298 Strafrecht.

H. FABRIKUND HANDELSMARKENMARQUES DE FABRIQUE ET DE COMMERCE

33. Urteil des Kessetionshefes vom 27.Mai1914 i. S. Gebrüder Weit-i
gegen Verein Münchener Brauereien.

Münchener Bier ist Herkunftsbezeichnu ng und nicht zur
Qualitätsbezeichnung geworden. Inwieweit darf der Ausdruck vermittelst
Beifügung eines Zusatzes als Qualitätsbezeichnung verwendet werden ?
Gebrüder Welti's Spezial Münchner Bier, Baden bildet keine zulässige
Qualitätsbezeichnung. Frage des strafr echtlichen Verschuldens bei
unzulässiger Verwendung ven Herkunftsbezeichnungen.

A. Die Kassationskläger sind Teilhaber der Kollektivgesellschaft Gebrüder
Velti zum Falkenbräu in Baden. Als Reklai iemiätel für den Vertrieb
des von ihnen hergestellten Bieres haben sie in Wirtschaften, die ihr
Bier ausschenkeaz, verwendet :

a) Plakate mit der Aufschrift Gebrüder Velti's Spezial-Münchnerhier Baden
. Der die obere Zeile einnehmende Firmaazame ist mit verhältnismässig
viel kleinern Lettern geschrieben, als die Worte Spezial-Münchnerbier
der Mittelzeile, deren Buchstaben zudem durch Umrandung hervorgehoben
sind. Das zu unterst stehende Wort Baden weist wiederum kleinere
Lettern auf.

b) Deckelgläser mit der Aufschrift Gebrüder Weili's Münchner Bier Baden.

Auf Grund dieser Tatsachen hat der kassatiousbeklagte Verein, ein
Verband von Münchener Bierbrauereien zum Zwecke der Wahrung gemeinsamer
gewerblicher Interessen, gegen die Kassationskläger wegen unbefugten
Gebrauchs der Herkunftsbezeiehnung Münchener Bier Strafklage erhoben. Die
erste Instanz, das Bezirksgericht Baden, hat die Angeschuldigten von
Schuld und Strafe freigesprochen, das aarganische Obergeriehl dagegen
hatFabrikund Handelsmarken. N° 33. 25!!!

sie auf Beschwerde des Kassationsbeklagten hin durch Urteil vom 24. Januar
1914 der Übertretung des Art. IS MSchG schuldig befunden und gemäss den
Art. 25 und 267I dieses Gesetzes zu je 50 Fr. Geldbusse, für den Fall
der Zahlungverweigerung zu 10 Tagen Gefangenschaft vorurteilt.

B. Gegen dieses Urteil richtet sich die nunmehrige gültig erhobene
Kassationsbeschwerde der Angeschuldigten. Sie beantragen: Es sei das
angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, das die eingeklagten
Plakate und Deckelgläser nach dem MSchG nicht verboten und ihr Gebrauch
durch die Kassationsklägcr nicht strafbar sei und es sei der Fall in
diesem Sinne zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Der kassationsbeklagte Verein hat auf kostenfällige Ahweisung der
Beschwerde angetragen.

Der Kassationshof zieht i n E r w a g u n g :

1. In erster Linie behaupten die Kassationskläger, die Bezeichnung
Münchener Bier sei aus einer Herkunftszu einer Qu alitätsbezeichnung
geworden und ihre Verwendung daher nach Art. 20 Ziff. 2
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 20
1    ...18
2    Gewähren für die Schweiz verbindliche völkerrechtliche Verträge weitergehende Rechte als dieses Gesetz, so gelten diese auch für schweizerische Staatsangehörige.
MSchG auch
den-Brauereien ausserhalb Münchens gestattet. Die Vorinstanz hält
diese Auffassung für unrichtigSie stützt sich im wesentlichen auf
den Bundesgerichtsentscheid vom 18. März 1907 i. S. des heutigen
kassationsbeklagten Verbandes gegen Hofer und Gassner (BE 33 I N°
25), wonach angenommen wurde, dass es für die Beurteilung der Frage
nicht sowohl auf die Übungen und Gepflogenheiten der schweizerischen
Brauereien und des Wirtestandes ankomme, welche Kreise naturgemäss
die Tendenz hätten, eine renommierte Herkunftsbezeichnung in eine
Qualitätsbezeichnung umzuwandeln, sondern auf den Sprachgebrauch in der
Auffassung des konsumierenden Publikums und für dieses jedenfalls sei
der Ausdruck Münchener Bier Herkunftsbezeichnnug. Diese

