180 C, Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

36. Entscheid vom 28. Februar 19t1 in Sachen Hehlagenhans

Anwendbarkeit des Art. 95 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 95 - 1 In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.214
1    In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.214
2    Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht.215
3    In letzter Linie werden Vermögensstücke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden.
4    Wenn Futtervorräte gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden.
4bis    Der Beamte kann von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen oder wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen.216
5    Im übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen.
SchKG bei einer Pfändung in einer
Arrestbetreibung, die am gewöhnlichen Betreibnngsformn durchgeführt
wird. Zulässigkeit einer Nachpfàna'ung, auch wenn der Sehätznngswert der
gepfändeten Objekte den Betrag der Forderung übersteigt, sofern sie von
Dritten angesprochen sind und feststeht, dass andere unbestritten dem,
Schuldner gehörende Gegenstände vorhanden sind.

A. Der Rekurrent, G. Schlagenhauf in Wollmatiugen bei Konstanz, leitete am
14. Januar 1911 gegen Adam Heilig, Zahnarzt in Speicher, an dessen Wohnort
Betreibung für 750 Fr. nebst Zins ein. Da der Schuldner beabsichtigte,
ins Ausland zu ziehen, so erwirkte der Rekurrent sodann am 31. Januar
1911 gegen ihn einen Arrestbefehl. Das Betreibungsamt Speicher, mit
dessen Vollziehung beauftragt, belegte eine Reihe von im Wartzimmer des
Schuldners befindlichen Gegenständen im Schatzungswerte von 1000 Fr. mit
Arrest. Ansprüche Dritter wurden auf der Arresturkunde nicht vorgemerkt,
obwohl der Schuldner erklärt hatte, es gehörten sämtliche in der Wohnung
vorhandenen Objekte einer Frau Grötsch in Konstanz. Dem Rekurrenten
wurde in der erwähnten Betreibung Nr. 474 die provisorische Rechtsöffnung
bewilligt, worauf er am 7. Februar das Pfändungsbegehren stellte. Hiefür
übergab er dem Betreibungsamt ein Verzeichnis von Gegenständen, die nach
seiner Angabe unbestreitbar dem Schuldner gehörten, und verlangte,
dass die verarrestierten Objekte erst in letzter Linie gepfändet
werden sollten. Das Betreibungsamt vollzog die Pfändung am 9. Februar,
beschränkte sie aber auf die bereits mit Arrest belegten Gegenstände
Dabei nahm es von der Eigentumsansprache der Frau Grötsch mit Bezug aus
alle Psändungsobjekte Vormerk und setzte dem Gläubiger und dem Schuldner
eine am 19. Februar ablaufende Frist zur Bestreitung an. Der Rekurrent
ersuchte darauf das Betreibungsamt, ausserdem noch solche Gegenstände
zu pfänden, die unbestrittenes Eigentum des Schuldners seien, und führte
eine Anzahl solcher Objekte an. Das Betrei-und Konkurskammer. N° 36. 181

bungsamt weigerte sich indessen, diesem Gesuche zu entsprechen, indem es
ausführte, es müsse zunächst der Streit über das Eigentum an den bereits
gepfändeten erledigt werden.

B. Hiegegen beschwerte sich der Rekurrent bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde mit der Begründung, dass er berechtigt sei zu verlangen,
dass in erster Linie die Gegenstände gepfändet werden, die unbestrittenes
Eigentum des Schuldners seien. Bevor die Behörde über die Beschwerde
entschied, nahm das Betreibungsamt Speicher am 15. Februar vorsichtshalber
die verlangte Nachpfändung vor, da der Schuldner sich anschickte, seinen
Hausrat wegzuführen. Es pfändete dabei neu drei Gruppen von Gegenständen
im Schätzungswerte von 616 Fr. Hievon bezeichnete der Schuldner eine
Gruppe als Eigentum des Rekurrenten und eine zweite im Schätzungswerte
von 220 Fr. als Eigentum der Frau Grötsch Das Betreibungsamt setzte gemäss
Art. 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB229) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
SchKG Frist zur Bestreitung der Ansprachen an. Im übrigen fügte
es in der Pfändungsurkunde folgende Bemerkung bei: Diese Nachpfändung
kann durch den ausstehenden Entscheid der Aufsichtsbehörde nichtig
erklärt werden.

