256 Oberste Zivilgerichtsinscauz. I. Materiellrechtliche Entscheidungen.

selbst, dass als Heizkörper vorteilhaft die durch das schweizerische
Patent Nr. 15,795 geschützten verwendbar seien, womit zugegeben wird,
dass der durch das nunmehrige streitige Patent bewirkte Erfolg schon
mit einer bereits bekannten Erfindung bewirkt werden ann.

Damit lässt sich als neues Moment im streitigen Patentanspruch allein
noch geltend machen, die Beklagte sei zum ersten Male auf den Gedanken
gekommen, auch grössere Lokale mit elektrischen Heizkörpern zu wärmen,
wobei es sich gezeigt habe, dass eine rationelle (Erwärmung auch solcher
Lokale mit bereits bekannten Arten von Heizkörpern möglich sei. Wenn
nun aber auch eine derartige weitergehende Ausnutzung bestehender
Heizkörpertypen der Initiative der Beklagten zu verdanken wäre, so hätte
diese damit dochn noch keine patentfähige Erfindung im gesetzlichen
Sinne geschaffen Denn eine solche setzt stets voraus, dass kraft ihrer
technischen Schwierigkeiten die sich bisher der Lösung oder einer zweck-
mässigern Lösung eines bestimmten Problems entgegengestellt haben, durch
_ ein neues Mittel oder Verfahren, das der schöpferischen Tätigkeit
des Erfinders entsprungen ist, Überwunden wurden. Hier aber vermöchte
sich die Beklagte nur darauf zu berufen, eine Be: sondere Verwendbarkeit
eines bereits erfundenen Mittels entdeckt und zuerst ausgenützt zu haben
(ver.-gl. auch AS 26 II S 232 Crw. 2).

=). Die Frage, ob der Fall nach dem geltenden Patentgesetze vom 21. Juni
1907 oder, wie es die Vorinstanz getan hat, nach dem frühem Gesetze vom
29. Juni 1888 zu beurteilen sei, kann nnerörtert bleiben, da die für
die Schutzfähigkeit des streitigen

Patents massgebenden Normen die gleichen geblieben rind. Demnach hat
das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird abgewiesen und damit das
Urteil des Zwilgerichts des Kantons Glarus vom 20. Januar 1911 in allen
Zeilen bestätigtZerufnngsinsianz: 5. Erfindungspateute. N° 4-0. 267

40. Yrteii vom 29. Juni 1911 in Sachen gîateau und (Hanc-Fen, Kl
Widerbekl. und Hauptber.-Kl., gegen gt.-®. der Maschinenfabriken von
Esther-, Zdyfz & gie. und 351in, Bekl Widerkl. und Anschlussber.-Kl.

Patentgesetz v. 29. Juni 1888 (aPatG) : Legitimation des
Lizenzberechfigten zu?" Patentnechahmnngsklage schon ear (le? amtlichen
Eà-nregéstréerung des Lizenzoert-rages (Art. 5 Abs. 2, 19 u. 26 Abs. 1
aPatG). Stellung der Berufzmgse'nstanz zu der vom kantonalen Richter in
Potentsaohen eingehalten Ewpertise. Unzulässigkeit dee naehtv'ägliohen
Beibringnng eines Meschinenmedels als prozessuales Beweisméttel, dagegen
Zulässigkeit der Vorfühmng dieses Modells en der Berufungsoeehandlung
zur Vermittelung des Verstand-Moses der tatsäehäiehm (technischen)
Partelaneringen. Art. 14 Ziff. 1 aPatG ist Masse Oreinnngseoa'sclw'lfz;
die wesentiiehen Merkel age der Erfindung können, daher auch aus der
den Patentwnspfflch e;läutemden Palenäoesehreébeng entnommen werden
Prüfung (lee Fra-ge, ob bei einer Dampfmaschine {Dampfturbinfl der
Erfindungscharahafier in der besonderen anleäion und Arbeitsweise des
Dampfes ode-:* in der feonstruhtiven Ausgestaltung der Maschinen, und in
etc-Meinen {(o esteeletionselementen oder in der Maschine als Gansemsi. im
Sinne eines Kombinationspolen-les, liege. -Kombinationspatent: Frage, ob
der Erfindungsgegenstand nur die konkrete (in der Petentbeseheeibng und
seidenen-to einrgesieixte) A nsfnhrungsform bileie, oder ein als?ge meines
Lò's nn gspre'nz i p, fees" cla-s; die Patentbeschreibemg und -zeichnung
nur eine beispielsweise bestimmte Lò'sungsart augeeen. Selbständige
Würdigung der rechts-Zonen Seite eîéeseaFrage also-on den Richie?°
gegenüber den Erc'irtemngen der ExperienPrüfung der Sohutzfähigkeit
der einzelnen Patentansprüche auf Gru-nd der Expertise. Unzulässig/ceil
der nachträglichen Abänderung des lob-sittseines in der Patenlsohrift
{Omelia ten Ansprnches. Bedeutung des Erääschens des Patentes
fes-Idie Niehtigkeitshäage. Nfehtigkeitsklage der Inhaber eines Kom-
binationspeetentes gegen den Inhaber eines Patentes mit Verschieden-en
Elnzeiansprüchen. Art de? Vergleiekung beider Patente bei Präsan der
Klage. Nachahmungsklage. Berechtigung des Klägers, bei der von den
Experten manuell-menden Besichtigung des Gegenstandes eilesbehaupteten
Nachahmung teilzunehmen? Kant. Beweises-sittsfrage. Verneinung der
Nachahmung, wee'l beide Patente auf einer frei oerwendbaren Grundlage
beruhen, auf der jedes eine neue sehntzfähige Kombinaéion geschaffen hat.

288 Oberste Zivilgerichtsinstanz, lsi Materiellrechtliche Entscheidungen.

A, Durch Urteil vom 5. Juli 1910 hat das Handelsgeri cht des Kantons
Zürich in vorliegender Rechtsstreitsache erkannt:

Das schweiz. Patent Nr. 24,473 wird mit Bezug auf die Patentansprüche
1 und 6 9 für nichtig erklärt. Im übrigen werden Hauptund Widerklage,
soweit sie nicht in Erw. 1 3 prozessualisch unzulässig erklärt worden
find, abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil haben Die Kläger gültig die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen mit den Anträgen:

I. Es seien 1. Die Klagebegehren in vollem Umsange gutzuheissen. 2. Die
sämtlichen Widerklagebegehren abzuweisen, insbesondere sei die
Nichtigkeitsklage gegenüber dem schweizerischen Patent Nr. 24,473 auch
mit Bezug auf die Patentansprüche 1 und 6 9 abzuweisen

II. Soweit der angefochtene Entscheid gemäss den Erwägungen 1 und Z die
Klagebegehren für unzulässig erklärt habe, sei er aufzuheben und seien
die Akten an die Vorinstanz zurürkzuweisem mit dem Auftrage, den Prozess
weiter zu instruieren und ein materielles Urteil über diese Begehren
zu erlassen.

III. Soweit die Zusvrechung der von der Vorinsianz materiell beurteilten
Klagebegehren auf Grundlage der jetzigen Akten nicht möglich sein
sollte, sei der Prozess zur Aktenvervollständigung und Ausfällung eines
neuen Urteils an die Vorinstanz zurückzuweisen. In dieser Hinsicht
würden alle vor der kantonalen Instanz gestellten Beweisofserten
und Aktenvervollständigungsbegehren bestätigt, namentlich auch alle
Anträge betreffend die Anordnung einer Obererpertise und die Ergänzung
der Erpertise

IV. Endlich wolle die Klägerschaft auch alle vor der Vorinstanz gestellten
Eventualbegehren bestätigt haben.

C. Die Beklagten haben, auf Abweisung der klägerischen Berufung antragend,
gültig die Anschlussberusung ergriffen mit den Begehren: 1. Es seien
das Patent Nr. 18,213 im ganzen Umfange und 2. auch der Anspruch 5
des Patentes Nr. 24,4'73 als nichtig zu erklären. Eventuell werde das
mit Eingabe vom 7. Juli 1908 an die Vorinftanz gestellte Begehren um
Ergänzung der Erpertise erneuert. ·

D. Durch Gerichtsbeschluss vom 26. Mai 1911 ist ein Begehren des
Klägers Rateau, es möge vor der ordentlichen Ver-Berufungsinsianzc
5. Erfindungspatente. N° 40. 269

handlung des Streitfalles vor Bundesgericht eine besondere Ver-v handlung
zur Erörterung der rein technischen Seite des Falles stattfinden,
abgewiesen worden. Durch den nämlichen Gerichtsbemm;; ist ferner das
Begehren sämtlicher Kläger, ein von ihnen näher bezeichnetes Modell einer
Rateauturbine zu den Akten zu erheben, in dem Sinne abgewiesen worden,
dass dieses Modell nicht mehr als Beweismittel berücksichtigt werden
könne, immerhin aber beim Vortrage vor Bundesgericht zur Demonstration und
Verdeutlichung der technischen Angaben und Erklärungen im allgemeinen und
nach der rein tatsächlichen Seite hin, unter Beiseitelassung der Frage,
inwiefern das Modell eine schutzfähige Erfindung verlörpern oder eine
Patentverletzung zu erweisen im Stande fei, verwendet werden möge.

E. _ In der Verhandlung vom 17 . Juni 1911, bei der das fragliche
Modell im Sitzungssaale vorgelegen hat, haben die Vertreter der
Kläger die gestellten Berufungsanträge erneuert und aus Abweisung
der Anschlussbetusung geschlossen Der Vertreter der Beilagten hat
die Anschlussbemfungsanträge wiederholt und Abweisung der Berufung
beantragt. Die Beratung des Gerichts ist alsdann auf den 29. Juni 1911
verschoben worden, an welchem Tage sie erfolgt und das Urteil gefällt
worden ist.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Am 7. November 1898 haben die Kläger 1 und 2, Prof. Rateali und
die Firma Santner, Hat-le & Cie., beide in Paris, das eidgenössische
"Patent Nr. 18,213 erwirkt und durch Vertrag vom 12. Januar 1.901 der
Klägerin 3, der A.-G. Maschinenfabrik Orlikon, eine Lizenz zur Verwertung
dieses Patente-s erteilt, welche Lizenzerteilung am 15. September 1905
beim Amt für geistiges Eigentum einregistriert wurde. Die Patentschrift
bezeichnet als Gegenstand der Erfindung: Nouveau systéme de turbine
à vapeur à disques , und erklärt dann einleitend, dass es sich um ein
achsiales Turbinensystem, das eine Reihe beweglicher Scheiben ((tisques)
umfasse, handle. Bei diesem System wird weiter bemerkt, habe der Dampf
nur auf einen Teil der beweglichen Scheiben (Laufräder) Zutritt, welcher
Teil von Scheibe zu Scheibe bis zum vollen Umfange anwachse, so dass die
ersten Scheiben der Reihe teilweise, die letzten vollständig beaufschlagt
seien. Als weitere

AS 37 n 1911 is

270 Oberste Zivilgerichtsinstanz. l. Materiellrechtliche Entscheidungen.

Eigenschaft der Scheiben wird noch ihre grösstmögliche Leichtigkeit
hervorgehoben Alsdann verweist die Patentbeschreibung auf ihr beigelegte
Zeichnungen, représentant à titre d'exemple une forme d'exécution
de l'invention . An Hand dieser Zeichnung-en werden die einzelnen
Bestandteile der Maschine Mantel, Leitschanfelkränze (distributeurs),
Laufräder (disques), Trennungswände (diaphragmes), zusätzliches Laufrad
für Rückwärtsbewegung, die drei mit Dmck-Olschmierung versehenen Lager _
und die Funktion dieser Bestandteile einzeln beschriebenHinsichtlich
der Trommel wird dabei bemerkt, dass sie Bedeutung habe für den
Schiffsantrieb, zur Aufnahme des Propellerschubes. Am Schlusse endlich
findet sich der Patentanspruch (revendication) dahin formuliert: Un
systeme de turbine à vapeur du genre axial comprenant une série de
disques mobiles eu substance comme décrit.

