840 0. Entscheidungen der Schuldbetreibungs und Konkurskammer,

S. 234 ff.). Muss das aber zugegeben werden, so ist nicht ein: zusehen,
weshalb der gleiche Grundsatz nicht auch auf im Ausland liegende
Faustpfänder Anwendung finden sollte, da ja die Vorschrift des Art. 41
in gleicher Weise in die materiellen Rechte der Psandgläubiger eingreift,
ob es sich um ein Grundoder um ein Faustpfand handle.

2. Zum nämlichen Ergebnis führt die Erwägung, dass Art. 51 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 51 - 1 Haftet für die Forderung ein Faustpfand, so kann die Betreibung entweder dort, wo sie nach den Artikeln 46-50 stattzufinden hat, oder an dem Ort, wo sich das Pfand oder dessen wertvollster Teil befindet, eingeleitet werden.87
1    Haftet für die Forderung ein Faustpfand, so kann die Betreibung entweder dort, wo sie nach den Artikeln 46-50 stattzufinden hat, oder an dem Ort, wo sich das Pfand oder dessen wertvollster Teil befindet, eingeleitet werden.87
2    Für grundpfandgesicherte Forderungen88 findet die Betreibung nur dort89 statt, wo das verpfändete Grundstück liegt. Wenn die Betreibung sich auf mehrere, in verschiedenen Betreibungskreisen gelegene Grundstücke bezieht, ist dieselbe in demjenigen Kreise zu führen, in welchem der wertvollste Teil der Grundstücke sich befindet.

SchKG dem Faustpfandgläubiger die Wahl zwischen dem Betreibungsort
des Wohnsitzes des Schuldners unddemjenigen des Pfandortes gibt. Würde
sich nun der Gläubiger in einem Fall, wo das Pfandobjekt im Auslande
liegt, für die erste Alternative entscheiden, so könnte die Betreibnng
auf Realisierung des Pfandes gar nicht durchgeführt werden, da das
Betreibungsamt ja die Verwertung des Pfandes weder selbst noch auf dem
Requisitionsweg vornehmen könnte. Das weist deutlich darauf hin, dass der
Gesetzgeber tatsächlich nur an den Fall gedacht hat, wo das Pfand in der
Schweiz liegt. Auf Pfandrechte, die sich nicht nach schweizerischem Recht
beurteilen, kann sich derSchuldner daher offenbar nur dann berufen, wenn
er nachweist, dass das ausländische materielle Recht dem Pfandgläubiger
eineähnliche Beschränkung wie die in Art. 41
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 41 - 1 Für pfandgesicherte Forderungen wird die Betreibung, auch gegen die der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, durch Verwertung des Pfandes (Art. 151-158) fortgesetzt.
1    Für pfandgesicherte Forderungen wird die Betreibung, auch gegen die der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, durch Verwertung des Pfandes (Art. 151-158) fortgesetzt.
1bis    Wird für eine pfandgesicherte Forderung Betreibung auf Pfändung oder Konkurs eingeleitet, so kann der Schuldner mit Beschwerde (Art. 17) verlangen, dass der Gläubiger vorerst das Pfand in Anspruch nehme.
2    Für grundpfandgesicherte Zinse oder Annuitäten kann jedoch nach der Wahl des Gläubigers entweder die Pfandverwertung oder, je nach der Person des Schuldners, die Betreibung auf Pfändung oder auf Konkurs stattfinden. Vorbehalten bleiben ferner die Bestimmungen über die Wechselbetreibung (Art. 177 Abs. 1).
SchKG enthaltene auferlegt.

3.Aus dem Gesagten ergibt sich, dass in casu das deutscheRecht darüber
entscheidet, ob der Pfandgläubiger auch vor erfolgter Liquidation der
Pfänder den Schuldner persönlich belangen könne.

Da nun die Vorinstanz diese Frage nicht geprüft hat und dieAktenlage auch
die sofortige Lösung derselben durch das Bundesgericht nicht erlaubt,
ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, ohne dass zur Zeit auf die
weitern, im Vorentscheid behandelten Fragen eingetreten zu werden braucht.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass der Vorentscheids aufgehoben
und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinn der Motive an die Vorinstanz
zurückgewiesen wird.IMPRIMERIES RÉUNlES S. A. LAUSANNE.A. STAATSRECHTLICHE
ENTSCHEIDUNGEN ARRÉTS DE DROIT PUBLICErster Abschnitt. Première section.

