326 A. Slaatsrechttiche Entscheidungen. [. Abschnitt. Bundesverfassung.

III. Doppelbesteuerung. Double imposition.

57. gilt-teil vom 3. Juli 1913 in Sachen Dieglerszieqler gegen BMW
und gaafshauseu.

Steuerrechtliches Sonderdomizii der Sommeraufenthalter : Voraussetzungen
desselben und Uni,/img seiner Wirksamkeit. Es bezieht sich. nur auf die
Steuerpflicht für dns persönliche Vermögen und das hieraus fliessende
Einkommen, dagegen nicht auf den Erwerb aus der am li'nhnorte ausgeùîblen
geschäftlichen Tätigkeit. '

Das Bundesgericht hat auf Grund folgender Aktenlage:

A. Der RekurrentKarl Eduard Ziegler-Ziegler ist, neben seinem Sohne
Ed. Ziegler-Studer, Teilhaber der Firma Ziegler & Sohn, der Inhaberin der
Zieglerschen Tonwarenfabrit Schaffhausen. Deren Geschäftsliegenschasten
befinden sich, durch einen Steg über den Rhein verbunden, teils (in
der Hauptsache) in der schaffhauserischen Gemeinde Neuhansen, teils
in der zürcherischen Gemeinde Flurlingen; doch ist der Fabrikbetrieb
seit anfangs 1912 unbestrittenermassen auf die Gebäulichkeiten in der
Gemeinde Neuhausen beschränkt. Karl Eduard Ziegler nimmt hinsichtlich
feiner Erwerbstätigkeit ausschliesslich an der geschäftlichen Leitung
der Tonwarenfabrit teil. Er besitzt persönlich ein Wohnhaus, zum Luft,
in Schaffhausen, das er, mit Ausnahme der Sommermonate, auch tatsächlich
bewohnt. Während des Sommers dagegen verlegte er seit einer Reihe von
Jahren seinen Aufenthalt jeweilen in ein neben den Fabrikräumlichkeiten
in Flurlingen gelegenes und im Eigentum der Firma stehendes Wohngebäude
zum Rheinfels. Mit Rücksicht auf diesen Sommeraufenthalt bezahlte er bis
Ende des Jahres 1911 gemäss einer Verständigung mit der Gemeindebehörde
von Flurlingen daselbst jeweilen für ein Vermögen von 12,000 Fr. die
nach der Aufenthaltsdauer berechneten Gemeindesteuern, während er
seiner Steuerpflicht im übrigen in Schaffhausen nachkommt. Hier ist
er von jeher, ohne Unterbruch, zur Ausübung seiner politischen Rechte
zugelassen worden. Da-.... Doppelbesteuerung. N° 57. 327

neben war er längere Zeit auch im Stimmregister der Gemeinde Flurlingen
eingetragen, bis die Gemeindebehörde im Jahre 1907 auf diese Eintragung
zurückkam und ihm das Stimmrecht, von dem er gelegentlich Gebrauch gemacht
hatte, absprach, indem sie unter Hinweis auf Wettsteins Kommentar zur
zürcherischen Gemeindegesetzgebung wesentlich damit argumentierte, dass
er nicht zugleich in Schaffhausen und in Flurlingen politische Rechte
ausüben dürfe. "

Anfangs 1912 schrieb K. E. Ziegler dem Gemeinderat von Flurlingen, dass er
in Zukunft dort keine Steuern mehr bezahlen werde, da er seinen Wohnsitz
ununterbrochen im Luft in Schaffhausen habe und sein Sommeraufenthalt
inFlurlingen kein besonderes Steuerdomizil begründe. Die Gemeindebehörde
hielt jedoch, als Ziegler im Juni 1912 wiederum den Rheinfels bezog, an
ihrem Steueranspruche fest und schätzte jenen mit einem steuerpflichtigen
Vermögen von 60,000 Fr. ein. Hiegegen beschwerte sich Ziegler bei der
zürcherischen Finanzdirektion unter grundsätzlicher Bestreitung dieser
Stenerpflicht im Sinne des bereits erwähnten Rechtsstandpunktes

