464 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

Que si, devant la Commission, la Compagnie contestesi l'existence des
servitudes que prétendent posséder les reconrantes, la Commission
n'en aura pas moins à se prononcerss sur l'indemnité à allouer aux
recourantes en part-Eint de cette supposition que ces servitndes
existent réellement. Et si la Compagnie persiste dans sa contestation,
elle aura la faculté de porter celle ci devant le Tribunal fédéral en
recourant contre le prononcé de la Commission conformément à l'art. 85
de la loi federale du 1er mai 1850. Le Tribunal fédéral a, en effet,
déjà dans son arrèt du 15 octobre 1896, R0 22, n° 171, cousid. 2 et 3
p. 1039 et suiv., et dès lors constamment (voir en particulier RO 23 n°
LO consid. 8 p. 115; 33 I n° 54 consid. 2 p. 352), reconnu que, lorsque,
dans une affaire d'expropriation, il Y avait litige sur la question de
savojr si tel ou tel droit à, exproprier éventuellement ou à

faire entrer en ligne de compte dans le calcul de l'indemnitér

à, allouer à l'exproprîé existait ou n'existait pas, ee flüge, dont
naturellement la Commission elle-meme ne pouvait connaître, rentrait dans
sa competence a lui, comme juge du fond, peu iuiportait que l'exproprié
fit de'-river son droit uniquement du droit cantone], sauf a lui, Tribunal
fédéral. si cela pouvait lui convenir ou s'il y voyait quelque ntilité,
à déléguer en quelque sorte ses pouvoirs aux tribunaux cantonaux, soit,
en d'autres termes, à laisser à ceux-ci le soin de traneher ce litige,
lui-meme pouvant alors ou suspendre la cause pendente devant lui ou
rendre, sur la question d'indemnité, un jugement conditionnel.

De ces considérations, il resulte qu'un fond c'est à bon droit que la
Cour de justice civile de Genève a, en 1901, accueilli l'exceptiou
d'incompétence soulevée par l'intimée à l'encontre des réclamations
des recourentes, puisque c'est au Tribunal federal qu'il appartient,
dans la procédure et comme instance civile en matière d'expropriation,
de décider s'il veut passer lui-meme au jugement du litige sur une
question comme celle qui divise ici les parties, ou s'il veut lajsser
ce jugement au tribunaux cantonaux.

Le recours de dames Truchot et Pigot aurait done dù
etre]. Rechtsverweigemng und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 77. 485

écarté par le present arret meine si, dans l'arrét dont recours, du 30
novembre 1907, l'instauce cantonale avait abordé, pour la résoudre dans
le meme sens que dans son précédent arrét du 29 juin 1901, la question
de for ou de competence que discutent les parties depuis bientot dix ans.

Par ces motifs, Le Tribunal federal prononce : Le recours est écarté.

77. Arten vom 15. Juli 1908 in Sachen Gemeinderat der Draht Baden
und Crei-filet und Genossen gegen Yokkskückje der Arbeiter der
Aktiengesellschaft gutem Boveri & gie. Etegietungsrat gingen).

Bekurs gegen die Erteilung eines Wirtschafispatentes. Kompetenz
des Bundesgericfsts. Legitimation zum Rekurs: Nichtlegitimation des
Gemeinderates. Legitimation der Wirte. Willkùrliche Auslegung des gis
des aim-g. Wirtschaftsgesetzes vom 2. März 1903 (Bedürfnisartikssl) '?

Das Bundesgericht hat ans Grund folgender Aktenlage:

A. Im Jahre 1905 war einer von Arbeitern der Aktiengesellschaft
Brown, Boveri & Cie. in Baden gegründeten Genossenschaft von der
Finanzdirektion des Kantons Aakgau in Anwendung deBaargauischen Gesetzes
Über das Wirtschaftswesen und den Handel mit geistigen Getränken, vom
2. März 1903, das Patent erteilt worden zum Betriebe einer sogenannten
Volksküche, mit der gesetzlichen Befugnis, den Gästen Kassee, Thee und
andere nicht alkoholhaltige Getränke, warme und kalte Speisen, und zu
den regelmässigen Mahlzeiten den Üblichen Tischwein, Bier oder Most
zu verabsolgen (EUR 3 Biff. 6 leg. cit.). Die Genossenschaft wurde als
Volksküche der Arbeiter der

