446 Obligationenrecht. N° 57.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird in dem Sinne begründet erklärt, dass der Beklagte
verpflichtet wird, an den Kläger den Betrag von 3000 Fr. nebst Zins zu
5 % seit 14. November 1911 zu bezahlen.

57. man der n. Zivilabteilung vom 17.117.111 1915 i. S. Urbaîne, Beklagte,
gegen Denner, Klägerin.

1 . Ar t. '? 8 V V G : Anspruch des in einem Versicherungsvertrag als
Begünstigter. genannten Dritten. 2. Wirkungen des Unterschreib aus einer
ungelesenen Urkunde.

A. Cäsar Denner, der verstorbene Ehemann der Klägerin, führte in
den Jahren 1908-1912 die Zürcher Agentur der Beklagten, bei der er
durch zwei am 19. Januar und 26. Juni 1903 abgeschlossene Policen 17°
110,811 und 112,952 für je 20,000 Fr. auf den Todesoder Erlebensfall
versichert war; als Begünstigte für den Fall des Ablebens Denners vor
Ablauf der Versicherung nennen beide Policen die heutige Klägerin. Nach
dem am 1. August 1912 d. h. vor Auslauf der Versicherungen erfolgten Tod
Cäsar Denners, zeigte sich, dass seine Vermögensverhältnisse ungeordnete
und vermutlich auch ungünstige waren. Die Werttitel, auch diejenigen,
die der Ehefrau gehörten, waren verpfändet, die mit der Beklagten
abgeschlossenen Lebensversicherungen bei der Leihkasse Enge für eine
Forderung von 9000 Fr. Am 20. August 1912 verlangte die Klägerin
die Aufnahme des öffentlichen Inventars; die Eingabefrist endigte am
1. Oktober 1912. Da das Inventar einen Passivenüberschuss von ungefähr
700,000 Fr. ergab, schlugen die Erben den Nachlass aus. In der darauf
folgenden konkursrechtlichen Liquidation erhielt die Klägerin für ihre

Obligationenrecht. N° 57. 447

Weibergutsforderung von 155,000 Fr. nur für 17,043 Fr. 80
Cts. Befriedigung. Die nach dem Hinscheiden Denners von der Beklagten
veranlasste Prüfung der Geschäftsführung der Agentur ergab sofort, dass
DennetW sich bedeutende Unterschlagungen der eingegangenen Prämiengelder
hatte zu Schulden kommen lassen. Der Inspektor der Beklagten, Josef
Baumgartner in Basel, stellte fest, dass die Unterschlagungen Denners zu
Ungunsten der Beklagten und der mit ihr eng verbundenen Urbaine-lmcndie,
deren Agentur Denner ebenfalls geführt hatte, sich auf mehr als 40,000
Fr. beliefen. Denner hatte als Kaution für richtige Geschäftsführung
Wertpapiere irn Nominalbetrag von 40,000 Fr. hinterlegt, die in erster
Linie der Urbaine-lncendie, sodann der Beklagten haÎteten. Durch
die Liquidation der Kaution, die teils durch die Beklagte, teils
durch das Konkursam't geschah, wurde die Urbaine-Incendie für ihre
Forderung ganz, die Beklagte jedoch nur bis zu einem Betrag von 18,897
Fr. 70 Cts. gedeckt. Baumgartner hatte der Klä-gerin von den von ihrem
Manne verübten Veruntreuungen, deren Höhe damals noch nicht feststand,
Mitteilung gemacht. In der Folge wurde zwischen ihm und der Klägerin über
die Deckung dieser Unterschlagungen gesprochen. Die Klägerin anerkennt,
dass sie anfänglich beabsichtigt habe, für die Unterschlagungen ihres
Ehemannes einzustehen; dass sie dem Baumgartner gegenüber geäussert
habe, sie wolle das Andenken ihres Mannes retten , sowie dass davon die
Rede gewesen sei, die Beträge aus den der Klägerin zukommenden Policen
zu decken. Die Klägerin behauptet aber, sie habe das nur für den Fall
zugesagt, dass die Verhältnisse des Nachlasses ihres Mannes sich nicht
ungünstig gestalten würden. Baumgartner erklärt dagegen, die Klägerin
habe von allem Anfang an bestimmt in Aussicht gestellt, für den Schaden,
der aus der Geschäftsführung ihres Mannes entstanden sei,.aufzukommen. Am
26. September 1912 siedelte die Klägerin mit ihrer Familie nach Bern über;

