408 Staatsrecht.

dern seine vermögensreehtlichen Folgen, sodass man es nicht mit
einer Rechtsverkehrssteuer, sondern mit einer besonderen, den
Vermögenszuwachs treffenden Art der V e r m 6 g e n s s t e u e r zu
tun hat (vgl. FUISTING, Grundzüge der Steuerlehre S. 70 ff.). Mit dieser
Feststellung erledigt sich auch der am Schluss der Klage erhobene Einwand,
dass von einer direkten Besteuerung des Bundes hier deshalb nicht die Rede
sein könne, weil die Münzsammlung steuerpflichtig sei als Nachlass des
Arthur Bally-Herzog, vor der Vereinigung mit dem Vermögen des Bundes, und
nur mit dieser Schuld belastet an den Bund übergehe. Er wäre höchstens
dann haltbar, wenn die Steuer auf den gesamten Nachlass als Einheit
erhoben Würde und versagt mit dem Momente, we sie von den einzelnen
Erwerbern in der Nähe ihrer Beziehungen zum Erblasser entsprechenden
abgesluften Ansätzen zu entrichten ist.

Ebenso kann natürlich für die Frage der Anwendbarkeit des Art. 7
Garantiegesetz nichts darauf ankommen, dass der Erblasser im Testamente
bestimmt hat, die Erbschaftssteuer dürfe nicht umgangen, sondern müsse von
den einzelnen Legataren getragen werden. Denn der Sinn dieser Bestimmung
kann, wie sehen aus der Verwendung des Ausdrucks umgehen hervorgeht,
offenbar nur der sein, dassider Staat nicht um die ihm von Rechtswegen
zustehenden Steueransprüche gebracht werden dürfe, nicht, dass die
Steuer auch von solchen Legaten zu entrichten sei, die gesetzlich
steuerfrei sind.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der vom Kanton Solothurn gegenüber der Eidgenossenschaft erhobene
Steueranspruch wird abgewiesen.Staatsrechtl. Streitigkeiten zwischen
Kantonen. N° 47. 409

IX. STAATSRECHTLICHE STREITIGKEITEN ZWISCHEN KANTONENCONTESTATIONS DE
DROIT PUBLIC ENTRE CANTON S

47. Urteil vom 26. Juni 1914 i. S. Zürich gegen Thurgau.

Fürsorge für erkrankte mittellose Ausländer. Frage wer die Kosten
zu tragen hat, falls der Niederlassungsort des Erkrankten und der
Erkrankungsort nach Kantonen auseinanderfallen. Anwendung der Erklärung
zwischen der Schweiz und Italien vom 6./15. Oktober 1875, in Verbindung
mit dem BG vom 22. Juli 1875. Begriff und Bedeutung des Erkrankungsortes.

A. Die in Frauenfeld, wo sie als Fabrikarbeiterin tätig war,
niedergelassene ledige Domenica Lucci, geb. 1892, von Alfonsine (Italien),
wurde am 20. Dezember 1913, weil ohne Billet und Geld reisend, auf der
Zürcherischen Bahnstation W iesendangen aus dem von Frauenfeld kommenden
Zuge ausgewiesen und sodann, als geisteskrank erkannt, in die zürcherisehe
Irrenanstalt Burghölzli verbracht. Naeh Feststellung ihrer Identität
gelangte die zürcherische Armendirektion an das thurgauische Departement
des Armenwesens mit dem Ersuchen, die Kranke bis zu ihrer Heimschafiung
nach Italien entweder in dortige Anstaltsversorgung zu übernehmen
oder für die Kosten ihrer Versorgung im Kanton Zürich Gutsprache
zu leisten. Gleichzeitig teilte die zürcherisehe der thurgauischen
Armenbehörde mit, sie habe, damit keine Zeit verloren gehe, bereits das
Heimschaflungsverfahren, sowohl für die Domenica Lucci selbst, als auch
für ihr (bei einem Bassaglini in Frauenfeld untergebrachtes und dort
verbliebenes) uneheliches Kind Carlo, geb. 1913, einleiten lassen. Das
thurgauische Armendepartement erklärte sich mit der Heimschafiung

