* ' z , 270 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. Il. Abachmtt. Bundesgeset
e

50. get-teil vom 23. Juni 1910 in Sachen Herzog gegen Thurgau.

' ' taatshöchstsubszdiaiei Chaiahtei des 8. ndung eidgenössischen
Rechts ist der

' Ietzung desselben gleichzu' n Anwendung bezw. dei _Ver __ _ , .

Igllggt'lggher ist Nichtanwendung eidgenoss'ischen
Stssîafzîfdssssîjz-Îezdîî sAnwendung kantonalen statt eidgenössischen
Strass ec "s, . ebenso strafrechtlichen Kassationsbeschiferdess
(linie/7231122792622tilliégmöm--

stra rozessua er es in . . , . foyfazlefifuzz Art.)? 63 OG ganz
allgemein von der ErikZ/iz? Ins-r eidgehössischen Bechtscorschrift
spricht. Gag? [EURth dei eines Verstosses gegen den Grundsatz
der derogalmisc e d ' vereicl enössischen Rechts ist ebenfalls
als Geltendmachnjig ef/mr da letgung eidgenössischen Rechts zu
betrachteanluncl Midi? THE-Zan

' ' en wo . ' des staatsreehtlichen Renarsesnzu er 0 g , . _ _ _
7giaziittebl;züglichen Normen des eidgenossischen Rechts nicht auf an

derem Wege geriigt werden kann.

A Durch Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgalu zoom.? April 1910
sind die beiden Rekurrenten der Milchfcäpk schung schuldig erklärt und
in Anwendung der Oggi?) 531% eu:on je

" s s zu einer

s eid eno ichen Lebensmittelgesetze _ iTOO %? eilselitnell zu je 20
Tagen Gefangenschaft, zu den Kofi; und zu einer Entschädigung an den
DamnifikattenlscsZchiTv:)eitezseei:I an

] ' ' ' ei , . bei-urteilt worden. Das Gericht nimm a ' ' . TafTFreine am
3. November 1909 von der Gesundheitskommisswnn Steckborn aufgenommene,
dem kantonalen chemischen Laihoigcxgrirtiih zugesandte Milchprobe die
Fälschung erkgbjn hakt-irrt ukiännen Das · ' ' bie a er . mand anders
als die Ziekurrenten · ' ll 'Ict oer:

" ' ' Marktmilch mit der Sta nii )

bezugliche Gutachten, das die 0 Nekur' ' n 22 /. Die

leiclt, liesst auf einen Wasserzusatz vo, ' . n gentgn hähtten vor den
kantonalen Jnstanzen ihte Schuldtbexr;:x)und namentlich geltend gemacht,
die Milchsorobe sei nich ifür die tiger Weise vorgenommen worden, indem
die Progeflgixscksecxrift des

sclemiker nicht gema or _ Versendung an den Kanton ) · ' n
Lebensmittelgqeh s ätli en Reglements zum eidgenossische gleitjiksfeiid
Sie Entnahiiie der Proben von Lebensmitteln ec., vom

Bedeutung des Art. 182 QG: rechtlichen
Rehurses. Nichtanwe.... Organisation der Bundesrechtspflege. N° 50. 27}

29. Januar 1909, verschnürt und amtlich versiegelt oder plombiert
worden seien. Ferner hatten sie sich darüber beschwert, dass ihnen
das Ergebnis der Strafuntersuchung nicht sofort mitgeteilt worden
sei. Über diese Einwände führt das Urteil aus: Unstreitig sei die
Vorschrift des § 13 des bundesrätlichen Reglements betreffend Einnahme
von Proben nicht beachtet worden, da die Probeflaschen nicht Verschnürt
und versiegelt, sondern nur mit einsachem Berschlusse versehen in
einer mittels Schlüssel geschlossenen Versandtkisie verpackt worden
seien. Trotzdem sei die Probeeiitnahme vom Strafrichter als massgebend
anzuerkennen. Die Vorschriften des angerufenen Reglements seien blosse
regiminelle Ordnungsvorschriften für die Handhabung des eidgenössischen
Lebensmittelgesetzes, also kein Bestandteil des Gesetzes und speziell
kein solcher des strafrechtlichen Teils desselben. Die Ordnung des
Strafverfahrens wegen Zuwiderhandlung gegen das Lebensmittelgesetz sei
nach Art. 49 und konform der Bundesverfassungsbestimmung den Kantonen
verblieben. Es müsse sich also das Verfahren ausschliesslich nach
kantonalem Rechte richten. Nach § 48 der kantonalen Strafprozessordnung
aber sei der Strafrichter an irgendwelche Beweistheorien nicht
gebunden. Ausschlaggebend müsse daher für die vorliegende Strafsache
dem Richter einzig sein, ob er bei gegebener Sachlage annehmen müsse,
dass die aufgenommenen Proben nicht mehr als massgebend anerkannt werden
könnten. Dies sei zu verneinen. Es könne nicht angenommen werden, dass
die Proben während des Transportes durch Unberufene irgendwie verändert
worden seien. Das Strafverfahren habe zum Nachteil der Nekurreiiten
auch dadurch nicht beeinflusst werden können, dass, wie sie behaupten,
unterlassen wurde, ihnen gemäss der Vorschrift des § 16 ber kantonalen
Vollziehungsverordiiung vom Ergebnis der Untersuchung der Proben und der
festgestellten Fälschung Mitteilung zugehen zu lassen. Die objektive
Richtigkeit der aufgenommenen chemischen Untersuchung der Milchprobe
könne in keiner Weise beanstandet werden. Die Anzeige nach § 16 solle
aber wesentlich deshalb statthaben, damit dem Lieferanten die Möglichkeit
gewahrt bleibe, rechtzeitig eine Oberexpertise zu beantragen.

