332 Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

59. Entscheid vom 15. September 1914 i. S. Sigg.

Widerspruchsverfahren. Anwendbarkeit von Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG, wenn weder der
Pfàndungsschuldner, noch der Drittansprecher allein über die gepfändete
Forderung verfügen kann.

A. In einer von Alphons Mors gegen Alfred Strobel eingeleiteten Betreibung
pfändete das Betreibungsamt Zürich 4 am 1. April 1914 11. a. ein
Depositum des Strobel von 1400 Fr. Laut Bericht des Betreibungsamtes
hatte Strobel diesen Betrag am 2. Februar 1914 anlässlich der Zufertigung
einer Liegenschaft an Frau Baur, als vermutliche Verkaufsprovision des
Rekurrenten Sigg, bei Notar Gassmann deponiert, der ihn seinerseits bei
der Schweizerischen Volksbank anlegte; darüber, wem die Provision zufalle,
ist ein Prozess zwischen Sigg und Strobel anhängig.

Beim Pfändungsvollzug teilte Notar Gassmann dem Beamten mit, dass der
Rekurrent Sigg Anspruch auf das Depositum erhebe; er wurde daher als
Ansprecher auf der Pfändungsurkunde vorgemerkt. Das Betreibungsamt setzte
dem Gläubiger und dem Schuldner gemäss Art. 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
SchKG Frist an, um den
Anspruch des Sigg zu bestreiten; nach erfolgter Bestreitung forderte es
den Sigg gemäss Art. 107 auf, binnen zehn Tagen Klage anzuheben.

B. Hierüber beschwerte sich Sigg bei den kantonalen Aufsichtsbehörden. Er
verlangte, dass die Fristansetzung an ihn aufgehoben und das
Betreibungsamt angewiesen werde, nach Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG dem Gläubiger
Frist zur Klageerhebung anzusetzen; denn die gepfändete Sache befinde
sich ,nicht im Gewahrsam des Pfändungsschuldners Strobel, sondern bei
einem dritten Aufbewahrer, dem Notar, der als Treuhänder zwischen den
Parteien Sigg und Strobel eingesetzt worden sei; das Notariat habe als
Vertreter des Rekurrenten Sigg,

.1 (ankumkammer. N° 59. 333

des AnsPrechers, gehandelt und besitze das gepfändete Depositum in
dieser Eigenschaft.

Beide kantonalen Instanzen haben die Beschwerde abgewiesen, die obere
im wesentlichen mit folgender Begründung: Der streitige Betrag sei von
Strobel für den Fall deponiert worden, dass Sigg mit der eingeklagten
Provisionsforderung obsiegen sollte ; vorläufig könne keine der Parteien
darüber verfügen. Artikel 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG treffe deshalb nicht zu, weil der
Dritte das Notariat kein dingliches Recht am Depositum geltend mache. Es
habe das Depositum auch nicht für den Rekurrenten Sigg im Besitz, sondern
für den Pfändungsschuldner Strobel; denn von diesem habe es den Betrag
in Empfang genommen und Sigg könne ein bestimmtes dingliches Recht daran
nicht namhaft machen.

C. Gegen diesen Entscheid hat Sigg innert Frist an das Bundesgericht
rekurriert, unter Festhaltung an seinem Begehren und an seinen Anbringen.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht

in Erwägung:

1. Gepfändet wurde in Wirklichkeit nicht der Betrag von 1400 Fr. als
körperliche Sache, sondern die Forderung des Pfändungsschuldners Strobel
gegen Notar Gassmann aus der Hinterlegung dieses Betrages. Es fragt sich
also, wer den Gewahrsam an dieser Forderung hat, wer darüber tatsächlich
verfügen kann. Mit der Vorinstanz ist zu sagen, dass vorläufig weder
der Pfändungsschuldner Strobel, noch der Drittanspre-cher Sigg allein
darüber disponieren können. Das Verfügungsrecht des Strobel ist an die
Bedingung geknüpft, dass Sigg im Prozess über seinen Provisionsanspruch
unterliegt, dasjenige des Sigg an die gegenteilige Bedingung, dass er
in jenem Prozess obsiegt. Massgebend für das Widerspruchsverfahren ist
aber der "g e g e n w ä r t i g e Zeitpunkt und nicht der künftige

884 Entscheidun gen der Schuldbetreibungs--

Rechtszustand, wie er sich nach dem Ausfall des Prozesses ergeben
wird. Zur Zeit hat weder Strobel noch Sigg den ausschliesslichen Gewahrsam
an der gepfändeten Forderung; der eine teilt sich mit dem anderen in den
Besitz ; eine gültige Verfügung über die Forderung setzt die Mitwirkung
b e i d e r voraus.

