274 ' Staatsrecht.

surplus il est hors de doute qu'il y avait en réahté son domicile ;
c'est non seulement à tort, mais contrairement à l'évidence des faits
qu'il a contesté la compétence, dès l'abord indiscutable, des tribunaux
genevois et qu'il a retardé pendant plus de deux ans la marche du procès.

Par ces mot-iis, Le Tribunal fédéral p r o n o n c e : Le recours
est écarté.

VIII. ARMENRECHT IN HAFTPFLICHTSACHENASSISTANCE JUDICIAIRE EN MATIÈRE
DE RESPONSABILITÉ cIVILE

11. Urteil vom 26. Februar 1914 i. S. Cortese gegen St. Gallen.

Beschwerde nach Art. 1 8 0 lit. 6 0 G: Umfang der Kognition des
Bundesgerichts. Anspruch des Haftpflichtklägers aus Art. 22 Zif. 2
EHG. Frage der Unwürdigkeit; Begriff der Bedürftigkeit; Art der Vorprüfung
des Haftpflichtanspruchs für den Entscheid über das Armenrechtsgesuch.

A. Am 6. März 1912' hatte das Justizdepartement des Kantons St. Gallen
den Rekurrenten, Witwe CorteseBroglio und Sohn Giuseppe Cortese,
die unentgeltlicheRechtspflege und Rechtsverbeiständung gewährt zur
Durchführung eines Unfallhaftpfiichtprozesses gegen dieSchweizerischen
Bundesbahnen wegen eines ihrem Ehemann und Vater als Arbeiter bei
den Bahnhofbauten in St. Gallen im Jahre 1911 zugestossenen Unfalls
mit töt-lichem Ausgang. In der Folge anerkannte die Verwaltung der
Bundesbahnen deren Haftpflicht in der Höhe von 3400 Fr. und zahlte diesen
Betrag am 4. Juni 1912 aus.Armenrecht in Haftpflichtsachen. N° 11. 95

Die beiden Ansprecher verlangten jedoch eine Entschädigung von insgesamt
7900 Fr. und erhoben für die den anerkannten Betrag übersteigende
Forderung im März 1913 gerichtliche Klage. Zu deren ziflermässigen
Begründung liessen sie ausführen, sie hätten in dem Verunfallten ihren
Versorger verloren; die Witwe Cortese sei zur Ausübung eines selbständigen
Erwerbes unfähig, und der im Jahre 1896 geborene Sohn Giuseppe bedürfe
schon wegen seines jugendlichen Alters der Unterstützung und sei überdies
körperlich und geistig so wenig entwickelt, dass er bisher überhaupt noch
nicht erwerbsfähig sei und die normale Erwerbsfähigkeit voraussichtlich
nie erlangen werde. Ferner .stützten sie sich, wegen schweren Verschuldens
der Bahn, auch auf Art. 8 EHG.

Da die beklagte Eisenbahnverwaltung dieses tatsächliche Klagefundament,
namentlich die Angaben über das Alter und die Gesundheitsverhältnisse des
Sohnes Giuseppe, bestritt, ordnete das Bezirksgericht ,St. Gallen durch
Beschluss vom 17. Oktober 1913 Beweiserhebung durch Einholung einer
Expertise über den Gesundheitszustand jenes, sowie die Uebermittlung
der vorgelegten Gehirns-bescheinigqu an die Staatsanwaltschaft an, das

letztere, weil bei dem im Geburtsschein angegebenen

Geburtsjahr 1896' die Zahl 6 offensichtlich nicht ursprünglich
geschrieben, sondern an Stelle einer radierten Zahl (wahrscheinlich ul)
eingesetzt sei und die Umstände dieser, möglicherweise auf Fälschung
beruhenden Veränderung der Urkunde zunächst gemäss Art. 148
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 148 Wiederherstellung - 1 Das Gericht kann auf Gesuch einer säumigen Partei eine Nachfrist gewähren oder zu einem Termin erneut vorladen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft.
1    Das Gericht kann auf Gesuch einer säumigen Partei eine Nachfrist gewähren oder zu einem Termin erneut vorladen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft.
2    Das Gesuch ist innert zehn Tagen seit Wegfall des Säumnisgrundes einzureichen.
3    Ist ein Entscheid eröffnet worden, so kann die Wiederherstellung nur innerhalb von sechs Monaten seit Eintritt der Rechtskraft verlangt werden.
ZPO
klargestellt werden müssten. Im weitem ist aus der Begründung des
Beweisdekrets hervorzuheben, dass das Gericht die Frage eines die
Entschädigungspflicht aus Art. 8 EHG begründenden Verschuldens der
Beklagten, das diese ebenfalls bestritt, bejahte. _ Mit Zuschrift
vom 3. November 1913 an den bestellten Anwalt der Kläger, Advokaten
Dr ...... in St. Gallen, ersuchte das Justizdepartement des Kantons
St. Gallen si um Uebersendung des hezirksgerichtlicheu Beweis-r