B. Gegen dieses Urteil haben die Verurteilten mit Eingabe vom 31. Mai
1910 den staatsrechtlichen Rekurs an das Bun-

272 A. Staatsrechlliche Entscheidungen. ll. Abschnitt. Bundesgesetze.

desgericht ergriffen. Sie stellen den Antrag: Das Urteil des thuegauischen
Obergerichts vom 2. April 1910 iei'aufgubessem und sie seien demgemäss
von Schuld und Strafe freizusprecheiy unter Befreiung von allen
Kosten und Zusprache einer angemessene-n Entschädigung an sie, aus der
thurgauischen Staatskasse; die Damnifikatsforderung sei abzuweisen Zur
Begründung·dieses·Antrages führen die Rekurrenten, unter neuerlicher
Bestreitung ihrer Schuld, folgendes aus: Das Urteil sei deshalb schon ein
unzulässiges, weil objektiv nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise
eine Fälschung nachgewiesen sei. Die Art. 12 und 16 des" eidgenössischen
Lebensmittelgesetzes und Art. 13 des bundesratlichen Reglements vom
29. Januar 1909 seien verletzt. Alle diese-Vorschriften seien ein
integrierender Bestandteil und eine unerlässliche Voraussetzung des
Strasprozesses in Milchsälschungssachen, deren Verletzung das ganze
Verfahren nichtig mache. Darin, dass den Rekurrenten die Möglichkeit
der Anrufung einer Oberexpertise genommen worden sei, liege auch eine
rechtswidrige Einschränkung hrer Verteidigungsrechte und damit eine
Verletzung von EUR? Abs. 2 der thurgauischen Kantonsverfassung. Es liege
eme mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV unvereiubare willkürliche Auslegung des Bundesgesetzes
über den Verkehr mit Lebensmitteln vor. Zur Kompetenz des Bundesgerichts
als Staatsgerichtshofs und zur Zulässigkeit des staatsrechtlichen Rekurses
bemerkt die Rekursschrift: Art. 182
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG schliesse die staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung strafprozessualer Vorschriften nicht
aus. Sodann handle es sich auch um die Frage der Verletzung
verfassungsmassiger Grundrechte der Bürger. Es wäre unzutrefsend,
heisst es am Schlusse der Eltekursbegründung, zu behaupten, die gerügte
Nichtbeachtung. bindender eidgenössischer Vorschriften (insbesondere
die rechtswidrige Ein-schränkung der Verteidigungsmöglichkeit) hätte
nur auf den} Wege einer Kassationsbeschwerde geltend gemacht werden könne

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Entscheidung der von den Rekurrenten selbst aufgeworfenen Frage
der Zulässigkeit des staatsrechtlichen Atekurses hängt davon ab, ob gegen
das angefochtene Urteil die Kassationsbeschwerde nach Art. 160 ff
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
. OG
statthaft war; ist das der Fall, so ist der staatsrechtliche Rekurs
ausgeschlossen, da nachlll. Organisation der Bundesrechtspflege. N"
50. 273

Art. 182
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG auf eidgenössischem Boden nicht für eiue und dieselbe Sache
zwei verschiedene, miteinander kollidierende Rechtsmittel zulässig sein
sollen. Vergl. BGE 29 I S. 488 Erw. 2; 32 I S. 671 Erw. 1.

2. Nun unterliegt zunächst keinem Zweifel, dass die Rekurrenten
in Anwendung einer eidgenössischen Rechtsnorm der Bestimmungen des
Bundesgesetzes Über den Verkehr mit Lebensmitteln verurteilt worden
sind, die Voraussetzung des Art. 160, dass es sich um eine Strafsache
eidgenössischen Rechtes handle, also gegeben ist Ebenso bedarf keiner
weitern Ausführung, dass

· ein kantonales Endurteil im Sinne der Art. 160
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und 162
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG

vorliegt. Fraglich kann nur sein, ob auch in Anbetracht des Art. 163
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG
die Voraussetzungen der strafrechtlichen Kassationsbeschwerde erfüllt
gewesen wären, m. a. W. ob die Rekurrenten sich über Verletzung einer
eidgenössischen Rechtsvorschrift im Sinne dieses Artikels beschweren.