448 Obligationenrecht. N° 57.

zwei Tage später wurde sie dort von Baumgartner aufges-

sucht, der ihre Unterschrift auf zwei sog. quittances de réglement
verlangte. Die Klägerin unterzeichnete diese Quittungen und ihre
Unterschrift wurde von Notar Tenger heglaubigt. Auf der für Police N°
112,952 ausgestellten Quittung findet sich auf der Vorderseite am Rande
folgende mit Bleistift geschriebene, von der Hand Baumgartners stammende
Rechnung : 19,675.95 20,000. 39,675.95 9,143.BO,-532.95 _18,897.70
11,635.25 Die Klägerin behauptet, dass diese Rechnung sich da-

mals noch nicht auf der Quittung befunden habe. Am 30. September 1912
löste Baumgartner die beiden Policen

bei der Leihkasse Enge mit 9143 Fr. ein. Folgenden -

Tags, am 1. Oktober 1912, begab er sich wiederum nach Bern, wo er
der Klägerin den Betrag von 11,635 Fr. 25 Cts. auszahlte, wofür
ihm die Klägerin folgende Quittung ausstellte: Unterzeichnete Frau
Wwe. C. C. Denner Meier von Zürich, nunmehr wohnhaft in Bern, Schläfli
strasse 8, bescheinigt hiemit, von der Lebensversiche rungs-Gesellschaft
L'Urbaine in Paris die Summe von 11,635 Fr. 25 Cts. (elftausend
sechshundert fünf und dreissig Fr. 25 Cts.) per Saldo von ihrem Guthaben
aus den zu ihren Gunsten abgeschlossenen Versicherungsverträgen N°
110,811 und 112,952 ihres verstorbe nen Ehegatten, Herrn C. C. Denner
Meier, empfangen zu haben, Auch über die Vorgänge bei Ausstellung
dieser Quittung stehen die Darstellungen der Klägerin und Baumgartners
in unvereinbarem Widerspruch. Baumgartner erklärt, er habe der Klägerin
an Hand der auf der Quittung selbst sich befindlichen Rechnung die
ArtObligationenrecht. N° 57. 449

der Abrechnung erklärt und ihr die Rechnung vorgelegt. Die Klägerin
behauptet, sie habe die Rechnung überhaupt nicht beachtet, da die Quittung
so gefaltet gewesen sei, dass die Abrechnung unsichtbar gewesen sei;
Baumgartner habe auch die Rechnung keineswegs erläutert, sondern in
höchster Eile das Geld ausbezahlt und auf die Unterzeichnung der Quittung
gedrängt. Am Abend des nämlichen Tages brachte die Klägerin das Geld ihrem
Schwager, Architekt Salchli, der mit Rücksicht auf den ungeraden Betrag
bemerkte, das sehe nach einer Abrechnung aus. Die Klägerin verneinte,
dass eine solche stattgefunden habe, konnte sich aber an den Wortlaut der
Quittung nicht mehr erinnern. Salchli drängte auf sofortige Aufklärung und
riet der Klägerin an, dem Baumgartner zu schreiben. Die Klägerin lehnte
das zunächst ab, weil sie darin ein unherechtigtes Misstrauen gegen
Baumgartner erblickte Auf wiederholtes Drängen Salchlis entschloss sie
sich dann aber am 8. November 1912, folgendes schreiben an Baumgartner
zu richten: Entschuldigen sie, wenn ich heute mit einer Bitte an Sie
gelange. Seitdem ich nicht mehr in Zürich, ver-nehme ich so wenig über
den Gang meiner Angelegenheit, und es fällt mir so schwer, nach all'
den traurigen Erlebnissen, nach dorten zu gehen, um mich directe über
den Stand derselben zu erkundigen. Es interessiert mich unter anderm
auch sehr, zu vernehmen, wie es jetzt mit der Abrechnung der Urbaine :
steht, ob Sie schon in Paris gewesen, und ob ich diese Abrechnung
demnächst erwarten darf. Dürfte ich Sie ferner ersuchen, mir eine
Kopie der Quittung für den Betrag, den Sie mir in so zuvorkommender
Weise aus bezahlten, zuzustellen ; ich vergass in meiner traurigen o
Verfassung ganz, Kopie von dem Schriftstück zu neh men. Am 14. November
1912 erschien Baumgartner in Bern, wo er mit der Klägerin und Salchli
eine Unterredung hatte. Salchli bat um Einsicht in die Quittung, wobei
Baumgartner erklärte, er habe sie nicht bei sich.

