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24. Urteil der II. Zivila'bteilung vom 2. Juni 1915 S. S. Büsser gegen
Bässer.

Fall, in welchem die Voraussetzungen der Ehescheidung gegeben waren, der
kantonale Richter aber dennoch nur auf Trennung von Tisch und Bett erkannt
hat, weil der klagende Ehegatte erst in der Replik einen Antrag auf
Scheidung gestellt, in der Klageschrift aber nur Tren-nung verlangt habe.

A. Die Litiganten verehelichten sich am 4. Juni 1896. Aus ihrer Ehe sind
9 Kinder hervorgegangen, von denen 7 noch am Leben sind. Seit einer Reihe
von Jahren, namentlich seit 1908, lebten die Ehegatten in beständig-Im
Streit. Durch Polizeirapporte wurden wiederholt heftige Skandalszenen
konstatiert, meist infolge von Trunkenheit des Ehemannes, der sich in
diesem Zustand äusserst roh benahm. Die Ehefrau erwies sich ihrerseits
als streitsüchtig.

B. Nachdem die Ehefrau als Klägerin zunächst nur Trennung der Ehe
auf unbestimmte Dauer beantragt und der Beklagte als Widerkläger ein
entsprechendes Begehren gestellt hatte, verlangte die Klägerin in der
Replik die gänzliche Scheidung, während der Beklagte an seinem Antrag
auf blosse Trennung festhielt.

C. Durch Urteil vom 18. März 1915 hat das Obergericht des Kantons Luzern
erkannt :

Die von den Parteien unterm 4. Juni 1896 vor Zivil standsamt Langnau
(Kt. Zürich) geschlossene Ehe sei gerichtlich gemäss Klagebegehren auf
unbestimmte Zeit getrennt.

Dieses Urteil ist im wesentlichen folgenden-nassen begründet: Der von der
Klägerin in erster Linie. geltend gemachte Scheidungsgrund der schweren
Misshandlung und Ehrenkränkung sei infolge ungenügender Glaubwürdigkeit
der in Betracht kommenden Zeugen (nämlich der eigenen minderjährigen
Kinder der Ligitanten) nicht genügend erstellt. Das meiste davon sei
übrigens im

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Sinne des Art. 138 Abs. 2 ZGB verjährt. Der allgemeine Scheidungsgrund
der tiefen Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses sei dagegen vorhanden,
und zwar sei der Beklagte der überwiegend schuldige Teil. Trotzdem
sei die Ehe nicht zu scheiden, sondern nur auf unbestimmte Zeit zu
trennen. Einmal nämlich sei es doch nicht ausgeschlossen, dass mit
der Zeit eine Wiedervereinigung der Ehegatten eintritt. Dazu trete aber
das entscheidende formelle Moment, dass die Klägerin bloss auf Trennung
geklagt hat . In einem solchen Falle könne gemäss Art. 146 Abs. 2 ZGB die
Scheidung nicht ausgesprochen werden. Der Umstand, dass die Klägerin in
der Replik den Klageschluss durch Stellung des Begehrens auf Scheidung
erweitert habe, ändere hieran nichts. Denn abgesehen davon, dass dieses
Vorgehen aus prozessualischen Gründen nicht zulässig erscheine, stehe
einer Berücksichtigung des klägerischen Replikbegehrens der Umstand im
Wege, dass auch der Beklagte seinerseits in der Rechtsantwort bloss die
Trennung begehrt habe. Anders wiirde die Sache sich verhalten, wenn auch
das beklagtische Antwortbegehren auf Scheidung ginge, in welchem Falle
ohnehin schon aus diesem Grunde auf Scheidung erkannt werden müsste . --

D. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrag auf
gänzliche Scheidung.

Der Beklagte hat Abweisung der Berufung beantragt.

Das Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g :

1. Darüber, dass zwar kein spezieller Scheidungsgrund im Sinne des
Art. 138 ZGB vorhanden ist, dass aber die Ehe der Ligitanten als im
Sinne des Art. 142 tief zerrüttet und der Beklagte als der überwiegend
schuldige Teil erscheint, bedarf es angesichts der ver-

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bindlichen tatsächlichen Feststellungen und der in dieser Beziehung
zutreffenden Erwägungen des vorinstanzlichen Urteils keiner weitem
Ausführungen.