96 Staa tsrecnt.

dekrets und warf gleichzeitig die Frage auf, ob nicht die Kläger, falls
sie der Fälschung des Geburtsseheines verdächtig sein sollten, als der
Weitergewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unwürdig angesehen
werden müssten. Der Anwalt antwortete gleichen Tags unter Vorlage des
Beweisdekrets : Der Geburtsschein des G. Cortese sei ihm direkt vom
italienischen Auswanderungsbureau zugestellt worden und nicht durch
die Hände seiner Klienten gegangen, sodass eine eventuelle Fälschung
nicht von diesen begangen und demnach von Unwürdigkeit derselben für
die Weitergewährung des Armenrechts nicht die Rede sein könne. Hierauf
teilte ihm das Justizdepartement mit Schreiben vom 4. November 1913
mit: Da es dem Beweisdekret entnehme, dass den 'Klägern bereits eine
a come-Zahlung geleistet worden sei, und unter diesen Umständen die
Voraussetzung der Bedürftigkeit (Art. 99
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 99 Sicherheit für die Parteientschädigung - 1 Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie:
1    Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie:
a  keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat;
b  zahlungsunfähig erscheint, namentlich wenn gegen sie der Konkurs eröffnet oder ein Nachlassverfahren im Gang ist oder Verlustscheine bestehen;
c  Prozesskosten aus früheren Verfahren schuldet; oder
d  wenn andere Gründe für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen.
2    Bei notwendiger Streitgenossenschaft ist nur dann Sicherheit zu leisten, wenn bei allen Streitgenossen eine der Voraussetzungen gegeben ist.
3    Keine Sicherheit ist zu leisten:
a  im vereinfachten Verfahren mit Ausnahme der vermögensrechtlichen Streitigkeiten nach Artikel 243 Absatz 1;
b  im Scheidungsverfahren;
c  im summarischen Verfahren mit Ausnahme des Rechtsschutzes in klaren Fällen (Art. 257);
d  im Verfahren wegen einer Streitigkeit nach dem DSG37.
ZPO) nicht mehr zutreiie,
werde von heute an den Klägern die seinerzeit gewährte unentgeltliche
Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wieder entzogen.

Gegen diese Verfügung rekurrierte der Anwalt der Kläger an den
Regierungsrat des Kantons St. Gallen ; dieser wies ihn jedoch durch"
B esehlu ss vo m 2. J an u a r 1 914 mit folgender Begründung ab :

_ Die Nichtweiterbewilligung des Armenrechtes finde ihre Erklärung teils
in der Berücksichtigung des Umstandes, dass die im Geburtsschein für
Giuseppe Cortese konstatierte Radierung die Vermutung einer Fälschung
der Geburtsjahrzahl aufkommen lasse, teils in der Fragwürdigkeit des
rechtlichen Anspruches der Klägerschaft auf eine 3400 Fr. übersteigende
Entschädigung, sowie in der Würdigung des Umstandes, dass zur Zeit
noch zwei volljährige Kinder des Verunfallten eventuell gegenüber der
überlebenden Mutter und dem Sohne Giuseppe mitalimentationspflichtig
wären, und schliesslich auch in der Tatsache, dass die Besitzer von 3400
Fr. kaum mehr als so arm bezeichnet werden dürften, dass sie auchArmeni
echt in Haftpflichtsachen. N° 11. 97

fürderhin auf die Lieferung der Mittel für die Weiterführung des
Prozesses durch den Staat Anspruch erheben könnten. Der vorliegende Fall
unterscheide sich von dem des bundesrätlichen Beschlusses i. S. Goldner
vom 18. Mai 1909, indem es sich dort darum gehandelt habe, ob der
Haftpflichtkläger durch die vergleichsweise Erledigung des Prozesses
zu neuem Vermögen gekommen sei, das ihn zur Rückerstattung der vom
Staate ausgelegten Kosten (im Sinne von Art. 104 Abs. 3
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 104 Entscheid über die Prozesskosten - 1 Das Gericht entscheidet über die Prozesskosten in der Regel im Endentscheid.
1    Das Gericht entscheidet über die Prozesskosten in der Regel im Endentscheid.
2    Bei einem Zwischenentscheid (Art. 237) können die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Prozesskosten verteilt werden.
3    Über die Prozesskosten vorsorglicher Massnahmen kann zusammen mit der Hauptsache entschieden werden.
4    In einem Rückweisungsentscheid kann die obere Instanz die Verteilung der Prozesskosten des Rechtsmittelverfahrens der Vorinstanz überlassen.
st. gall. ZPO)
verpflichten würde, während hier die unentgeltliche Rechtspflege für die
Führung des weiteren Haftpflichtprozesses, dessen Erfolg übrigens nach
den Akten problematisch erscheine, auf Grund des Art. 99
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 99 Sicherheit für die Parteientschädigung - 1 Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie:
1    Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie:
a  keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat;
b  zahlungsunfähig erscheint, namentlich wenn gegen sie der Konkurs eröffnet oder ein Nachlassverfahren im Gang ist oder Verlustscheine bestehen;
c  Prozesskosten aus früheren Verfahren schuldet; oder
d  wenn andere Gründe für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen.
2    Bei notwendiger Streitgenossenschaft ist nur dann Sicherheit zu leisten, wenn bei allen Streitgenossen eine der Voraussetzungen gegeben ist.
3    Keine Sicherheit ist zu leisten:
a  im vereinfachten Verfahren mit Ausnahme der vermögensrechtlichen Streitigkeiten nach Artikel 243 Absatz 1;
b  im Scheidungsverfahren;
c  im summarischen Verfahren mit Ausnahme des Rechtsschutzes in klaren Fällen (Art. 257);
d  im Verfahren wegen einer Streitigkeit nach dem DSG37.
ZPO verlangt
werde, wobei dessen Voraussetzung der Bedürftigkeit nicht vorliege,
weil der heutige Besitz von 3400 Fr. es der Klägerschaft ermögliche, den
Prozess aus eigenen Mitteln weiterzuführen. sofern die Tatsache dieses
Geldbesitzes früher bekannt geworden wäre, würde Grund vorgelegen haben,
den Klägern die unentgeltliche Rechtspflege überhaupt nicht zu bewilligen.