Am Z. Juni 1901 haben die Kläger 1 und 2 ein weitereseidgenössisches
Patent Nr 24,473 verlangt für eine Turbine multicellulaire pour
fluides gazeux destinée à fonctionner d'après le principe de l'action
mit folgenden 9 Valentansprüchen: i. Une turbine multicellulaire pour
fluides gazeux, destinée à fonctionner d'après le principe de l'action
et renfermant une série de rones mobiles, caractérisée par un trace
des aubauges qui est conforme à celui pour les turbines hydrauliques
à action, ed par des distributeurs qui n'occupent qu'une partie de la
cil'conférence des diapsinragmes séparant les roues mobiles les unes
des autres; 2. Dans une turbine telle que reveudjquee sous Chiffre 1,
des roues mobiles constituées par des djsques en tòle métallique rivés
sur un moyeu claveté surl'arbre et dont-la péripbérie est recourbée en
forme d'U ; 3. Dans une turbine telle que revendiquée sous chiffre 1,
des roues mobiles constituées par des disques en tole métallique rivés
sur un moyeu claveté sur l'arbre et sur la péripsihérie desquels est rivée
une cornière en forme d'U supportant les aubes ;4. Dans une turbine telle
que revendiquée sous chiffre 1, des roues mobiles avec des aubes formées
le tòles métalliques embouties, rivées par une extrémité recourbée
à un disque et renforcées dans l'angle de la cour- Bernfungsinstanz:
5. Erfinduugspatente. N° 40. 271

hure par du metal coulé ; les extrémités des aubes placées à la périphérie
étant solidarisées par une jante métallique circulaire rivée sur les aubes
elles-mémes; 5. Dans une turbine telle que revendiquée sous chiffi'e 1,
des diaphragmes en une seule pièce, montés sur l'arbre entre les roues
mobiles et engagés dans les rainures pratiquées sur les deux parties
inférieure et supérieure de l'enveIOppe en vue d'augmenter la solidité
de ces pièces et de rendre minima les fuites de vapeur; 8. Une turbine
telle que revendiquée sous Chiffre 1, dans laquelle les distributeurs
des diaphraglnes successifs sont décalés les uns par rapport aux autres
d'un certain angle, de maniere que le fluide gezeux puisse passer sans
chocs ni tourbillonuements d'une roue mobile an distributeur suivant en
utilisant pour l'augmentation du rendement, la eitesse absolue à la sortie
des reues mobiles, vitesse qui n'est pas négligeable; 7. Une turbine
telle que revendiquée sous chifire il, divisée en deux ou plusieurs corps
reufermant des séries de roues mobiles calées sur des arbres différents,
ces corps étant reliés par des tuyaux pour pouvoir amener le fluide gazeux
de la dernière roue mobile d'un premier corps à le première vroue mobile
d'un corps suivant ; 8. Une turbine telle que revendiquée sous chiffre 7,
dans laquelle deux ou plusieurs des dits corps de turbines sont mnnis de
tuyaux pour amener le fluide gazeux directement dans les premières roues
de ces corps; 9. Dans une turbine telle que revendiquée sous Chiffre 1,
un dispositif d'alimentation de la turbine permettant d'amener le fluide
gazeux à volonté soit ä. la première roue mobile, soit à un distributeur
en ava].

Der Beklagten Nr. 1, der Aktiengesellschaft der Maschinenfabriken von
Escher, Wyss & Cie. in Zin-ict), ist am 9. März 1901 das eidgenössische
Patent Nr. 23,575 für eine Dampfoder Gasturbine mit folgenden drei
Patentansprüchen erteilt worden: 1. Mehrstufige Dampfoder Guè-turbine
mit Überführung des Medium-s von einer Stufe in die andere, dadurch
gekennzeichnet, dass der Ausströmungsraum einer vorhergehenden Turbine
gleichzeitig als Speiseraum einer nachfolgenden Tut-bitte dient;
2. Dampfund Gastnrhine nach Anspruch 1, mit partieller Beaufschlagung,
wobei zwecks Verhindernng einer Saugwirkung an

272 Oberste Zivilgerichtsinstqnz. [. Materielirechtliche Entscheidungen.

den Turbinenrädern seitliche Scheiben vorgesehen find, deren äusserer
Durchmesser gleich dem des zugehörigen Rades ist und welche am äusseren
Umfang für den Austritt des Dampses oder Gases mit Offnungen versehen
sind, dadurch gekennzeichnet, dass an dem Turbinengehäuse befestigte
seitliche Flachringe an die seitlichen Scheiben anschliessen und mit
nahe den Beaufschlagungsstellen und in der Richtung des austretenden
Strahles ver-laufenden Offnungen für das austretende Medium versehen
sind, zum Zweck, den Austritt des Mediums auf jene Stellen zu
beschränken; 3. Dampfoder Gasturbine nach Anspruch 1, bei welcher ein
am Turbinengehäuse befestigter Ring am Radumfang jedes Rades auf die
ganze Radbreite anschliesst, um die Saugwirkung noch mehr zu unterdrücken-

Ein weiteres eidgenössisches Patent, Nr. 25,828, das dem Beklagten
Nr. 2, Jngenieur H. SWL), in Zürich am 7. Januar 1902 für eine
Reguliervorrichtung an Turbinen für gasförmige Fluida erteilt worden ist
Und drei Patentansprüche enthält, ist seither nach der von den Klägern
nicht bestrittenen Behauptung der Beklagten wegen Nichtbezahlung der
Patentgebühr erloschen. Und endlich ist auch das eidgenössische Patent
Nr. 30,382 der Beklagten Nr. 1, das eine mehrstufige Aktionstnrbine
für elastische Treibmittel zum Gegenstand hatte, laut Zeugnis des
eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum vom 13. März 1907 wegen
Nichtleistung des Modellausweises untergegangen. ,

Mit der vorliegenden Klage stellen nun die Kläger folgende Rechts-begehren
:

a) Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte Nr. 1 durch den
Bau und die Lieferung von Dampfmrbinen die den Klägern zustehenden Rechte
aus den Patenten Rateau, nämlich den schweizerischen Patenten Nr. 18,213
vom 7. November 1898 und Nr. 24,473 vom 3. Juni 1901, wider-rechtlich
verletzt habe.

b) Der Beklagten Nr. 1 sei jede weitere Patentverletzung unter der
Androhung einer Schadenersatzleistung an die Kläger im Betrage von 10,000
Fr. für jeden einzelnen Übertretungsfall gericht- lich zu verbieten,
wobei der Anspruch auf Geltendmachung weiterer Schadenersatzansptüche
den Klägern vorbehalten bleibe.

c) Die Veklagte Nr. 1 sei grundsätzlich verpflichtet, den Klägern
den durch die bereits erfolgte Patentverletzung zugefügten
Ver-Berufungsinstanz: 5. Erfindungspatente. N° 40. 273

mögensschaden zu ersetzen und es sei dieser unter Vorbehalt der
Nachforderung auf 100,000 Fr. nebst Zins à 5 0/0 seit der Klageeinleitung
anzusetzen.

d) Die der Beklagten Nr. 1 erteilten schweizerischen Patente Nr. 23,575
und Nr. 30,382 seien für nichtig zu erklären

e) Ebenso sei das dem Beklagten Nr. 2 erteilte schweizerische Patent
Nr. 25,328 für nichtig zu erklären-

Zur Begründung dieser Begehren wurde im wesentlichen geltend gemacht:

I. Die Rateali-Turbine nach Patent Nr. 18,213 zeige ein System von
separaten, weiten b. h. das Laufrad nicht dicht umschliessenden, je
eine Erpansionsstufe bildenden Kammern, in denen je ein Laufrad mit
einem Schaufelkranz rotiere, dessen Beaufschlagung von Erpansionsstufe
zu Erpansionsstufe wachse. Diese Konstruktion gestatte eine denkbar
grösste praktische Ausnutzung des Druckes. Die Rateau-Turbine sei
eine Aktionsturbinez sie sei enehrstufig mehrzellig und arbeite mit
aufeinanderfolgenden Druckgefällen in jeder Belle. Jede Zelle oder
Kammer bilde einen geschlossenen Raum, der je ein Lanfrad enthalte,
und der durch eine Zelltrennwand (Verteilungsdiaphragma) begrenzt
sei, die von der Peripherie zur Achse gehe; alle Zelltrennwände seien
durch eine gemeinsame Hülle miteinander verbunden Die hauptsächlichsten
Merkmale dieser Turbine seien: 1. Ihre Eigenschaft als Aktionsund 2. als
achsiale Turbine. 3. Die Mehrzahligkeit der Räder. é. Jhre Anordnung der
transversalen Verteilungsdiaphragmen (Leiträder) in einer gemeinsamen
Hülle, derart, dass für jedes

Laufrad eine relative grosse Kammer gebildet merde. 5. Stufen-

weises von Zelle zu Zelle aufeinanderfolgendes Druckgesälle. 6. Partielle
Beaufschlagung in der Weise, dass der von den Verteilern eingeschlossene
Teil des Umfanges von Zelle zu Zelle Wachse, um beim letzten Rad den
ganzen Umfang anzunehmen 7. Partielle Beaufschlagung in der Weise, dass,
nachdem die totale Beaufschlagung erreicht sei, eine neue Beaufschlagung
beginne, und zwar vermöge einer entsprechenden Vergrösserung der radialen
Abmessung der Räder und des Zylinders 8. Totale Beaufschlagung in der
Weise, dass die radiale Abmessung der Schaufeln von Leitapparat Zu
Leitapparat zunehme, jeweilen durch den Leitapparat und das

274 Oberste Zivilgerictitsinstanz. ]. Materiellrechtliche Entscheidungen.

darauffolgende Laufrad konstant bleibend, insbesondere je innerhalb des
Leitapparates und innerhalb des Laufrades konstant bleibend.

Die Raman-Turbine besitze gleichzeitig jeweilen mindestens 6 dieser
unterscheidenden, charakteristischen Merkmale Alle 8 Clemente, die
das System der Rateau-Turbine ausmachen, seien auch wirklich aus der
Patentschrist Nr. 18,213 ersichtlich.

Jn wirtschaftlicher und Inaschinenbaulicher Beziehung bestanden bei der
Rateau-Turbine gegenüber den drei Turbinenarten, die bisher praktisch
ausgeführt worden seien, nämlich jener von Parson, de Laval und Carus in
der Hauptsache folgende Vorteile: 1. Gegenüber der Reaktionsturbine von
Parsons eine grosse Verminderung der Zahl von Stufen und Schaufeln, die
Möglichkeit anstatt der kleinen, grosse Spielräume für die Laufräder zu
gestatten und das Fehlen eines Achsenschubes, begründet in der Kombination
des Aktionsprinzipes mit der partiellen Beaufschlagung 2. Gegenüber der
Aktionsturbine von de Laval sei die Rateau-Turbine eben- falls durch
die weit geringere Zahl von Stufen und Schaufeln und eine weit grössere
Leistungsfähigkeit im Vorteil. 3. Curtis endlich erreiche zufolge der
Anwendung von Geschwindigkeitsstufen und der ungenügenden Unterteilung
des Druckgefälles nicht den höchsten Grad der Ausnützung des Dampfes, ein
Fehler, der unkorrigierbar sei, weil im Wesen der Curtis-Turbine begründet
Der neue technische Nutzeffekt ergebe sich bei der Raieau-Turbine aus
der Kombination der partiellen Beaufschlagung, indem der Schub in der
Richtung der Achse vermieden, die Konstruktion durch Zulassung reichlicher
Spielräume zwischen den festen und beweglichen Teilen erleichtert, die
Menge des wirkungslos durchgehenden Damper auf ein Minimum reduziert
und die Zahl der Räder und damit das Gewicht und der Preis der Turbine
bei gegebener Leistung möglichst verringert merde.