2. Anders verhält es sich mit der Frage, ob auf Scheidung oder nur
auf Trennung zu erkennen sei. Die Bestimmung des Art. 146 Abs. 2 ZGB
hat nicht, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint, den Charakter einer
prozessrechtlichen Vorschrift, durch welche aus Rücksicht auf die b
ekl a g te Partei die Zulässigkeit der Scheidung von der Stellung eines
bezüglichen Begehrens in der Klagschrift oder anlässlich einer bestimmten
andern Prozessvorkehr (z. B. im Vermittlungsvorstand) abhängig gemacht
worden wäre. Vielmehr handelt es sich dabei um eine aus Rücksicht auf
die Klag p artei erlassene Vorschrift, durch welche lediglich verhindert
werden Will, dass entgegen dem eigenen Willen des klagenden Ehegatten
die Scheidung ausgesprochen werde. Sobald daher feststeht, dass die
Scheidung dem Willen der Kiagpartei entspricht, greift nicht der z w e i
t e, sondern der dritte Absatz des Art. 146 Platz, und es ist dann die
Wahl zwischen Scheidung und Trennung nur mehr davon abhängig, ob eine
Aussicht auf Wiedervereinigung der Ehegatten vorhanden sei.

An diesem Grundsatze des eidgenössischen Rechts kann durch das kantonale
Prozessrecht nichts geändert werden. Sowenig es zulässig wäre, deshalb,
weil die Klage ursprünglich auf Scheidung gegangen sei, das Prozessrecht
aber keine Klagänderungen gestatte, die noch vor dem Urteil verlangte
blosse T r e n n u n g zu verweigern, ebensowenig ist es umgekehrt in
einem Falle wie dem vorliegenden zulässig, aus Gründen des kantonalen
Prozessrechts die S c h e i d u n g zu verweigern.

3. Wird hievon ausgegangen, so muss, entgegen der vom kantonalen Richter
getroffenen Entscheidung, die Ehe der Parteien gänzlich geschieden
werden. Denn einerseits erweist sich nach dem Gesagten die Erwägung der
Vorinstanz, dass mit Rücksicht auf Art. 146 Abs. 2

...,-...,...-

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und ausserdem aus prozessualischen Gründen nur auf Trennung erkannt
werden könne, als rechtsirrtümlich, bezw. als mit dem eidgenössischen
Rechte nicht vereinbar; anderseits aber kann nach den Akten von einer
irgendwie begründeten Aussicht auf baldige und danernde Besserung
des Verhältnisses der Ehegatten im vorliegenden Fall keine Rede
sein. Die Vorinstanz nimmt denn auch selber nur die M ö glichk eit der
Wiedervereinigung an; eine solche Möglichkeit aber, die ja kaum je mit
absoluter Sicherheit als ausgeschlossen erklärt werden kann, genügt nach
Art. 146 Abs. 3 ZGB nicht, um entgegen dem Willen desjenigen, der einen
Scheidungsgrund nachgewiesen hat, dennoch bloss auf Trennung zu erkennen.

Unverständlich ist die Erwägung der Vorinstanz, dass auf Scheidung hatte
erkannt werden können, wenn der Beklagte seinerseits ein bezügliches
Begehren gestellt hätte. Die Vorinstanz geht ja selber davon aus, dass
der Beklagte, als der vorwiegend schuldige Teil, kein Klagrecht hatte.

5. Nach Art. 150 ist endlich dem Beklagten von Amteswegen ein Eheverbot
von ein bis zwei Jahren aufzuerlegen

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

1. Die Ehe der Parteien wird auf Grund des Art. 142 ZGB gänzlich
geschieden.

. . 3. Dem Beklagten wird auf die Dauer zweier Jahre von heute an die
Eingehung einer neuen Ehe untersagt.