Bundesverfassung. Constitutjon fédérale.I. Rechtsverweigerung und
Verletzung der Gleichheit; vor dem Gesetze. Déni de justice et violation
de l'égalité devant la loi.

a) Formelle Rechtsverweigerung, insbes. negativer Kompetenzkonflikt. Dém'
de justice formel; en particulier, conflit négatif de compétence.

65Arten vom 16. Heptemvet 1910 in Sachen RW gegen Zeghen

wegaiiuer Kompetenzkonflikt in einer Strafsache: Weigerung der Beherden
dee Kantons Baselstadt, gegenüber dem Urheber einer angeblich m diesem
Kanton begangenen Ehrverletzung einzuschreiten unter Berufung darauf,
dass laut einer Bestimmung der kantonalen Strafprozeesordnung bei
Antragsdelikten keine Kontumazierung stattfinde, zm vorliegenden Falle
aber eine Anerkennung des Basler Gereehtsstandes durch den Angeklagten
nicht uorlieqe; Weigerung der Behorden des Wahnsitzkantons Zürich,
ihrerseits einzuschreiten AS 36 I 1910 23 ,

342 A. staats-rechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

m delicti commissi allein massgebend sei. In casa, Lösung
dieses Konfliktes auf dem Boden der beiden kantonalen Rechte ohne
Herbeiziehnng einer eidgenössischen Kollisionsnorm. Vor-anssetznngen
des staatsrechtlichen Beknrses bei negativen Kompetenz- konflikten:
Bekurs rechtzeitig, wenn die Bekarsfrist auch nur gegenüber dem spätern
der beiden in Betracht kommenden Entscheidegewahrt ist ; Erschöpfung
des kantonalen Instanzenznges nicht erforderlich.

A. Am 3. Januar 1910 erhob der Rekurrent beim Strafgericht Basel-Stadt
gegen den Rekursbeklagten Strafklage wegen Ehrverletzung, begangen
durch Briefe, die der Rekursbeklagte an Regierungsrat Albert Burckhardt
in Basel geschrieben hatte. Auf Ersuchen des Strafgerichts Basel-Stadt
wurde der Rekursbeklagte vom Bezirksgerichtspräsidenten Zürich darüber
befragt, ob er den. Gerichts-stand von Basel-Stadt anerkenne. Er
verneinte dies underklärte, nur den Gerichtsstand seines Wohnortes
Zürich anzuerkennen. Durch Vermittlung des Bezirksgerichts Zürich wurde
derRekursbeklagte auf den 23. Februar vor das Strafgericht BaselStadt
geladen; er erschien aber dort nicht.

Mit Beschluss vom 23. Februar 1910 wies das StrafgerichtBasel-Stadt,
gestützt auf § 159 der Strasprozessordnung vonBasel-Stadt, ivonach bei
Antragsdelikten ein Kontumazialverfahren nicht ftattfindet, die Klage
von der Hand.

Der Rekurrent zog diesen Beschluss des Strafgerichts BaselStadt nicht
weiter, sondern erhob beim Bezirksgericht Zürich Strafklage, gestützt
auf § 3 litt. b des zürcherischen StrGB,. welcher lautet:

% 3: Nach diesem Gesetze (sc. nach dem Strafgesetzbuch für den Kanton
Zürich) werden beurteilt ..... b) Verbrechen,. welche ausserhalb des
Kantons von Jnoder Ausländern gegen denselben oder dessen Angehörige
(Bürger oder Einwohner) der-übt worden sind, insofern die gerichtliche
Verfolgung durch den-

auswärtigen Staat nicht erhältlich ist

Durch Verfügung vom 18. Mai wies der Gerichtsvorfta Klage von der Hand,
mit wesentlich folgender Begründung:

Begehungsort der angeblichen Ehrverletzung sei Bas

weil das forn

nd die

eI=61abt..