II. Während das Patent Nr. 18,213 ein durch 8 Hauptelemente
gekennzeichnetes Turbinensystem schütze, betreffe das Patent Nr:
24,473 eine Serie von konstruktiven Anordnungen In Anspruch 1, dem
Hauptanspruch des Patentes, sei speziell der Schlusssatz hervorzuheben,
der in Verbindung mit der Figur Nr. 16 bis der Zeichnung zeige, was für
eine Hanptverbesserung die Erfinder bei der Ausführung des im Natente
Nr. 18,213 beschrie-Berufungsinstanz: 5. Erfindungspatente. N° 40. 275

benen Turbinensystems erfunden hätten und wofür sie nun das Patent
Nr. 24,473 nachsuchten Die Ansprüche 2, 3 und 4 dieses Patentes bezögen
sich auf die Bauart der Laufriider. Wenn die Zölly-Turbine eine andere
Konstruktionsweise der Laufräder aufweise, so hindere das nicht, dass
sie eine Rateau-Turbine sei, weil sie deren 5 sich an die partielle
Beaufschlagung anschliessende Hauptmerkmale aufweise. Der 5. Anspruch des
Patentes betresfe eine spezielle Konstruktion der Verteilungsdiaphragmen,
die aus einem einzigen Stück hergestellt und in Nuten des Mantels
befestigt seien. Die Ansprüche 7· 8 und 9 bezögen sich auf die allgemeine
Anordnung des Turbinenkörpers und auf gewisse Speisevorrichtungen.

IH. In rechtlicher Beziehung haben sich die Kläger auf den Standpunkt
gestellt, dass die Neuheit der Rateau-Patente nicht in der Neuheit
der einzelnen Elemente bestehe, sondern in der Kombination, dem System
bekannter Elemente, die zur Erzielung vorteilhafterer Gesamtleistungen
in neuer Weise vereinigt worden seien. Hiedurch sei es dem Erfinder zum
ersten Male gelungen, Aktionsturbinen mit mehreren Druckstufen praktikabel
zu gest-alten

IV. Die Klage verweist sodann noch auf ein weiteres (in dem Klagebegehren
nicht erwähntes) schweizerisches Patent, Nr. 25,548, das dem Kläger
Nr. 1 am 19. Oktober 1901 für ein dispositif de réglage automatique
pour turbines à vapeur ou à, gaz erteilt worden ist und für die zu
schützende Druckregulierung drei Ansprüche aufführt Dieses Patent, wird
geltend gemacht, spiele bei der Klage auf Richtigkeit der gegnerischen
Patente insofern eine Rolle, als es diese Patente antizipiere, was für
die Frage wichtig sei. ob nicht die von der Beklagten Nr. 1 erstellten
Neuenbürger-Turbinen (siehe unten) eine widerrechtliche Nachahmung
enthalten.

V. Die Vetlagte Nr. 1 mache nun die Ratean-Erfindung in ihren wesentlichen
und charakteristischen Teilen nach. Obschon sie die Ausbeutung der von
ihrem Direktor, dem Beklagten Nr. 2, erworbenen Dampfturbinenpatente
übernommen habe, entsprächen doch die in letzter Zeit von ihr gelieferten
Dampfturbinen keineswegs den Zöllh-Patenten, sondern sie seien
Nachahmungen der Ratean-Patente, wie das durch die Publikation über die

276 Oberste Zivilgerichtsinsianz. [. Materiellrechfliche Entscheidungen.

von der Beklagten Nr. 1 erstellten Turbinenanlagen zu Tage gekommen
sei. Ausser den nach Neuenburg gelieferten Turbinen seien als solche
Kontraventionsfälle zu nennen, die Turbinen, die für die Zeche Neu-Essen
und für die Zeche Karl der Harpener-Berghart-Aktiengesellschaft
konstruiert worden seien, neben zirka 10 weiteren Turbinen, deren
Bestimmungsort den Klägern nicht oder nicht mit Bestimmtheit bekannt
sei. Geftützt hierauf werde nunmehr auf Feststellung der Verletzung
der klägerischen Patente Nr. 18,213 und 24,473, auf Unterlassung
weiterer Patentverletzungen mit entsprechender Androhung und auf
grundsätzliche Feststellung der Schadenersatzpflicht und Zusprechung
einer Schadenersatzfordernng geklagt.

VL Endlich seien die gegnerischen Patente Nr. 23,575, zer. 30,382
und Nr. 25,328 als nichtig zu erklären. Hinsichtlich des Patente-Z
Nr. 23,575 die Ausführungen über die beiden andern Patente brauchen
hier nicht wiedergegeben zu werden, da die Nichtigkeitsklage in diesen
Beziehungen laut Erwägung 10 ohne materielle Prüfung abzuweisen ist
-wird geltend gemacht: Der Hauptanspruch auf eine mehrstusige Dampfoder
Gasturbine mit den weiteren im Patent bezeichneten Merkmalen sei bereits
durch die Patentschrift Nr. 18,213 antizipiert. Eventuell könne es sich
nur um eine Beschränkung des Hauptanspruchs aus diejenigen besondern
Konstruktionselemente handeln, die gegenüber-. dein Patente Nr. 18,213
noch neu sein könnten Diese-Z Verfahren sei vom deutschen Patentamt
eingeschlagen worden, das der Beklagten Nr. 1 ein deutsches Patent mit den
gleichen Ansprüchen wie dasschweizerische Patent Nr. 23,575 verweigert,
dagegen laut Reichspatent Nr. 141,492 eine engere Fassung zugelassen habe,
die mit dem schweizerischen Rateau-Patent nicht kollidiere und gegen
die die Klägerschaft nichts einwenden molle. Stelle man sich auf diesen
Standpunkt, so seien dann auch die Ansprüche 2 und 3 zu reduzieren und
zwar aus den Umfang des entsprechenden deutschen Patentes Nr. 136,881. Jm
übrigen wird hinsichtlich dieser beiden Ansprüche bemerkt, bag, wenn
der Anspruch 1 hinfällig sei, auch sie dahinfallen, weil sie auf ihn
bezogen würden, und sodann noch erklärt, dass materiell gegen sie nichts
eingewendet merde, da sie mit dem Wegfall des Anspruchs 1 bedeutungslos
seien-Berufungsinslanz: 5. Ersindungspatente. N° 40. 277

3. Die Beklagten haben gegenüber der Klage beantragt:

I. Die ersten drei Begehren seien prinzipiell als unbegründet zu erklären
und abzuweisen

II. Die Nichtigkeitsklage bezüglich des Patente-J Nr. 30,382 von
Esther, Wyss & (Sie. und des Patente-s Nr. 25,328 von Zölly seien
als gegenstandslos geworden abzuschreiben, da die Patente nicht mehr
existierten.

III. Die Richtigkeitsklage bezüglich des Patentes Nr. 23,575 von Escher,
Wyss & Eie. sei als unbegründet zu erklären und abzuweisen; eventuell
sei lediglich der Anspruch 1 zu reduzieren auf den Umfang des deutschen
Patentes Nr. 141,492 von (iîci'siier, Wyss & Cie.

Sodann haben sie widerklageweis e folgende Begehren gestellt:

I. Die schweizerischen Patente Rate-an Nr. 18,213 und Nr. 24,473 seien
als nichtig zu erklären und zwar ersteres im ganzen Umfange und letzteres
bezüglich der Ansprüche 1, 5 bis und mit 9. Eventuell sei der Inhalt des
Patentes Nr. 18,213 festzustellen und zu beschränken auf die Kombination
der in der Patentschrist beschriebenen speziellen Ausführungsform von
Konstruktionselementen einer Turbine mit achsialer Beaufschlagung und
einer Reihe von beweglichen Laufscheiben

IL Es sei in einem besondern Dispositiv (nicht nur durch Abweisung der
bezüglichen Begehren der Hauptklage) festzustellen, dass die Beklagte
Nr. 1 die schweizerischen Patente Nr. 18,213 und 24,473 nicht verletzt
habe.

Ein weiteres Widerklagebegehreu aus Nichttgerklärung des RateauPatentes
Rr. 25,548 ist nachträglich als gegenstandslos wieder fallen gelassen
worden, weil dieses Patent erloschen sei.

Zur Begründung ihrer Anträge bringen die Beklagten im wesentlichen vor:

I. Hinsichtlich der gegnerischen Nachahmungsklage fehle der Klägerin
Nr. 3 die Klaglegitimation, weil sie bei der Litiskontestation noch
nicht als lizenzberechtigt eingetragen gewesen sei. Sachlich sei die
Nachahmungsklage Itnbegründek, da die klägerischen Patente Nr. 18,213
und Nr. 24,473 f letzteres mit Bezug auf die hier

in Betracht kommenden Patentansprüche nichtig seien. Zn dieser

278 Oberste Zivikgerichtsinstanz. [. Materiellrechtliche Entscheidungen.

Beziehung und damit zugleich zur Begründung der Widerklage -sei zu
bemerken:

A. Gegenüber Patent Nr. 18,218:

Es werde bestritten, dass nach der betreffenden Patentzeichuung
Turbinen ausgeführt worden seien und eventuell beweise die zu diesem
Patent übrigens verspätet hinterlegte Photographie nicht, dass die
Ausführungen in der Patentschrift auf einer wirklich perfekten Maschine
fussen. Weiter eventuell werde bestritten, dag, wenn Turbinen nach diesem
Patent konstruiert worden seien, sie funktioniert hätten.

Was die Beurteilung des Patentinhaltes betreffe, so seien gesetzlich
(Art. 14
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 14 - 1 Das Patent kann längstens bis zum Ablauf von 20 Jahren seit dem Datum der Anmeldung dauern.44
1    Das Patent kann längstens bis zum Ablauf von 20 Jahren seit dem Datum der Anmeldung dauern.44
2    ...45
PatG von 1888 und Art. è und 7 der zugehörigen Verordnuug)
Titel und Patentanspruch für die Tragweite des Patentes entscheidend
und die Patentbeschreibung bilde nur die Erklärung zum Anspruch Beim
Patent Nr. 18,213 nun werde der Patentschutz nur für zwei Kennzeichen
beansprucht, nämlich a) für die achsiale Beaufschlagung und h) dafür, dass
die Maschine eine Reihe beweglicher Laufscheiben enthalte Dampfturbinen
aber mit diesen Essentialien seien vor der Patenterwirkung schon längst
bekannt gewesen und es ergebe sich also schon hieraus die Richtigkeit
des klägerischen Patentes. Damn ändere auch der in den Patentanspruch
aufgenommene Zusatz im wesentlichen wie beschrieben- nichts, da er keine
weitern Elemente enthalte, sondern nur besage, dass zur Erklärung der
im Patentanspruch kurz und gedrängt genannten wesentlichen Merkmale auf
die Beschreibung und die Zeichnung-en verwiesen werde-

Übrigens sei die Richtigkeit auch auf Grund von Art. 10 Ziff. 3
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 10
und 4
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 10
des
genannten PatG gegeben, da die Darstellung der Kennzeichen des Patente-Z
unklar, irreführend und sich widersprechend sei, und namentlich nichts
darüber besage, ob die Turbine nach dem Reaktionsoder dem Aktionsprinzip
funktioniere.