Durch Entscheid vom 18. Februar 1911 wies die kantonale Aufsichtsbehörde
die Beschwerde ab, indem sie von folgenden Erwägungen ausging: Es handle
sich um eine Betreibung auf Grund eines vorausgegangenen Arrestes. Daher
habe sich die Pfändung in erster Linie auf die Arrestgegenstände
erstrecken müssen und diese deckten die Forderung des Gläubigers
genügend. Die Tatsache allein, dass an den gepfändeten Gegenständen
ein Eigentumsrecht geltend gemacht werde, berechtige noch nicht zur
Nachpfändung, sondern eine solche sei erst zulässig, wenn der Anspruch
des Dritten anerkannt oder gerichtlich geschützt worden sei. Diese
Voraussetzungen träer aber nicht zu. Übrigens böte ·eine Nachpfändung
dem Rekurrenten keine bessere Sicherstellung, da der Schuldner dem
Betreibungsamte erklärt habe, dass alle in der Wohnung befindlichen
Gegenstände nicht ihm gehörten.

C. Diesen Entscheid hat der Rekurrent rechtzeitig an das Bundesgericht
weitergezogen mit dem Begehren, es sei in Betreibung Nr. 474 des
Betreibungsamtes Speicher für die von Drittpersonen angesprochenen
Pfandobjekte eine entsprechende Nachpfändung vorzunehmen. Zur Begründung
macht er folgendes geltend:

182 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

Die Auffassung, dass die Pfändung sich bloss auf die Arrestobjekte
erstrecken dürfe, sei irrtümlich, wie sich schon daraus ergebe, dass
die Betreibung vor dem Erlass des Arrestbefehls eingeleitet worden
sei. Sodann widerspreche es dem Sinn des Art. 95
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 95 - 1 In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.214
1    In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.214
2    Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht.215
3    In letzter Linie werden Vermögensstücke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden.
4    Wenn Futtervorräte gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden.
4bis    Der Beamte kann von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen oder wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen.216
5    Im übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen.
SchKG, wenn die
gerichtliche Feststellung des Drittanspruchs als Voraussetzung für die
Nachpfändung bezeichnet werde, wofür auf Reichel, Kommentar zum SchKG
Art. 95 Nr. 6 verwiesen werde. Die Angabe des Schuldners, dass eine Gruppe
der nachträglich gepfändeten Gegenstände ihm, dem Rekurrenten, gehörten,
erklärt er als unrichtig Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht
in Erwägung:

1. Es ist zwar im allgemeinen richtig, dass in der Betreibung eines
Arrestgläubigers im Sinne des Art. 278
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 278 - 1 Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben.
1    Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben.
2    Das Gericht gibt den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und entscheidet ohne Verzug.
3    Der Einspracheentscheid kann mit Beschwerde nach der ZPO490 angefochten werden. Vor der Rechtsmittelinstanz können neue Tatsachen geltend gemacht werden.
4    Einsprache und Beschwerde hemmen die Wirkung des Arrestes nicht.
SchKG nur die Arrestgegenstände
zu pfänden sind (Jaeger, Komm. z. SchKG Art. 95 Nr. 7). Allein mit
einer Arrestbetreibung in diesem Sinne hat man es nur dann zu tun, wenn
sie nicht am gewöhnlichen Betreibungssorum des Schuldners durchgeführt
wird. Deckt sich das Arrestforum mit dem gewöhnlichen Betreibungsforum,
so fehlt jeder Grund, diese Betreibung anders zu behandeln und die
Vorschrift des Art. 95 nicht auf sie anzuwenden.