466 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Aktiengesellschaft Brown, Boveri & Cie. in Baden in das Handelsregister
eingetragen; ihre Wirtschaftshäuslichkeiten befinden sich in einem ihr von
der genannten Aktiengesellschaft erstellten und zinsfrei zur Benutzung
überlassenen Gebäude. Am 29. April 1907 erneuerte die Genossenschaft
das in der Zwischenzeit schon zweimal erfolglos gestellte Gesuch bei
der aargauischen Finanzdirektion, es möchte ihr Volksküche-Patent in
ein Patent zum Betriebe einer Speisewirtschaft, mit der gesetzlichen
Befugnis Speisen und Getränke jeder Art und in beliebigen Quantitäten
zu verwirten und über die Gasse abzugeben . . . (§ 3 Ziff. 2 des
Wirtschaftsgesetzes), umgewandelt bezw. erweitert werden. Das Gesuch
war wesentlich damit begründet, dass der Ertrag der Volksküche zur
Weiterführung der Einrichtung nicht hinreiche. Der Gemeinderat der Stadt
Baden und das Bezirksamt Baden äusserten sich in ihrem gutachtlichen
Befund, wie schon früher, ablehnend, indem sie als ausschliesslich
massgebend geltend machten, dass ein Bedürfnis zur Bewilligung einer neuen
Speisewirtschast in Baden nicht vorhanden sei. Während die Finanzdirektion
die beiden früheren Male diesem Standpunkt beigetreten war, erteilte
sie dieses Mal, mit Verfügung vom 26. Juli 1907, das erweiterte Patent,
von der Erwägung ausgehend, dass die Volksküche nachgewiesenermassen beim
bisherigen Betriebe nicht bestehen könne, dass es aber im Interesse der
Arbeiterschaft und der Allgemeinheit liege, wenn die im wirklichen Sinne
wohltätige Institution erhalten bleibe. Gegen diese Verfügung rekurrierte
der Gemeinderat der Stadt Baden, dessen Verkehr sich eine Anzahl Wirte
von Baden anschlossen, gestützt auf § 14 des Wirtschaftsgesetzes an den
Regierungsrat des Kantons Aargau. Durch Beschluss vom 14. Februar 1908
wies der Regierungsrat den Rekurs mit wesentlich folgender Begründung ab:
Wenn auch die schlechte Rendite der Speiseanstalt an sich die Erteilung
des Speisewirtschastspatentes nicht vollan zu begründen vermöge, so sei
doch bei Prüfung der Bedürfnisfrage die ausserordentlich grosse Zahl
von Arbeitern zu berücksichtigen, die es rechtfertige, von der in § 12
des Wirtschaftsgesetzes vorgelegten Ausnahmebesiimmung (sc. gegenüber
dem gesetzlich bestimmt festgestellten Bedürfnis-massstal'?) Gebrauch
zu machen. Dazu tomme, dass die Speisewirt -I. Rechtsverweigerung und
Gleichheit vor dem Gesetze. N° 77. 467