Die Finanzdirektion gelangte zu der Annahme, es liege hier ein
Fall des Sommeraufenthaltes vor, für den die bundesgerichtliche
Doppelbesteuerungspraris eine Ausnahme vom Grundsatze der Steuerpflicht
am zivilrechtlichen Domizil anerkannt habe. Der Umstand, dass das Haus,
welches der Reknrrent in Flurlingen bewohne, nicht ihm persönlich,
sondern der Zieglerschen Kollektivgesellschast gehöre, sei unerheblich,
und die übrigen Voraussetzungen des sommerlichen Steuerdomizils seien
ebenfalls gegeben: Der Rekurrent habe das Haus mit eigenen Möbeln
ausgestattet, so dass es jederzeit von ihm als Wohnung benutzt werden
könne, und habe es wirklich mit seiner Familie, nicht etwa bloss ab
und zu während etlicher Wochen des Sommers 1912, sondern auch in diesem
Sommer, wie schon seit einer Reihe von Jahren, während mehrerer Monate
bewohnt. Er hätte schon in den früheren Jahren für die Dauer des Wohnens
in Flurlingen auch zur zürcherischen Staatssteuer herangezogen werden
sollen, und es gebühredem Gemeinderat Flurlingen eine Rüge dafür, dass
er bloss für·die Gemeindesteuer eingetreten sei und nicht zugleich die

328 A. Staatsrechtliche Entlcheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

Interessen des Staates wahrgenommen habe. Die Steuerpflicht beziehe
sich auch nicht bloss auf das bewegliche Privatvermögen, sondern ebenso
auf das persönliche Einkommen des Rekurrenten Dessen Sache sei es, sich
bei den Behörden des Kantons Schaffhausen um Entlastung von der dortigen
Besteuerung für die Zeit, innert der er im Kanton Zürich steuerpflichtig
sei, zu verwenden. Demnach erliess die Finanzdirektion am 5. Oktober
1912 folgende Verfügung:

I. Herr Karl Eduard Ziegler-Ziegler in Schaffhausen und Flurlingen ist
für die Dauer feiner jeweiligen Sommerausenthalte in Flurlingen an diesem
Orte für sein bewegliches Privatvermögen staatsund gemeindesteuerpflichtig
und für sein persönliches Einkommen staatssteuerpflichtig

II. Die Steuerkommission von Flurlingen wird eingeladen, die Vermögensund
Einkommenstaration des K. Ed. Ziegler-Ziegler pro 1912 besörderlich noch
vorzunehmen und ihm eine Tarationsanzeige zuzustellen.

Der Rekurrent zog die Angelegenheit an den Regierungsrat des Kantons
Zürich weiter; dieser teilte jedoch die Auffassung der Finanzdirektion
und wies den Rekurs durch Beschluss vom 7. November 1912 ab.

Anderseits erhielt K. E. Ziegler vom kantonalen Steuerkommissariat
Schaffhausen auf sein Gesuch umBerücksichtigung des zürcherischen
Steueranspruchs bei der dortigen Steuereinschätzung am 7. Dezember 1912
die Antwort, das Steuerrecht für sein in Schasfhausen deklariertes
Vermögen werde aufrecht erhalten; wenn er überzeugt sei und den
untrüglichen Nachweis erbringen könne, dass bei der Steuereinschätzung in
Flurlingen ein Vermögensobjekt betroffen werde, das auch in Schaffhausen
zur Versteuerung veranlagt sei, so sei es seine Sache, wegen unzulässiger
Doppelbesteuerung den staatsrechtlichen Rekurs zu ergreifen.