Die Tatsache, dass der Rekurrent vor dem eigentlichen Pfändungsbegehren
eine Anzahl Objekte auch schon arrestiert hatte, steht also im
vorliegenden Falle dem Begehren des Gläubigers um Ergänzung der Pfändung
nicht entgegen.

2. Auch soweit die Borinstanz die Unzulässigkeit der Nachpfändung damit
begründet, dass der Rekurrent durch die erste Pfändung genügend gedeckt
sei, kann ihre Argumentation nicht als richtig anerkannt werden. Die
Pfändung soll dem Gläubiger im Moment ihrer Vornahme die Bezahlung seiner
Forderung sicherstellen, soweit dies möglich ist. Durch die Pfändung von
Objekten, die von Dritten zu Eigentum angesprochen werden, erhält er aber
nicht die gleiche Sicherheit wie durch die Pfändung von unbestritten dem
Schuldner gehörenden Objekten. Deshalb bestimmt Art. 95 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 95 - 1 In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.214
1    In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluss der Forderungen und der beschränkt pfändbaren Ansprüche (Art. 93) gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; entbehrlichere Vermögensstücke werden jedoch vor den weniger entbehrlichen gepfändet.214
2    Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht.215
3    In letzter Linie werden Vermögensstücke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden.
4    Wenn Futtervorräte gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden.
4bis    Der Beamte kann von dieser Reihenfolge abweichen, soweit es die Verhältnisse rechtfertigen oder wenn Gläubiger und Schuldner es gemeinsam verlangen.216
5    Im übrigen soll der Beamte, soweit tunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen.
SchKG,
dass Vermögensstücke, die vom Schuldner als dritten Personen gehörig
bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden, erst in letzter
Linie zu pfänden seien, und gibt und Konkurskammer. N° 36. 183

also dem Gläubiger einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass zuerst solche
Gegenstände der Pfändung unterworfen werden, an denen keine Ansprüche
Dritter geltend gemacht werden. Da nun die am 9. Februar gepfändeten
Objekte von Frau Grötsch zu Eigentum angesprochen werden, so bieten
sie dem Rekurrenten, obwohl ihr Schätzungswert den Betrag der Forderung
übersteigt, nicht diejenige Deckung, auf die er unter den vorliegenden
Umständen, wo konstatiert ist, dass andere Gegenstände vorhanden sind,
auf die keine Drittansprüche geltend gemacht werden, im Sinn des SchKG
Anspruch hat. Demgemäss ist er jetzt schon berechtigt, Nachpfändung
zu verlangen. Die Auffassung, dass er dies erst dann könne, wenn das
Eigentum der Frau Grötsch für die Betreibung verbindlich feststehe,
steht also mit dem Gesetze im Widerspruch. Man kann natürlich einem
Gläubiger erst dann zumuten, mit einem Drittansprecher sich gerichtlich
über dessen Anspruch auseinanderzusetzen, wenn dazu eine Notwendigkeit
vorliegt. Davon kann aber so lange nicht gesprochen werden, als nicht
feststeht, dass der Schuldner nicht noch andere, ihm unbestritten
gehörende Objekte besitzt. Diese sind daher auf alle Fälle, auch wenn
sie zur Deckung des Gläubigers nicht hinreichen, auch schon deshalb zu
pfänden, um dem Schuldner die Möglichkeit zu nehmen, Über sie in der
Zwischenzeit während eines allfälligen Rechtsstreites zwischen Gläubiger
und Drittansprecher zum Nachteil des betreibenden Gläubigers zuverfügen.

Z. Der Aussage des Schuldners beim Arrestvollzug, dass alle in der Wohnung
befindlichen Gegenstände der Frau Grötsch gehörten, kommt schon deshalb
keine Bedeutung bei, weil sie im Widerspruch steht mit der anlässlich
der vorsorglichen Pfändung vom 15. Februar abgegebenen.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird gutgeheissen. Demgemäss wird der Vorentscheid aufgehoben
und das Betreibungsamt Speicher als zur Vornahme der Nachpfändung in
Betreibung Nr. 474 verpflichtet erklärt-