300 Strafrecht.

bundesgerichtliche Feststellung, erklärt nun die Vorinstanz, treffe
auch heute noch zu und sie gelte im besondern auch für den Kanton
Aargau. Zwar Würden erfahrene Konsumenten darauf achten, ob das Bier
die Spezialmarke einer Münchener Brauerei trage, aber wohl die Mehrheit
der Personen, vor allem auf dem Lande, mache diese Unterscheidung nicht,
sondern stelle lediglich auf die Bezeichnung Münchener Bier , als die
eines in München gebrauten Bieres, ab, und denke bei dieser Bezeichnung
durchaus nicht an eine gewisse Brauart. _ Es lässt sich nicht sagen
und wird von den Kassationsklägern auch nicht behauptet, dass diese
Würdigung in rechtlicher Beziehung zu Bedenken Anlass gehe, namentlich
dass sie die Begriffe der l lerkunftsund der Qualitätsbezeichnung oder
die Voraussetzungen für die Umwandlung der einen Bezeichnung in die
andere rechtsirrtümlich auffasse. sodann weicht auch die tatsächliche
Grundlage, auf der die Streitfrage im vorliegenden Falle zu beurteilen
ist, von der beim genannten Bundesgerichtsentscheide gegebenen nicht
in der Weise ab, dass die Frage nunmehr anders zu lösen wäre. Die Ras
sationskläger machen zwar ,geltend, der Umwandlungsprozess von der
Herkunftszur Beschali'enheitsbezeichnung Münchener Bier habe sich
seit jenem Urteile von 1907 vollzogen. Allein irgendwelche erhebliche
Tatsache hiefür haben sie nicht anzugeben vermocht. Ihre Behauptung,
es gehe ein besonderes, von München aus exportiertes Müncheueimalz ,
ist für die Frage bedeutnngslos. Im übrigen aber erweist sich wohl
die Unrichtigkeit dieses Standpunktes für den Richter schon aus der
allgemeinen Lebenserfahrung Und endlich ist noch auf die bei den Akten
liegende Sammlung zahlreicher Gerichtsentscheidungen aus verschiedenen
Ländern, worunter mehrere von schweizerischen Gerichten, zu verweisen,
die dartun, dass der kassations-Fabrikund Handelsmarken. N° 33. 301

beklagte Verein auch in den letzten Jahren gegen die Bestrebungen, dem
Worte Münchener Bier den Charakter einer Herkunftsbezeichnung zu nehmen,
nach Kräften und mit Erfolg aufgetreten ist.

2. Im weitem stellen die Kassaticnskläger darauf ab, dass sie den
Ausdruck Münchener Bier nicht für sich allein verwendet, sondern
mit Zusätzen versehen und ihm namentlich ihren Firmaname beigefügt
haben, wodurch er zu einer markenrechtlich nicht mehr schutzi'ähigen
Qualitätsbezeichnung geworden sei. Sie berufen sich hiebei ebenfalls
auf den erwähnten Bundesgerichtsentscheid: In jenem Prozesse hätten
sich nämlich die Sachverständigen dahin ausgesprochen, dass Münchener
Bier nur in Verbindung mit der Angabe einer Schweizer Brauerei als
Qualitätsbezeichnung aufgefasst Werden könne, und das Bundesgericht selbst
habe damals die Verbindung des Namens der (auswärtigen) Brauerei mit
der Bezeichnung Münchener als ein Beispiel einer hinreichend deutlichen
Qualitätsbezeichnung erklärt. Hierüber ist zu bemerken:

Es darf wohl als eine allgemeine Tendenz der gegenwärtigen Gesetzgebung
und Rechtsprechung betrachtet werden, im Gebiete des wirtschaftlichen
Wettbewerbes auf möglichst wirksame Weise den Grundsatz von Treu
und Glauben im Verkehr und den Schutz des Rechts der Persönlichkeit
zur Geltung zu bringen. Von diesem Gesichtspunkte aus liesse sich,
was im besondern die Herkunftsbezeichnungen anlangt, fragen, ob nicht
schon nach dem gegenwärtigen MSchG in Verbindung mit den Bestimmungen
des Art. 223 der eidgen. Lebensmittelverordnung vom 8. Mai 1914
(eidgen. Gesetzes-sammlung N. F. XXX S. 180), wonach in jedem Bierlokal
die Firma, deren Bier ausgechenkt wird, anzubringen und der Ausscheian
von Bier unter falscher Herkunftsbezeichnung verboten ist, es überhaupt
als unstatthaft angesehen werden müsse, Herkunftshezeichnungen

