöhnliche
Konkursforderung gelten machen kann. Dieser Normalfall erleidet aber eine
wesentliche Aenderung, wenn der Anfechtungsgläubiger mit der Durchführung
des Anfechtungsprozesses so lange zugewartet hat, dass unterdessen der
Konkurs geschlossen wurde und es somit dem Anfechtungsbeklagten unmöglich
geworden ist, den Anspruch gegen die Masse auf Kollokation und Dividende
für die neu auflebende Forderung geltend zu machen. Diese Unmöglichkeit
ist im vorliegenden Falle einzig auf Handlungen zurückzuführen, die
der Anfechtungsbeklagte nicht zu vertreten hat. Gegen den frühzeitigen
Konkursschluss, bei dem das in Art. 95 KV vorgesehene Verfahren nicht
beobachtet worden ist, stand dem Anfechtungsbeklagten kein Rechtsmittel
zu. Auch der Einwand würde fehl gehen, dass er etwas ver-

78 ' Entscheidungen

säumt habe, indedeenAnkechnmgskläger zur gerichtlichen Geltendmachung des
Anfechtungsanspruches nieht provoziert hat. Das Mittel der Provokation
ist ein Recht, nicht eine Pflicht und dem Anfechtungsbeklagten kann nicht
zugemutet werden, dass er die Aussicht einer bevorstehenden Verjährung
des Anspruches nach Art. 292
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 292 - 1 Das Anfechtungsrecht verjährt:
1    Das Anfechtungsrecht verjährt:
1  nach Ablauf von drei Jahren seit Zustellung des Pfändungsverlustscheins (Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1);
2  nach Ablauf von drei Jahren seit der Konkurseröffnung (Art. 285 Abs. 2 Ziff. 2);
3  nach Ablauf von drei Jahren seit Bestätigung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung.
2    Bei der Anerkennung eines ausländischen Konkursdekretes wird die Zeit zwischen dem Anerkennungsantrag und der Publikation nach Artikel 169 IPRG518 nicht mitberechnet.
SchKG durch eine Klageprovokation hätte
verscherzen sollen. Unter solchen Umständen fragt es sich, ob der
Anfechtungsbeklagte nicht berechtigt sei, dem Anfechtungskläger die
Einrede entgegenzuhalten, dass er zu nicht mehr verurteilt werden könne,
als zur Herausgabe des zu Unrecht bezogenen, unter Abzug dessen was er
erhalten hätte, wenn der Konkurs nicht abgeschlossen und somit die durch
die auiechtbare Handlung getilgte Forderung an der Konkursdividende
hätte teilnehmen können.

Die Frage ist zu bejahen. Wie der Konkursschluss den Untergang des
Anfechtungsanspruches nicht herbeizuführen vermag, also, als solcher,
die Rechte des Anfechtungsklägers nicht berührt, so kann anderseits nicht
zugegeben werden, dass er der Geltendmachung des Dividendenanspruches
prinzipiell im Wege stehe und die Rechte des Anfechtungsbeklagten
schmälere. Richtig ist zwar, dass dieser Anspruch (Teilnahme an der
Dividende laut Gesetz Art. 291, Abs. 2) _von zwei Voraussetzungen abhängig
ist : von der tatsächlichen Rückerstattung des Empfangenen und von der
Kollokation der neu auflebenden Forderung. Dieser Anspruch ist somit
bedingt, a h e r als bedingter Anspruch steht er dem Anfechtungsbeklagten
jetzt schon zu, und es würde wider Treu und Glauben verstossen und
zu einer nngerechtfertigten Bereicherung der Masse führen, wenn es in
der Hand der Konkursmasse bezw. ihres Vollmachtträgers liegen könnte,
diesen Anspruch durch Zuwarten mit der Anstellung der Anfechtungsklage
bis nach Schluss des Konkursverfahrens zu beseitigen, auf der andern
Seite aber den vollen Betrag der dem Anfechtungsbeklagten vom Schuldner
geleisteten Zahlung fürder Zivilkssàmmern. N° 16. 79 auf ein internes
Liquidationsverhältnis zwischen der

Masse und dem Anfechtungskläger ist dem Rechte des Anfechtungsbeklagten
nicht Genüge geleistet: denn dieses

' Liquidationsverhältnis bezieht sich auf den Prozess--

gewinn (Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458
SchKG) und besteht zwischen dem Anfechtungskläger und
der Masse, berührt aberdenAnspruchdesAnfechtungsheklagten gegen die
Masse auf die Konkursdividende keineswegs.