Nach § 3 lit. b StrGB könne daher die Verfolgung in Zürikch
nur stattfinden, wenn sie in Basel nicht erhältlich sei. Nun
have"I. Rechtsverweigerung. _ a) Fnrmelle. N° 65. 843

allerdings das Strafgericht Basel-Stadt die Behandlun ab ele lAber es
stehe damit noch nicht fest, dass Basel-Stadt Sie sehahifdk img endgultig
verweigere. Der Beschluss beruhe auf einer unrichftolgen Voraussetzung,
und es sei wohl denkbar, dass bei Kenntnis er nach zurcherischem Rechte
gegen den Angeklagten zulässigen Zwangsmittel das Strafgericht Basel-Stadt
die Klage materiell behandeln würde oder dass es, auf Beschwerde hin zur
Behandlung angewiesen würde. Die Ablehnung der materiellen Behand; lung
werde von Basel-Stadt auf § 159 der basler Strafprozessordnung gestützt,
wonach bei Antragsdelikten kein Kontumazialverfahren stattfinde. Nun
sei aber ein Kontumazialverfahren ge en den Rekursbeklagten gar
nicht nötig. Denn derselbe könne gus Ansuchen des Strafgerichtes
Basel-Stadt durch die zürcherischen Gerichte zur Einvernahme vorgeladen
und eventuell polizeilich vorgefuhrt oder sogar den basler Behörden
zugeführt werden. . Ein Rekurs gegen diese Verfügung wurde von der
III. Appellationskammer des zürcherischen Obergerichts am 21. Juni ab
ewiesen mit wesentlich folgenden Erwägungen: g ' Die Rechtshilfe der
Kantone sei in den letzten Jahren eine vollumfassende geworden. Während
früher die meisten Kantone Bedenken-trugen, in Nichtauslieferungsdelikten
oder in Polizeisachen Rechtshilfe zu leisten, sei dieser Widerstand
zur Zeit gänzlich gebrochen. Auch im Ehrverletzungsprozess werde der
Angeklagte auf Antrag des requirierenden Gerichtes vorgeladen, eventuell
vorgefuhrt und auf Wunsch der requirierenden Behörde über die Anklage
eingehend einvernomiuen. Der § 444 der neuen StrPO gnebe ferner dem
Regierungsrate das Recht, auch in solchen Straffallen, in welchen nach
dem Bundesgesetze keine Auslieferungspflicht bestehe, die Auslieferung
zu verfügen. Dieser Paragraph sei allerdings noch nicht Gesetz; allein
darüber bestehe doch kein Zweifel, dass der Regierungsrat heute schon
das Recht habe die Auslieferung von Nichtkantonsbürgern (der Angeklagte
sei Grau-

bündner) an andere Kantone zu verfügen. Genau gleich stehe es

mit der Vollstreckung eines allfälligen Strafurteiles. Sobald der Kanton
Basel-Stadt Gegenrecht zusichere und nach dem Schreiben vom 14. Juni
1910 werde er dies voraus-sichtlich tun werde der Regierungsrat des
Kantons Zürich, wie schon wieder-

344 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. [. Abschnitt. Bundesverfassung.

holt, entweder die Vollziehung des Strafurteils im Kanton Zürich oder die
Auslieferung des Berurteilten nach Basel bewilligenspAm gesichts dieser
Erwägungen dürfe nun doch der zürcherische Richter die Frage aufwerfen,
ob das Strafgericht Basel-Stadt, das van sich zuständig sei, mit einer
erfolglosen Vorladung ein Genuge geleistet habe, um jede Strafverfolgung
abzulehnen. Die Appellationskammer sei der Ansicht, es könne ein Richter
erst dann von einem Kontumazialverfahren sprechen, wenn er die ihm zu
Gebote stehenden Hilfsmittel, den Augeklagten zur Stelle zu schaffen,
erschöpft habe. In Strafsachen sei der grundsätzliche Gerichtsstand das
forum deljctj ·comn1jssi, und das forum domicilu und reprehensionis seien
erst in zweiter Linie anwendbar. Von diese-r Erwägung ausgehend habe das
Bundesgericht wohl sein Urteil in Sachen Bertschmann vom 21. Januar 1904
(BGE Bd.30 I S. 7) gefällt-