410 staatsrecht-

auch des Kindes einverstanden, nahm im übrigen aber den Standpunkt ein,
für die Kosten der Versorgung dei ,Mutter bis zu ihrer Übernahme durch
den Heimatstaat habe der Kanton Zürich, wo sie versorgungs-bedürftig
geworden sei, selbst aufzukommen, da nach der Erklärung zwischen
der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Italien
betr. gegenseitige unentgeltliche Verpflegung armer Erkrankter vom 6.
und 15. Oktober 1875 die Italiener den Schweizerbür--

gern gleiehzuhalten seien und das Bundesgericht in

einem, dem vorliegenden gleichartigen Falle der Unter-

stützung eines Schweizerbürgers, durch Urteil vom, 27. Februar 1913
i. S. St. Gallen gegen Thurgau, den

Kanton, in welchem die Unterstützungsbedürftigkeit eingetreten sei, als
zur Tragung der Kosten pfliehtig erklärt habe. Hierauf wandte sich der
Regierungsrat des Kantons Zürich unter Festhaltung des Gesuche seiner
Armendirektion an den Regierungsrat des Kantons Thurgau. Dieser teilte
jedoch seinerseits den Standpunkt seines Armendepartements und wies das
Gesuch du! ch Anlwortschreiben vom 21. Februar 1914 ab.

8. Diesem Verhalten der thurgauischen Behörden gegenüber hat der
Regierungsrat des Kantons Zürich mit Eingabe vom 9. April 1914 beim
Bundesgericht staatsreehtliche Klage erhoben und beantragt: ·

Der Kanton Thurgau sei pfliehlig zu erklären, die Domenica Lucci bis zur
Durchführung des Heimsehalfungsverlahrens zur Verpflegung zu übernehmen
und dem Kanton Zürich die seit dem 8. Februar 1911 (als dem "I age der
Stellung des Übernahmebegehrens} entstandenen Kosten zu ersetzen.

Zur Begründung wird geltend gemacht, der vorliegende Streitfall sei
demjenigen des hundesgeriChtlichen Urteils vom 27. Februar 1913 nicht
analog. Hier hätten niemals humanitäre oder gesundheitspolizeiliche Gründe

sii'i'lr das Verbleiben der Domenica Lucci im Kanton ,

Zürich bestanden. Diese hätte vielmehr vom ZeitpunktStaatsrechtl;
Streitigkeiten zwischen Kantonen. N° 47. 411

der Internierung an ohne Gefahr für ihre eigene oder die Gesundheit
anderer Personen nach dem Niederlassungskanton Thurgau zurückbefördert
werden können. Es sei deshalb nicht einzusehen, warum dieser Kanton
die Unterstützungspflieht, welche ihm unbestreitbar gegenüber seinen
niedergelassenen Ausländern obliege, im Falle Lucci nicht auszuüben
haben sollte. Nur bei Transportnnfähigkeit erkrankter Personen müsse
der Aufenthaltskanton diesen ohne Rückerstattungsanspruch gegen
den Niederlassungskanton die nötige Unterstützung leisten, und bei
transportlähigen Kranken habe er auch keinen Ersatzanspruch für die
bis zur Stellung des Übernahmebegehrens gemachtenff Leistungen Im
weitem aber sei die Unterstützung der Burger oder Niedergelassenen
anderer Kantone Sache des Heimatoder Niederlassungskantons. Bei den
Schweizern verstehe es sich von selbst, dass gegebenenfalls nicht
erst derssssNiederlassungskanton, sondern direkt der Heimatkanton in
Anspruch genommen werde, weil dieser endgültig pflichtig und seine Hülfe
ebenso leicht erreichbar sei, wie die des Niederlassungskantons. Bei
den Ausländern dagegen, deren Übernahme durch den Heimatstaat oft
viele Monate auf sich warten lasse, trete zwischen den Heimatstaat
und den Aufenthaltskanton als regulärer Unterstützungsträger der
Niederlassungskanton: e r habe die Hülfsbedürftigen entweder zur
Verpflegung zu übernehmen, oder aber, wenn er dies wie hier der Kanton
Thurgau ablehne, dem die Verpflegung besorgenden Aufenthaltskanton
Kostenersatz zu leisten. Eine Gleichstellung dieses Falles mit dem
Falle der Unterstützung eines erkrankten Sehweizerbürgers sei überhaupt
nicht möglich; denn der Bürger eines andern Kantons müsse nach Eintritt
seiner Transportfähigkeit nicht noch monatelang am Erkrankungsorte
unterstützt werden, wie der transportiähige Ausländer während der Dauer
des internationalen Heimschafiungsverfahrens. Die Erklärung zwischen
der Schweiz und Italien vom