B. Gegenüber diesem Beschlusse des Regierungsrates hat der Anwalt
der Kläger in deren Namen rechtzeitig den staatsrechtlichen Rekurs an
das Bundesgesi richt ergriffen und beantragt, es sei den Rekurrenten
in Aufhebung des regierungsrätliehen Entscheides die unentgeltliche
Rechtspflege und Rechtsverbeiständung weiter zu gewähren und demnach die
Verfügung des st. gallischen Justizdepartements betreffend den Entzug
des Armenrechts wieder aufzuheben.

Der Rekurs wird auf Verletzung des Art. 22 Zif. 2 EHG gestützt und
wesentlich Wie folgt begründet:

Die vom Regierungsrat zunächst angedeutete Möglichkeit einer Fälschung des
Geburtsjahres im Geburtsschein für Giuseppe Cortese könne schlechterdings
nicht als Argument für den Armenrechtsentzug verwendet werden, da
jedenfalls die Rekurrenten, wie schon dem

ASIOl IQH 7

98 Staatsrecht.

Justizdepartement auseinandergesetzt, mit dieser eventuellen Fälschung
rein nichts zu tun hätten. . Mit der Fragwürdigkeit des eingeklagten
Haftpflichtanspruches sodann dürfe schon deswegen nicht argumentiert
werden, weil das Armenrecht nach Art. 101
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 101 Leistung des Vorschusses und der Sicherheit - 1 Das Gericht setzt eine Frist zur Leistung des Vorschusses und der Sicherheit.
1    Das Gericht setzt eine Frist zur Leistung des Vorschusses und der Sicherheit.
2    Vorsorgliche Massnahmen kann es schon vor Leistung der Sicherheit anordnen.
3    Werden der Vorschuss oder die Sicherheit auch nicht innert einer Nachfrist geleistet, so tritt das Gericht auf die Klage oder auf das Gesuch nicht ein.
st. gail. ZPO bewilligt werden
müsse, wenn der Anspruch nicht zum voraus als unbegründet erscheine;
dies könne aber von einem bloss fragwiirdigen Anspruch nicht gesagt
werden, und zudem sei die hier streitige Forderung gar nicht fragwürdig,
wie sich aus dem bezirksgerichtlichen Beweisdekret ohne weiteres ergehe

Auch das Vorhandensein zweier volljähriger Kinder des Verunfallten sei
unerheblich, da deren Alimentationspflicht sich unter keinen Umständen auf
die Bestreitung von Prozesskosten erstrecke; übrigens werde bestritten,
dass diese beiden Kinder überhaupt finanziell fähig wären, den Prozess
zu alimentieren.

Endlich .;gehe dieAuffassung des Regierungsrates, dass die Rekurrenten
mit Rücksicht auf den bereits bezogenen Entschädigungshetrag von "3400
Fr. der tatsächlich, entgegen der Annahme des Regierungsrates, erst
nach Erteilung des Armenrechts, am 16. April 1912, anerkannt worden
sei der unentgeltlichen Rechtspflege nicht mehr 'bedfflfissg seien,
grundsätzlich fehl. EineZahlung, die auf den Haftpflichtan-spmchselbs't
erfolge, dürfe schlechterdings nicht als Vermögen zur Deckung der Kosten
des Haftpflichtprozesses angesprochen werden; die Haftpflichtkläger hätten
vielmehr, wenn ihr Unvermögen, selbst für die Kosten der Geltendmachung
ihres Haftpflichtanspruchs aufzukommen, feststehe, An-spruch darauf,
die gesamte Haftpflichtentschädigung

unter staatlicher Kostentragung zu erhalten. Die Argu_

· mentation des bundesrätlichen Entscheides i. S. Goldner treffe auch
hier zu, und einen dem vorliegenden Völlig gleichartigen Fall habe
das zürcherische Obergericht im gleichen Sinne entschieden (Blätter
f. zürch. Rechtsprechung, lII [MO-4] N° 4 S. 6/7).Armenrecht in
Haftpflichtsachen. N° 11. 99

C. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen hat Abweisung des Rekurses
beantragt. Er verweist im allgemeinen auf die Begründung seines
angefochtenen Beschlusses und bemerkt dazu gegenüber den Ausführungen
des Rekurses noch : '

Die Frage der Fälschung des Geburtsscheines für Giuseppe Cortese
sei bei Verweigerung der Weiterbewilligung des Armenrechts
keineswegs ausschlaggebend gewesen, sondern zur Zeit der bezüglichen
Departementalverfügung lediglich eventualiter und nebensächlich in
Berücksichtigung gefallen bezw. erwähnt werden.