B. Hierauf hat K. E. Ziegler-Ziegler mit Eingabe seines Vertreters
vom 9. Dezember 1912 den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht
erklärt und unter Berufung auf Art. 46 Abs. 2
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 46 Mise en oeuvre du droit fédéral - 1 Les cantons mettent en oeuvre le droit fédéral conformément à la Constitution et à la loi.
1    Les cantons mettent en oeuvre le droit fédéral conformément à la Constitution et à la loi.
2    La Confédération et les cantons peuvent convenir d'objectifs que les cantons réalisent lors de la mise en oeuvre du droit fédéral; à cette fin, ils mettent en place des programmes soutenus financièrement par la Confédération.10
3    La Confédération laisse aux cantons une marge de manoeuvre aussi large que possible en tenant compte de leurs particularités.11
BV den Antrag gestellt:

Es sei der Anspruch der zürcherischen Steuerbehörden auf Besteuerung
des Privatvermögens und persönlichen Einkommens von

lll. Doppelbesteuerung. N° 51. 329

Herrn Ed. Ziegler gegenüber der Gemeinde Flurlingen un': dem Kanton
Zurich als unberechtigt abzuweiseu.

Eventuell: Es wolle das Bundesgericht darüber Verfügung treffen, welche
Teile seines Vermögens und seines Einkommens er im Kanton Schaffhausen
und welche im Kanton Zürich zu versteuern verpflichtet sei.'l

Zur Begründung werden die massgebenden Verhältnisse für das Jahr 1912 wie
folgt geschildert: Der Rekurrent habe die Wohnung in seiner Liegenschaft
zum Luft in Schaffhausen nie aufgegeben, sondern sich dort, auch nach
Bezug der Wohnung zum Rheinfels" in Flut-Ungea, mindestens einen Tag in
der Woche aufgehalten. Im Rheinfels sei er ausserhalb der Geschäftszeit
gewesen in der Zeit vom 10. Juni bis 24. September und dann, nach einem
Kuraufenthalt in Mammern, noch einige Tage Ende Oktober. Irgend eine
geschäftliche oder andere Erwerbstätigkeit habe er in Flurlingen nicht
ausgeübt. Der Kreis seiner privaten Geschäfte sei im Luft geblieben, und
seine geschäftliche Betätigung habe sich stets in der Fabrik in Neuhausen
abgespielt. In Flurlingen habe er den reinsten Ferienaufenthalt" gemacht,
unterbrochen durch die Kur in Mammern. Dieser Ferienaufenthalt, der
Umstand, dass der Rekurreut in der betreffenden Zeit, unter vollständiger
Beibehaltung seiner Wohnung in Schaffhausen und seiner geschäftlichen
Tätigkeit auf Schasfhauser Gebiet, während einiger Tage in der Woche in
Flurlingen gefrühstückt, zu Mittag und zu Nacht gegessen und geschlafen
habe, habe daselbst kein Steuerdomizil begründet

C. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat aus Abweisung des Rekurses,
soweit er gegen den dem Masse nach erst noch festzustellenden
zürcherischen Steueranspruch gerichtet sei, angetragen. Aus der
Bernehmlassung ist hervorzuheben: Nach den Erhebungen des Gemeinderates
Flurlingen sei die Behauptung des Rekurrenten, er habe sich im Jahre
1912 auch nach der Ubersiedelung in die Wohnung in Flurlingen mindestens
einen Tag per Woche in der Wohnung in Schaffhausen aufgehalten, offenbar
unzutreffend; das Haus zum Luft sei vielmehr während seines ganzen
Aufenthaltes im Rheinfels geschlossen geblieben. Auch der mehrwöchentliche
Kuraufenthalt des Rekurrenten

330 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. !. Abschnitt. Bundesverfassung.