säZO Obligationenrecht. N° 57.

In der später gegen ihn angehobenen Strafuntersuchung sagte Baumgartner
aus, er habe die Quittung bei sich gehabt, sie aber nicht gezeigt,
aus Furcht, man möchte sie ihm entreissen. Baumgartner gab dann über
die Summe, die er am 1. Oktober 1912 der Klägerin ansbezahlt hatte,
die Auskunft, es sei das die der Klägerin zukommende Versicherungssumme
gewesen, abzüglich das Darlehen der Leihkasse Enge, einer , Jahresprämie
und der Schuld Denners an die Beklagte; die Klägerin sei mit der
Verrechnung einverstanden gewesen. Die Klägerin protestierte dagegen. Am
19. Dezember 1912 verlangte Rechtsanwalt Brunner in Zürich namens der
Kiägerin eine Kopie der Quittung. Baumgartner antwortete jedoch dem
Brunner nicht; im Prozesse behauptete er, das Schreiben Brunners nicht
erhalten zu haben. In der Folge wurden von den Verwandten und Beratern
der Klägerin wiederholt vergebliehe Anstrengungen gemacht, dieses
Schriftstück von Baumgartner herauszuerhalten. Auch die Direktion der
Beklagten in Paris wurde um Intervention und Prüfung der Angelegenheit
angegangen. So wandte sich am 11. Februar 1913 C. DennerTriimpy, ein
Verwandter der Klägerin, in ihrem Namen an die Direktion der Beklagten,
indem er schrieb, die Klägerin scheine in vollständiger Unüberlegtheit
und grenzenloser Aufregung ein wichtiges Dokument unterzeichnet zu haben,
ohne zu.wissen, was sie tat und dass sie ihre und ihrer Kinder Interessen
damit auf schwerste zu Gunsten der Beklagten geschädigt habe. Daran
knüpfte er die Bitte, die Direktion möge doch mit Rücksicht auf die
früheren Verdienste Denners urn die Beklagte, dieses Schriftstück als
nichtig betrachten und der Klägerin zu ihrem Rechte verhelfen. Ebenso
schrieb die ,Klägerin am 18. März 1913 auf den Rat ihres Anwaltes Brunner
an den ihr persönlich bekannten Direktor Meier der Beklagten in Paris
einen Brief, in welchem sie ihn unter Berufung auf ihre Kinder ersuchte,
sich bei der Beklagten für sie zu verwenden. Am 31. Mai 1913

Obligationenrecht. N° 57. 451

schrieb sodann Rechtsanwalt Brunner selbst in ähnlichem Sinne an die
Beklagte. Als Zeuge hat Brunner zur Erklärung dieser beiden Schritte
deportiert, er habe übersehen, dass die Beklagte Rechtsdomizil in der
Schweiz besessen habe und geglaubt, die Klägerin müsse die Beklagte in
Paris belangen; deshalb habe er zunächst zu gütlichen Unterhandlungen
geraten.