3302 Strafrecht.

mit Zusätzen zu versehen, um dadurch die Möglichkeit ihres Gebrauches
als Qualitätsbezeichnung zu erlangen, (in diesem Sinne besonders auch
ein von OSTERRIETH bei der Revision des deutschen Warenzeichengesetzes,
geniachter Vorschlag, vgl. Markenschutz und Wettbewerb, 1:3 S. 369). Eine
solche Regelung würde namentlich alle jene Bestrebungen vereiteln, den
Zusatz gerade deshalb beizufügen, um Unsicherheit darüber bestehen zu
lassen, ob die Herkunft oder die Beschaffenheit der Ware gemeint sei,
und es würde so verhindert, dass eine Umbildung zur Qualitätsbezeiehnung,
statt sich allein durch die organische Wandlung des Sprachgebrauches zu
vollziehen, unter Mitwirkung unerlaubter Machenschaften der Konkurrenz auf
künstlichem Wege zustande kommt oder sich beschleunigt. Einer genaueren
Prüfung dirser Frage bedarf es indessen im vorliegenden Falle nicht: Auch
wenn man nämlich mit jenem frihreren Bundesgerichtsentscheide (dem in
dieser Beziehung auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts entspricht)
grundsätzlich die Verwendung von mit solchen Zusätzen versehene
Herkunitsbezeichnungen den auswärtigen Gewerbetreibenden gestattet, so
muss dies doch, wie das Bundesgericht-schon damals hervorgehoben hat,
in einer Weise geschehen, die eine Täuschung gänzlich ausschliesst und
den Qualitätscharakter der Bezeichnung klar und für jedermann erkennbar
hervortreten lässt. Dass damals das Bundesgericht ais. Beispiel hiefür
die Verbindung des Brauereinamens mit der Herkunftsbezeichnung des Bieres
genannt hat, darf nicht in dem Sinne misverstandeuf oder misdeutet werden,
dass dies nun schlechtweg und vorbehaltlos für alle Wortverbindungen
dieser Art gelten solle, ohne Rücksicht auf die besondern Umstände des
einzelnen Falles. Vielmehr kann jenes Beispiel nach der ganzen Begründung
des Entscheides selbst sich nicht auf solche Fälle beziehen. wo der
Firmaname, sei es als solcher schon, sei es wegen der Art und Weise
seiner Darstellung, nichtFabrikund Handelsmarken. N° 33. 303

genügt, um jeden Zweifel darüber auszuschliessen, dass die geschaffene
Bezeichnung wirklich eine Qualitätsbezeichnung sei.

Solche Zweifel bleiben aber auch hier bestehen: Die Aufschrift sowohl
der Plakate als der Deckelgl'aser kann zu der Meinung veranlassen, dass
die Kassationskläger damit nicht auf ein von ihnen selbst hergestelltes
einheimisches Bier, sondern auf ein von ihnen als Depothalter vertriebenes
Münchenerbier hinweisen wollen. Bei den Plakaten kommt noch dazu, dass
der Firmaname infolge der verhältnismässigen Kleinheit seiner Lettern
vor den Worten Spezial-Münchner Bier ganz zurücktritt, deren Grösse
und Ausgestaltung, namentlich bei Betrachtung aus einiger Entfernung,
die Aufmerksamkeit des Lesers auf sie konzentriert. Was aber den dem Worte
Münchnerbier vorangestellten Ausdruck Spezial hetriiit, so bezeichnet er
nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht, wie die Kassationskläger behaupten,
das unechte, nachgeahmte, im Gegensatz zum Originalerzeugnis, sondern er
weist, wenigstens bei Verbindungen vorliegender Art, auf eine besondere
Beschaffenheit, namentlich die gute Qualität der durch das zugehörige
Hauptwort bezeichneten Sache, hier also des Münchner Bieres hin. In
Wirklichkeit individualisiert er damit die Herkunftsbezeichnung, statt
dass er sie zur Qualitätsbezeichnung verallgemeinert und abschwächt.

3. Stellt sich somit das Vorgehen der Kassationskläger objektiv als
rechtswidrig dar, so fragt sich noch, ob ihnen ein strairechtliches
Verschulden zur Last falle. Zu einem solchen ist nicht erforderlich, dass
die Kassationskläger einen Eingriff in das Recht der Kassationsbeklagten
auf die Herkunftsbezeichnung bezweckt haben, sondern es genügt, wenn sie
nach den Umständen nicht der redlichen und gewissenhaften Überzeugung
sein konnten, kein solches Recht zu verletzen (vgl. BE 37 l S. 542). Gegen
ihren guten Glauben in diesem Sinne

!