Jm weitern sprechen sich dann die Beklagten eingehender Über die von
den Klägern behaupteten 8 Hauptmerkmale der Turbine Nr. 18,213 aus:
Dass sie als Aktionsturbine gemeint sei (Meri? mal 1), lasse sich weder
unmittelbar aus der Patentschrift, noch auf dem Wege des Rückschlusses
entnehmen. Die Merkmale 2 6 achsiale Beaufschlagung, Vielstufigkeit,
Art der Anordnung derBerufungsinstanz: 5. Ertindungspatente. N' 40. 279

transversalen Verteilungsdiaphragmen, stufenweises Druckgefälle und
partielle Beaufschlagung mit Anwachsung zur totalen seien vorbekannt
und die drei letztern davon zudem in der Patentschrift nicht enthalten
Was im besondern das Merkmal 6 anlange, so sei es technisch überhaupt
nicht möglich, dass nach dem klägerischen Patent die Beaufschlagung
beim letzten Rade den vollen Umfang des Schaufelkranzes einnehme. Eine
Konstruktion mit voller Beaufschlagung habe Rateau nicht erfunden und
die partielle Beaufschlagung mit sukzessiver Vergrösserung sei durch
Curtis vorbekannt. Eventuell enthalte der Übergang von der partiellen
zur totalen Beaufschlagung keinen schöpferischen Gedanken, sondern
eine technische Notwendigkeit, wobei zudem die totale Beaufschlagung
vor-bekannt sei. Das Element T Übergang zu einer neuen partiellen
Beaufschlagung sei nicht aus der Patentbeschreibung und auch nicht,
wenigstens nicht klar und bestimmt, aus der Zeichnung zu entnehmen, und
eventuell von der Beklagten Nr. 1 niemals angewendet worden. Das Element
8 endlich sortgesetzte totale Beaufschlagung bei radialer Zunahme der
Schaufeln _ sei im Patent in keiner Weise angedeutet und die radiale
Zunahme der Schaufeln längst vorbekannt.

Falls man übrigens-, wie die Kläger unter Hinweis auf die Worte "SH-sferri
und im wesentlichen im Patentanspruch es möchten, diesen Anspruch auf
die dargestellte Ausführungsform der Turbine im weitesten Sinne beziehen
und also auch die Beschreibung und Zeichnung mit berücksichtigen wollte,
so käme man dann in Wirklichkeit wie näher dargelegt wird nicht nur zu 8
sondern zu vollen 18 Merkmalen Eine solche willkürliche Zusammenstellung
von neuen Merkmalen zu einem System, ohne Angabe, worin dieses System
eigentlich bestehe, sei aber unzulässigund gesetzlich könne so nur auf die
im Patentanspruch genannten zwei Elemente der achsialeu Beaufschlagung und
der Serie beweglicher Laufscheiben abgestellt werden, die aber einzeln und
zusammen kombiniert und auch in Verbindung mit der Aktionswirkung längst
Gemeingut seien. Zu keinem andern Ergebnis komme man, wenn man die in dem
französischen und englischen Rateau-Patent angegebenen Detail-Z beiziehe,
die sämtliche, weil nicht neu oder keine schöpferische Jdee enthaltend,
an Richtigkeit leiden. Dass sich übri-

280 Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materiellrechtliche Entscheidungen.

gens der Kläger Nr. 1 bei der Anmeldung in Frankreich und England auf
einzelne Konstruktionselemente beschränkt habe und dass er im vorliegenden
Prozesse alle Elemente der Rateau-Turbine für sich betrachtet als
vorbekannt anerkenne, lasse darauf schliessen, dass er selbst nicht
der Ansicht sei, ein neues Turbinensystem etfunden zu haben. Dieser
Ausdruck System könne zudem patentrechtlich nur so viel bedeuten als
Kombination oder Gtuppiemug und das Rateau-Patent könne so höchstens
als Kombinationspatent schutzfähig sein. Auch dies sei aber nicht
der Fall, da nicht nur formell eine Formulierung der Patentansprüche
für alle Elemente der behaupteten Kombination fehle, sondern bei der
letztern auch materiell eine schöpferische Tätigkeit oder ein neuer
Nutzeffekt. Endlich könne unter keinen Umständen davon die Rede sein,
dass die Beklagten dieses behauptete Kombinationspatent nachgeahmt hätten.

B. Gegenüber Patent Nr. 24,473:

Der Anspruch 1 bedeute nichts neues, und die übrigen Ansprüche seien
Unteransprüche, die nur in Verbindung mit Anspruch i bestehen könnten
und mit dessen Richtigkeit ebenfalls dahinsielen. Die angegebenen
konstruktiven Details seien ohne innere Wechselwirkung und ihrer
Kombination gehe ein schöpferischer Gedanke ab. Auch in die einzelnen
Patentauspriiche zerlegt, sei das Patent wegen mangelnder Neuheit oder
Originalität unhaltbar.

II. Die weitern Rechtsbegehren der Nachahmungsklage Verbot und
Schadenersatz werden von der Beklagten ebenfalls bestritten.

III. Gegenüber der klägerischen Nichtigkeitsklage beantragen sie
zunächst, soweit sie sich gegen die Patente am: 25,328 und 30,382
richtet, Nichieintreten weil die Patente erloschen seien. Soweit sie
sich gegen das Patent Rr. 23,575 wendet, wird ausgeführt: Der Anspruch
i werde nur in Kombination mit den Ansprüchen 2 und 3 geltend gemacht
und die letztern beträer Anordnungen, die bei der Anmeldung neu gewesen
seien. Das Patent sei daher voll schutzsähig Eventuell wäre der Anspruch
i nicht als nichtig zu erklären, sondern nur auf den Umfang des deutschen
Patente-Z Nr. 141,492 zu reduzieren-

4. Die Kläger haben aus Abweisung der Widerklage an-Berufungsinstanz:
5. Ersindungspatente. N° 40. 281

getragen, ihre Rechts-begehren aufrecht erhalten und im übrigen noch
erklärt, sich für den Fall, dass die Expertengutachten in irgend einem
Punkte zu ihren Ungunsten ausfallen sollten, vorzubehalten, es seien
die Patentansprüche der Beklagten entsprechend einzuschränken, was das
mindere wäre, gegenüber dem im Antrag auf gänzliche Nichtigerklärung
der gegnerischen Patente enthaltenen mehreren.

ò. Mit Unrecht haben die Beklagten die Legitimation der Klägerin Nr. 3
zur Erhebung der Nachahmungsklage bestritten. Nach Art. 26 des hier
anwendbaren Patentgesetzes vom 29. Juni 1888 steht die Nachahmungsklage
Jedermann zu, der ein Interesse nachweist-c Das Klagrecht beschränkt
sich also nicht auf den Patentund den Lizenzberechtigten, und es kann
daher nicht darauf ankommen, dass laut den von den Beklagteu angerufenen
Art. 5 Abs. 2 und 19 des genannten Gesetzes die Lizenzerteilung an die
Klägerin Nr. 3 vor der amtlichen Einregistrierung die erst während der
Prozessinstruktion erfolgte, gegenüber den Beklagten noch nicht wirksam
geworden war. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Klägerin Nt. Z auch
unabhängig von ihrer Eigenschaft als Lizenzträgerin, lediglich schon
als Herstellerin von Turbinen nach dem Raum-Patente ein berechtigtes
Interesse daran hatte, dass die Beklagten solche Patente nicht nachahmeu
(vergl. AS 21 S. 295, 24 II S. 474 Erw. 2 und 27 II S. 246 Erw. 3). Von
diesem Gesichtspunkte aus ist ihre Aktivlegitimation gegeben und schafft
der Entscheid im vorliegenden Prozesse auch für sie Rechtskraft Damit
fällt die weitere, zivilprozessualische Frage ausser Betracht, ob die
Bestreitung der Aktivlegitimation nicht auch deshalb der Begründung
entbehre, weil die Lizenz doch noch vor der Ausfäb lung des Vorentscheides
amtlich eingetragen wurde.

6. Dem Begehren um Anordnung einer Oberexpertise oder um Ergänzung der
vorgenommenen Expertise ist keine Folge zu

gebenBeide Parteien erklären ausdrücklich, weder in die Sach-

kenntnis und Befähigung noch in die Unbefangenheit der vornistanzlich
bestellten Erperten irgendwelche Zweifel zu setzen. Wenn im übrigen die
Kläger geltend machen, dass es für eine objektive zutreffende Lösung
der in Betracht kommenden technischen Fragen wünschenswert gewesen wäre,
nicht ausschliesslich Experten deutscher,

z82 Oberste Zivilgerichtsinsmnz. I. Materiellrechtlîche Entscheidungen.

sondern auch einen solchen französischer Zunge mit der Prüfung des Falles
zu betrauen, so handelt es sich hier um eine vom Bundesgericht nicht
nachzuprüfende Beweisrechtsfrage: Der kantonale Richter hatte gemäss den
Vorschriften seiner Prozessordnung die Sachverständigen zu ernennen ;
ist er nun davon ausgegangen, dass die Beiziehung eines Sachverständigen
aus dem französischen Sprachgebiete weder gesetzlich notwendig, noch im
Interesse der Richtigkeit des Beweisergebnisses wünschbar sei, so lässt
sich darin nichts bundesrechtswidriges finden. Unstichhaltig scheint
sodann auch die weitere Einwendung der Kläger, dass die Experten,
statt ihre eigentliche Aufgabe der Aufklärung des Sachverhaltes in
tatsächlich-technischer Beziehung allseitig zu lösen, sich auf die
recht- liche Beurteilung des Falles eingelassen hätten. Dem ist zunächst
entgegenzuhalten, dass, wenn, wie hier, über das Vorhandensein einer
Erfindung aus Grund einer Patentschrift zu befinden ist, die Tatund
Rechtsfragen sich nicht immer ganz genau von einander trennen lassen. Und
namentlich kommt es sodann für den Richter nicht sowohl darauf an,
ob und in welcher Weise sich die Sachverständigen im Zusammenhang mit
ihren technischen Erörterungen auch in rechtlicher Beziehung äussern,
als vielmehr darauf, dass ihr Gutachten in tatsächlicher Hinsicht dem
Richter eine genügende Grundlage darbiete, um den Fall nach seiner
rechtlichen Seite von sich aus selbständig würdigen und beurteilen zu
können. Das trifft aber hier zu: Die Ausführungen des Hauptin Verbindung
mit denen des Nachtragsgutachtens geben dem Richter in allen Punkten,
über die er zur Ausfällung seines Entscheides orientiert sein muss,
vollständigen und klaren Aufschluss; sie sind auch in keiner Beziehung
aktenwidrig oder sonst bundesrechtlich anfechtbar, und es besteht daher
kein Grund für das Bundesgericht, sich nicht daran zu halten.