schaft nur in beschränktem Umfange betrieben werden wolle; denn nach
dem vorgelegten Verträge zwischen der A.-G. Brown, Boveri & Cie. und
der Volksküchegenossenschast ihrer Arbeiter sei die Genossenschaft
verpflichtet, im Laufe des Vormittags mit Ausnahme von Krankheilsfällen
keine Spirituosen, wie Cognac, Rhum und Schnäpse aller Art, abzugeben,
dagegen ein rechtes Frühstück, Kaffee und Milch, zur Verfügung zu halten,
ferner, den Wirtschaftsbetrieb am Abend in den Monaten April bis September
um 10 Uhr, und in den Wintermonaten um 9 Dziz Uhr zu schliessen, und
endlich,-die geistigen Getränke nicht billiger abzugeben, als dies in
andern Wirtschaften gebräuchlich sei, wobei auf die Übertretung dieser
Vorschriften für jeden einzelnen Fall eine Konventionalstrafe von 50
Fr. bis 200 Fr. gesetzt sei, deren Betrag der Arbeiterunterstützungskasse
zugewendet werden folle. Aus diesen Vertragsbestimmungen ergebe sich, dass
die Wirtschaft in der Volksküche nur den Bedürfnissen der Arbeiterschaft
genügen wolle, dass kein Trinkzwang bestehe, dass jede unreelle
Konkurrenz mit andern Wirtschaften ausgeschlossen und der Betrieb zeitlich
beschränkt sei. Unter solchen Umständen erscheine die Konkurrenzfurcht
der Wirte in Baden, wenn nicht als ganz unbegründet, so doch jedenfalls
als stark übertrieben. Endlich falle noch in Betracht, dass die Firma
Brown, Boveri & Cie. am 12. Februar 1908 die Erklärung eingesandt habe,
sie fei, um eine Vermehrung der Wirtschaften zu vermeiden, bereit, die
in einem ihr gehörenden Gebäude betriebene Wirtschaft zum Talacker, an
der Bruggerstrasse, bloss etwa 50 M von der Volksküche entfernt, welche
jedoch den von dieser gewollten Zweck nicht erfüllen könne, eingehen
zn lassen, und verpflichte sich zu diesem Zwecke, für den Fall, dass
der Arbeitergenossenschaft ein Wirtschaftspatent erteilt merde, ihrem
Mieter zum Talacker den Mietvertrag am Zi. März auf den 30. Juni 1908
zu kündigen. Wenn nun auch sonst noch irgendwelche Bedenken beständen,
so ermögliche doch jedenfale diese Offerte der Firma Brown, Boveri &
Cie. die Umwandlung der Volksküche in eine Speisewirtschaft, ohne dass
vom Standpunkte der Bedürfnisfrage aus dagegen etwas eingewendet werden
forme. Dadurch, dass mit jener Umwandlung der Betrieb der Wirtschaft
zum Talacker einge-

468 A. Staatsrechiliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

stellt werde, werde eine Vermehrung der Zahl der Wirtschaften
vermiedeu und handle es sich so eigentlich nur noch um eine Verlegung
einer Wirtschaft von einem Gebäude in ein anderes im Sinne des g
15 des Wirtschaftsgesetzes Demnach nehme der Regierungsrat unter der
Voraussetzung, dass die erwähnten Vertragsbestimmungen aufrecht erhalten
werden sollen, keinen Anstand, die Umwandlung der Volksküche in eine
Speisewirtschaft auf den Zeitpunkt, da der Betrieb der Wirtschaft zum
Talacker eingestellt werde, zv. gestatten.

B. Gegen den vorstehenden Beschluss des Negiernngsrates haben einerseits
der Gemeinderat der Stadt Baden, und anderseits 53 Wirte in Baden in
gemeinsamer Eingabe rechtzeitig sowohl an den Bundesrat, als auch an das
Bundesgericht den staatsrechtlichen Rekurs ergriffen, mit dem Antrage,
jener Beschluss sei als mit der Garantie der Art. i und 31 litt. c BV im
Widerspruch stehend und als willkürlich aufzuheben und die aarganische
Finanzdirektion anzuweisen, das streitige Wirtschaftspatent zu entziehen
Die Begründung des Rekurses lässt sich wie folgt zusammensassen:
Wenn man für Baden, hoch gegriffen, mit total 10,500 Menschen rechne
inämlich mit 7500 Einwohnern, 1000 Kurgästen und 2000 auswärtigen
Arbeitern), so wären nach Vorschrift des Bedürfnisartikels (§ 12) des
Wirtschafts-gesetzes (dass ein öffentliches Bedürfnis für eine neue
Wirtschaft grundsätzlich besondere örtliche Verhältnisse vorbehalten
überall da nicht anzunehmen sei, wo auf 250 Einwohner eine Wirtschaft
bereits bestehe) 42 Wirtschaften gerechtfertigt; tatsächlich bestünden
aber in der Stadt nach den Feststellungen des Gemeinderates deren
bereits über 90. Schon aus diesen Zahlen ergebe sich, dass von einem
Bedürfnis nach einer neuen Wirtschaft in Baden nicht gesprochen werden
könne, und dass die besonderen örtlichen Verhältnisse- hier eher die
Einschränkung als die Ausdehnung der Wirtschaftsbetriebe erfordern
würden. Tatsächlich sei denn das streitige Patent auch gar nicht
wegen des Bedürfnisses erteilt worden, sondern weil die Volksküche
behauptet habe, sie rentiere nicht ohne Wirtschaftspiitenh und ähnliche
Institutionen besässen es anch. Diese Behauptung sei jedoch unrichtig:
kein einziges Institut ähnlicher Art besitze nach den bei den Akten des
Regierungsrates{. Hechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N°
77. 469