Im Herbst 1913 erhob die Klägerin durch ihren Vertreter Fürsprecher
Bühlmann gegen Baumgartner bei dem Untersuchungsrichter in Bern
strakklage wegen Betrugs und Urkundenfälschung. Die Anzeige stützte
sich auf die Behauptung, Baumgartner habe die Quittung nach ihrer
Unterzeichnung durch die Klägerin gefälscht. Die Untersuchung wurde,
da Baumgartner die Kompetenz der bernischen Behörden bestritt und
Basel-Stadt die Auslieferung verweigerte, von dem Untersuchungsrichter
in Basel durchgeführt. Mit Urteil vom 30. April 1914 sprach aber das
Strafgericht von Basel-Stadt den Baumgartner von der Anklage frei. Am
5. November 1914 leitete sodann die Klägerin beim Handelsgericht des
Kantons Bern gegen die Beklagte Klage ein auf Bezahlung von 18,897
Fr. 70 Cts. nebst Zins zu 5% seit 1. Oktober 1912, sowie des auf die
Police N° 110,811 entfallenden Gewinnanteils für das Jahr 1912 nebst
Zins zu 5 % seit 31 . Januar 1913. Der geforderte Betrag von 18,897 Fr.
70 Cts. entspricht dem Rest der Versicherungssumme aus den beiden Polieen
Denners über den empfangenen Betrag von 11,635 Fr. 25 Cts. hinaus und
nach Abzug der von der Beklagten bezahlten Forderung der Leihkasse
Enge und einer rückständigen Prämie und ist identisch mit der von der
Beklagten ansgerechneten Summe der Unterschlagungen Denners von ihr
gehörenden Geldern. Die Klägerin machte geltend, dass sie nie Willens
gewesen sei und auch tatsächlich nie erklärt habe, sich mit der Zahlung
von 11,635 Fr. 25 Cts. zufrieden zu geben. Die Saldoquittung licht sie
mit dem Einwand des Irrtums und des Betruges an, indem sie geglaubt habe,

As 41 n 11115 so

452 Obligationenrecht. N° 57.

für eine blosse Anzahlung zu quittieren und von Baumgartner durch
absichtliche Täuschung zur Unterzeichnung der Saldoquittung verleitet
worden sei. Die Beklagte hat die Klage bestritten, mit dem Beifügen:
selbstverständlich unter allem Vorbehalt der Rechte der Beklagten auf
das beim Konkursamt Zürich-Enge liegende Verwertungsbetreffnis von 6627
Fr. 05 Cts; im Unterliegensfall. Sie stellte sich in erster Linie auf
den Standpunkt, auch ohne das Einverständnisder Klägerin

zur Verrechnung berechtigt gewesen zu sein; sodann be-'

hauptete sie, dass die Klägerin mit der Verrechnung mit den von Denner
veruntreuten Beträgen einverstanden gewesen sei und diese Verrechnung
durch Ausstellung der Saldoquittung vom I. Oktober 1912 denn auch
tatsächlich vorgenommen _habe.

B. Durch Urteil vom 24. März 1915 hat das Handelsgericht des Kantons Bern
die Beklagte gestützt auf Art. 23
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
und 24
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
OR verurteilt, der Klägerin
18,897 Fr. 70 Cts. nebst 5 % Zins seit 30. November 1912 zu bezahlen;
im übrigen wurde die _Klage abgewiesen. Die Vorinstanz stellt unter
anderm fest, dass der beim Konkursamt Zürich Enge liegende Betrag
von 6627 Fr. 05 Cts. ausserhalb des Streitverhältnisses liege, da die
Parteien darüber einig seien, dass sie dem im gegenwärtigen Prozesse
unterliegenden Teile zufallen.

C. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrag, die Klage sei abzuweisen, und mit dem Beifügen,
der Vorbehalt wegen allfälliger Rechte der Beklagten auf das beim
Konkursamt Zürich-Enge liegende Verwertungsbetrei'lnis von 6627 Fr. 05
Cts. werde wiederholt.