Das bezirksgerichtliche Beweisdekret spreche nicht gegen die
Fragwürdigkeit des Anspruchs der Rekurren--

ten; denn nach der st. gallischen Prozessordnung sei

der Richter, sofern der Streitfall nicht ohne weiteres endgültig als
spruchreif erscheine, verpflichtet, die von den Parteien angetragenen
relevanten Beweise abzunehmen, wobei ihm dann anderseits das Recht
zustehe, das Resultat der Beweiserhebungen frei zu würdigen. Folglich
habe das Gericht hier zufolge der relevanten Klagebehauptungen
über die Verhältnisse des Giuseppe Cortese, dessen körperlicher und
geistiger Zustand in der Tat noch unabgeklärt sei, auf den angetragenen
Experteubeweis erkennen mussen ;. das Ergebnis der Expertise sei aber
höchst zweifelhaft. Und wenn ferner auf Seiten der Schweizerischen
Bundesbahnen auch ein gewisses Verschulden vorliegen möge, so sei damit
noch nicht ausgeschlossen, dass ein Selbstmitverschulden des Verunfallten
ebenfalls mit in Berücksichtigung falle. Der Regierungsrat könne daher
nicht glauben, dass das Gericht bei vollständiger Durchführung des
Prozesses den Rekurrenten mehr als die ihnen bereits bezahlten 3400
Fr. zusprechen werde; die Weiterführung des Prozesses scheine ihm
aussiehtslos zu sein.

Auf die beiden volljährigen Kinder des Verunfallten sei Rücksicht zu
nehmen nicht wegen der Prozesskosten'

100 staatsrecht-

deckung, sondern wegen der Frage, ob nicht auch sie neben dem Verunfallten
den Rekurrenten gegenüber alimentationsd. h. unterstützungspflichtig
seien, und da diese Unterstützungspflicht bestehe, werde dadurch der
Unterstützungsanspruch der Rekurreuten gegenüber dem Verunfallten und
folglich auch gegenüber den Schweizerischen Bundesbahnen reduziert. Auch
aus dieSem Grunde erscheine die bereits bezahlte Haftpflicht,
entschädigung als genügend. si

Endlich sei auch daran festzuhalten, dass eine Partei, die über eine
Barsumme von 3400 Fr. verfüge, nicht mehr zu den bedürftigen Personen
im Sinne des Art. 22 ZH. 2 EHG gehöre.

D. ss Der Regierungsrat hat seiner Rekursantwort eine Vernehmlassung
der Kreisdirektion IV der schweizerischen Bundesbahnen beigelegt, die
ebenfalls den Standpunkt vertritt, dass bei den Rekurrenten zufolge
der Auszahlung der Entschädigung von 3400 Fr. die zur Gewährung der
unentgeltliehen Rechtshülfe erforderliche B edürftigkeit nicht vorhanden
sei. Ferner

wird darin ausgeführt: Auch das prozessuale Verhalten ,

der Rekurrenten sei nicht dazu angetan, sie der Wohltat des
unentgeltlichen Rechtsbeistandes für würdig-zu halten. sie hätten nämlich
während des schriftlichen Vorverfahrens und noch an der Hauptverbandlung
kein Gutachten über die angebliche Invalidität des Giuseppe Cortese
ins Rechtgelegt, sondern gegenteils behauptet, nicht im Besitze eines
derartigen ärztlichen Befundes zu sein. Nun habe sich aber ergeben,
dass sie von dem

ihrerseits zu Handen des Gerichts als Experten vorge.

schlagenen und vom Gericht als Obmann der Expertise gewählten Arzt bereits
ein Privatgutachten eingeholt hätten, das für sie angeblich durchaus
günstig laute. Die Bundesbahnverwaltung habe sich deshalb veranlasst
gesehen, den betreffenden Arzt als gerichtlichen Experten abzulehnen, und
das Gericht habe ihn tatsächlich alsArmenrecht in Haitpflichtsachen. N°
11. 101

solchen ersetzt. (Diese Angaben werden bestätigt durch den vom
Regierungsrat vorgelegten Beschluss des Bezirksgerichts St. Gallen
vom 3. Februar 1914, mit welchem das Gericht die fragliche Aenderung
der Besetzung des Expertenkollegiums verfügt und den Anwalt der
Rekurrenten mit Rücksicht darauf, dass er einen von ihm selbst
beigezogenen Privatexperten in der gleichen Sache als gerichtlichen
Experten vorgeschlagen habe, wegen unanständigem Gebahren gegen das
Gericht und die Gegcnpartei mit einerBusse belegt hat.)