in Mammern, im September/Oktober, sei in die Zeit seines Wohnens in
Flurlingen einzurechnenz denn der Rekurrent habe diesen Kuraufenthalt
von hier aus angetreten und sei auch nach Flurlingen zurückgekehrt
Flurlingen erscheine nach allem während der Sommermonate ebensowohl als
der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Rekurrenten, wie Schaffhausen
in der kälteren Jahreszeit Dies gehe u. a. auch daraus hervor, dass
jedes Mal ein regelrechter Umzug mit Möbeltransport von Schaffhausen
nach Flurlingen und umgekehrt stattfinde. Übrigens sei ein Teil der
Möbel (wie Bettstellen, Schränke, Tische) jeweilen das ganze Jahr am
einen wie am andern Orte zum späteren Wiedergebrauch zurückgeblieben,
und es dienten die beiden Wohnhäuser in Schaffhausen und Flurlingen
ausschliesslich dem Rekurrenten mit seiner Familie als Wohnung. Angesichts
der Regelmässigkeit des Wohnungswechsels müsse Flurliugeu abwechselnd mit
Schaffhausen als Wohnsitz und damit auch als persönliches Steuerdomizil
des Rekurrenten betrachtet werden. Zum mindesten aber seien die
Voraussetzungen des durch die bundesgerichtliche Praxis anerkannten
Steuerdomizils des Sommeraufenthaltes m eigener Landkampagne mit eigenem
Haushalt gegeben. Hieran ändere der Umstand nichts, dass das Wohnhaus in
Flurlingen als Eigentum der Firma Ed. Ziegler & Sohn eingetragen sei,
da es tatsächlich dem Rekurrenten ständig als seine private Wohnung
zur Verfügung stehe. Das demnach prinzipiell begründete Steuerrecht des
Kantons Zürich und der Gemeinde Flurlingen für die jeweilige Dauer des
Sommeraufenthaltes des Rekurrenten in Flurlingen erstrecke sich aber
auf das gesamte bewegliche Privatvermögen des Rekurrenten und auf sein
privates Einkommen (mit anegriff des Erwerbes aus seiner persönlichen
Tätigkeit im Geschäfte der Firma Ed. Ziegler & Sohn), und es habe der
Kanton Schaffhausen sich einer Besteuerung des Nekurrenten in diesem
Umfange zu enthalten.

D. Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat sich dahin vernehmen
lassen: Der Rekurrent versteuere an seinem Wohnorte Schaffhausen kein
persönliches Einkommen. Es könne sich also in keinem Falle um Teilung
der Steuerpflicht mit Bezug ans sein persönliches Einkommen handeln. Was
aber die Be-

steuerung seines Privatvermögens betreffe, schliesse sich der
Regie-.... Doppelbesteuerung. N° 57. 381

rungsrat dem Hauptantrage des Rekurrenteu und dessen Begründung an. '

E. Gegenüber der Vernehmlassung der zürcherischen Regierung hat der
Rekurrent replizierend geltend machen lassen, die Art der inquisitorischen
Beweiserhebung- der Lokalbehörden von Flurlingen sei offenbar ungehörig,
und es komme den bezüglichen Erhebungen selbstverständlich keine
Beweiskraft zu. Es sei insbesondere wahr, dass die Wohnung im Luft
in Schaffhausen auch während der Ferienzeit in Flurlingen bewohnbar
geblieben und teilweise benutzt worden sei, Ferner stehe auch fest, dass
die ganze erwerbende Tätigkeit des Rekurrenten in feiner Betätigung bei
der Tonwarenfabrik aufgehe; ein persönliches Einkommen besitze er nicht,
sonst müsste er es in Schaffhausen versteuern; sein Geschäftseinkommen
werde von der Gesellschaft Ed. Ziegler & Sohn in Neuhausen versteuert,
wo es erworben werde. _

E. Der Jnstruktionsrichter hat über die streitigen tatsächlichen
Verhältnisse des Aufenthalts des Rekurrenten in Flurlingeu, im Sommer
1912, eine Aktenergänzung durch Einvernahme der vom zürcherischen
Regierungsrate und vom Rekurrenten angerufenen Zeugen angeordnet. Auf
das Ergebnis dieses Zeugenbeweises wird nachstehend Bezug genommen; --

in Erwägung:

1. Die ergänzende Beweisaufnahme des Jnstruktionsrichters hat die vom
Rekurrenten bestrittenen Angaben der zürcherischen Behörden über seine
tatsächlichen Beziehungen zur Gemeinde Flurlingen bestätigt. Nach den mehr
oder weniger bestimmten Angaben aller Zeugen hat der Rekurrent im Jahre
1912 seine Haushaltung, die aus Herrn und Frau Ziegler-Ziegler nebst
zwei Dienstboten bestand, im Laufe des Monats Mai (laut dem Milchbuch
des Milchlieferanten Hengstler auf den 10. Mai) von seinem eigenen
Wohnhause zum Luft in Schaffhausen nach dem der Firma Ed. Ziegler &
Sohn gehörenden Wohngebäude zum Rheinfels in Flurlingen verlegt und
sie daselbst mit Unterbrnch seiner Anwesenheit während eines 3 oder
4wöchentlichen Kuraufenthalts in Mammern im September-,Oktober bis gegen
Ende Oktober führen lassen. Der Haushaltungsbetrieb in Flurlingen hat
also jedenfalls 5 volle Monate gedauert Im Rheinfels befinden

332 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

sich 8 oder 9 Zimmer-, die in der Hauptsache mit älterem
Mobiliar des Rekurrenten ständig ausgestattet sind, weshalb bei der
Haushaltungsverlegung jeweilen, speziell auch im Jahre 1912, wesentlich
nur das Bettzeug (ohne die Bettstellen), Küchengerätschaften und Wäsche
in einem kleinen Möbelwagen von Schaffhausens nach Flurlingen und wieder
zurück transportiert wurden. Während die Haushaltung in Flurlingen geführt
wurde, war das Haus zum Luft in Schaffhausen geschlossen; der Rekurrent
hat in dieser Zeit niemals daselbst geschlafen oder gegessen. Im Laufe
des Sommers 1912 war die in Basel verheiratete Tochter des Rekurrenten
mit zwei Kindern für einige Wochen in Flurlingen aus Besuch, und kürzere
Zeit auch ihr Mann, wobei dieser, wegen Platzmangels im Rheinfels,
in einem .S'gotel, und nicht im Luft", in Schaffhausen logierte.

2. Bei dieser Aktenlage kann kein Zweifel darüber bestehen, dass der
Aufenthalt des Rekurrenten in Flurlingen während der fraglichen fünf
Monate, wenn auch nicht als Verlegung seines zivilrechtlichen Wohnsitzes
von Schaffhausen, so doch als ein Sommeraufenthalt mit Begründung
eines steuerrechtlichen Sonderdomizils im Sinne der einschlägigen
bundesgerichtlichen Praxis anzusehen ist (vergl. hierüber aus neuerer Zeit
die Urteile i. S. Christ: AS 20 Nr. 2 S. 4 ff., und i. S. Stehlin-Merian:
AS 33 I Nr· 115 S. 718 ff.). Denn als Begriffsmerkmale eines solchen
Sommeraufenthaltes hat das Bundesgericht von jeher die Führung des eigenen
Hanshaltes während eines bestimmten, insbesondere eines regelmässig
wiederkehrenden Zeitraums ausserhalb des ordentlichen Wohnsitzes, und
zwar in einem, dem betreffenden Steuerpflichtigen selbst gehörenden Hause,
augesprochen. Hier aber ist mit den zürcherischen Behörden speziell auch
diese letztere Voraussetzung als erfüllt zu erachten, da das Haus zum
Rheinfels in Flurlingen zwar im Eigentum der Firma Ed. Ziegler & Sohn
steht, jedoch vom Rekurrenten als Teilhaber dieses Familiengeschäftes
tatsächlich seit Jahren gleich einem völlig eigenen Besitztum eingerichtet
und benutzt worden ist.

3. Die dem prinzipalen Rekursantrage gemäss zwis en dem Rekurrenten und
dem Kanton Zürich streitige grundsätzliche Frage des Steuerdomizils in
Flurlingen ist demnach in Gutheissung[H. Doppelbesteuerung. N° 57. 333