B. Gegen diesen Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich richtet sich
der vorliegende, rechtzeitig und formrichtig ergriffeiie staatsrechtliche
Rekurs mit den Anträgen: "

1. Das Bundesgericht wird ersucht, die Beschlufse des Bezirksgerichtes
Zürich IV. Ableilung vom 18. Mai 1910 und der Appellationskammer des
Obergerichtes vom 21. Juni 1919 in vollem Umfange aufzuheben und die
Gerichte des Kantons Zurich anzuweisen, die beim Bezirksgerichte Zürich
eingereichte Ehrverletzungsklage des Herrn Dr. Bär gegen Herrn Jngenieur
Jegher an die Hand zu nehmen. '

2. Eventuell, d. h. für den Fall, dass das Bundesgericht eben"falls
die Kompetenz der zürcherischen Gerichte als nicht gegeben erachtet,
soll das basler Strafgericht angewiesen werden, die Il; Frage kommende
Ehrverletzungsklage an die Hand zu nehmen-

Zur Begründung des Rekurses wird ausgeführt, es handle sich um einen
negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Kantonen BaselStadt und Zürich
Die Erwägungen der zürcherischen Entscheide stunden im Widerspruche mit
dem bundesgerichtlichen Urteil in Sachen der Witwe Meter vom 20. April
1898, mit welchem Fall der vorliegende in rechtlicher Beziehung völlig
übereinstimme, sodass emfach auf die dortigen Erwägungen verwiesen
werden konneliege kein Grund vor, den Entscheid des baslerischen
StrafgerlchtsI. Rechtsverweigerung. a) Formelle. N° 65. 345

vom Standpunkt des basler Rechts aus als nnrichtig zu bezeichnen. Der
basler Richter habe alle ihm zu Gebote stehenden Mittel ergriffen, um den
Prozess unter Mitwirkung des Beklagten durchzuführen. Eine Vereinbarung
zwischen den beiden Kautonen in Bezug auf Auslieferung bestehe nicht,
ebensowenig eine Pflicht zur Vollstreckung von Strafurteilen. Die
Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, dass solche Auslieferungen oder
Vollstreckungen von Zürich gewährt werden würden, genüge nicht, um die
Anwendung des § 159 der basler StrPO auszuschliessen Es sei übrigens nicht
anzunehmen, dass der Kanton Zürich in einer solchen Ehrverletzungssache
Auslieferung oder Urteilsvollstreckung gewährt hätte.

C. Das Strafgericht Basel-Stadt bezw., namens desselben, dessen Präsident
stellt den Antrag, das Bundesgericht möge entscheiden, dass die Klage
des Rekurrenten auf Grund der kantonalen gesetzlichen Bestimmungen in
Basel nicht behandelt werden könne und dass die zürcher Behörden als
Gerichtsstand des Wohnorts zur Annahme der Klage verpflichtet seien.

D. Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Der Rekursbeklagte hat auf Abweisung des Rekurses angetragen. Er macht
unter anderm geltend, dass gegenüber dem Entscheid des Strafgerichts
Basel-Stadt der Rekurs verspätet sei, sowie dass ein negativer
Kompetenzkonflikt noch nicht vorliege, weil der Rekurrent das Urteil
des Strafgerichts nicht weitergezogen habe.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Da der Rekurrent sich über einen negativen Kompetenzkonflikt und
eine hieraus resultierende Justizverweigerung beschwert, so ist gemäss
konstanter Praxis (vergl. z. B. BGE 30 I S. 7) die Kompetenz des
Bundesgerichts gegeben.