liegenden Erhebungen eine allgemeine Wirtschaftsbewilligung, und es
wünsche sie auch keines ( verwiesen werde auf die Verhältnisse der
Maschinenfabrik Orlifon, bei Alioth in Basel, bei Balli) in Schönenwerd
und in der Gipsfabrik Felsenau), und die bisherige schlechte Rendite der
Volksküche der Arbeiter von Vrown, Boveri & (Sie. beruhe lediglich darauf,
dass für diese Anstalt in Baden eben kein Bedürfnis bestehe, sowie auf
ihrer offenbar unrationellen Einrichtung (th grosses Lokal und zu viel
Betriebspersonal). Zudem aber dürfe bei Anwendung der Bedürfnisklausel des
Wirtschaftsgefetzes aus die finanziellen Schwierigkeiten und Interessen
einer Privatunternehmung überhaupt keine Rücksicht genommen werden,
sondern es seien bei Beantwortung der Frage, ob das Bedürfnis für eine
neue Wirtschaft vorhanden sei, selbstverständlich nur die Verhältnisse
der Allgemeinheit, wie Einwohnerzaht, Zahl der Wirtschaften und deren
Verteilung auf die einzelnen Ouartiere, in Betracht zu ziehen. Das
dem angefochtenen Entscheide zu Grunde liegende Prinzip widerspreche
dem Bedürfnisartikel und stehe im Gegensatz zu Art. 31 litt
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
. c BV, von
dessen den Kantonen eingeräumter Fakultät der aargauische Gesetzgeber
bei Einführung jener Bestimmung Gebrauch gemacht babe. Bisher sei
der Bediirfnisartikel von den kantonalen Behörden auch immer streng
gehandhabt worden (verwiesen werde beispielsweise auf die Fälle Seetalund
Reinach-Münsterbahn [BVI 1907 Nr. 18] und Jsler und Spies; sBBl 1908
Nr.12]), und es müsse daher als Willkür und Verletzung der Gleichheit
vor dem Gesetze (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV) bezeichnet werden, wenn nun im vorliegen-,
den Falle von dieser Praxis abgewichen werden wolle. Das vom Regierungsrat
aus der Erklärung der A.-G. Brown, Boveri &: (Cie.

vom 12. Februar 1908 betreffend die Schliessung der Wirtschaft-

znm Taiacker abgeleitete weitere Argument endlich sei schon formeli
unhaltbar-, da für den regierungsrätlichen Rekursentscheid die Sachlage
zur Zeit der Anhängigmachung des streitigen Patentbegehrens und der
rekurrierten Verfügung der Finanzdirektion massgebend sein müsse. Überdies
gehe dieses neue Argument auch

sachlich durchaus fehl; denn es könne hier nach den gegebenen

tatsächlichen Verhältnissen von einer einfachen Verlegung einer
Wirtschaft, wofür nach § 15 des Wirtschaftsgesetzes eine Bewil-

470 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

ligung der Finanzdirektion einzuholen sei, schlechterdings nicht die-

Rede sein; es handle sich vielmehr um das Eingehen einer Wirtschaft
und die Neuerstehung einer andern und in einem solchem Falle sei nach
bestehender Praxis ebenfalls die Bedürfnisfrage zuprüfen; auch nach
Schliessung des Talacker aber bestehe keineswegs ein Bedürfnis für die
weit grössere Trinkgelegenheit in der Volksküche Zum Schlusse wird über
die Frage der Legitimation-

der Rekurrenten bemerkt, diejenige des Gemeinderates von Baden

ergebe sich ohne weiteres aus § 14 des Wirtschaftsgesetzes, und
den Privatrekurrenten als Wirken gewähre der Bedürfnisartikel des
Wirtschafts-gesetzes die Garantie, dass die Zahl der Wirtschaftsbetriebe
nicht beliebig vergrössert werden dürfe, folglich müssten sie ebenfalls
berechtigt sein, gegen die willkürliche Missachtung dieser

Bestimmung, wodurch sie, in Verletzung der Rechtsgleichheit, schwer--

betroffen würden, Beschwerde zu führen.