D. Die Klägerin hat auf Abweisung der Berufung geschlossen. '

Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Es fragt sich in erster Linie,
ob die BeklagteObligationenreeht. N° 57. 453

berechtigt gewesen sei, auch ohne Zustimmung der Klagerin die ihr gegen
den Versicherungsnehmer Denner zustehende Forderuug aus den von diesem
begangenen Unterschlagungen mit der Forderung der Klägerin aus dem
Versicherungsvertrage zur Verrechnung zu bringen. Die Entscheidung
dieser Frage hängt davon ab, ob der Klägerin ein selbständiger,
vom Rechte des Versicherungsnehmers unabhängiger Anspruch auf die
Ausbezahlung der Versicherungssumme zustehe, oder ob sie nur eine vom
Versicherungsnehmer abgeleitete Forderung geltend machen könne. Denn
im letztem Falle müsste sie sich alle Einreden gefallen lassen, die
die Beklagte dem Versicherungsnehmer gegenüber hätte erheber. können,
insbesondere auch die Einrede der Kompensation. In dieser Beziehung
behauptet die Beklagte, der Klägerin stehe ein selbständiges Recht auf
die Versicherungssumme nur zu, wenn sie unmittelbar mit Abschluss des
Versicherungsvertrages ein von den Verfügungen des Versicherungsnehmers
unabhängiges, unentziehbares Recht erworben habe. Da es sich im
vorliegenden Falle um eine sogenannte gemischte Versicherung handle,
d. h. um eine Versicherung auf den Lebensund den Todesfall, so habe
der Versicherungsnehmer Denner, solange er am Leben geblieben sei, das
Recht gehabt, ohne Rücksicht auf die Klägerin als Begünstigte über die
Versicherung zu verfügen; der Erwerb eines selbständigen Rechts durch
die Klägerin sei daher ausgeschlossen. Diese Auffassung hält nicht
Stand. Nach konstanter Praxis des Bundesgerichts ist davon auszugehen,
dass wenn in der Police eine Drittperson ausdrücklich und namentlich
als Begünstigte bezeichnet werden ist, der Versicherungsvertrag als
ein Vertrag zu Gunsten Dritter aufzufassen ist, in dem Sinne, dass dem
Begünstigten ein selbständiger Anspruch auf die Versicherungssumme
erwächst und zwar auch dann, wenn dieser Anspruch erst mit dem Tode
des Versicherungsnehmers zu einem unwiderruflichen wird (AS 19 S. 289,
20 S. 115, 193 und 1054). Diese Auffassung be-

454 Obligationenrecht. N° 57.

ruht auf der Erwägung, dass wenn in einem Lebensversicherungsvertrag ein
Begünstigter genannt wird, darin im Sinne von Art. 128 aOR der Wille
der Kontrahenten zu erblicken ist, dass der Begünstigte für den Fall
des 'l'odes des Versicherungsnehmers einen direkten Anspruch auf den
Versicherungsbetrag erhalten soll. und zwar auch für den Fall, wo sich
der Versicherungsnehmer die Disposition über den Versicherungsanspruch
vorbehalten hat, also die Begünstigung widerrufen oder über den
Versicherungsanspruch anderweitig verfügen kann. In diesem Falle ist das
Recht des Begünstigten zweifach bedingt: einmal suspensiv dadurch. dass
der Begünstigteden Versicherungsnehmer überleben muss. sodann reso-lutiv
durch das Vfiderrufungsrecht des Versicherungsnehmers. Widerruft
dieser aber die ausgesprochene Begünstigung nicht, so soll der
Begünstigte mit dem Tode des Versieherungsnehmers ein direktes auf den
Versicherungsvertrag sich stützendes Recht auf die Versicherungssumme
erhalten. Mit Unrecht verweist die Beklagte demgegenüber auf die in AS
23 II s. 1764 enthaltenen Ausführungen. Das Bundesgericht hat damit die
früher (AS 19 S. 289 und 20 S. 115, 193 und 1054) aufgestellten Grundsätze
nicht aufgegeben, sondern lediglich den eigentlich selbstverständliehen
Satz ausgesprochen, dass das Recht des Begünstigten in seinem Bestande
und Inhalt vom Versicherungsvertrag abhänge und daher der Versicherer
dem Begünstigten alle Einreden entgegensetzen könne, die er auf Grund des
Versicherungsvertrages dem Versicherungsnehmer entgegenhalten dürfte. Von
dieser Praxis des Bundesgeriehts abzugehen, liegt kein Anlass vor, da die
ihr zu Grunde liegende Auffassung inzwischen mit dem Inkrafttreten des VVG
(Art. 78) positives Recht geworden ist. Hatte aber die Beklagte keinen
Anspruch darauf, die Forderungen aus den von dem Versicherungsnehmer
begangenen Untersehlagungen mit der Versicherungssumme zur Verrechnung
zu bringen, so kann die Tilgung der eingeklagten