Das Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g :

1. Die in Art. 22 Zif. 2 EHG vom 28. März 1905 (über dessen Verletzung
.dieRekurreuten sich beschweren), wie allgemein schon in Art. 6 Zif. 1
der Haftpflichtgesetznovelle vom 26. April 1887 enthaltene Anweisung an
die Kantone, dafür zu sorgen, dass den bedürftigen Personen, wenn ihre
Klage nach vorläufiger Prüfung sich nicht zum voraus als unbegründet
herausstellt , die Wohltat des unentgeltlichen Rechtsbeistandes
und Gerichtsverfahrens gewährt werde, gibt, zwar nicht der Form,
wohl aber dem Sinn und Zweck nach, den Haftpflichtklägern unter den
erwähnten Voraussetzungen einen bundesrechtlichen Anspruch auf Gewährung
dieses sog. Armenrechtes, der unabhängig davon ist, wie die kantonale
Gesetzgebung sich im übrigen zu der Frage stellt. Dementsprechend sieht
nunmehr Art. 180
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 101 Leistung des Vorschusses und der Sicherheit - 1 Das Gericht setzt eine Frist zur Leistung des Vorschusses und der Sicherheit.
1    Das Gericht setzt eine Frist zur Leistung des Vorschusses und der Sicherheit.
2    Vorsorgliche Massnahmen kann es schon vor Leistung der Sicherheit anordnen.
3    Werden der Vorschuss oder die Sicherheit auch nicht innert einer Nachfrist geleistet, so tritt das Gericht auf die Klage oder auf das Gesuch nicht ein.
Zif. 6 OG ausdrücklich die Beschwerdeführung wegen
Verletzung jener bundesrechtlichen Vorschriften durch Verweigerung des
Armenrechts vor, und es hat das Bundesgericht in Beurteilung solcher
Beschwerden selbständig zu prüfen, ob der angefochtene kantonale
Ent-scheid auf richtiger Auslegung und Anwendung des erwähnten
Bundesrechts beruhe, wobei seine Kognition in

1 02 Staatsrecht.

ta ts ächlich er Hinsicht allerdings durch das freie Ermessen der
kantonalen Behörden, sofern kein o'fienbarer Missbrauch desselben
vorliegt, beschränkt ist (vgl. BGE 17 N° 1 Erw. 1 s. 4).

2. Es steht vorliegend ausser Streit, dass die Voraussetzungen des
Art. 22 Zif.2 EHG bei den Rekurrenten im Zeitpunkte, als ihnen das
Armenrecht gewährt wurde, gegeben waren. Das Justizdepartement hat
dies niemals in Zweifel gezogen, und die Bemerkung in den Motiven des
angefochtenen Regierungsratsbeschlusses, die unentgeltliche Rechtspflege
hätte den Rekurrenten überhaupt nicht bewilligt werden sollen, ist
schon deswegen, weil ihr ein tatsächlicher Irrtum zugrunde liegt,
hinfällig, indem sie auf der Annahme beruht, dass die Auszahlung des
Entschädigungsbetrages von 3400 Fr. an die Rekurrenten am 6. März 1912
(dem Tage der Armenrechtsgewährung) bereits erfolgt oder doch zugestanden
gewesen sei, während dieser Entschädigungsbetrag in 'Wirklichkeit (nach
unbestritten-er Angabe der Rekursschrift) erst am 16. April 1912 anerkannt
und noch ,später ausbezahlt worden ist. Der den Gegenstand des Rekurses
bildende Widerruf der Armenrechtsgewährung kann somit nur auf eine spätere
Veränderung der massgebenden tatsächlichen Verhältnisse gestützt werden.

3. In dieser Hinsicht kommt nun zunächst der Tatsache der möglicherweise
auf Fälschung beruhenden Korrektur des Jahresdatums im Geburtsschein
des Rekurrenten Giuseppe Cortese (worauf übrigens das Justiz-

, departement in seiner Verfügung vom 4. November 1913 gar nicht und . der
Regierungsrat gemäss der Rekursantwort wenigstens nicht entscheidend
abgestth hat) keine Bedeutung zu. Diese Tatsache könnte als erheblich
in Betracht fallen jedenfalls nur aus dem vom Justizdepartement in
seinem Schreiben an den Anwalt der Rekurrenten vom 3. November 1913
angedeutetenArmenrecht in Haftpflicntsachen. N° 11. 103

Gesichtspunkte, dass die Rekurrenten, sofern sie selbst sich der
Fälschung des Scheines schuldig gemacht oder wenigstens darum gewusst
und den Schein trotzdem verwendet haben sollten, als der Wohltat des
Armenrechts unwürdig zu erklären wären. Ein solches Verhalten wird
jedoch den Rekurrenten in bestimmter Weise weder vom Regierungsrate,
noch auch von der Prozessgegnerin zur Last gelegt, und es bieten die
Akten in der Tat keinerlei Anhaltspunkte dafür. Vielmehr hat ihr Anwalt in
glaubwürdiger Weise versichert, dass die Rekurrenten selbst den fraglichen
Schein, der ihm laut vorliegendem Begleitschreiben vom italienischen
Auswande-rungsbureau in Genf direkt zugesandt werden ist, überhaupt nicht
zu Gesicht bekommen haben. Zudem iolgt aus der beanstandeten Korrektur des
Scheines, die nach dem nunmehr vorliegenden Ergebnis der Strafuntersuchung
vom Auswanderungsbureau durch Umänderung der Jahreszahl 1894 in 1896
vorgenommen worden ist, an sich noch keineswegs und ist auf andere Weise
auch nicht dargetan, dass das korrigierte Geburtsdatum nicht richtig sei.