AS 401 1914 27

412 Staatsrecht.

Jahre 1875 sei für die Streitfrage belanglos; sie lege bloss der
Schweiz eine Verpflichtung auf, sage aber nicht, wer in der Schweiz
für diese Verpflichtung anfzukommen habe. Vorliegend könne auch kein
ernstlicher Zweifel darüber bestehen, dass die Geisteskrankheit und
Versorgungsbedürftigkeit der Lucci in gleicher Weise, wie bei ihrem
Eintreffen in Wiesendangen, schon vorhanden gewesen sei, bevor sie
die zürcherische Kantonsgrenze überfahren gehabt habe. Ihr Zustand in
W'iesendangen habe ihre sofortige Internierung nicht unbedingt erfordert,
sondern sie hätte. schliesslich auch einfach, mit einem Billet nach
Frauenfeld versehen, dorthin zurückgeschickt werden können. Dass sie
zufolge ihrer Krankheit das zürcherische Kantonsgebiet betreten habe,
sei ein reiner Zufall, der auch billigerweise nicht eine so weitgehende
I Iülfspflicht des kantons Zürich zur Folge haben könne, wie der Kanton
Thurgau sie ihm zumute.

Nach einer späteren Mitteilung des zürcherischen Regierungsrates ist die
Geisteskranke Lucci am 15. Mai 1914 nach ihrem Heimatstaate abgeschoben
worden, und es betrugen die Kosten ihrer Versorgung im Burghölzli vom
8. Februar bis zu diesem Tage 291 Fr.

C. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat auf Abweisung des
züreherischen Klagebegehrens angetragen. Er hält daran fest, dass
auf Grund der schweizerisch-italienischen Erklärung vom Jahre 1875
der vorliegende Fall analog zu entscheiden sei, wie derjenige des
bundesgerichtlichen Urteils vom 27. Februar 1913, nämlich dahin,
dass die Unterstützungspflicht auch hier dem Kanton des tatsächlichen
Aufenthalts der hältsbedürftigen Person im Momente des Eintritts der
Hülfsbedürftigkeit und demnach dem Kanton Zürich obliege, da die Lucci
in Frauenfeld noch keinen Anlass zur Versorgung geboten habe, sondern
erst in Wiesendangen als hülfsbedürftige Geisteskranke erkannt worden
sei.Staatsrechtl. Streitigkeiten zwischen Kantonen. N° 47. 413

Das Bundesgericht zieht in E r w ä g u n g :

1. Das Bundesgericht ist als Staatsgerichtshof im Sinne der Art. 175
(Abs. 1 Ziff. 2) und 17? OG zur Beurteilung der vorliegenden Streitsache
kompetent (vgl. BGE 8 N° 63 Erw. 1 S. 441 f.; 31 I N° 75 Erw. 1 5.407).