C. Die rekursbeklagte Genossenschaft Volks"küche der Arbeiter der
Aktiengesellschaft Brown, Boveri & Cie. hat beantragt, es sei ans den
Rekurs nicht einzutreten, eventuell sei er als unbegründet abzuweisen. Sie
bestreitet den Reknrrenten vorab die Legitimation zur Veschwerdeführung,
weil weder die Gemeinde Baden,. als deren Vertreter der Gemeinderat
handle, noch die rekurrieren-

den Wirte durch den angefochtenen speziellen Entscheid persönlich-

betrosfen win-den, wie Art. 178
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG voraussetze. Ferner behauptetsie
die Jnkompeteuz des Bundesgerichts, weil die Rekurrenten namentlich vom
Gebiete der Handelsund Gewerbefreiheit aus

operierten und deshalb auch ihre Berufung auf am. 4 BV, in

Verbindung mit derjenigen auf Art. Zi. BV, der Beurteilung desBundesrates
unterstehe. Sodann wird in der Sache selbst wesent- lich geltend gemacht:
Wenn der Regierungsrat vorliegend besondere Verhältnisse, welche die
vorgesehene Ausnahme von der Regel

des Bedürfnisartikels rechtfertigteu, als gegeben erachtet habe, io

sei er durchaus im Rahmen seiner Stellung als Gesetzes-Vollziehungsbehörde
geblieben. Sein Entscheid beruhe auf sachlichen Erwägungen, deren
Überprüfung an sich dem Bundesgericht nicht zustehe Von Willkür und
Verfassungsverletzung könne keine Rede sein. Dass die Volksküche einem
Bedürfnis der zahlreichen, bei answärtigem Wohnsitz in den Fabriken von
Baden VerdienstI. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N°
77. 471

suchenden Arbeiter, speziell derjenigen der Gesellschaft Brown, Boveri
& (Sie., entspreche, werde vollgültig bewiesen durch die weitgehende
Unterstützung, welche diese Gesellschaft dein Unternehmen angedeihen
lasse. Die Hauptaufgabe der Speiseanstalt sei, den auswärts wohnenden
Arbeitern Gelegenheit zur Einnahme guter und gesunder Kost zu bieten. Der
Regierungsrat aber habe mit Recht angenommen, dass sie nur dann ihrer
Aufgabe gerecht werden könne, wenn sie jederzeit, nicht nur zu Zeiten
der ordentlichen Mahlzeiten, Speisen und etwas zu trinken dazu abgeben
dürfe. Aus diesem (Stunde, und weil er die Unternehmung überhaupt als das
Wohl der Arbeiterschaft fördernd betrachte, alsonicht um die Interessen
einer Privatunternehmung als solcher zu wahren, habe er das nachgesuchte
Patent erteilt. Als höchste Vollziehungsbehörde in Wirtschaftssachen und
formell offenbar an keine Prozessordnung gebundenes Verwaltungsorgan
habe er dabei Unzweifelhaft auch die erst mit der Erklärung der
Aktiengesellschaft Brown, Voveri & Cie. vom 12. Februar 1908 zu seiner
Kenntnis gelangte Tatsache des Eingehen-s der Wirtschaft zum Talacker
berücksichtigen dürfen.

D. Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat sich den Ausführungen und dem
Antrage der Rekursbeklagten angeschlossen und ergänzend betont: Bei der
Beratung des Wirtschaftsgesetzes sei, speziell von Vertretern der Stadt
Baden darauf hingewiesen worden, dass das Bedürfnis sich nicht lediglich
nach der Bevölkerungszahl richte, dass vielmehr zwischen städtischen
und ländlichen Verhältnissen unterschieden werden müsse. Deshalb seien
im Bedürfnisariikel die besondern örtlichen Verhältnisse vorbehalten
worden Niemand aber werde bestreiten wollen, dass solche besondere
örtliche Verhältnisse in Baden vorhanden seien. Dessen stets wachsende
Industriearbeiterbevölterung, welche sich in den letzten Jahren nicht
mehr nur aus der Stadt und ihrer Umgebung, sondern ans dem ganzen Kanton
rekrutiere, erfordere neue öffentliche und private Einrichtungen Eine
solche neue Einrichtung seinnn diejenige einer Speisewirtschaft mit
grossen Maximen, wobei die Wirtschaft nicht nach den Prinzipien des
Geldgewinns, sondern nach denen der Wohlfahrt der Arbeiter geführt
werde. Jndem der Regierungsrat diese Wirtschaft gestattet habe, habe er