des zürcherischen Standpunktes, dem sich der Rekurrent übrigens bis
zum Jahre 1912 freiwillig unterzogen hatte, zu bejahen. Damit wird die
vom Rekurrenten eventuell verlangte Abgrenzung der Steuerkompetenzen der
beiden beteiligten Kantone praktisch. In Bezug hierauf fällt in Betracht,
dass der Kanton Zin-ich, wie die Vernehmlassung des Regierungsrates
ausdrücklich betont, für die Aufenthaltszeit des Rekurrenten in
Flurlingen Anspruch auf Besteuerung nicht nur seines Vermögens als
solchen, sondern auch seines Einkommens schlechthin, mit Inbegriff
des Erwerbes aus seiner persönlichen Tätigkeit im Geschäfte der Firma
Ed. Ziegler & Sohn, erheht, während der Regierungsrat des Kantons Schaff=
hausen darauf hinweist, dass der Rekurrent in Schaffhausen überhaupt kein
persönliches Erwerbseinkommen versteuere, weshalb die Teilung einer Steuer
hievon nicht in Frage kommen könne. Dieser Streitpunkt ist in Festhaltung
der durch das Urteil i. S. Christ (a. a. O. Erw. 2 S. 9) geschaffenen
Praxis dahin zu entscheiden, dass das Besteuerungsrecht des Kantons
Zürich auf das persönliche Vermögen des Rekurrenten und das hieraus
fliessende Einkommen beschränkt ist, den Erwerb aus der geschäftlichen
Tätigkeit des Rekurrenten als Teilhabers der Firma Ed. Ziegler & Sohn
dagegen nicht umfasst. Hier führt die vom Bundesgericht stets vertretene
Auffassung, wonach das Erwerbseinkommen grundsätzlich am Wohnorte des
Steuerpflichtigen zu versteuern ist und eine Ausnahme nur zugelassen
wird, soweit die wirtschaftlichen Verhältnisse es rechtfertigen,
einem auswärtigen Geschäftsdomizil, z. B. dem vom 'lsssi'iohnort der
einzelnen Gesellschafter verschiedenen Sitze einer Kollektivgesellschaft,
selbständige steuerrechtliche Bedeutung beizulegen (vergl. z. B. AS
34 l Nr. 101 Erw. 1 S. 672 f.). Denn aus diesen beiden Gesichtspunkten
muss hier die Steuerkompetenz dem Kanton Schaffhausen zuerkannt werden,
indem nicht nur, wie bereits bemerkt , der zivilrechtliche Wohnsitz
des Rekurrenten in Schafshausen während seines Sommeranfenthaltes in
Flurlingen fortgedauert hat, sondern überdies auch der Geschäftsbetrieb im
allgemeinen und speziell die geschäftliche Tätigkeit des Rekurrenten, aus
denen das fragliche Erwerbseinkommen gezogen worden ist, sich stets und
ausschliesslich auf Schaffhauser Kantonsgebiet abgespielt haben. Dagegen
steht die Besteuerung des persönlichen

334 A, Siaalsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

Vermögens und des hieraus fliessenden Einkommens jedem der beiden
Kantone pro rata temporis d. h. dem Kanton Zürich für fünf und dem Kanton
Schaffhausen für die übrigen sieben Monate des Jahres 1912 zu; --

erkannt:

Es wird das prinzipale Rekursbegehren in dem Sinne abgewiesen und über
das eventuelle Rekursbegehren entsprechend dahin entschieden, dass der
Rekurrent als für fünf Monate des Jahres 1912 bezüglich seines Vermögens
und des hieraus fliessenden

Einkommens in Flurlingen und im übrigen, insbesondere, was-

sein Erw erbseinkommen während des ganzen Jahres betrifft, in Schaffhausen
steuerpflichtig erklärt wird.

58. guten vom 10. Oktober 1913 in Sachen säumt & gie. gegen Thurgau.

Verletzung der Garantie des Art. 4 B V? Die Veranlagung der
Gemeindesteuern nach dem Staatsstenerregister des Vorjahres bedeutet,
trotz dem Mangel einer dahin lantenden ausdrücklichen Vorschrift des
kantonalen (thurgauischen) Steuerrechts, keine Willkür. Unzulässigkeit
der Besteuerung einer Kollektivgesellschaft für das ganze frühere
Gesellschaftslcapital, nachdem einer der Gesellschafter unter Rückzug
seiner Kapitaleinlage als solcher ausgetreten ist und gleichzeitig seinen
Wohnsitz nach einem andern Kanton verlegt hat. Verwirkung der Einrede
der Doppelbesteuernng ?