Die Rekursfrist ist gewahrt gegenüber dem Entscheid des zürcherischen
Obergerichtes vom 21. Juni 1910. Dagegen wäre sie an sich nicht gewahrt
gegenüber dem Entscheide des Strafgerichts Basel-Stadt vom 23. Februar
1910. Da jedoch der Kompetenzkonflikt erst mit den spätern Entscheiden
der zürcherischen Behörden entstanden isf, muss es auch zur Anfechtung
des basler Entscheides

346 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

genügen, dass der Rekurs innert 60 Tagen seit dem letzten zürcherischen
Entscheid eingereicht worden ist. s

Dem Rekursbeklagten ist zuzugeben, dass in BaselStadt der Jnstanzenzug
nicht erschöpft worden ist, da der Rekurrent den

Entscheid des Strafgerichts nicht weitergezogen hat Es ist sogar

fraglich, ob in Zürich der Jnstanzenzug erschöpft sei, da hier
vielleicht nach § 1091 Ziff. 6 RPflG wegen Verletzung einer materiellen
Gesetzesvorschrift (§ 3 litt. b StrGB) noch eine Nichtigkeitsbeschwerde
möglich gewesen wäre Allein das Bundesgericht hat bei negativen
Kompetenzkonflikten eine Erschöpfung der kantonalen Jnstanzen als
Voraussetzung der Zulässigkeit des staatsrechtlichen Rekurses bisher
(vergl. z. B. den bereits zitterten Fall AS 24 I Nr. 31) nicht verlangt,
und es liegt kein Anlass vor, von dieser Praxis abzugehen.

Auf den Rekurs ist somit einzutreten.

2. Es steht ausser Frage, dass der Rekurrent das Opfer eines negativen
Kompetenzkonfliktes der Strafgerichtsbehörden zweier Kantone ist. Das
angebliche Delikt des Rekursbeklagten, das der Rekurrent zu richterlicher
Beurteilung bringen möchte, ist zweifellos in Basel begangen worden,
weil dort die für den Rekurrenten angeblich injuriösen Briefe des
Rekursbeklagten zur Kenntnis des Adressaten gelangt sind. Nach allgemein
herrschender, auch vom Bundesgericht (vergl. z. B. AS 27 IS. 447 Erw. 1)
wiederholt gebilligter Auffassung gelten die durch Briefe begangenen
Delikte, speziell Ehrverletzungen, in der Tat als an demjenigen Orte
begangen, wo sie zur Kenntnis des Adressaten gelangt sind. Anderseits
wohnt der Rekursbeklagte, der Täter, wie übrigens auch der Rekurrent,
in Zürich Für die Verfolgung der Jnjurien können daher nur die Kantone
Basel-Stadt und Zürich in Betracht kommen. In beiden Kantonen hat der
Rekurrent seine Klage prozessordnungsgemäss erhoben; und in beiden
Kantonen ist diese Klage von der Hand gewiesen worden, am Begehungsort
Basel auf Grund der dortigen strafprozessualen Bestimmung, dass bei
Antragsdelikten kein Kontumazialverfahren zulässig ist, und am Wohnort des
Täters, Zürich, mit der Begründung, dass die Klage in Basel anzubringen
sei und dott} müsse angebracht werden können. Das verfassungsmässige Recht
des Rekurrenten, dass seineI. Rechtsverweigerung. a) Formelle. N° 65. 347

Strafklage von einem der beiden Richter, die überhaupt in Betracht kommen
können, in materielle Behandlung gezogen werde, ist daher verletzt,
und der Rekurrent hat Anspruch darauf, dass das Bundesgericht den einen
oder den andern Kanton zur Anhandnahme der Strafklage verpflichte.

3. Wie das Bundesgericht stets ausgesprochen hat (vergl. z. B. AS 24 I
S. 183 Erw. 2), ist bei solchen negativen Kompetenzkonflikten zuerst zu
untersuchen, ob der Konflikt nicht etwa nur eine Folge der unrichtigen
Anwendung des kantonalen Rechts seitens des einen oder andern der beiden
Kantone sei. Erst wenn dies nicht der Fall ist, der Kompetenzkonflitt
und damit die Justizverweigerung also auf der Unvollkommenheit oder
Nichtübereinftimmung der beiden kantonalen Gesetzgebungen beruht, ist
unter Aufstellung einer bundesrechtlichen Regel zu bestimmen, welcher
der beiden Kantone in Abweichung von seinem eigenen Recht die Klage an
die Hand zu nehmen habe.