ASAÙl iîii'à ' '

304 Strafrecht.

spricht nun, dass den Kassationsklägern als Fachmannern ein Urteil
über die Bedeutung und die Zulässigkeit des Gebrauches der in Frage
stehenden Herkunftsb'eZeichnung zuzumuten war. Sodann muss vor allem
die Art und Weise der Ausgestaltung des Plakates aufiallen, namentlich
die Kleinheit der für den Firmanamen verwendeten Schrift; es deutet
das mit Entschiedenheit darauf hin, dass die Kassationskläger das Wort
Münchner für sich allein und somit als Qualitätsbezeichnung aufgefasst
wissen wollten und dass sie den Firmanamen als Mittel zur Verschleierung
dieser Willensabsicht beigefügt haben. Anderseits haben sie freilich
gewisse V orkehren getroffen, die an sich geeignet sind, das Publikum
über den wahren Sachverhalt aufzuklären: So haben sie bei der Einführung
des Bieres in den Zeitungsannoncen deutlich erklärt, dass es sich nicht
um echtes Münchener handle, und ferner finden sich in den Wirtschaften,
die ihr Bier ausschenken, Wandkalender mit der Aufschrift Falkenbräu
Baden Gebrüder Welti angebracht. Allein daraus folgt keineswegs, dass
die Kassationskläger bei der Verwendung der Plakate und Deckelgläser
nicht schuldhaft gehandelt haben. Auch jene Vor-kehren konnten in
Wirklichkeit zur Verdeekung des bösen Glaubens gedient haben und zudem
mochte es wohl auch dem Interesse der Kassationskläger entsprechen, beim
Vertrieb ihres Biere-s nicht nur die fremde Herkunklsbezeichnung sich
zu Nutze zu machen, sondern daneben auch für die Bekanntmachung, ihres
eigenen Geschäftsnamens zu sorgen. Endlich bieten ihnen laut dem Gesagten
auch die angerufenen Stellen des frühem Bundesgerichtsentscheides keinen
genügenden Rechtfertigungsgrund zur Entlastung von der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit Nach alldem liegt also keine bundesrechtlich
anfechtbare Tatbestandswürdigung oder nnrichiige Anwendung der
Strafbestimmungen des MSchG vor, wenn die Vorinstanz angenommen hat,
dass den Kassationsklägern ein, wenn auch nicht sehr grossesFabrikund
Handelsmarken. N° 34. 305

Verschulden zur Last falle und dass sie daher strafbar seien.

Demnach ha'l der Kassationshof erkannt: Die Kassationsheschwerde Wird
abgewiesen.

34. Arràt de la. Cour da casaation, du 7 juillet 1914, dans la cause
J. .E. M contre Rezzonico et consorts.

'Imitat ion ssdsie .mzareque-s de îabr'iqusse. Nationde del-it
essentiellen (lol fed. art... 228 etsoode pénasil {edel-al art
ZW. 'Im'i-emî-io-n dates-five {de.} e'-WWW : elements -d'appréciassbion
sinécessa i-res; renvoi à l'instance cantonale à teneur side {l'art. 173
OJF.

A. Par jage-dont des 10 12 février 1914, le Tribunal de police dm district
de Lausanne a condamné pour contraven tion aux art. 24 litt. c et 7,
18 al. 3, 25, 26 et 33 de la loi federale sur les marques de fabrique,
les Hommes Theodore Ewald, fabrieant a Bäle, et Charles Gros, iabrieant
à Genève, non presents à l'audience, l'un à '50 fr., l'an-tre à 200
fr. d'amende; il a, par contre, libere de la poursuite le sieur Luigi
Rezzonico, fahrjcant à Lugano, ainsi que les coijkeurs et negoeiants
suivants : Henriette Aneth , Ulysse Campiche, Ernest Schoch, Richard
Spothelfer, Robert Sommerhalder et Ernest Brugger, tous domiciliés à
Lausanne. · '

B. Les faits à la suite desquels une poursuite penale avait été ouverte
contre ces personnes consistalent, pour Rezzonico tout d'abord, dans la
vente aux anti-es incnlpés de flacons d'Eau de Cologne revétus d et1-,
Cjnettes constituant des imitations de la mai-due de fabrique de la
plaignante, la maison J. M. Farina, et eiîectuée par lui depuis moins
de deux ans, mais anterieurement an 28 octobre 1912, date à laquelle. il
a ete