Die einzige Möglichkeit, diesen Anspruch nunmehr dem Anfechtungsbeklagten
zu wahren, besteht in dessen einredeweiser Zulassung gegen
die Forderung, die auf Grund des Anfechtungsanspruches der Masse
(bezw. dem Anfechtungskläger als deren Prozessmandatar) zuzuspreehen ist.
Letzterer muss sich diese Einrede gefallen lassen : denn der Anspruch des
Anicchtungsheklagten auf Dividende für die auflebende Forderung lastet auf
der Masse und ist offenbar Zug um Zug zu erfüllen. Wäre, wie es die Mei
nung des Gesetzes ist (vgl. Art. 200), der Anfechtungsansprueh bereits
im Konkursinventar vorgemerkt worden, so hätte die bei gerichtlicher
Zusprechung desselben wieder auflebcnde Forderung auch als bedingte im
Kollokationsplan für diesen Fall aufgenommen werden können und sollen, und
dann hätte zweifellos der Anfechtungsbeklagte der Forderung der Masse auf
Rückgabe der anfechtbaren Zahlung die Einrede der Verrechnung mit seinem
Anspruch auf die Dividende entgegenhalten können. Wenn nun die Masse oder
ihr Prozessbevollmächtigter den Aniechtungsansprucherst geltend macht,

nachdem das sämtliche Massavermögen bereits verteilt ist, so ist
selbstverständlich dass die mit dessen Gutheissung und Bezahlung wieder
auflebende Konkursforderung Anspruch auf Tilgung aus dem neuen, als
Ergebnis des Anfechtungsanspruchs vorliegenden Massavermögen erheben
kann. Und zwar muss der Anfechtungskläger nun die Geltendmachung dieses
Anspruches auch auf dem, Wege der Einrede der Verrechnung sich gefallen
lassen,.

·80 Entscheidungen

wie die Masse wenn die Verhältnisse sich normal abgespielt hätten,
weil er nicht mehr Rechte haben kann als die Masse selbst.

Auch die Tatsache, dass eine Kollokation der wieder auflebenden Forderung
nicht stattgefunden hat, steht dem nicht entgegen. Denn abgesehen davon,
dass es sich bei dieser Forderung ja nur um einen Teil der als solche
von der Masse bereits durch ihren Rücktritt vom Kollokationsprozess
definitiv für die Masse anerkannten Darlehensierderung handelt, so Wäre
eine nachträgliche Bestreitung dieser Forderung auch sonst weder durch die
Masse, noch durch einzelne Konkursgläubiger mehr denkbar und möglich. Die
M a s s e hat, nachdem sie ausdrücklich nur die A n f e c h t u n g
der streitigen Teilzahlung auf die vom Anfechtungsbeklagten eingegebene
Forderung als der Masse noch zustehenden streitigen Anspruch im Sinne von
Art. 260 angekündigt und abgetreten hat, damit implizite den Bestand der
Forderung, an welche die Zahlung verrechnet wurde. anerkannt. Es Würde
gegen Treu und Glauben verstossen, wenn sie eine Zahlung für eine im
Konkurse angemeldete Forderung zunächst als anfechtbar zurücklordern,
im Anfechtungsprozess gegen die Forderung als solche keine Einwendungen
erheben und hernach erst nach dessen Durchführung die Forderung noch
prinzipiell bestreiten wollte. Ein solches Verhalten Würde auch mit dem
Verfahren, wie es im Gesetze geordnet ist, nicht vereinbar sein. Denn
die Masse ist verpflichtet, irn Kollokationsverfahren ihre sämmtlichen
Einwendungen gegen den Bestand der angemeldeten Forderungen an den Kridar
anzubringen und wenn sie von einer ihr angemeldeten Forderung nur die ihr
ebenfalls angemeldete Ti ] g u n g als unwirksam anficht, so liegt darin
eine unzweideutige Anerkennung der Forderung als solcher. Aber auch die
ein z ein e n G l ä u b i g e r hatten im Konkursverfahren selbst schon
Gelegenheit gehabt, gegen diese Anerkennung durch die Konkursverwaltung
Stellung zu nehmen dadurch, dassder Zivilkammem. N° 16. 81 --