Ebensowenig liegt ein Anlass zur Anordnung einer Bittendervollständigung
vor in dem Sinne, dass das heute vorgelegte Modell einer Rateau-Turbine
als eigentliches Beweismittel zu den Akten erhoben und demgemäss den
Erperten zur allfälligen Ergänzung oder Abänderung ihres Gutachtens
vorgewiesen werden sollte. Denn dieses Modell haben die Kläger vor der
kantonalen Instanz nicht als Beweismittel angerufen.Beruf'ungsinstanz:
5. Erfindungspatentc. N° 40. 283

Hinsichtlich der Nachahmungsklage im besondern ist noch auf das unter
Erwägung 12 Abs. 2 ausgeführte zu ver-weisen '

7. Zn der Sache selbst fragt es sich vor allem, ob und 'm welchem
Sinne und Umfange das Pateut Nr. 18,213 eine schutzsähige Erfindung
darstelle. ...

a) Hiebei ist zunächst der Standpunkt der Beklagten zuruckzuweisen, das
Patent sei nichtig, weil die Patentschrift nichtspwie vorgeschrieben
einen gültigen Patentausprnch formuliere. Freilich bestimmt Art. M
Ziff. ji des Patentgesetzes von 188s, dass die Pateutbeschreibung in
einer besondern Abteilung der liSchrkft die wesentlichen Merkmale der
Erfindung getrennt auffuhren misseund laut dem Art. 7 der zugehörigen
Verordnung vom 10. November 1896 ist an Schlusse der Beschreibung eine
getrennte und ubersichtliche Darstellung der als mehr oder weniger
wesentlich erachteten Merkmale der Erfindung zu geben. Hieraus erhellt
Eber nur soviel, dass wenn jenes Gesetz neben der ins einzelne gehem-en,
die ganze Erfindung näher erläuternden Patentbeschreilningn eine
Zusammenfassung der die Erfindung charakterisierenden Elemente verlangt,
dies zur leichtern Orientierung über den Inhalt und die Bedeutung des
beanspruchten Erfinder-rechtes geschieht Nicht aber berechtigen jene
Bestimmungen zu dem Schlusse, dass, wenn und soweit ihnen nicht genügt
ist, überhaupt kein Patentschutz erlangt merde. Hätte das Gesetz an die
Nichtbeachtung der fraglichen Vorschrift eine Rechtsfolge von solcher
Schwere sur den den Erfindungsschutz Nachfuchenden knüper wollen, so wurde
es ggf verfehlt haben, sich hierüber besonders auszusprechen und den des-,
suchsteller daraus aufmerksam zu machen, wie dies nunmeh7r tat jetzt in
Kraft bestehende Patentgesetz vom 21. Juni 190 'n; indem es in seinem
Art. 5 den Erfinder sszur Aufstellng eine-; Patentanspruches verpflichtet
und diesen Anspruch nîn die Neuheli der Erfindung und den sachlichen
Geltungsbereich des Patente-: a1 î massgebend erklärt. Hienach ist also
mit der Vormstanz Art 't Ziff. 1 des frühem Gesetzes als eine blosse
Ordmingsvorsch;if aufzufassen, die nicht ausschliesst, die konstitutiven
_ Elemente;I er Erfindung, falls sie nicht in dem Patentanspruch selbst
wie ergegeben sind, aus der Patentbeschreibung zu entnehmen Put-ch ihrden
Charakter als einfache Ordnungsvorschrift verliert im ubrigen ie

284 Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materieilrechtliche Entscheidungen-

gesetzliche Forderung der Formulierung eines Patentansptuches ihren
praktischen Wert in allen andern Beziehungen nicht, und namentlich bleibt
für die Frage, ob etwas als wesentliches Merkmal der Erfindung gemeint
sei und gelten dürfe, regelmässig von Bedeutung, ob der Gesuchsteller für
nötig gefunden habe, dieses Element in den Patentanspruch aufzunehmen (im
gleichen Sinne bereits AS 30 H S. 115 Erw. 5 und 33 II S. 634535 Erw. 4).

Nach diesen Ausführungen kommt dem Umstande, dass, laut den Darlegungen
der Experten, beim Patent Nr. 18,213 die in den Patentanspruch
aufgenommenen Merkmale nämlich dass es sich um ein Turbinensystem der
achsialen Art handle, das eine Reihe beweglicher Scheiben (Laufräder)
umfasse ( un système de turbine à vapeur du genre axial comprenant
une série de disques mobiles . . . ) durch die Curtis-Patente bereits
bekannt waren, eine massgebende Bedeutung nicht zu. Denn aus dem der
Anspruchsformulierung beigefügten Zusatze en substance comme décrit
ergibt sich klar, dass der Gesuchsteller nicht allgemein für ein
Turbinensystem, wie es der Patentanspmch umschreibt, den Patentschutz
nachsucht, sondern für ein System, das noch gewisse besondere, in der
Patentbeschreibung dargestellte Merkmale aufweise. Diese Merkmale sind
nach dem Gesagten bei der Prüfung, ob und in welchem Umfange eine
patentfähige Erfindung vorliege, mit zu berücksichtigen und die zu
entscheidende Frage stellt sich somit dahin, ob das im Patentanfpruch
bezeichnete, seiner allgemeinen Jdee nach bekannte Turbinensystem vermöge
der besondern Ausgestaltung, die es durch die in der Patentbeschreibung
gekennzeichneten Elemente erfährt, eine Erfindung enthalte.

b) Hierüber ist zunächst zu bemerken, dass die technische Bedeutung
und Wirkung der Turbine nach Patent Nr. 18,2-18 in ihrer besondern
Ausgestaltung nicht darin besteht, ein neues Dampfturbineusystem im
Sinne einer eigenartigen Funktion und Arbeitsweise des Dampfes zu
ermöglichen. Die Klager behaupten im Prozesse freilich das Gegenteil,
indem sie als charakteristisches Merkmal ihrer Turbine anführen, dass
sie als Aktionsturbine funktioniere, dass also bei ihr der Dampf nur
durch Stoss und nicht, wie bei der Reaktionsturbine, durch Stoss und
Druck wirke. Allein dieser Behauptung steht vorerst entgegen, dass
derBerufungsinstanz : 5. Erfindungspatenîe. N° 40. 285

Patentanspruch und die Patentbeschreibung mit keinem Worte von einer
Aktionswirkung des Dampfes als Eigentümlichkeit des zu patentierenden
Systems spricht und dass, wie die Experten erklären, auch Jedwede Angabe
über die bestimmte charakteristische Form der Schaufeln in Laufund
Leiträdern fehlt, die ein bestimmtes Turbinensystem zur Herbeiführung
der beabsichtigten Dampswirkung verlangt. Hienach kann es nicht im
Willen des Pateutgesuchstellers gelegen haben, den Patentschutz auch für
die Aktionswirkung des Dampf-es sei es schlechthin, sei es hinsichtlich
einer besondern Wirkungsweise die sie in Beziehung aus die andern von ihm
genannten Elemente entfalten würde, zu beanspruchen Übrigens steht nach
dem Erpertengutachten fest, dass die Aktionswirkung als solche bereits
durch die Patente de Laval und Curtis vorbekannt wat-, weshalb hiesür
bei der Erlangung des Patentes Nr. 18,213 kein Anspruch aus Schutz
bestanden hätte. Dass es sich im vorliegenden Falle überhaupt nur um
eine Aktionsturbine handeln könne und sich daher die Aktionswirkung bei
der beschriebenen Konstruktion von selbst verstehe, wird auch dadurch
widerlegt, dass der Kläger Nr. 1 selbst im Jahre 1894 in Frankreich eine
entsprechend gebaute Turbine als Reaktionsturbine hat patentieren lassen.

Endlich lässt sich auch nicht sagen, dass irgendwelche andere funktionelle
Eigenschaften der Turbine etwa betreffend die Druck- gefällsverhältnisse
in der Weise von den Klägern beschrieben und präzisiert worden wären,
dass von diesem Gesichtspunkte aus ein Erfinderrecht in Anspruch genommen
werden und gegeben sein könnte

Als schutzfähig kommt hienach bei diesem Patente nur noch die konstruktive
Ausgestaltung der Turbine in Betracht Dabei kann es sich ferner auf Grund
der Akten nicht um den Schutz der verschiedenen Konstruktionselemente aus
denen sich die Maschine zusammensetzt, oder einzelner von ihnen, handeln,
sondern nur um den Schutz der Maschine als eines einheitlichen Ganzen,
im Sinne eines Kombinationspatentes, so also, dass die Erfinderidee in
der besondern Art und Weise liegen würde, wie die einzelnen Elemente
einander angepasst und mit einander verbunden sind, um durch ihr
Zusammenwirken ein neues technisches Ergebnis zu ermöglichen (vergl. AS
27 II S. 611). Freilich haben die Kläger in der

AS 37 H 19H 19

2-86 Oberste Zivilgerichtsinstanz. ], Materieilrechtliche Entscheidungen.

Klagebegründung neben der eben besprochenen Aktionswirkung si

noch verschiedene Merkmale als der Rateau-Turbine eigentümlich genannt,
Und zwar, wenigstens zum Teil und in allgemeiner Form, Elemente,
die auf die konstruktive Beschaffenheit der Maschine hinweisen. Aber
dass ihnen für irgend eines dieser Elemente alssolches Patentschutz
zukomme, haben sie nicht behauptet, sondern im Gegenteil selbst erklärt,
die Neuheit der Rateau-Turbine bestehe nicht in der Neuheit einzelner
Clemente, sondern in der Kombination, in dem System bekannter Elemente
Damit stimmt denn auch die Formulierung der Patentschrift überein:
Denn im Patentanspruch ist neben der allgemeinen Angabe, dass es
sich um ein achsiales, eine Reihe beweglicher Scheiben umfassendes
Turbinensystem handle kein besonderes Merkmal enthalten; sondern sie
werden sämtliche mit dem zusammenfassenden en substance comme décrit
in die Patentbeschreibung verwiesen. Und vor allem endlich haben die
Experten im einzelnen genau geprüft und festgestellt, welches die der
Maschine (nach der in der Patentbeschreibung dargestellten Ausführung)
eigentümlichen konstruktiven Elemente seien, und gefunden, dass diese
Elemente sie nennen deren 7: Mantel, Leitschaufelkränze, Laufräder,
Trennungswände, Trommel, Laufrad für Rückwärtsbewegung Lager durch frühere
Patente oder Darstellungen vor-bekannt seien mit einziger Ausnahme der
(übrigens nur für Schiffsmrbinen berechneten) Trommel. Diese aber kann
als patentfähiger Einzelanspruch nicht in Betracht "kommen, da die
Besonderheit ihrer Ausführung, wie auf Grund der Expertise anzunehmen
ist, weder eine eigentliche Erfindertätigkeit benötigt hat, noch einen
besondern Nutzeffekt ermöglichtAu

Als Kombinationspatent aufgefasst, muss dagegen die Schutzfähigkeit
der in der Patentschrift Nr. 18,213 beschriebenen Turbine bejaht
werden. Die Experten erklären hier nach Erörterung der in Betracht
kommenden technischen Verhältnisse, dass sich diese Turbine von den bei
der Patentanmeldung bekannten durch die Art der Verbindung der sämtlichen
ausgeführten Konstruktionselemente, durch ihre Bauart unterscheide,
und ein stichhaltiger Grund gegen die Richtigkeit dieser Auffassung ist
nicht geltend gemacht worden. Diese veränderte Ausführung der Maschine
bedeutet sodann nicht etwa bloss eine aus dem Stand der technischen
Kenntnisse undBerufungsînsianz : 5. Erfindungspatente. N° 40. 287