2. Nach der vom Kanton Thurgau angerufenen Erklärung zwischen der Schweiz
und Italien vom 6./15. Oktober 1875 haben mitteilose Italiener im Falle
ihrer (physischen oder geistigen) Erkrankung in der Schweiz solange, bis
ihre Heimkehr ohne Gefahr für ihre eigene oder die Gesundheit anderer
Personen geschehen kann, Anspruch auf Hülfe und ärztliche Pflege, und
im Sterbefalle auf Beerdigung, gleich den Schweizerbürgern, ohne dass
für die betreffenden Aufwendungen von Italien Ersatz gefordert werden
kann. Dadurch ist die Völkerrechtliche Verpflichtung der Schweiz zu diesen
unentgeltlichen Leistungen statuiert; dagegen bestimmt die Erklärung
nichts darüber, wer schweizerischerseits die Verpflichtung zu erfüllen
und die damit verbundenen Kosten zu tragen hat. Sie bietet, wie der Kanton
Zürich mit Recht betont, insbesondere keinen Anhaltspunkt zur Lösung der
hier streitigen Frage, ob die Unterstützungspfiicht und -Last dem Kanton
der Niederlassung oder aber demjenigen des tatsächlichen Aufenthalts des
Erkrankten im Zeitpunkte des Eintritts seiner Unterstützungsbedürftigkeit
obliegt. Mit Bezug hierauf ist vielmehr von der Erwägung auszugehen,
dass internationalrechtlich für die Armenfürsorge überhaupt nicht
das T erritoriaI-, sondern das Natio-nalitätsprinzip massgebend
ist. Es besteht an sich keine internationale Pflicht eines Staates,
unterstützungsbedürftige Ausländer bei sich zu behalten und für sie
zu sorgen, sondern der Heimatstaat ist, sofern und soweit er nicht
staatsvertraglich etwas Ahweichendes vereinbart hat, verpflichtet,
seine der Oeffentlichkeit zur Last fallen-

414 Staatsreeht.

den Angehörigen ohne weiteres zu übernehmen. Und zwar lässt sich,
wegen des fundamentalen Zusammenhangs der Armenfürsorge mit dem
Staatsbürgerrecht, eine abweichende Vereinbarung nicht schon aus
der in vielen Staatsverträgen enthaltenen allgemeinen Zusicherung der
gegenseitigen Gleichbehandlung der Angehörigen des andern Vertragsstaates
mit den eigenen Staatsangehörigen ableiten (vgl. hierüber Dr. JULIUS
HARTMANN, Stellung der Ausländer im schweiz. Bundesstaatsrecht, in
Ztschr. f. schweiz. Recht, 26 n. F. [1907] S. 98 ff. speziell S. 117-120
und 141), sondern es bedarf hiezu einer besonderen Abmaeh ung, wie solche
von der Schweiz mit einer Reihe von Staaten, worunter mit Italien durch
die erwähnte Erklärung vom Jahre 1875, getroffen werden sind. Dieser
Grundsatz des internationalen Rechts gibt aber in der Schweiz mit ihrem
kantonalund gemeindeweise ausgeschiedenen Staatsbürgerrecht auch für das
Verhältnis der Kantone unter si ch. Denn darin, dass Art. 45 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV
es als zulässig erklärt, die Niederlassung denjenigen Schweizerbürgern zu
entziehen, welche dauernd der öffentlichen Wohltätigkeit zur Last fallen
und deren Heimatgemeinde, beziehungsweise Heimatkanton, eine angemessene
Unterstützung trotz amtlicher Aufforderung nicht gewährt, liegt die
grundsätzliche Ablehnung der Armenfürsorge nach der territorialen
im Gegensatz zur heimatlichen Zugehörigkeit des Bedürftigen. Immerhin
beschränkt schon diese Verfassungsbestimmung selbst die Zulässigkeit der
Ausweisung oder Heimschaifung auf den Fall d a u er n d e r Unterstü
tzungsbedürftigkeit und mutet damit implicite die Unterstützung
bei bloss Vorüberg eh endem Bedürfnis allgemein dem Gemeinwesen des
Niederlassungsortcs zu. Ferner überbindct das in Ausführung von Art. 48
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 48 Verträge zwischen Kantonen - 1 Die Kantone können miteinander Verträge schliessen sowie gemeinsame Organisationen und Einrichtungen schaffen. Sie können namentlich Aufgaben von regionalem Interesse gemeinsam wahrnehmen.
1    Die Kantone können miteinander Verträge schliessen sowie gemeinsame Organisationen und Einrichtungen schaffen. Sie können namentlich Aufgaben von regionalem Interesse gemeinsam wahrnehmen.
2    Der Bund kann sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten beteiligen.
3    Verträge zwischen Kantonen dürfen dem Recht und den Interessen des Bundes sowie den Rechten anderer Kantone nicht zuwiderlaufen. Sie sind dem Bund zur Kenntnis zu bringen.
4    Die Kantone können interkantonale Organe durch interkantonalen Vertrag zum Erlass rechtsetzender Bestimmungen ermächtigen, die einen interkantonalen Vertrag umsetzen, sofern der Vertrag:
a  nach dem gleichen Verfahren, das für die Gesetzgebung gilt, genehmigt worden ist;
b  die inhaltlichen Grundzüge der Bestimmungen festlegt.13
5    Die Kantone beachten das interkantonale Recht.14