Obligationenreeht. N° 57. 455

Forderung durch Kompensation nur mit Zustimmung der Klägerin eingetreten
sein

2. In dieser Hinsicht hat die Beklagte in erster Linie behauptet, die
Klägerin habe schon vor der am 1. Oktober 1912 erfolgten Unterzeichnung
der Quittung dem Vertreter der Beklagten, Baumgartner, gegenüber die
rechtsverbindliche Erklärung abgegeben, sie sei mit der Verrechnung
einverstanden. Dieser Standpunkt fällt jedoch für das Bundesgericht gemäss
Art. 81
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
OG ausser Betracht, da nach der Feststellung der Vorinstanz eine
solche Erklärung vor dem 1. Oktober 1912 von der Klägerin nicht abgegeben
worden ist. Es kann sich daher einzig fragen, ob die Beklagte den Beweis
dafür, dass die Verrechnung mit Zustimmung der Klägerin erfolgt sei,
durch die Quittung vom 1. Oktober 1912 geleistet habe.

Dabei ist wiederum der von der Klägerin vor der Vor-

instanz zunächst eingenommene Standpunkt, die Quittung sei gefälscht,
d. h. nachträglich durch die Hinzufügung der Worte per Saldo verändert
worden, für das Bundesgericht auf Grund der verbindlichen Feststellungen
der Vorinstanz, dass dies nicht zutreile, als er-ledigt zu bezeichnen. In
der Quittung vom 1. Oktober 1912 hat nun die Klägerin bescheinigt,
von der Beklagten 11,635 Fr. 25 (Its. per Saldo ihres Guthabens aus
den zu ihren Gunsten abgeschlossenen Yersicherungsverträgen N° 110,811
und 112,958 erhalten zu haben. Die Klägerin macht demgegenüber geltend,
sie habe die Quittung in der Eile und in der Aufregung überhaupt nicht,
jedenfalls nur oberflächlich und flüchtig gelesen. Sie habe nie ihre
Zustimmung dazu gegeben, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen aus den
beiden Versicherungsverträgen mit den Ansprüchen aus den Unterschlagungen
ihres Mannes verrechne. Sie habe daher bei der Unterzeichnung der Quittung
nicht den Willen gehabt, anzuerkennen, dass sie von der Beklagten gänzlich
befriedigt werden sei; sie habe vielmehr geglaubt, von Baumgartner eine
Anzahlung zu erhalten und zwar die Auszahlung

456 Obligationenrccbt. N° 57.

der einen der beiden Policen, welche, unter Abzug der Faustpfandiorderung
der Leihkasse Enge, nach ihrer Schätzung einen Betrag von ungefähr
11,000 Fr. ausmachen musste, und somit bei Ausstellung der Quittung nur
den Empfang dieses Betrages bescheinigen wollen. (Es fragt sich daher,
welcher Einfluss dem Umstande beizumessen sei, dass die Klägerin die
Quittung, ohne sie zu lesen, unterschrieben hat. Dabei kann jedenfalls
soviel als feststehend vorausgesetzt werden, dass trotz des Nichtlesens
der Quittung doch eine Willenserklärung der Klägerin zustandegekommen
ist. Der Klägerin fehlte beim Unterschreiben nicht das Bewusstsein. dass
sie durch ihre Unterschrift etwas genehmigt-. indem sie, ohne sie zu
lesen, die Quittung unterschrieb, ging ihr nur das Bewusstsein über den
Inhalt dessen ab, was