Erfahrungen sich von selbst ergebende, keiner Problemslösnng mehr
bedürftige Weiterbildung des Vorhandenen, sondern enthält eine
wirkliche schöpferische Idee Die Experten haben die ihnen hierüber
gestellte Frage mit der Begründung bejaht, dieeinzelnen Elemente
in der durch die Patentschrift ausführlich beschriebenen Form seien
konstruktiv so ausgestaltet worden, dass ihre praktische Anwendung eine
betriebsfähige Turbine ergeben habe. Dass dieses Ziel ohne eigentliche
Erfindertätigkeit nicht hat erreicht werden können, ist ohne weiteres
klar, wenn man bedenkt, dass die richtige Ausgestaltung der in ihren
Grundlagen bot-bekannten Turbine für ihre praktische Verwendbarkeit die
Hauptschwierigkeit bildete, die sich den technischen Bestrebungen hier
entgegenstellte und an deren Überwindung von jeher gearbeitet wurde. Dass
endlich auch die für den Erfindungsbegriff weiter erforderliche
Voraussetzung der Erzielung eines neuen technischen Nutzeffektes vorhanden
ist, ergibt sich bereits aus dem Gesagten. In ihrem Nachtragsgutachten
haben zwar die Experten ihre Auffassung hinsichtlich der praktischen
Verwendbarkeit der Turbine nach Patent Nr. 18,213 eher in einschränkendem
Sinne näher präzisiert, indem sie die Turbine in dieser Ausführung für
nur als Niederdruck-, nicht auch als normale Hochmutturbine geeignet
erklären. Aber auch so ist ein neuer Nutzeffekt Und eine Erfinderidee
und damit die Patentierbarkeit gegeben. Zudem halten es die Experten
als möglich, dass eine vervollkommnete Ausbildung aller ausgeführten
Elemente in der in der Patentschrift ausführlich beschrieben-en
Form eine Turbine liefere, die ausreichendlange Betriebsdauer auch
bei voller Belastung aufweise. Auf die Behauptung der Beklagten, es
eristiere überhaupt keine nach den konstruktiven Elementen des Patentes
Nr. 18,213 hergestellte Turbine, brauchten die Erperten nicht einzutreten,
nachdem sie festgestellt hatten, dass eine solche Turbine zur Zeit der
Patentanmeldung auf Grund der darin enthaltenen Angaben als betriebsfähige
Turbine habe ausgeführt werden können. Dies genügte in der Tat für das
gesetzliche Erfordernis der Darstellbarkeit durch Modelle.

Jn Hinsicht auf den Umfang des beanspruchten Erfinderrechtes ist endlich
noch die in der Patentbeschreibung enthaltene Erklärung zu erwähnen,
dass die Patentzeichnungen beifpielsweife" ( à. tjtre d'exemple ) eine
Ausführungsform der Erfindung darstellen.

288 Oberste Zivilgerichtsinstanz {. Materiellrechtliche Entscheidungen.

Der Patentbewerber hält also dafür, seine Erfindung, d. "h. nach dem
Gesagten die von ihm geschaffene neue Kombination bekannter Clemente,
könne auch noch in anderer Weise eine ihrem Wesen entsprechende
Darstellung finden. In dieser Frage stellen sich die Experten auf den
Standpunkt, dass nur die konkrete, in der Beschreibung und den Zeichnungen
dargestellte Ausführungsforin Gegenstand des Patentschutzes bilde,
und sie begründen dies damit, dass in der Patentschrist ein genügender
Hinweis darauf fehle, welche andere Ausführungsformen der Elemente möglich
seien, ohne die Gesamtwirkung der Kombination zu beeinflussen, dass es
ferner nach der Breitspurigkeit der Erläuterungen dem Erfinder um den
Patentschutz der Konstruktionselemente in der Form zu tun gewesen sein
müsse, wie sie die Patentbeschreibung angebe unddass andernfalls eine
ausführliche Beschreibung ganz bestimmter Konstruktionselemente, in der
stattgehabten Art und Weise, keinen Sinn hätte Die Expekken stützen sich
also in diesem Punkte mehr auf eine rechtliche als auf eine technische
Würdigung der Sachlage: Sie stellen sich die Frage, in welchem Sinne
und Umfange der Gesuchsteller nach der Formnlierung und dem Inhalte der
Patentbeschreibung habe Patentschutz erlangen wollen und es gesetzlich
können, während sie sich nicht näher und bestimmt über die Frage äussern,
ob und in welcher Weise neben der dargestellten konkreten Ausführungsform
noch andere und vielleicht zweckmässigere Arten der Ausführung möglich
wären, so, dass trotz ihrer individuellen Verschiedenheiten doch
alle den in der Eigenart der Kombination liegenden Ersindungsgedanken
zur Darstellung bringen würden. Dieser Punkt tatsächlich-technischer
Natur, sowie die sich daran anknüpfende Frage, ob wirklich beim Patent
Nr. 18,213, nach den gesetzlich verlangten formellen und materiellen
Voraussetzungen, ein allgemeineres Lösungsprinzip unter Angabe einer
bestimmten Art der Lösung den Erfindungsgegenstand bilde (vergl. AS 30
II S. 345), sollen aber hier nicht durch eine gerichtliche Feststellung
zu Ungunsten der Kläger präjudiziert werden, und zwar um so weniger, als
die Experten selbst in technischer Beziehung von der Möglichkeit einer
vervollkommneten Ausbildung aller aufgeführten Elemente in der in der
Patentschrift ausführlich beschriebenen Form- sprechen (Nachtragsgutachten
S. 2). Es genügt hier,Berufungsinstanz: 5. Ersindungspatente. N° 40. 289

festzustellen, dass jedenfalls, wie in den Erwägungen 11 und 12 noch
darzutun ist, die Beklagten das klägerische Patent Nr. 18,213 selbst
dann nicht verletzen, wenn man ihm die von den Klägern beanspruchte
weitere Auslegung beilegt. Damit wird die Berechtigung der Beklagten zur
Fabrikation ihrer Turbinen ausser Frage gestellt und im übrigen haben sie
kein Interesse nachgewiesen, den von der Gegeiipartei in dieser Beziehung
beanspruchten Ausdehnungsbereich des Patentes Nr. 18,213 Überhaupt oder
doch zur Zeit anzufechten.

8. Das Patent Nr. 24,473 des Klägers 1 enthält im Gegensatz zu dem
von ihm vorher erwirkten Patent Nr. 18,213 eine eingehende Angabe
von Patentanspriichen, indem es 9 solcher, deren Wortlaut oben aus
Erwägung 1 ersichtlich ist, aufzählt Von ihnen fallen zunächst die
Ansprüche 2 4, die sich auf die Konstruktion der Laufräder beziehen,
ausser Betracht, indem die Klager eine Patentverletzung der Beklagten
hinsichtlich dieser Ansprüche nicht behaupten, sondern zugeben, dass hier
die Konstruktionsweise der Beklagten eine andere sei, und indem sich
anderseits das Widerklagebegehren auf Nichttgerklärung des Patentes Nr
24,473 einzig gegen die Ansprüche 1 und 5 9 richtet. Hinsichtlich dieser
Ansprüche nun ist im einzelnen zu bemerken:

Der Anspruch 1, der sich als Hauptanspruch des Patente-Z charakterisiert
enthält folgende fünf Merkmale : Vielzelligkeit, Aktionswirkung des
Dampfes, Reihe von Laufrädern mit Aktionsschaufeln, Leiträder mit
partieller Beausschlagung, Trennungsmande (Diaphragmen) zwischen
den Laufrädern. Die Experteu erklären hier, dass alle aufgezählten
Konstruktionselemente durch das Patent Nr. 18,213 vorbekannt seien und
dass, wenn in diesem der Hinweis auf die Aktionswirknng des Dampfes und
die dadurch bedingte Aktionsschaufelung der Laufräder fehle, die letztere
doch für sich durch die Patente von de Laval und Curtis vorbekannt gewesen
sei. Gegen diese Auffassung ist kein stichhaltiger Grund vorgebracht
worden. Im besondern lässt sich nicht etwa dahin argumentieren, es sei
schon deshalb, weil nunmehr gegenüber früher die Aktionswirkung als
Element in den Patentanspruch aufgenommen und in der Patentbeschreibung
eingehend erörtert ist, eine neue schutzfähige Kombination geschafer
worden. Vielmehr muss auf

290 Oberste Zivîlgerîchtsinstanz. [. Materiellrechtliche Entscheidungen.

Grund der technischen Würdigung der Erperten entsprechend ihren
Ausführungen im Nachtragsgutachten (S. 12) angenommen werden, dass
die Bedeutung der Kombination nach wie vor nur in der Verbindung der
konstruktiven Merkmale besteht und durch die Einbeziehung der an sich
längst vor-bekannten Aktionswirkung in den Patentanspruch irgend ein
technischer Fortschritt gegenüber dein frühem Patent nicht erzielt
worden ist.

Der Anspruch 5 betrifft die Konstruktion und den Einbau der Trennungswände
oder Diaphragmen. Die Vorinstanz hat diesen Anspruch geschützt unter
Berufung darauf, dass die Erperten in ihrem Gutachten erklären,
ihres Wissens sei die Herstellung der Diaphragmen aus einem Stück
und ihr Einlassen in die Nuten des Gehäuses nur um diese konstruktiven
Besonderheiten kann es sich handeln, während die Diaphragmen schon vorher
verwendet wurden bei der Anmeldung des Patentes nicht bekannt gewesen. Dem
gegenüber haben nun aber die Beklagten in einer Eingabe vom 30. Oktober
1908 unter nähere-; Begründung behauptet, dass einteilige, in Nuten des
Oberoder Unterteils des Gehäuses eingelassene Diaphragmen schon durch
das von Parson erlangte sranzösische Patent Nr. 212,976 vom 23. April
1891 und durch eine Arbeit von Sosnowski bekannt gewesen seien. Und die
Erperten haben daraufhin in ihrem Nachtragsgutachten diese Behauptung
dahin als richtig anerkannt, dass sie erklärten, durch das genannte
Patent Parsons (aus Versehen findet sich als Jahrzahl seiner Erwirkung
1901 genannt) werde der· Anspruch 5 des Patentes 24,473 auf zweiteilige
und im Gehäuse eingelassene Diaphragmen hinfällig. Wenn dabei von zwei-
und nicht von einteiligen Diaphragmen gesprochen wird, so kann dies nach
der ganzen Sachlage nur aus einem Versehen beruhen. Es muss darnach aus
Grund der Erpertise auch dem Auspruch 5 wegen mangelnder Neuheit die
Rechtsgültigkeit abgesprochen werden.