BV erlassene BG vom 22. Juni 1875 speziell für den Fall der Erkrankung
oder des Versterbens unbemittelter Angehöriger anderer Kantone dem
Kanton, in welchem dieses Ereignis eintritt, ausdrücklich die Pflicht
zur Verpflegung des Erkrankten, solange dessen RückkehrM Weiten zwisehen
Kantonen. N° 47. 415

in den Heimatkanton ohne Nachteil für seine eigene oder die Gesundheit
anderer nicht geschehen kann, und zur Beerdigung des Verstorbenen auf
eigene Kosten.

Bei dieser Rechtslage kann der heute (nachdem die Heimschafi'ung der
erkrankten Domenica Lucci nach Italien erfolgt ist) allein noch in
Betracht fallende KostenRegressanspruch des Kantons Zürich gegen den
Kanton Thurgau als Niederlassungskanton nicht für begründet erklärt
werden. Die Behauptung des zusehenschen Regierungsrates, dass der
Niederlassungskanton als solcher gegenüber dem Kanten des blossen
Aufenthaltsortes, an welchem die Erkrankung eingetreten ist, der primäre
Unterstützungsträger sei, lässt sich weder auf einen allgemeinen
Grundsatz des Völkerrechts, noch auf eine spezielle Rechtsnorm
des schweizerischen Bundesstaates stützen. Es erscheint vielmehr,
entsprechend der Stellungnahme des thurgauischen Regierungsrates, als
rechtlich geboten, die im BG vom 22. Juni 1875 enthaltene Regelung der
Unterstützungspflicht bei interkantonalen Verhältnissen, so wie das
Bundesgericht sie durch Urteil vom 27. F ebiuar 1913 i. S. St. Gallen
gegen Thurgau (A S 39 I N° 8 Erw. 2 S. 62 f.) ausgelegt hat, auf das
vorliegende internationale Unterstützungsverhältnis in analoger Weise
zur Anwendung zu bringen. In der Tat treffen die Gründe humanitärer und
sanitätspolizeilicher Natur, aus denen der Bundesgesetzgeber nach jenem
Urteil den Kanton des Erkrankuugsortes als solch en verpflichtet hat,
die mittellosen Angehörigen anderer Kantone bis zu ihrer rechtmässigen
Uebernahme durch den Heimatkanton in eigenen Kosten zu verpflegen, ebenso
sehr auch in den Fällen zu, wo statt des auswärtigen Heimatkantons ein
ausländischer Heimatstaat in Frage kommt. Der Einwand Zürichs, dass eine
Analogie zwischen den interkantonalen Unterstützungsfällen und denjenigen
der Unterstützung italienischer Staatsangehöriger insofern nicht bestehe,
als die Uebernahme des transportfähigen Schweizerbürgers durch