sie eine andere Formulierung der nach Art. 260 abzutre-v tenden Rechte
verlangen konnten ; nachdem sie das nicht getan, können sie in diesem
Stadium des Verfahrens mit der Prätention auf Bestreitung der Forderung
nicht mehr gehört werden.

Ebensowenig widerspricht der hier vertretenen Auffassung das Urteil
der Schuldbetreibungskammer des Bundesgerichtes vom 10. J uii 1912 in
Sachen J eltsch & Cie (AS 38 I S. 643), wonach der Anfechtungsbeklagte
auf Abschlagszahlungen keinen Anspruch hat, die im Momente der Zusprache
der Anfechtungsbeklagte bereits erfolgt sind. In jenem Falle handelte'es
sich nicht um den Umfang des Anfechtungsanspruches, sondern um die rein
konkursprozessuale Frage, ob an einer bereits vollzogenen Abschlagszahlung
nachträglich ein Gläubiger noch teilnehmen könne. Ob durch den Ausschluss
des Aniechtungsbeklagten von der Dividende die Masse bereichert werden
sei, und ob dem Anfechtungsbeklagten aus diesem Titel ein Anspruch
gegen die Masse bezw. gegen den Anieehtungskläger erwachse, ist damals
nicht untersucht und nicht entschieden worden und konnte von den
Aufsichtsbehörden nicht erörtert werden (siehe Erwägung 1 des Urteils).

4 Nach dem Gesagten bleibt noch zu untersuchen, welche Dividende dem
Beklagten für 8900 Fr. in V. Klasse zugekommen wäre, wenn dieser
Betrag in die allgemeine Masse gefallen und unter die sämtlichen
Gläubiger verteilt worden Wäre : nur für die Differenz zwischen 8900
Fr. und diesem Betrage kann die Klage zugesprochen werden. Dabei ist
die Rechnung so zu gestalten, dass der Betrag von 8900 Fr., der in
die Masse im Sinne von Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458
SchKG gefallen, wenn der Konkurs nicht
vor der Prozess-durchführung abgeschlossen werden wäre, zu den Aktiven
zu rechnen ist die unter die V. Klasse zur Verteiliung gelangt sind,
während anderseits auch die PaSsiven um die neu auflebende Forderung
(8900), die dividendenberechtigt gewesen wäre, zu vermehren sind.

A3 41 tu 1915 5

82 Entscheidungen der Zlvilkammem. N° 16.

Diese Aktiven, betragen somit 24,722 Fr. 35 + 8900-

=. 33,622 Fr. 35.

Passiven : 77,561 Fr. 35 + 8900 = 86,461 Fr. 35.