Der Anspruch 6, betreffend die gegenseitige Versetzung der auseinander
folgenden Leitapparate, ist laut den Erperten durch die englischen Patente
Curtis Nr. 19,246/47 vorbekannt, und die Kläger haben in ihrer Eingabe
vom 27. Juli 1908 die Richtigkeit dieser Auffassung zugegeben und sich
mit der Streichung des Anspruchs wegen mangelnder Neuheit einverstanden
erklärt.Berufungsinstanz : 5. Erfindungspatente. N° 40 291

Der Anspruch 7 betreffend die Anordnung der Dampfturbine in mehreren
Gehäusen mit je einer Reihe von Lausrädern auf gemeinsamer Achse, wobei
der Dampf die einzelnen Teile der Turbine der Reihe nach durchströmt ist
nach den Erperteu durch die Parsonschen Ausführungen von Dampfturbinen
vorbekannt. Die Kläger haben auch in der genannten Eingabe den Anspruch,
so wie er gefasst ist, nicht mehr aufrecht erhalten; sie wollen ihn
dagegen durch Beifügung des Zusatzes l'ensemble étant en service
ordinaire réglé par un seul régulateur placé sur la première turbine näher
präzisieren und hiedurch schutzfähig gestalten. Nun isi es aber gesetzlich
nicht zulässig, durch Beifügung eines solchen neuen Elementes den Inhalt
einer Erfindung, für die ein Patent erwirkt wurde, hinterher zu ergänzen

Der Anspruch 8, der sich auf die Versorgung jeder Teilunbine mit direktem
Dampf bezieht, ist nach den Erperten durch Reaktionsturbinen von Parson
vorbekannt und die Kläger haben auch nachträglich die Hinfälligkeit des
Anspruches wegen mangelnder Neuheit zugegeben. ss

Hinsichtlich des Anspruches 9 erweist sich zunächst die Auffassung der
Kläger als unrichtig, dass dieser Anspruch überhaupt nicht angefochten
sei. Wenn er in einer Stelle der Widerklagebegründung nicht neben den
andern angefochtenen Ansprüchen erwähnt wird, so beruht dies auf einem
blossen Versehen. Denn das aus das Patent Nr. 24,473 sich beziehende
Widerklagebegehren I verlangt ausdrücklich Mchtigerklärung auch des
Anspruches 9 und andere Stellen der Widerklage wenden sich im besondern
auch gegen seine Rechtsgültigkeit.

Sachlich sodann ist hier auf Grund des Gutachtens davon auszugehen, dass
sich der Anspruch 9 (S. 271 oben) dem Wesen nach nicht von Anspruch
8 unterscheide, weil die Zusührung zu einer Teilturbine aufgefasst
werden könne als Zuführung von Frischstrom in ein folgendes Leitrad. Die
Kläger haben denn auch gegen diese Auffassung keine Einwendung erhoben,
sondern sich in ihren Bemerkungen zum Gutachten wiederum aus den
Standpunkt gestellt, dass der Anspruch 9 noch einer genaueren Fassung
durch Einbeziehung eines Zusatzes bedürfe (indern nämlich hinter dem
Worte gazeux einzuschieben sei: . . . à des pressians

292 Oberste Zjvilgerictiisiiistanz. I. Materiellrechfliche Entscheidungen.

différentes et pravenant de sources différentes . . .). Auch hier hat man
es ebenfalls mit einer neuen Charakterisierung des Patentanspruches zu
tun, die nicht unter das erteilte Patent fällt, sodass kein Patentschutz
im nachträglich behaupteten Sinne bestehen kann.

Nach allen diesen Ausführungen ist also das Patent Nr. 24,478 hinsichtlich
der sämtlichen Ansprüche, die in den Prozess einbezogen worden sindf
ungültig.

9. Das dritte klägerische Patent endlich, Sie. 25,548, ist . nicht zum
Gegenstande eines Klagebegehrens gemacht worden und liegt auch sonst
nicht mehr im Streite, nachdem die Beklagten ihr Widerklagebegehren,
es nichtig zu erklären, fallen gelassen haben.

10. Was nun die drei von den Beklagten erwirkten Patente anbetrisft,
so fallen zwei davon, nämlich das Patent Nr. 25,328 des Beklagten Nr. 2
und das Patent Nr. 30,282 der Beklagten Nr. 1 deshalb ausser Betracht,
weil beide laut den obigen Feststellungen (S. 272) erloschen sind und
im übrigen der Nachweis eines Interesses fehlt, um dessentwillen die
Kläger ihre Begehren auf Nichttgerklärung der Patente noch aufrecht
halten könnten.

11. Dagegen steht das dritte dieser Patente, Nr. 23,575 der Beklagten
Nr. 1, formell noch in Kraft und ist daher das hinsichtlich seiner
gestellte Atichtigkeitsbegehren sachlich zu prüfen. Als Nichttgkeitsgrund
wird im wesentlichen geltend gemacht, dass die beanspruchte Erfindung
bereits durch das klägerische Batent Nr. 18,213 vorbekannt sei. Da
dieses nach den obigen Ausführungen nur als Kombination-Spaten
schutzsähig ist, nicht also in Beziehung auf die einzelnen, schon
vorbekannten Konstruktionselemente, aus denen sich die patentierte
Turbine zusammensetzt, so sind hier bei der Prüfung der Richtigkeit des
Patente-Z Nt. 23,575 auch nicht die in seinen drei Patentansprüchen
erwähnten Konstruktionselemente als solche zu betrachten und mit den
entsprechenden Elementen der Turbine für. 18,213 zu vergleichen, sondern
es ist zu untersuchen, ob diese patentierten Konstruktionselemente zu
einer Ausgestaltung der Turbine hinführen, die sie als ganzes aufgefasst
der Turbine Nr 18,213, als einer eigenartigen und individuellen Verbindung
der verschiedenen Bestandteile, wesensgleich macht-. NunBerusungsinstanz:
5. Erfindungspateme. N° 40. 293

führen die Eiîperten aus: Beim Patent Nr. 23,575 seien die Leitapparate
der Form und Ordnung nach durchaus verschieden von denen des Patentes
Nr. 18,213, indem dort der Dampf durch Düsen und tangential durchgeleitet
werde, hier aber achsial durch Leitschaufelii. Ebenso hätten die Laufräder
andere Form und Wirkungsweise: Bei Nr. 23,575 seien die Schaufeln bis zur
Nabe durchgeführt und auf beiden Seiten durch Blechwände ver-kleidet
und der tangential auf die Schaufeln geführte Dampf werde von den
Schaufeln zu beiden Seiten des Rades entlassen ;. bei Lite. 18,213
dagegen sässen die Schaufeln auf dem Raduiniange und der achsial
auf der einen Seite des Rades durchgeführte Dampfverlasse dieses auf
der entgegengesetzten Seite. In diesen Verschiedenheiten sei endlich
auch eine abweichende Ausbildung der Rad-. gelten bei Nr. 23,575 im
Vergleich zu den Diaphragmen bei Nr. 18,213 begründet Gestützt auf diese
Würdigung der einzelnen Konstruktionselemente nahmen die Erperten an,
dai; sich die dem Patent Nr. 23,575 zu Grunde liegende Konstruktion,
wenn man die in den drei Patentansprtichen erwähnten Elemente mit
einander kombiniere, in wesentlichen Beziehungen von der Konstruktion
des Patentes Nr. 18,213 unterscheide und es ist somit ausgeschlossen
dass die durch dieses Patent geschätzte Kombination in derjenigen des
Patentes filtr. 23,575 wiederkehre. , Auch in den sonstigen Beziehungen
muss die letztere Kombination alspatentfähig anerkannt werden, indem
die Experten ihre Yes-onderheiten hervorgehoben und erklärt haben,
dass sie eine schopferische Idee enthalte. Die Erreichung einesneuen
technischen Effektes stellen sie freilich in Frage. Allein mit der
Vorinstanz ist hierq zu sagen, dass es zum Begriffe der schutzfähigen
Erfindung genugtwenn ein durch vorhandene Mittel bereits erreichbares
Ergebnis durch Anwendung neuer, eigenartiger Mittel ebenfalls gewonnen
werden kann, und solches trifft hier, wie aus der Expertise gefolgert
werden muss, jedenfalls zu. · 12. Die Kläger haben nicht allein geltend
gemacht, dass die erwähnten drei Patente der Beklagten ((St-w. 10 und
11), weil durch die klägerischen Patente antizipiert, nichtig seien(
sondern noch im weitern und hauptsächlich den Standpunkt eingenommen,
die Beklagte Nt. 'J habe in letzter Zeit ihre Dampftur-

294 Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materieilrechiliche Entscheidungen.

binen gar nicht nach den ihr oder dem Beklagten Nr. 2zustehenden Patenten,
also im besondern nicht nach dem Patent Nr. 23,575, hergestellt,
sondern die Rateau-Turbinen nachgeahmt. Als solche Nachahmungen sind
im Laufe des Prozesses genannt worden die Turbinen, die die Beklagte
Nr. 1 der Stadt Neuenburg, der Zeche Neu-Essender Zeche Courl, der
Harpener Bergbauaktiengesellschaft, dem Städtischen Elektrizitätswerk
Mühlhausen (Thüringen), den Howaldswerken in Kiel, einer Firma in Mühlheim
(Osterreich) und den Siemens Schuckert-Werken in Berlin geliefert haben.

In dieser Beziehung ist zunächst hinsichtlich der Tatbestandsfest:
stellung zu bemerken, dass eine Verletzung von Bundesrecht in
der Ablehnung, die Kläger zur Besichtigung der Neuenburger Turbine
beizuziehen, nicht liegt. Die Vorinstanz hält sich bei dieser Massnahme
innert den Schranken des kantonalen Beweisrechtes, indem sie dieselbe
damit begründet, dass die Parteien vorher schon von den Experten
einvernommen worden seien, dass die Befundaufnahme eine vorbereitende
informatorische Handlung der Experten und keine Beweisaufnahme im engem
Sinne sei und die Kläger kein berechtigtes prozessualisches Interesse
an der Teilnahme hätten, während anderseits durch die Anwesenheit der
Kläger wichtige Geschäftsmteressen der Beklagten verletzt werden könnten
Und ebenso wenig lässt sich vom Standpunkt des eigenössischen Rechtes
etwas einwenden, wenn die Erperten und mit ihnen die Vorinstanz gestützt
auf einen Brief des Anwalts der Beklagten vom 3. Dezember 1906 ausser
der nach Neuenburg gelieferten nur drei der von den Klägern genannten
Turbinen als wirklich von der Beklagten Fir. 1 geliefert ansehen und wenn
ferner von einer Befichtigung dieser Turbinen Umgang genommen wurde,
nachdem die Experten die Konstruktionszeichnungen derselben eingesehen
und dabei von deren vollständigen Übereinstim111ung mit der konstruktiven
Ausführung der Neuenburger Turbine sich überzeugt hatten.

Die Frage nun, ob diese drei noch in Betracht fallenden Turbinen als
Nachahmungen zu gelten haben, stellt sich nur noch hinsichtlich des
klägerischen Patentes Nr. 18,213, nicht mehr aber hinsichtlich des
klägerischen Patentes Nr. 24,473, das nach

dem Gesagten ungültig isi. Die Vergleichung der Turbine.