416 staatsrecht-

seinen Heimatkanton ohne weitere Verzögerung vor sich 'gehe, die
Durchführung des Uebernahmeverfahrens mit Italien dagegen Monate
erfordere, während welcher der Heimatstaat für die Untersuchungskosten
noch nicht autkomme, ist unbehelflieh ; denn das Moment der ungleichen
Dauer der Unterstützungspflicht des Erkrankungsortes berührt die erörterte
tatsächliche Grundlage dieser Rechtspflicht nicht. Allerdings wird ein in
der Schweiz niedergel assener mittelloser Ausländer aller Regel nach am
Niederlassungscrte selbst erkranken, so dass die Unterstützungspflicht
normalerweise tatsächlich dem durch die besondere Rechtsbeziehung
der Niederlassung mit ihm verknüpften Kanton aut'fäilt. Allein
begriffiich handelt es sich in diesen Regelfällen, gleich wie bei den
Ausnahmen vorliegender Art, oder wenn der mittellose Ausländer sich nur
vorübergehend in der Schweiz aufhält und während dieses Aufenthaltes
erkrankt, nicht sowohl um eine völkerrechtlich oder bundesstaatsrechtlich
begründete, als vielmehr um die dem modernen Staate sich selbst gegenüber
bestehende, unmittelbar aus der eigenen Zweckbestimmung entspringende
Pflicht, die auf seinem .Gebiete befindlichen Personen überhaupt, ohne
Rücksicht auf ihr rechtliches Verhältnis zu ihm, nötigenfalls vor dem
physischen Verderben zu bewahren. Und diese Pflicht kann eben nur dem
Staate des Erkrankungsortes, nicht demjenigen des Niederlassungsortes
als solchen, obliegen.

3. Danach wäre der Kanton Thurgau dem Kanton Zürich zum Ersatze der
streitigen Unterstützungskosten nur verpflichtet, wenn, wie Zürich
auch noch geltend macht, die Unterstützungshedürftigkeit der Domenica
Lucci schon eingetreten sein sollte, als dieselbe sich noch im Kanton
Thurgau befand, und dieser Kanton deshalb in Wirklichkeit als Kanton des
Erkrankungsortes zu betrachten wäre (vergl. hiezu BGE 31 I N° 75 Erw. 2
t. S. 407 H. und die dortige Verweisung). Hievon kann jedoch nach Lage
der AktenStaatsrechtl. Streitigkteiten zwischen Kantonen. N° 47. 417

nicht die Rede sein. Als Erkrankungsort ist aus dem Gesichtspunkte der
fraglichen Unterstützungspflicht der Ort zu bezeichnen, wo die vorhandene
Krankheit in einer Art und Weise erkennbar wird, die das Einschreiten der
Behörden als pflichtgemässes Gebot erscheinen lässt. Vorliegend aber fehlt
jeder bestimmte Nachweis dafür, dass dies schon in Frauenfeld geschehen
sei, bevor die (wahrscheinlich allerdings damals bereits geistesgestörte)
Lucci den nach Winterthur abgehenden Zug besticg, während in den erwähnten
früheren Fällen jeweilen feststend, dass der auf dem Heimtransport
durch die Schweiz als trausportunfähige befundenc kranke Ausländer von
Rechtswegen nicht hätte vom Niederlassungsorte fortspediert werden sollen,
weil seine Transportunfähigkeit den dortigen Behörden bei pflichtgemässer
Aufmerksamkeit schon erkennbar gewesen wäre. Dagegen darf hier aus dem
tatsächlichen Verhalten der Zürcher Behörden ohne weiteres geschlossen
werden, dass die Lucci in Wiesendangen als versorgungsbedürftig erkannt
worden ist. Der nachträgliche Einwand, sie hätte damals nicht notwendig
versorgt zu werden brauchen, sondern nach ihrem Zustande auch einfach
mit einem Billet versehen wieder nach Frauenfeld zurückgeschickt werden
können, erscheint deshalb als hinfällig. Mag es auch auf blossem Zufall
beruhen, dass sie auf zürcherischem Gebiete als geisteskrank erkannt und
versorgt wurde, so ist doch eben diese Tatsache entscheidend für die Frage
der Unterstützungspflicht. Es kann daher auch von einer Unbilligkeit,
diese dem Kanton Zürich aufzuerlegen, nicht gesprochen werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt : Die Klage wird abgewiesen.