4. Fragt es sich zunächst, ob der Entscheid des basler Strafgerichts nach
dortigem kantonalem Recht haltbar sei, so ist davon auszugehen, dass
nach § 159 der basler StrPO bei Antragsdelikten um ein solches handelt
es sich hier zweifellos fein Kontumazialverfahren stattfindet. Wenn also
die Teilnahme des Angeklagten an der Verhandlung nicht bewirkt werden
kann, so ist eine materielle Beurteilung unzulässig und muss die Sache
von der Hand gewiesen werden

Jm vorliegenden Falle hat nun der Rekursbeklagte bei seinerrogatorischen
Einvernahme in Zürich erklärt, dass er den basler Gerichtsstand
nicht anerkenne, und er hat denn auch tatsächlich der Vorladung zur
Verhandlung in Basel keine Folge geleistet. Die in § 159 der basler
StrPO vorgesehene Voraussetzung des Eintretens auf die Strafklage
(Teilnahme des Strafbeklagten an der Verhandlung) war somit tatsächlich
nicht erfüllt. Die zürcherischen Gerichte sind zwar der Auffassung,
das basler Strafgericht hätte, um die Durchführung des Verfahrens in
Basel zu ermöglichen, noch ein mehreres tun sollen, indem es entweder
die Einvernahme des Reknrsbeklagten in Zürich veranlasst hätte, wobei
der Angeklagte eventuell polizeilich vorgeführt worden wäre, oder indem
es von den zürcher Behörden die polizeiliche Zuführung

348 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

bezw. die Einlieferung des Rekursbeklagten nach Basel verlangt hätte. Da
jedoch in der basler Strafprozessordnung nirgends vorgesehen ist, dass
das Kontumazialverfahren und ein Kontumazurteil durch eine rogatorische
Einvernahme des in Basel nicht erscheinenden Angeklagten vermieden werden
könnten, und da, nach der Erklärung des Strafgerichtspräsidenten in seiner
Vernehmlassung, bei Antragsdelikten keine Voruntersuchung stattfindet,
sondern an deren Stelle die mündliche Verhandlung vor Gericht tritt, so
ist nicht anzunehmen, dass das von den zürcher Behörden vorgeschlagene
Verfahren der eventuellen zwangsweisen rogatorischen Einvernahme
des Rekursbeklagten in Zürich den basler Behörden die Durchführung
der Sache ohne Kontumazialverfahren ermöglicht haben würde. Und was
die polizeiliche Zuführung des Rekursbeklagten nach Basel oder dessen
Auslieferung dorthin anbetrifft, so war das basler Strafgericht nach § 159
StrPO offenbar nicht verpflichtet, eine solche Massnahme zu veranlassen
bezw. den Versuch dazu zu machen. Um ein Auslieferungsdelikt nach dem
Bundesgesetz vom 1852 handelt es sich ohne Frage nicht. Es besteht aber
auch keine Vereinbarung zwischen den Kantonen Zürich und Basel-Stadt über
Auslieferung oder Stellung von Angeschuldigten in Fällen, die nicht unter
das Auslieferungsgesetz zu subsumieren sind. Demnach wäre also Zürich
nicht verpflichtet gewesen, einem bezüglichen Auslieferungsbegehren
Von Basel-Stadt zu entsprechen Anderseits aber ist es gewiss nicht
wahrscheinlich, dass in einer Ehrverletzungssache wie dex vorliegenden
die Auslieferung oder polizeiliche Zuführung auch beim Fehlen einer
Auslieferungspflicht von Zürich bewilligt oder auch nur vom basler
Regierungsrate nachgesucht worden wäre. Unter diesen Umständen kann aber
eine Pflicht des Strafgerichts, einen Versuch zu machen, die Auslieferung
oder polizeiliche Stellung des Rekursbeklagteu dennoch zu verlangen, nicht
angenommen werden. Es ist gewiss nicht der Sinn des Art. 159 der basler
StrPO, dass in Privatstrafsachen dermassen einschneidende Zwangsmassregeln
versucht werden sollen; sondern der Sinn dieser Gesetzesbestimmung
geht vielmehr dahin, dass das Verfahren zu siftieren ist, sobald der
auswärtige Angeschuldigte trotz ordnungsgemässer Vorladung nicht zur
Verhandlung erscheint.