8. Das vorliegende kantonale Urteil wird von den Retturenten deshalb
angefochten, weil das thurgauische Obergericht bei der Beurteilung
der Tatfrage die bundesrechtlichen Bestimmungen über die Entnahme
der Milchproben und über die Erpertisen nicht befolgt, sondern
das thurgauische Strafprozessrecht angewendet habe. Nun ist aber,
ebenso wie bei der zivilrechtlichen Berufung (vergl. Art. 57 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

OG), so auch bei der strafrechtlichen Kassationsbeschwerde, die
Nichtanwendung eidgenössischen Rechts bezw. die Anwendung kantonalen
statt eidgenössischen Rechts der unrichtigen Anwendung bezw. der
Verletzung eidgenössischen Rechts gleichzustellen Dass aber unter den
eidgenössischen Rechtsvorschristen im Sinne des Art. 163
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG nur die
Normen des materiellen Strafrechtes, nicht auch allsällig vom Bunde
aufgestellte Vorschriften strasprozessualer Art zu verstehen seien,
wie die Rekursschrist ausführt, kann nicht anerkannt werden. Es steht
in der Praxis des bundesgerichtlichen Kassationshofes durchaus fest
(vergl. BGE 31 S. 701; 32 I S. 171; 33 I S. 800), dass unter den
Rechtsnormen des eidgenössischen Rechts, deren Verletzung nach Art. 163
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

OG die Kassationsbeschwerde begründet, alle eidgenössischen Rechtsnormen
ohne Rücksicht auf ihre Natur zu verstehen sind. Jus-besondere also fallen

274 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze.

darunter strafprozessuale Normen des Bundesrechts Eine Verletzung solcher
aber wird mit dem Rekurse behauptet, und hierin erschöpft sich sogar,
inhaltlich genommen, die Rekursbegründung. Denn nicht nur die implizite
behauptete Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, sondern
auch die ausdrücklich behauptete Verletzung der Verteidigungsrechte und
damit der thurgauischen Kantonsverfassung fällt in Wirklichkeit zusammen
mit der Verletzung bezw. Nichtanwendung der angeführten strafprozessualen
Normen des Bundesrechts: indem der Rekurs darauf gestützt wird, es dürfe
niemand ftrafrechtlich verfolgt werden als in Kraft des Gesetzes-C wird
gerade die behauptete Nichtanwendung der gedachten eidgenössischen Normen
auf den vorliegenden Fall und die in dieser Nichtanwendung liegende
Verletzung derselben geltend gemacht. Dies hätte aber, wie ausgeführt,
auf dem Wege der strafrechtlichen Kassationsbeschwerde geschehen sollen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Auf den Rekurs wird nicht
eingetreten.Auslieferungsvertrag mit Oesterreich Ungarn. N° 51. 275

Dritter Abschnitt. Troisième section.

Staatsverträgc der Schweiz mit dem Ausland.

Traités de la Suisse avec l'étranger.Auslieferungsvertragmit
Oesterreich-Ungarn.

"Traité d'exdradition avec l'Autriche-Hongrie.

51. guten vom 31. am 1910 in Sachen Talent-.

Begriff des strafbaren Versuchs, speziell des Versuchs der
Banknotenfäischung, nach schweizerischem und nach ungarischem Recht,
wie auch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen: Vorbereitungshandlungen,
insbesondere Herstellung der erforderlichen Cliche's und
Anschaffung anderer Hilfsmittel, genügen nicht (während eine solche
Vorbereitungshandlung allerdings u. U. den Tatbestand eines delictum sui
generis bilden kann). Begrifi des freiwilligen Rücktritts vom Versuch:
auch der Rücktritt aus Furcht vor Entdeckung fdtlt darunter ; der
Rücktritt braucht nicht aus moralischen Gründen erfolgt zu sein.

A. Nachdem auf direktes Begehren der ungarjschen Behörden
Dr. jur. Zoltan Takats in Zürich verhaftet worden war, stellte die
öfterreichisch-ungarische Gesandtschaft in Bern mit Verbalnote vom
11. April 1910 beim schweizerischen Bundesrate das Begehren, den genannten
Dr. jur. Zoltan Takats auszuliefern, gestützt auf den Staats-vertrag
vom 10. März 1896 und unter der Anklage, Dr. Zoltan Takats habe sich des
Versuches der Nachahmung ungarischer Banknoten, d. h. von Banknoten der
österreichisch-ungarischen Bank, schuldig gemacht. Aus dem Haftbefehl
ist über den der Anklage zu Grunde liegenden Tatbestand folgendes