Nr. 18,213 mit den angefochtenen Fabrikaten der Beklagten
ergibtBerufimgsinstanz: 5. Erfindungspatente. N° 40. 295

nach dem Erpertenbefunde folgende Unterschiede: Bei diesen Fabrikaten
sind die beiden mit verschiedenem Durchmesser ausgeführten Teile des
Mantels statt durch ein Übergangsstück durch ein Rohr verbunden und es
bilden so die beiden Mantelteile geschlossene Gehäuse, zwischen denen
sich ausserhalb des Dampfraumes das mittlere Lager befindet, während
beim Patent Nr. 18,213 die beiden Gehäuseteile ein zusammenhängendes
Ganzes bilden und das mittlere Lager im Dampfraum "liegt. Auch die
beiden äussern Lager sind bei den Ausführungen der Beklagten unabhängig
vom Turbinengehäuse angeordnet, wogegen die Rateau-Turbine sie mit
den Gehäusedeckeln vereinigt Sodann hat namentlich die beklagte Firma
die Lausräder nicht aus Blech und mehrteilig, sondern aus einem Stück
mit der Nabe hergestellt, und die Trennungswände (Diaphragmen) nicht
einsondern zweiteilig ausgeführt und nicht in Rinnen des Gehäuses
eingelassen. Und endlich besitzen ihre Turbinen an jedem Gehäuseteil
bei der Austrittsstelle der Welle besonders ausgebildete Stopfbüchsen
zum Abschluss des Dampfraumes gegen die Annosphäre

Diesen konstruktiven Verschiedenheiten entsprechen nach den Darlegungen
der Erperten auch dadurch bedingte funktionelle: Dass bei den Ausführungen
der beklagten Firma das mittlere Lager wegen der Herausnahme aus dem
Dampsraum nicht mehr unzugänglich ist, verleiht der Maschine eine
wesentlich höhere Betriebs-Sicherheit und -Fähigkeit. Die grössere
Festigkeit, die die Laufräder durch die Herstellung aus einem einzigen
massiven Stück erlangen, ermöglicht eine höhere Umfangsgeschwindigkeit
und damit zusammenhängend eine Verriugerung der Anzahl dieser Räder, was
für die Gebrauchsfähigkeit der Turbine und wirtschaftlich von Vorteil
ist. Und endlich gewähren die mehrfachen Stopfbüchsen, die durch die
vom Gehäuse unabhängige Lagerung der Wellen bedingt sind, den Vorteil
einer vollkommen zuverlässigen Abdichtung

Geht man von dieser technischen Würdigung aus, so kann vorerst davon keine
Rede sein, dass die streitigen Turbinen der Beklagten ohne irgend welche
technisch wesentliche Neugestaltung einfach die in der Kombination Rateau
enthaltene Erfinderidee wiedergeben Aber auch das lässt sich nicht sagen,
die Beklagten hätten die Kombination Rateau als solche zur Grundlage
ihrer eigenen Ausfüh-

286 Oberste Zivilgerichtsinstauz. ]. Materieilrechtliche Entscheidungen.

rung der Turbine genommen, um sie in einzelnen Punkten durch
erfinderische Weiterausgestaltnng oder Umformung zu verbessern oder
besondern Gebrauchszwecken mehr anzupassen, in welchem Falle sich die
Frage erhöhe, ob nicht die Beklagten zur Herstellung ihrer Maschine erst
noch der Erwirkung einer Lizenz vom Inhaber des Patentes Nr. 18,213
bedürften. Vielmehr liegt die Sache so, dass sich die beiden Parteien
bei der Herstellung ihrer Turbinen in gleicher Weise auf die bisherigen,
zum Gemeingut gewordenen technischen Erfahrungen stützten, indem es sich
für beide darum handelte, die durch eine Reihe früherer Ausführungen
bereits vorbekannte Erfindung einer achsialen Aktionsdampfturbine, die
eine Anzahl verschieden beaufschlagter Laufräder und in Diaphragmen
eingebauter Leitapparate aufweist, durch zweckmässige Ausgestaltung
und Verbindung der Konstruktionselemente technisch vollkommener und
wirtschaftlich gebrauchsfähig zu machen. Von dieser fsrei verwendbaren
Grundlage aus ist jede Partei ihre eigenen Wege gegangen und jede hat
eine nene, von der andern unabhängige Kombination geschaffen. Dabei
scheint die klägerische Ausführung namentlich auf dem Gedanken
möglichster Leichtigkeit und guter Ausbalaneiernng der Leiträder und
dementsprechender Vermehrung der Dampfkammeru zu beruhen, die der
beklagten Firma umgekehrt auf dem einer massivern Konstruktion der
Leiträder zum Zwecke einer Herabsetzung der Umdrehungsgeschwindigkeit
und der KammerzahL Jedenfalls aber hat die Ausgestaltung der Beklagten
gegenüber der klägerischen einen selbständigen Charakter; sie bildet,
wie das Nachtragsgutachten als Ergebnis der technischen Würdigung des
Falles noch besonders Und rechtlich zutreffend betont, in gleichem Masse
eine Konstruktionsvariante des in den ältern Vorschlägen enthaltenen
Erfindungsgedankens einer Achsialturbine, wie die Turbine nach Patent
Nr 18,213. Im übrigen braucht hier nicht geprüft zu werden, ob und
in welcher Beziehung den betriebstechnischen und wirtschaftlichen
Vorzügen, die die Experten an der Turbine der Beklagten als Momente
für ihre Verschiedenheit von der klägerischen Turbine hervorgehoben
haben, andere Vorzüge dieser Turbine entgegenstehen, die sich aus ihrer
speziellen Konstruktionsart ergeben, und ob und inwiefern die letztere
noch entwicklungsund vervollkommnungsfähig sei, in dem Sinne, dass die
in ihrBerusungsinstanz : 5. Erfindungspatente. N° 40. 297

liegende Erfinderidee durch andere Ausführungen noch besser und wirksamer
zum Ausdruck gebracht werden fann.

13. Auf Grund des Gesagten erledigt sich der Streitfall wie folgt:
Die Klagebegehreu a., b und c, womit die Kläger Feststellung der
behaupteten widerrechtlichen Verletzung ihrer Patente Nr. 18,213 und
24,473 durch die Beklagte Nr. 1, Androhung einer Schadenersatzleistung
im Wiederholungssalle, grundsätzliche Feststellung der Pflicht zur
Ersetzuug des erlittenen Vermögensschadens und Verurteilung zu einer
Ersatzleistung von 100,000 Fr. verlangen, sind abzuweisen, weil das
Patent Nr. 18,213 von den Beklagten nicht verletzt worden ist und das
Patent Nr. 24,473 hinsichtlich der Ansprüche, in Beziehung aus die
eine Verletzung behauptet wurde, wegen Richtigkeit nicht hat verletzt
werden können. Aus die vorinstanzlichen Ausführungen, wonach diese drei
Begehren zum Teil schon als prozessual unzulässig verworfen wurdeu,
braucht hie-nach nicht eingetreten zu werden. Das Klagebegehren d ist,
soweit Nichttgerklärung des Patente-Z Nr. 23,575 der Beklagten Nr. 1
verlangt wird, abzuweisen, weil diesem Patent als Kombinationspatent im
Sinne des in Erwägung 11 Gesagten Gültigkeit zukommt. Damit wird der
in der Klagebegründung eventuell gestellte Antrag, das Patent nue in
einem beschränkten Umfange aufrecht zu erhalten, gegenstandslos Soweit
das Klage-begehren it auf Nichttgerklärung des Patentes Nr. 30,382
der Beklagten Nr. 1 lautet, ist e?, wie das Klage- begehren e, das auf
Nichtigerklärung des Patentes Nr. 25,328 des Beklagten Nr 2 hinzielt,
abzuweisen, weil die beidettangefochtenen Patente gelöscht sind und ein
rechtliches Interesse der Kläger an einer nachträglichen Nichttgerklärung
nicht dargetan scheint. _

Das Widerklagebegehren l sodann muss soweit, als damit die
Nichttgerklärung des Patentes Nr. 18,213 verlangt wird, abgewiesen werden,
weil dieses Patent als Kombinationspatent im Sinne der Ausführungen
unter Erwägung 7 Schutz beanspruchen kann. Sein Inhalt ist, soweit es die
Erledigung des Rechtsstreites erfordert, in jener Erwägung festgestellt
und dabei dargetan worden, dass nicht geprüft zu werden Bram-ht, ob
sich der Inhalt des Patentes auf die in der Patentschrist beschriebene
konkrete Ausfah-

298 Oberste Zivilgerichtsinstanz. I. Materieilrechtliche Entscheidungen.

rungsform beschränke oder noch andere mögliche Ausführungsformen
umfasse. Damit ist der zum Widerklagebegehren I noch formulierte
Eventualantrag auf Feststellung dass der Inhalt des Patentes
Nr. 18,213 in jenem Sinne beschränkt sei, zu verwerer. Soweit sodann
das Widerklagebegehren I das klägerische Patent Nr. 24,473 nichtig
erklärt wissen will, ist es zu schützen und zwar in vollem Umfange,
also im Gegensatz zur Vorinstanz auch hinsichtlich des Patentanspruches
5, sodass in diesem Punkt die Anschlussberusung gutzuheissen ist. Das
klägerische Eventualbegchren dagegen, die Ansprüche 7 und 9 wenigstens
in beschränkrem Umfange aufrecht zn erhalten, erweist sich hiemit als
unbegründet. Das Widerklagebegehren II, wonach in einein besondern
Urteilsdispositiv festgestellt werden soll, dass die Beklagte Nr. 1
die klägerischen Patente Nr. 18,213 und 24,473 nicht verletzt habe,
ist abzuweisen: einer solchen besondern Feststellung bedarf es nicht,
da durch die wegen sachlicher Unbegründetheit erfolgte Abweisung
der gegnerischen Rachahmnngsklage für die Beklagte ohne weiteres die
erforderliche Rechtsgewissheit hinsichtlich des streitigen Verhältnisses
geschaffen wird Das frühere Widerklagebegehren auf Nichtigerklärung auch
des klägeris chen Patentes )h? 25, 548 endlichi ist von den Widerklägern
fallen gelassen worden

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und die Anschlnssberusung insoweit
gutgeheissen, als das schweizerische Patent Nr. 24473 auch hinsichtlich
des Patentanspruchs 5 sui nichtig erklärt wird, im übrigen wird das
angefochtene Urteil des zürcherischen Handelsgerichts vom 5. Juli 1910
bestätigtBerufungsinstanz : 6. Schuldbetreibung und Konkurs. N° il. 299

6 Schuldbetre' bung und Konkurs; Poursuîtes pour dettes et faillite.

41. Zweit vom 5. Zllai 1911 in Sachen Ytitienbtauerei Ja.-($.,
Kl. u. Ber.-Kl., gegen gzeiiju. Hyarlialse gytecfil'mtn, Bekl. n·
Ber.-Bekl.

Art. 86 SOhKG: Die Rückforderungskiage Set,-zi eine Zssialung in
bexrezîbmegsrechsitlz'cfzer Z wangslage d. le. zufolge einer gegen
das eigene Vermögen des Zelt-Emden (wenn auch nicht notwendig gegen
dessen Person) gerichtete Zwangsvoéflslreckemg voraus. Manege! dieser
Voraussetzung ins hier gegebenm Falle.

Das Bundesgericht hat aus Grund folgender Aktenlage:

A. Die beklagte Leihund Sparkasse Steckborn hatte im Jahre 1906 einen
Schuldbries vom 1. April 1903 über 7000 Fr. erworben, haftend ans der
Liegenschaft zur Konkordia in Zürich IH, die damals der Unionbrauerei
A.-G. in Zürich gehörte. In der Folge wechselte diese Liegenschast
wiederholt die Hand, jeweilen unter Überbindung der erwähnten Psandschuld
auf den neuen Erwerber, bis sie am 13. Juni 1909 an ihren seitherigen
Eigentümer Johann Stecher gelangte.

Im November 1908 trat die Unionbrauerei in Liquidation. Diese wurde
nach Behauptung der Beklagten auf Grund eines Fusionsvertrages von der
Klägerin, der Aktienbranerei A.-G. in Zürich, durchgeführt Während ihrer
Durchführung am 27. August 1909, stellte die Beklagte beim Betreibungsamt
Zürich [Il das Begehren, die Unionbrauerei für die Schuldbriessordernng
von 7000 Fr. auf Grundpfandverwertung zu betreiben. Das Betretbungsamt
bezeichnete in der Ausfertignng des Zahlungsbefehls als Schuldnerin
die Unionbrauerei mit dem Beisügen nunmehr Aktienbrauerei und stellte
den Zahlungsbesehl am 28. August tatsächlich dem Direktor der Klägerin
zu. Diese erhob keinen Rechtsvorschlag Die Betreibung wurde jedoch
zunächst nicht fortgesetzt; erst am