Auch das von der Rekursbeklagten als weiteres UnwürdigkeitSmoment
geltend gemachte unkorrekte Vorgehen der Rekurrenten bei Bestellung
der gerichtlichen Expertise kann offenbar nicht jenen selbst als
Unwürdigkeitsgrund angerechnetwerden, sondern fällt, wie auch das
Bezirksgericht angenommen hat, ausschliesslich ihrem rechtskundigen
Vertreter zur Last.

Unter diesen Umständen kann die grundsätzliche Frage hier offen bleiben,
ob überhaupt einem Haftpflichtkläger wegen seines als unwürdig zu
qualifizierenden Verhaltens mit Bezug auf die Geltendmachung ' seines
Anspruchs das Armenrecht verweigert oder entzogen werden kann, obschon
der Bundesgesetzgeber ein entsprechendes Erfordernis für die Gewährung
des Armenrechts ausdrücklich nicht aufgestellt hat.

104 . Staatsrecht.

4. Zur Begründung seines Beschlusses hat der Regierungsrat wesentlich
die Tatsache verwendet, dass den Rekurrenten eine Haftpflichtforderung
in der Höhe von 3400 Fr. anerkannt und ausbezahlt worden ist, und zwar
einerseits im Sinne der Auffassung, dass zufolge der Auszahlung dieses
Entschädigungsbetrages die Armenrechtsvoraussetzung der Bedürftigkeit
bei ihnen nicht mehr zutrefie, und anderseits aus der Erwägung, dass
sie mit dem ausbezahlten Betrage rechtmässig befriedigt sein dürften
und ihr weitergehender Entschädigungsanspruch als fragwürdig erscheine.

a) Der erstere dieser Standpunkte ist grundsätzlich unhaltbar. Unter
den bedürftigen Personen im sinne des Art.'22 Ziff.ss2 EHG (dessen
Vorschrift hier einzig, unter Ausschluss anfällig abweichender allgemeiner
Bestimmungen des kantonalen Prozessrechts über die unentgeltliche
Rechtspflege, in Betracht kommt) sind diejenigen Personen zu verstehen,
welche zur rechtlichen'Geltendmachung eines Haftpflichtanspruches
finanzieller Hälse bedürfen, weil ihre eigenen Mittel ihnen neben der
Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes die'Tragung der mit der
Prozessführung verbundenen Kosten nicht gestatten würden. Die Frage
dieser Bedürftigkeit muss aber sinngemäss ohne jede Rücksicht auf
den ökonomischen Wert des Anspruchs sebst, zu dessen Durchsetzung das
Armenrecht nachgesueht wird, beurteilt werden. Denn da die Gewährung
des Armenrechts im Unvermögen des Haftpflichtklägers, seinen Anspruch
aus eige-nen Mitteln durchzusetzen, ihren Grund hat und ihr Zweck
darin besteht, dem Haftpflichtkläger die Möglichkeit nicht nur der
Prozessführung überhaupt, sondern vielmehr der ungeschmälerten Erfüllung
des berechtigten Anspruchs zu sichern, so geht es schlechterdings nicht
an, beim Entscheide über die Bedürftigkeit diesen Anspruch selbst mit zu
veranschlagen und den Haftpflichtkläger für die Kosten der Prozessflihrung
auf dessen antizipierte Verwertung zu verweisen. Die Haft-Armenrecht in
Haftpflichtsachen. N° 11. ss 105

pflichtentschädigung bewirkt ja ihrem Begriffe nach keine Verbesserung der
Vermögensverhäitnisse des Haftpflichtklägers gegenüber der Vermögenslage,
in der er sich befinden würde, wenn sein Haftpflichtanspruch nicht
entstanden wäre, sondern stellt lediglich den Ersatz für die ihm
durch den haftpflichtbegründenden Tatbestand zugefügte Benachteiligung
(nachweisbaren Vermögensschaden oder sonstige Unbill im Sinne des Art. 8
EHG) dar. Das Armenrecht wird gerade dazu gewährt, den vollen Ausgleich
,dieser Schadensmomente unter allen Umständen herbeizuführen, und es darf
deshalb, wie die Rekurrenten mit Recht einwenden, dem Haftpflichtkläger
auch im Falle teilweiser Anerkennung und Erfüllung seines Anspruchs
grundsätzlich nicht zugemutet werden, aus dem empfangenen Betrage die
Kosten der gerichtlichen Geltendmachung seiner weitergehenden, nicht von
vornherein als unbegründet erscheinenden Forderung zu bestreiten. Die
gegenteilige Annahme verbietet sich schon aus der Erwägung, dass
sonst der Haftpflichtige es in der Hand hätte, durch teilweise
Befriedigung des Ansprechers die Gewährung oder Weiterbelassung des
Armenrechts zu verhindern und so dessenZweck der Ermöglichung kostenloser
Durchsetzung des gesamten Haftpflichtanspruchs für den Berechtigten "zu
vereiteln. Ferner stehen ihr auch die bund'esgesetzlichen Vorschriften
entgegen, wonach die Haftpflichtansprüche und -Entschädigungen
weder verpfändet oder übertragen (Art. ? FHG ; Art. 15
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 101 Leistung des Vorschusses und der Sicherheit - 1 Das Gericht setzt eine Frist zur Leistung des Vorschusses und der Sicherheit.
1    Das Gericht setzt eine Frist zur Leistung des Vorschusses und der Sicherheit.
2    Vorsorgliche Massnahmen kann es schon vor Leistung der Sicherheit anordnen.
3    Werden der Vorschuss oder die Sicherheit auch nicht innert einer Nachfrist geleistet, so tritt das Gericht auf die Klage oder auf das Gesuch nicht ein.
EHG), noch
gepfändet (Art. 92 Ziff. 10
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
SchKG) werden dürfen. Denn wenn dem
Haftpflichtberechtigten in dieser Weise ausdrücklich der unverminderte
Genus s seiner Entschädigung gewährleistet ist, so darf gewiss die den
gleichen Zweck verfolgende Bestimmung über das Armenrecht nicht enger
dahin ausgelegt werden, dass der Haftpflichtherechtigte unter Umständen
darauf angewiesen wäre, schon zur Erlan gun g der vollen Entschädigung
einen Teil derselben zu verbrauchen oder wenigstens einzu-