I. Rechtsverweigerung. a) Formelle. N° 65. 349

Die zürcher Behörden machen weiterhin geltend, dass BaselStadt
die Vollstreckung des Urteils in Zürich oder die Auslieferung des
Rekursbeklagten zum Zwecke der Vollstreckung sehr wohl hätte erlangen
können, obgleich, wie gesagt, keinerlei Abmachungen solcher Art zwischen
den beiden Kantonen existieren. Auch dieserEinwand ist gegenüber
der positiven Vorschrift des § 159 unbehelslich Das Motiv dieser
Gesetzesbestimmung mag allerdings dieSchwierigkeit oder Unsicherheit
der Urteilsvollstreckung gegen auswärtige Angeklagte gewesen sein; die
Vorschrift selber aber ist kategorisch und macht dle Anhandnahme der
Strasklage nicht davon abhängig, ob die Vollstreckung des eventuell zu
erlassenden Urteils erhältlich sein werde.

Unter diesen Umständen könnte es sich höchstens fragen, ob§ 159 der
basler StrPO nicht etwa an sich, ganz abgesehen von, einem negativen
Kompetenzkonflikt und dessen Lösung, bundesrechtswidrig sei, insofern
dadurch die Verfolgung einer Reihe von Delikten am Begehungsort unmöglich
gemacht wird ohne Rücksicht darauf, ob eine Verfolgung anderswo, am
Wohnort des Täters, möglich ist. Diese Frage ist jedoch vom Bundesgerichte
in einem neuern Entscheide, auf dessen Erwägungen hier verwiesen werden
mag (vergl. Urteil vom 25. Mai 1910 in Sachen Huth gegen Basel-Stadt,
Erw. 3) bereits negativ entschieden worden.

5. _ Jst demnach der Entscheid des Strafgerichts Basel-Stadt vom
Standpunke des basler Rechtes aus nicht anfechtbar, undist die in
Betracht kommende Bestimmung der basler StrPO an. sich auch nicht
bundesrechtswidrig, so fragt es sich weiter, ob nach zürcher Recht
die zürcher Gerichte verpflichtet seien, auf dieKlage des Rekurrenten
einzutreten.

Nach § 3 litt. b des zürcherischen StrGB sind im Kanton Zürich unter
Umständen auch ausserhalb des Kantons verübte Delikte strafbar, sofern sie
gegen den Kanton Zürich oder dessen Angehörige (Bürger oder Einwohner)
verübt worden sind und diegerichtliche Verfolgung durch den auswärtigen
Staat nicht erhältlich ist. -

Dieser Fall liegt hier vor. Einerseits steht ausser Frage, dass
beide Parteien Angehörige des Kantons Zürich im"Sinne der zitterten
Gesetzesbestimmung sind, und anderseits ist die Verfolgung

350 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

in Basel-Stadt in der Tat nicht erhältlich Bei diesem letztern Requisit
kann es nicht darauf ankommen, ob in dem betreffenden auswärtigen Staat
die Verfolgung mit Recht oder zu Unrecht abgelehnt wurde. Es muss genügen,
dass sie tatsächlich nicht bewirkt werden konute. Der Gedanke, auf dem
§ 3 litt. b beruht, ist ja zweifellos der, dass Delikte, welche gegen
den Kanton oder dessen Angehörige, gleichgültig wo, begangen wurden,
nicht ungestraft bleiben sollen.

Dass der Nachweis der Unerhältlichkeit der Strafversolgung in
Basel-Stadt nicht erbracht sei, weil der-Rekurrent den Entscheid des
basler Strafgerichts nicht weitergezogen habe, kann nicht anerkannt
werden. Nach dem Gesagten konnte gemäss basler Recht der Entscheid des
Strafgerichts Basel-Stadt nicht anders ansfallen, als er tatsächlich
ausgefallen ist, sodass eine Weiterziehung sicherlich erfolglos gewesen
wäre. Dies muss aber nach § 3 litt.b des zürcherischen StrGB genügen, um
das Strafrecht von Zürich zu begründen. Es würde dem Sinn und Zweck dieser
Gesetzesbestimmung durchaus widersprechen, als formelles Erfordernis
eine von vornherein aussichtslose Erschöpfung des Jnstanzenzuges im
auswärtigen Staat zu verlangen.