Das Verhältnis ist daher auf die gleiche Linie zu

stellen mit einem eigentlichen Mitbesitz des Pfändungsschuldners und des
Drittansprechers an der gepfändeten Sache. Bei einem solchen Mitbesitz
hat nach feststehender Praxis des Bundesgerichts und übereinstimmender
Meinung der Doktrin das Betreibungsamt nicht den Drittansprecher, sondern
den Pfändungsg läub iger zur Klageanhebung aufzufordern, d. h. Art.
109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG anzuwenden und nicht Art. 107. Vgl. BGE Sep.-Ausg. 1 N° 65, 6
N° 17 und 64, 12 N° 58 *, JAEGER, Komm. zu Art. 109 Anm. 3, BLUMENSTEIN,
Handbuch S. 390 Anm. 25. Die Vorinstanz ist deshalb zur gegenteiligen,
rechtsirrtümlichen Lösung gelangt, weil sie von der unzutreilenden
Voraussetzung ausging, der Geldbetrag als solcher sei gepfändet und
das Notariat besitze die gepfändete Sache. 2. __ Dass zwischen Sigg
und Strobel ein Prozess uber die Forderung des sigg bereits schwebt,
ändert an der Verteilung der Parteirollen im Widerspruchsverfahren nichts.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird begründet erklärt, die angefochtene Fristansetzung nach
Art. 107
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1    Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf:
1  eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners;
2  eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten;
3  ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt.
2    Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen.
3    Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss.
4    Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt.
5    Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht.
SchKG aufgehoben und das Betreibungsamt zur Fristansetzung nach
Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG angewiesen.

* Ges.-Aug. 2 5 I S. 535 f., 29 I S. 125 IT. u. 532, 35 I S. 793 E. 2.

_ ssss_

und Konkurskammer. N° 60. 335

60. Entscheid vom 30. September 1914 i. S. Forster, Altar-fer & Cie
und Genossen.

Art. 230
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 230 - 1 Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
1    Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, so kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden.
2    Im Falle der Zwangsversteigerung ist die Anfechtung bei der Aufsichtsbehörde, in den andern Fällen beim Richter anzubringen.
OR und 136 bis SchKG. Anfechtung des
Steigerungszuschlages. Legitimation. Abmachungen, die an der Steigerung
selber unter Bietern zum offenbaren Zwecke abgeschlossen werden, andere
Kauflustige vom Bieten abzuhalten, verstossen gegen die guten Sitten.

A. Im Konkurs des S. H. Nördlinger versteigerte das Konkursamt Unterstrass
Zürich am 23. Juni 1914 den unter den Konkursaktiven befindlichen,
gesamten Anteilscheinbestand, 560 Scheine à je fünf Abschnitte, der
Genossenschaft Allianz, die Eigentümerin der Häuser Mühlegasse N° 3 und 5
in Zürich ist. Im ersten Rufe wurden die Anteilscheine abteilungsweise
ausgeboten ; die Einzelangebote erreichten den Gesamtbetrag von
2100 Fr. Beim Gesamtmf war Jean Streckeisen in Zollikon mit 5300
Fr. Meislbieter und es wurden ihm die 560 Anteilscheine zu diesem Preise
zugeschlagen.

B. Hierüber beschwerten sich die Rekurrenten als

Konkursgläubiger und Interessenten an der Gant bei den kantonalen
Aufsichtsbehörden, mit dem Begehren um Aufhebung des Zuschlages. Sie
machten geltend: Streckeisen habe während der Gant, als nur noch er und
Architekt Hess Bieter waren, letzterem vorgeschlagen, die Anteilscheine
gemeinsam zur erwerben, um zu verhüten, dass sie sich gegenseitig
heraufböten. Als Streckeisen das Angebot des Hess von 5200 Fr. überbot,
habe er dem Hess auf Befragen bestätigt, dass er bei seinem Vorschlag
bleibe, weshalb Hess ein höheres Angebot unterlassen habe. Nach der
Gant habe aber Streckeisen das Zustandekommen eines Abkommens mit Hess
bestritten. Allein die Vereinbarung sei tatsächlich abgeschlossen worden;
sie habe einzig bezweckt, den Zuschlag zu einem wesentlich reduzierten
Preise zu erreichen und das Steigerungsergebnis ungünstig zu beein--