1 06 Staatsrecht.

setzen. In diesem Sinne hat in der Tat bereits das Obere gericht des
Kantons Zürich in einem dem vorliegenden analogen Falle entschieden
(vgl.Blätter für zürch.Rechtssprechung 11. F. III [1904] N° 4 S. 6/7), und
auf der si gleichen Auffassung beruht auch der im Tatbestand allerdings
etwas abweichende Bundesratsheschluss i. S. Goldner vom 18. Mai 1909
(BBl. 1909 III S. 962 ff. spez. &967), womit der Bundesrat von der
früheren gegenteiligen Stellungnahme seines Industriedepartements
(BBl. 1891 II S. 244/245; SALIS, Bundesrecht, V, S. 245 N° 2363)
zurückgekommen ist. 6) Gegenüber dem Hinweise des Regierungsrates
darauf, dass der eingeklagte Anspruch der Rekurrenten als fragwürdig
erscheine, ist zu bemerken, dass nach Art. 22 Zif. 2 EHG_ (wie nach Art. 6
Zif. 1 der Haftpflichtgesetznovelle) das Armenrecht nicht schon wegen
Fragwürdigkeit des Haftpflichtanspruchs, sondern nur dann verweigert
werden darf, wenn der Anspruch sich nach vorläufiger Prüfung zum voraus
als unbegründet herausstellt, wenn also über dessen Aussichtslosigkeit
nach der auf nicht willkürlicher Würdigung des Tatbestandes beruhenden
und rechtlich einwandfreien Ansicht ' der entscheidenden kantonalen
Behörde kein Zweifel besteht. Dabei ist diese kantonale Behörde nicht,
wie Scannen, Haftpflicht des Unternehmers, S. 231/232, anzunehmen scheint,
schlechthin auf die Prüfung der Anbringen des Gesuchstellers angewiesen
; sie hat vielmehr das Recht und die Pflicht den Inhalt der gesamten,
jeweilen vorliegenden Akten in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne ist
hier von entscheidender Bedeutung das bereits ergangene Beweisdekret
des erstinstanzlichen Richters.Danach kann aber der streitige Anspruch
keineswegs als zum voraus unbegründet bezeichnet werden. Indem das
Bezirksgericht zum Erlass eines Beweisdekretes gelangt ist, hat es,
da laut Art. 140
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 140 Zustellungsdomizil - Das Gericht kann Parteien mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland anweisen, ein Zustellungsdomizil in der Schweiz zu bezeichnen.
st. gall. ZPO ein Beweisverfahren nur über erhebliche
Tatsachen angeordnet werden darf, den Einwand der beklagtenArmcnrecht
in Haftpflichtsachen. & il. un

Bahnverwaltung, die Rekurrenten hätten bereits die ihnen von Rechtswegen
gebührende Entschädigung erhalten, implizite verworfen und mit der
Begründung des Dekrets die Auffassung kundgegeben, dass den Rekurrenten,
wenn ihre Anbringen über die Verhältnisse des Sohnes Giuseppe Cortese
sich als zutreffend erweisen sollten, sowie auch mit Rücksicht auf
ihre grundsätzlich als berechtigt anerkannte Anrufung des Art.8
EHB, eine die bereits bezogenen 3400 Fr. übersteigende Entschädigung
gebühre. Diese Auffassung hat der Regierungsrat nicht durch erhebliche
Gegenargumente entkräftet. Er bestreitet nicht, dass der tatsächlich noch
unabgeklärte körperliche und geistige Zustand des Giuseppe Cortese nach
der Klagedarstellung einen weitergehenden Entschädigungsanspruch der
Rekurrenten zu rechtfertigen vermöchte-, sondern beschränkt sich auch
in der Rekursantwort daranf, das Ergebnis der Expertise hierüber ohne
nähere Begründung als höchst zweifelhaft zu erklären. Daneben macht
er allerdings geltend, dass der Alimentationsanspruch der Rekurrenten
gegenüber dem Verunfallten durch die Tatsache des Vovrhandenseins zweier
ihnen ebenfalls alimentationspflichtiger Kinder desselben reduziert
werde und dass der Einfluss des Verschuldens der Bahnverwaltung im Sinne
von Art, 8EHG auf die Entschà-digungsbemessung möglicherweise durch
ein Selbstmitversehulden des Verunfallten kompensiert werde. Allein
dem ersteren Umstande kann wohl kaum wesentliche Bedeutung zukommen,
da die Alimentationspflicht des Ehegatten und Vaters der Reknrrenten
doch jedenfalls derjenigen ihrer Kinder und Geschwister vorgeht,
und ein relevanter. Selbstverschulden des Verunfallten hat die
beklagte Bahnverwaltung selbst nicht geltend gemacht, sodass für den
Regierungsrat keine Veranlassung verlag, mit der Möglichkeit eines
solchen zu rechnen. Es bestehen somit, entgegen dem Entscheid der
kantonalen Behörden, keine stichiiaitigen Gründe, den Rekurrenten für
die Weiterführung ihres Prozesses