Das Bundesgericht hat auf Grund folgender Aktenlage:

A. Die Firma Sulzer & Cie., eine Kollektivgesellschaft der Teilhaber Hugo
Sulzer, Fritz Sulzer und Heinrich Sulzer-Rieter, war im Jahre 1911 in
Aadorf, wo sie eine Fabrik der Baumwollfärbereibranche betreibt und wo
damals alle drei Gesellschafter auch ihren persönlichen Wohnsitz hatten,
mit 470,000 Fr. Vermögen und 10,000 Fr. Einkommen für die Besteuerung
eingeschätzt worden. Auf den 1. März 1912 trat Heinrich SulzerRieter aus
der Gesellschaft aus und siedelte nach Winterthur über. Dabei scheint
seine bisherige Geschäftseinlage von 160,000 Fr.

lll. Doppelbesteuerung. N° 58. 335

in eine Forderung an die Gesellschaft umgewandelt worden zu sein,'
die er seither unbestrittenermassen mit seinem übrigen Vermögenin
Winterthur versteuert. Mit Schreiben vom 6. März 1912 machte
die Firma der Steuerkommission Aadorf von dieser Veränderung ihrer
Verhältnisse Mitteilung und verlangte gestützt hierauf Herabsetzung ihres
steuerpflichtigen Vermögens auf 300,000 Fr.; gleichzeitig wünschte sie,
in Erneuerung eines bereits früher gestellten Begehrens, Reduktion auch
des steuerpflichtigen Einkommens aus 6000 Fr. mit der Begründung, dass
die früheren Zeiten nicht mehr vorhanden seien und dass man auf nicht
mehr als eine Verzinsung des Kapitals rechnen könne. Diese Eingabe der
Firma blieb bis zum Dezember 1912 unerledigt. In der Zwischenzeit erhielt
die Firma Steuerzettel pro 1912 der Ortsgemeinde, der Schulgemeinde
und der evangelischen Kirchgemeinde Aadorf, die sämtlich auf der
Steuereinschätzung pro 1911 beruhten. Bei der Vorweisung dieser Zettel
erklärte sie dem Steuerbezüger jeweilen

dass sie bereits Reduktion ihrer Steuereinschätzung verlangt habe,

und unterliess die Bezahlung der je in 2 Raten eingeforderten Ortsund
Schulsteuer, während sie die Kirchensteuer im Juli 1912 bezahlte, jedoch
nnbestrittenermassen unter Vorbehalt der teilweisen Rückforderung. Jm
Dezember 1912 wurde die Firma zur Behandlung ihrer Eingabe vor die
Steuerkommission geladen und verständigte sich mit dieser dann dahin,
dass die Taration ihres Vermögens auf 310,000 Fr. und diejenige ihres
Einkommens auf 8000 Fr. herabgesetzt wurde. In diesem Sinne erfolgte
die Berichtigung des Steuerregifters, und die im Januar 1913 erhobene
Staatssteuer pro 1912 wurde danach bemessen. Dagegen erhielt die Firma
von der Ortsund Schulgemeinde Aadors in der Folge die Aufforderung, die
Steuern gemäss den ihr zugestellten Steuerzetteln zu entrichten, und
als sie hierauf berichtigte Steuerzettel, entsprechend der inzwischen
abgeänderten Taration, verlangte, wurde ihr entgegengehalten, sie
hätte zu diesem Zwecke nach § 3 des Gesetzes vom 14. März 1866 über die
Adminisiraiivstreitigkeiten rechtzeitig den Rekurs gegen die Steuerzettel
ergreifen sollen. Und mit der gleichen Begründung lehnte die Kirchenpflege
Aadorf das Gesuch der Firma um Rückerstattung des ihrer neuen Taxation
gemäss zu viel bezahlten Steuerbetrages