sie genehmigte; das Kennen dieses Inhaltes kommt

aber für die Frage nach der Existenz der Erklärung nicht in
Betracht. Dagegen unterwirft sich derjenige, der eine Urkunde
unterschrieben hat, ohne sie zu lesen, nicht schlechtweg dem Inhalt,
den sein Grgcnkontrahent der Urkunde unterlegt hat. noch auch der
Auslegung, die diesem Inhalt-von Dritten, vom allgemeinen Verkehr gegeben
wird. Vielmehr ist der Untersehi'eibende lediglich an denjenigen Inhalt
der ungelesenen l'rkunde gebunden, der ihm von seinem Gegenkontrahenten
als in der Urkunde enthalten kundgegeben worden ist oder überhaupt nach
dem ganzen Verhalten der Parteien und nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben im Verkehr als der von den Parteien einzig gemeinte bezeichnet
werden muss. In dieser Hinsicht steht nun auf Grund der tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz fest, dass "zwar die Klägerin anfänglich,
nachdem sie durch Baumgartner von den Unterschlagungen ihres Ehemannes
Kenntnis erhalten hatte, den Gedanken gehabt habe, die Beklagte aus den
ihr zukommenden Versicherungsbeträgen zu decken und dass sie darüber auch
mit Baumgartner verhandelt habe, dass aber nicht nachgewiesen sei. dass
sie vor dem 1. Ok-

Obligationenrecht. N° 57. 457 '

tober 1912 je erklärt habe, sie sei mit der Verrechnung einverstanden, Die
Vorinstanz betrachtet speziell als bewiesen : dass in einer Unterredung,
welche die Klägerin am 19. September 1912 mit ihrem Anwalt Brunner
in Zürich gehabt hat, dieser ihr von der Einwilligung zur Verrechnung
abgeraten habe, unter Hinweis auf ihre prekäre finanzielle Lage, auf die
den Kindern schuldige Rücksicht und mit der Bemerkung, dass sie mit der
Verrechnung der Beklagten ein reines Geschenk machen würde; dass die
Klägerin sich mit der Auffassung ihres Anwaltes einverstanden erklärt
und versprochen habe, mit Baumgartner nichts abzumachen, sondern ihn an
Brunner zu weisen; dass dann am 20. oder 21. September 1912 die letzte
Besprechung der Klägerin mit Baumgartner im Beisein ihres Vetters Meier
in Zürich stattgefunden und Meier dabei den Baumgartner ersucht habe,
vorläufig wenigstens eine Police auszuzahlen, sich mit Rechtsanwalt
Brunner in Verbindung zu setzen und dass bei dieser Unterredung weder
von den Unterschlagungen, noch von der Verrechnung gesprochen worden
sei; dass am 21. September Baumgartner zu Rechtsanwalt Brunner gegangen
sei, der ihm mitgeteilt habe, dass er der Klägerin von der Verrechnung
abgeraten habe, dass die Klägerin mit ihm einig gehe, und ' dass er
(Baumgartner) ihm (dem Brunner) allenfalls später Vorschläge machen
könne. Weiter stellt die'Vorinstanz fest, dass zwischen dem 22. bis
28. September 1912 eine Zusammenkunft zwischen der Klägerin und
Baumgartner nicht mehr stattgefunden habe. Bezüglich der Vorgänge bei
der Unterzeichnung der Quittungen geht die Vorinstanz davon aus, es sei
nicht bewiesen, dass die auf den quittances de réglement stehende, mit
Bleistift geschriebene Ausrechnung sich schon bei der Unterzeichnung
durch die Klägerin vorgefunden habe. Ferner erklärt die Vorinstanz,
es fehle der Nachweis dafür, dass bei der Unterzeichnung der Quittung
vom 1. Oktober 1912 Baumgartner der Klägerin die Abrechnung erklärt