6. Da somit die zürcher Behörden nach ihrem eigenen kantonalen Recht
zur Behandlung der Strafklage des Rekurrenten verpflichtet gewesen wären
und sie eine solche nur unter Verletzung des § 3 litt. b StrGB ablehnen
konnten, so ist der Rekurs gegenüber Zürich gutzuheissen, ohne dass
untersucht zu werden braucht, in welchem Sinn der vorliegende negative
Kompetenzkonflikt zu lösen gewesen wäre, wenn der Entscheid der zürcher
Behörden auf einer richtigen Anwendung des kantonalen Rechtes beruht
hätte, was z. B. dann der Fall gewesen wäre, wenn weder der Rekurrent
noch der Rekursbeklagte ein Angehöriger des Kantons Zürich im Sinne von §
3 litt. b StrGB gewesen wäre. Es ist sehr wohl möglich, dass alsdann,
mit Rücksicht darauf, dass auch die Strafgesetzgebung von Basel-Stadt
den Gerichtsstand des Begehungsortes grundsätzlich anerkennt und §
159 ber basler StrPO somit eine Ausnahmebestimmung ist, der vorliegende
Kompetenzkonsiikt zu Gunsten von Zürich entschieden worden wäre. Immerhin
ist es auch abgesehen von § 3 litt. b des zürcherischen StrGB keine
aussergewöhnliche Zumutung anI. Rechtsvcrweigerung. a) Formello. N°
65. 351

die zürcher Behörden, in einem Falle wie dem vorliegenden die
Strafversolgung zu übernehmen. Allerdings steht in Strafsachen
der Gerichtsstand des Begehungsortes grundsätzlich an erster
Stelle. Allein auch der Gerichtsstand des Wohnortes hat in zahlreichen
Strasprozessordnungen, namentlich wenn es sich um Privatstrasklagen,
speziell um Ehrverletzungsklagen handelt, seine Anerkennung gefunden;
so z. B. gerade im Kanton Zürich gemäss § 754 RPflG Im konkreten Falle
erscheint sogar, da beide Parteien in Zürich wohnen und es sich um eine
Ehrverletzungsklage handelt, die mehr nur zufällig in Basel begangen
worden ist und bei welcher der Begehungsort weiter keine Rolle spielt,
die Beurteilung der Sache durch die zürcher Gerichte als das natürlichere.

Endlich mag noch bemerkt werden, dass die Berufung des zürcherischen
Obergerichts auf das Urteil des Bundesgerichts vom 21. Januar 1904 in
Sachen Bertschmann (AS 30 I Nr. 1) nicht zutrifft. In diesem Urteil wurde
in erster Linie ausgeführt, dass nach richtiger Auffassung § 159 der
basler StrPO gar nicht zur Anwendung komme, weil es sich nicht um ein
Antragsdelikt handle, und dass daher schon nach basler Recht in Basel
die Verpflichtung zur Beurteilung der Sache bestehe. Eventuell wurde
dann weiter bemerkt : auch wenn Art. 159 zutreffen würde, müsste der
Konflikt zu Ungunsten von Basel gelöst werden, weil Basel Begehnngsort
sei und interkantonal dem forum delicti commissi der Vorzug zu geben
sei. Dabei wurde aber überall vorausgesetzt, dass die Weigerung der
neuenburger Behörden, die Sache zu behandeln, nach dortigem Recht
begründet sei. Es war von keiner Seite behauptet worden und schien auch
sonst ausgeschlossen, dass die neuenburger Behörden etwa nach einer dem
§ 3 litt. b des zürcherischen StrGB analogen Bestimmung zur Behandlung
der Sache verpflichtet gewesen wären.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird gutgeheissen und es werden, unter Aufhebung des
Beschlusses des Obergerichtes Zürich vom 21. Juni 1910, die Gerichte des
Kantons Zürich angewiesen, auf die Jujurienklage des Rekurrenten gegen
den Rekursbeklagten einzutreten.