358 A. Oberste Zivilgerichtsinstanz, !. Materieilrechtliche
Entscheidungen.

umgeben. Jmmerhin mag diese Ausgestaltung als solche einfacher und
nicht besonders charakteristischer Natur fein und durch die Art der
Verwendung der Marken (Aufkleben auf die runden Fkächen der Spulen)
nahe liegen. Sodann aber ist als ein die Verwechslungsgefahr steigernder
Umstand noch anzusehen, dass die Fadenniarken in kleinem Format verwendet
werden, was die Einzelheiten zurücktreten lässt, und dass sie Kreisform
haben müssen, damit sie sich den Spulen anpassen. Infolgedessen hat der
spätere Hinterieger einer Marke, will er sich an die Schranken eines
redlichen Wettbewerbes halten, darauf bedacht zu sein, seine Marke schon
in ihren Hauptelementen tunlichst abweichend zu gestalten und er darf
sich nicht mit blossen Veränderungen mehr nebensächlicher Art begnügen Es
bleiben ihm ja auch stets in unbegrenztem Masse andere Formen und Ideen,
um seiner Marke ein individuelles, von den bereits bestehenden völlig
abweichendes Gepräge zu geben.

Neben diesen die objektive Beschaffenheit der beiden Marken betreffenden
Erwägungen fällt sodann in subjektive-: Hinsicht, die Prüfung durch
den Abnehmer anlangend, in Betracht, dass die Marien nicht nur für den
Grosshandel und die dabei beteiligten fachkundigen Kreise berechnet sind,
die die Unterschiede in den Ursprungsbezeichnungen besser wahrnehmen
und genauer daran achten, sondern auch und sogar hauptsächlich für die
Detailkäufer, namentlich Frauen verschiedener Stände und Berufe, also
für Abnehmer, denen in der Regel der geschärste·kaufmännische Blick
in diesen Sachen abgeht und bei denen man zu einem Teil sogar nur
ein verhältnismässig geringes Unterscheidungsvermbgen voraus-setzen
darf. Auch für diese Kreise müsste aber die Marke der Beklagten von
jener der Klägerin hinreichend unterscheidbar sein, um als gesetzlich
zulässig zu gelten. Es ist daher unerheblich, wenn verschiedene von der
Beklagten angerufene Zeugen, die laut vorinstanzlicher Feststellung
zu den Fadenhändlern gehören, die Verwechslungsmöglichkeit verneint
haben. Diesen Aussagen stehen zudem zahlreiche andere von Detailkäusern
gegenüber, die bestimmt im gegenteiligen Sinne laufen. Übrigens hat
der Richter bei der Prüfung, ob eine Verwechslungsgesahr für den in
Betracht kommenden Verkehr bestehenicht schlechthin auf die Aussagen
Dritter abzustellen, sondern bei der Würdigung der Verhältnisse auch
seine eigene LebenserfahrungiO. Expropriationsrecht, N° 63. HH}

zu Rate zu ziehen. Diese spricht aber hier ans den oben erörterten
Gründen, namentlich den die objektive Beschaffenheit der Marienbilder
betreffenden, bestimmt für die Annahme einer täuschenden Ähnlichkeit
beider Marken. Dabei mag bemerkt werden, dass eine solche Ahnlichkeit auch
dann besteht; wenn man bei der Prüfung die gegenüber den Eintragungen
etwas abgeänderten Formen zu Grunde legt, in denen beide Parteien ihre
Marken im Verkehr, wenigstens zum Teil, benutzen

Das Dis-positiv 2 des vorinstanzlichen Urteils, das die Folgen allsälliger
späterer Zuwiderhandlungen gegen das gerichtliche VerBot, die Marke
Nr. 9063 weiter zu verwenden, regelt, ist an sich nicht angefochten
worden und bundesrechtlich auch nicht zu beentstanden

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des
Kantonsd Bern vom LO. November 1912 in allen Teilen bestätigt

10. Expropriationsreoht. Expropriation.

63. Yasng ans dem 'glrteif der staat-rechtlichen Einteilung vom ä. Juni
1913 in Sachen Erben &Wugex gegen Hishi-Minuten

Expropriafion. Gebäudflservdui, begre'mdeè durch Anbringung von
Husetssen (m Hcîceserfassadm zur Befestigung (fer Spaundrälzée für den
elektrischen Straesenbahnbetrieb. Die Meha'belastsiung infolge Anlage
der Dappeispur bedeeet/sit keinen mne-n Eingriff in das Grundeigentum
imSinn non-Hirt! Erw.-G.

( Erw. 2.) Der Vertreter der Rekurrenten hat heute mit Nachdruck den
Standpunkt vertreten, dass in der Belastung ihrer Gebäude mit dem
Tragwerk der zweigeleisigen Strassenbahn in Verbindung mit der Anlage
der Doppelspur ein Eingriff in das Grundeigentum der Rekurrenten liege;
diese hätten s. Z. die An-

360 A. Oberste Zivilgesicàisinstanz. !. Mateiieiirechtliche
Entscheidungen.

bringung der Rosetten nur für die Anlage eines Tramgeleifes gestattet;
der neue Eingriff mache die Rekurrenten tatsächlich zu Erpropriaten
und lasse ihre gegenüber den ursprünglichen Begehren übrigens bedeutend
reduzierten Entschädigungsforderungen als begründet erscheinen.

Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Freilich bedeutet die
Anbringung von Rosetten an Hänserfassaden zur Befestigung der Spann(Quer-)
drähte für den elektrischen Strassenbahnbetrteb einen Eingriff in
das Grundeigentum, indem eine Gebäudeservitut errichtet wird (Eger,
Enteignungsgesetz 3. AuslS. 464). Nun haben aber die Rekurrenten beim Bau
der Strassenbahn im Jahre 1900 die Anbringung der streitigen Rosetten
ohne Entgelt gestattet. Die Servituten bestehen also schon seit Jahren
zu Recht, und es kann sich nur fragen, ob infolge der Erstellung der
Doppelspur eine Mehrbelastun g eintritt, die den Rekurrenten in analoga:
Anwendung von Art. 739
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 739 - Ändern sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes, so darf dem Verpflichteten eine Mehrbelastung nicht zugemutet werden.
ZGB nicht zugemutet werden darf es wäre denn,
dass neue Servitnten errichtet würden. Diese Frage ist eine Tatfrage;
der Befund der Erperten ist daher für das Bundesgericht verbindlich,
wenn er sich nicht als offenbar si unrichtig erweist. Nun stellen die
Experten nicht nur fest, dass an den Rosetten als solchen nichts geändert,
sondern ferner, dass durch die kleine Vermehrung der Spaundrähte, die
sich aus der Legung der neuen Kontaktleitung über dem zweiten Gekeife
ergiht, ein Nachteil für die betreffenden Liegenschaften nicht entstehen
werdeDiese Feststellung ist nicht anfechtbar. Folglich kann von einer
fühlbaren Mehrbelastung der Liegenschaften der Rekurrenten durch das
Tragwerl der Doppelfpur nicht die Rede sein; eine geringfügige, für die
Rekuirenten nicht fühlbare Mehrinanfpruchnahme fiele nach der zutreffenden
und übereinstimmenden Auffassung der Kommentare zum ZGB ausser Betracht,
Wieland, ad Art. 739 Anm. 2, Leemann, Aum. 3. Ein neuer oder vermehrter
Eingriff in das Grundeigentum der Rekurrenten liegt also tatsächlich nicht
vor und ist von der Justrukiionskommission mit Recht verneint worden.

Für die Auffassung der Reknrrenten iässt sich auch aus dem heute von ihrem
Vertreter angeführten Beispiel der Erstettung eines Rangierbahnhofes
an Stelle einer Station für den durchgehenden Personenverkehr nichts
herleiten. Während hier die aus-10. Schuldbeireibung und Konkurs. N°
64 381

geführte Anlage eine ganz andere ist als die im Erpropriationsplan
vorgesehene, handelt es sich in casa um die Erweiterung der ur.
sprünglichen Anlage auf Grund eines neuen ExpropriationsplanesDer
Vergleich stimmt also in keiner Weise-

Ebenfo fehl geht der Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts vom
7. Mai 1907 i. S. Tschann, VGE 33 II Nr. 28. Tschann hatte für den Bau
der Strassenbahn Land abzutreten und es wurde im Urteil ausgeführt, dass
die bessere Stellung des Erpropriaten gegenüber seinen Nachbarn, die keine
Rechte abzutreten hätten und daher nicht entschädigungsberechtigt seien,
sich aus dem besondern Nexus erkläre, in dem er Vermöge der Erpropriation
zur Erpropriantin stehe. Das Urteil Tschann spricht also gegen und nicht
für die Rekurrenten. Liegt aber ein Fall der Expropriation in casu nicht
bot, so ist auf die einzelnen Entschädigungsforderungen der Rekurrenten
nicht einzutreten.

11. Schuldbetreibung und Konkurs. Poursuites pour dettes et faillite.

54. Ytteil der IZ. Dtvtlabteilung mm 8. guai 1913 in Sachen Ewilan,
Bekl. u. Ber.-Kl., gegen guter, Kl. u. Ber.-Bekl.

Anfechtungsklage. [jezH/zweis der Nichtkemasimls {Ser Vermzîgenshqptin-c
Schuldners kann eum Anfecfetrmgsbelcfflgtcn nicht geleistet
werdet-. see-mzu seine- Liegt-w ils-Verdun/tt. in die Sol-vm: de. r
Schuldnersiv n'bfgibl .

A. Im Jahre 1909 übernahm Berta Kloter das Modegeschäft zur Hutkönigin in
Zurich, dessen bisherige Inhaberin in Konkurs geraten war. Der Beklagte,
ber, wie es scheint, der hauptsächlichste Lieferant des Geschäftes war,
eröffnete der Kloter einen Konto-Korrentkredit von 7500 Fr für den sich
der spätere Ehemann der Kloter, Reinhard Meier, Sohn und dessen Vater
Reinhard Meier, Landwirt und Strassenwärter in Rümlang, am 10. Februar
1909 solidarisch verbürgten. Am 9. Januar 1912

AS 39 11 1913 A