458 Obligationenrecht. N° 57.

habe und dass überhaupt die Klägerin die Rechnung, die sich auf der
untern Hälfte der Quittung befindet, gesehen habe. Ebenso steht fest,
dass die Klägerin bei der Unterzeichnung dieser Quittung den Baumgartner
gefragt habe, wie es mit der Abrechnung stehe, worauf Baumgartner
erklärt habe, sie stehe noch aus ; überdies hat Baumgartner vor der
Unterzeichnung dieser Quittung zur Klägerin geiiussert, die Quittung diene
nur zu seiner persönlichen Entlastung. Unmittelbar nachdem Baumgartner
fortgegangen war, hat sich sodann die Klägerin nach den Feststellungen
der Vorinstanz zu ihrer Mutter geäussert, es sei schön von Baumgartner,
dass er ihr das Geld gebracht habe. Als sie einige Stunden später ihrem
Schwager Salchli das erhaltene Geld überbracht habe, habe sie über den
Inhalt der Quittung keine Auskunft geben können, auch nicht über die
Bedeutung der erhaltenen Summe; immerhin habe sie sofort den von Salchli
geäusserten Verdacht zurückgewiesen, die empfangene ungerade Summe
sehe nach einer Abrechnung aus. Sie habe sich deshalb auch geweigert,
an Baumgartner darüber zu schreiben, weil sie befürchtet habe, ihm
dadurch unverdientermassen Misstrauen zu bezeigen. Gestützt auf diesen
Tatbestand ist nun aber davon auszugehen, dass die Klägerin nicht den
Willen hatte, per Saldo, sondern nur für eine Anzahlung zu quittieren,
dass dieser Wille dem Baumgartner bekannt war oder sein musste und dass
er nicht nur nichts getan hat, um die Klägerin über die Bedeutung der
Zahlung von 11,635 Fr. 25 Cts. aufzuklären, sondern vielmehr durch sein
Verhalten die Klägerin in ihrer Auffassung geradezu bestärkt hat, sie
quittiere nur für eine Anzahlung. Unter diesen Umständen ist nach dem
oben Gesagten als erklärter Wille der Klägerin nicht die Saldoquittung,
sondern die Quittung für die vorläufige Bezahlung von 11,635 Fr. 25
Cts. zu verstehen und eine Abrechnung daher gemäss Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1    Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
2    Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.
OR wegen
mangelnder übereinstim-Obligationenreoht. N° .;... 459

mender gegenseitiger Willenserklärung der Parteien nicht zustande
gekommen. '

3. Zum gleichen Resultat würde man auch dann gelangen, wenn angenommen
werden wollte, dass wer eine Urkunde ungelesen unterschreibt, sich
demjenigen Inhalt zu unterwerfen habe, der ihr nach der Auffassung
des Geschäftsverkehrs zukomme. Denn dann müsste mit der Vorinstanz die
Saldoquittung gemäss Art. 23
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
und 24
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
OR, insbesondere Art. 24 Ziff. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
und
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
, als für die Klägerin unverbindlich erklärt werden. Eventuell wiirde
Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR zutrefi'en, indem unter der in ungerechtiertigter Weise
gemachten Leistung auch vertragsmässige Anerkennungen des Bestehens
oder Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses zu verstehen sind
(vergl. STAUDINGER, Komm. zu Art. 812 BGB Anm. I 1 c). Die Bestätigung
des angei'ochtenen Urteils hat aber nur unter Vorbehalt des Anspruches
der Beklagten auf die beim Konkursamt Zürich-Enge liegende Summe von
6627 Fr. 05 Cts. zu erfolgen, da nach der Feststellung der Vorinstanz
die Parteien darüber einig sind, dass dieser Betrag dem im gegenwärtigen
Prozess unterliegenden Teile zuzufallen habe.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil des
Handelsgerichts des Kantons Bern vom 24. März 1915 bestätigt.