308 Staatsrecht.

im gegenwärtigen Momente das Armenrecht zu entziehen ; dagegen wird die
Frage dchelassung desselben bei allfälliger Weiterziehung der Streitsache
an die kantonale Oberinstanz und an das Bundesgericht gemäss Art. 103
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 103 Rechtsmittel - Entscheide über die Leistung von Vorschüssen und Sicherheiten sind mit Beschwerde anfechtbar.

st. gall. ZPO und Art. 212
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 103 Rechtsmittel - Entscheide über die Leistung von Vorschüssen und Sicherheiten sind mit Beschwerde anfechtbar.
OG neuerdings zu prüfen sein.

5. .....

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, dass die Verfügung des J
ustizdepartements des Kantons St. Gallen vom 4. November 1913 betreffend
Entzug des unentgeltlichen Rechtsbeistandes aufgehoben wird.

IX. STAATSRECHTLICHE STREITIGKEITEN ZW'ISCHEN KANTONENCONTESTATIONS DE
DRO'IT PUBLIC ENTRE CÀNTONS

12. Urteil vom 22. Januar 1914 i. S. Luzern gegen St. Gallen.

Art. 50 LMPG. Als B egehungsort einer durch Einf u h r begangenen
Gesetzesübertretung (hier: im Sinne von Art. 9 des Kunstweingesetzes)
ist der Bestimmungsort der Ware und nicht der Ort, wo sie die Grenze
überschreitet, zu betrachten.

A. Am 25. Februar 1913Îentnahm der dem Zollamt Buchs (St. Gallen)
zugeteilte eidgenössische Lebensmittelexperte aus einem dort
eingelangten, von Francesco Parisi, Grosshandlungsspeditionshaus
in Triest, an F. Fagnani, Weinhandlung in Luzern, aufgegebenen Fass
griechischen Weins, bezeichnet D. G. P. _44, eine Probe und sandte
sieStaatsrechtl. Streitigkeiten zwischen Kantonen. N° 12. iù!)

der luzemischen Untersuchungsanstalt ein. Auf Grund der vonihm
vorgenommenen Untersuchung gelangte der luzernische Kantonschemiker zu dem
Schluss, dass das Fass Trockenbeerwein (Kunstwein) enthalte. Infolgedessen
verweigerte der Adressat Fagnani die Annahme der Sendung. Diese wurde
daher vorläufig unter Zollverschluss im Lagerhaus Buchs eingelagert
und der Absender davon in Kenntnis gesetzt. Da derselbe unter
Vorlage amtlicher Ursprungszeugnisse die Richtigkeit der Expertise
des luzernischen Kantonschemikers bestritt und verlangte, dass der
Wein als Naturwein zur Einfuhr zugelassen, eventuell wenigstens dessen
Durchfuhr durch die Schweiz oder Reexpedition nach dem Herkunftslande
ohne Strafe gestattet werde, ersuchte die Lagerhausverwaltung Buchs das
eidgen. Gesundheitsamt um Weisung, wie sie sich zu verhalten habe, erhielt
darauf aber den Bescheid : Die Begutachtung und Beanstandung des Weins sei
nicht durch ein Organ der Grenzkontrolle, sondern durch den luzernischen
Kantonschemiker erfolgt ; der eidgenössische Lebensmittelexperte habe nur
die Proben erhoben. Da nun der Adressat die Annahme der Sendung verweigert
habe und sich diese in Buchs befinde und da ferner das eventuelle
Vergehen gegen Art. 1 des Kunstweingesetzes in Buchs begangen sei, so
sei die strafrechtliche Untersuchung durch die Behörden von St. Gallen
durchzuführen, an welche sich die Lagerhausverwaltung wenden möge.

Die Lagerhausverwaltung kam dieser Weisung nach. Die Sanitätskommission
des Kantons St. Gallen als kantonale Aufsichtsbehörde in
Lebensmittelpolizeisachen lehnte es jedoch im Einverständnis mit
der kantonalen Staatsanwaltschatt ab, sich mit der Angelegenheit zu
befassen, da als Einführer nicht der ausländische Lieferant sondern der
in Luzern wohnhafte Besteller anzusehen, Begehungsort und Wohnort des
Angeschuldigten somit Luzern und der Fall daher von den luzernischen
Behörden zu behandeln sei. Das gleiche Schicksal hatte eine Anfrage an
den Sanitätsrat des Kantons Luzern, indem dieser