Die Dividende daher gleich,33,622 Fr. 35 : 86,461 Fr. 35 wie X : 100 = 38%
(statt 31%) :ssauf die übrigen Prozenten hat die Masse durch Abtretung
des Anfechtungsanspruches an den Kläger im Sinne von Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458
SchKG zu
dessen Gunsten verzichtet, ein Verzicht, an dem der Berufungsheklagte
nicht mitwirken konnte und folglich für ihn auch keine Wirkung ausüben
kann. 38% von 8900 Fr. = 3382. Die Klage ist demnach zuzusprechen für 8900
Fr. vermindert um den Betrag von 3382 Fr. Die Zinse der Summe von 8900
Fr. laufen nicht, Wie die kantonale Instanz angenommen hat, vom 14. Juli
1908 d. h. vom Tage der anfechtharen Leistung an. Der Anfechtungsanspruch
ist nicht an diesem Tage entstanden, sondern erst mit der Schädigung der
Masse, also nicht vor der Konkurseröfinung. Verzugszinse aber trägt die zu
Unrecht empfangene Summe erst vom Tage an, wo der Anfechtungsheklagte in
Verzug gesetzt worden ist: im vorliegenden Falle mit der Aufforderung vom
5. Mai 1909, die Leistung vom 14. Juli 1908 der Masse zurückzuerstatten :
eine frühere Mahnung ist den Akten nicht zu entnehmen. Es rechtfertigt
sich, die Zinse der Summe von 3382 Fr. welche die Dividende darstellt,
vom Tage des Konkursschiusses an laufen zu lassen (1. h. vom Momente an wo
anzunehmen ist, dass alle übrigen Gläubiger ihre Dividende erhalten haben.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird in dem Sinne begründet erklärt, dass die dem Kläger
durch das angefochtene Urteil zugesprochene Summe von 8900 Fr. erst seit
dem 5. Mai 1909 (statt seit 14. Juli 1908) mit 5% zu verzinsen ist und
dass von dieser Summe der Betrag von 3382 Fr. nebst Zins zu 5% seit dem
28. Juni 1910 in Abzug zu bringen ist.Kreisschr. des Bundesger. über
Schuldbetr. 'n' Konkurs. N° 17. 83

Kroissshroiban des Bundesgorîchts an die kantonalon Aufsichtshehfirden
über Schuliheireibung u. Konkurs. Cireulaires du Tribunal fédéral
ausartet-MS cantanales de surreillanca sur la paursuite pour dettes et
la faillite.

M

17. Kreissehreiben Nr. 9 vom 8. März 1915. Gegenstand: Vollzug des
früheren Kreisschreibens Nr. 8 betrefi'end Feststellung der Entlassung
im Militärdienst befindlicher

Betreibungssohuldner. Durch Kreisschreiben vom 21. Dezember 1914 haben

' wir Sie im Anschluss an den Rekursentscheid der Schuld-

betreibungsund Konkurskammer des Bundesgerichts vom 2. Dezember 1914 in
Sachen Berner Kantonalbank (AS 40 III. Teil Nr. 70) darauf aufmerksam
gemacht, dass es Sache der Betreibungsämter sei, von sich aus den
Zeitpunkt der Entlassung derjenigen Schuldner, denen gegenüber die
Vornahme von Betreibungshandlungen gestützt auf Art. 57
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 57 - 1 Für einen Schuldner, der sich im Militär-, Zivil- oder Schutzdienst befindet, besteht während der Dauer des Dienstes Rechtsstillstand.95
1    Für einen Schuldner, der sich im Militär-, Zivil- oder Schutzdienst befindet, besteht während der Dauer des Dienstes Rechtsstillstand.95
2    Hat der Schuldner vor der Entlassung oder Beurlaubung mindestens 30 Tage ohne wesentlichen Unterbruch Dienst geleistet, so besteht der Rechtsstillstand auch noch während der zwei auf die Entlassung oder Beurlaubung folgenden Wochen.
3    Für periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge kann der Schuldner auch während des Rechtsstillstandes betrieben werden.96
4    Schuldner, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses zum Bund oder zum Kanton Militär- oder Schutzdienst leisten, geniessen keinen Rechtsstillstand.97
SchKG suspendiert
werden musste, aus dem Militärdienst festzustellen. Die Betreibungsämter
wurden daher angewiesen, sich zu diesem Zwecke in solchen Fällen mit-der
zuständigen kantonalen Militär ' behörde in Verbindung zu setzen,
(1. h. ihr die Namen der betreffenden Schuldner anzuzeigen und sie zu
ersuchen, dem Amte von deren Entlassung aus dem Dienst sofort Mitteilung
zu machen,

Die Durchführung dieser Anordnung ist in der Folge auf Schwierigkeiten
gestossen, indem einige kantonale Militärdirektionen die Erteilung der
ihnen zugedachten Auskünfte überhaupt, verweigerten, andere erklärten,
dass sie dazu nicht imstande seien, da sie von den Muta-