472 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

lediglich das Gesetz in entsprechender Weise auf die gegebenen besonderen
Verhältnisse zur Anwendung gebracht, und es erscheine als Ungehörigkeit,
ihn deswegen der Willkür zu zeihen. Den im Rekurse angerufenen Präjudizien
lägen ganz andere Verhältnisse zu Grunde

E. Mit Entscheid vom 8. Mai 1908 ist der Bundesrat auf ' den bei ihm
einsgereichten staatsrechtlichen Rekurs wegen mangelnder Kompetenz nicht
eingetreten: betreffend die Berufung auf Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV, weil dessen Garantie
der freien Gewerbeausübung nicht verletzt sein könne durch eine Verfügung,
welche die Gewerbesreiheit nicht einschränke, sondern vielmehr ausdehne,
wie dies hier behauptet werde, und weil somit der angefochtene Entscheid
nicht nach Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV zu beurteilen sei, und betreffend die Berufung auf
Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV, weil der Bundesrat zur Beurteilung dieses Beschwerdegrundes
nur kompeteut wäre, wenn die behauptete Rechtsverletzung das vom Grundsatz
des Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV beherrschte Rechtsgebiet beträfe, was jedoch, wie bereits
festgestellt, nicht der Fall sei; --

in Erwägung:

1. Die Kompetenz des Bundesgerichts zur Beurteilung des Rekurses ist mit
Bezug auf den Beschwerdegrund der Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV nach der im
Falle Gemeinderat Neudorf gegen Regierungsrat Luzern (AS 30 I Nr. 109)
zwischen Bundesrat und Bundesgericht getroffenen Verständigung gegeben
(oergl. L e. Crw. 1 S. 634 f.), während die Berufung der Rekurrenten
auf Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV für das Bundesgericht gemäss Art. 189 Ziff. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
OG ohne
weiteres ausser Betracht fällt.

2 Was sodann die Legitimationsfrage betrifft, ist die Aktiolegitimation
des Gemeinderate-Z der Stadt Baden zum Rekuese in Festhaltung der im
bereits erwähnten Falle des Gemeinderates Nendorf vertretenen Auffassung
(vergl. l. c. Erw. 2 S. 635 f.) zu verneinen. Der Gemeinderat erscheint
auch nach der aargauischen Rechtsordnung nicht als Vertreter einer der
Staatsgewalt unterworfenen Person oder Gemeinschaft, die als solche durch
den Eutscheid über die Patentierung der Wirtschaften betroffen wirdf
Er hat Vielmehr mit Bezug auf das Wirtschaftswesen, das nicht etwa eine
Gemeindeangeiegenheit, im Sinne der Autonomie derI. Rechtsverweigerung
und Gleichheit mr dem Gesetze. N° 77. 473

Gemeinden auf diesem Gebiete, ist, lediglich die Stellung einer unteren
öffentlichen Behörde, welcher eine Mitwirkung bei der Patenterteilung
insofern eingeräumt ist, als sie gemäss § 14 des Wirtschaftsgesetzes
gegen die Verfügung der kantoualen Finanz-

direktion als erster entscheidender Instanz beim Regierungsrat als

oberer und letzter Instanz Beschwerde führen kann. Nur in diesem
Sinne gilt der Gemeinderat nach dem Wortlaut des Gesetzes als am
Patentierungsverfahren Beteiligtcr. Er hat dabei keine speziellen andern,
sondern, gleich den entscheidenden Oberbehörden selbst, die allgemeinen
Interessen der Bevölkerung des in Betracht fallenden Staatsgediets zu
wahren, und ein Konflikt zwischen ihm und den Oberbehörden kann nur auf
einer verschiedenen Würdigung dieser Interessen beruhen. Bei einer solchen
Differenz der Auffassungen aber ist einfach diejenige der obersten Instanz
massgebend und für die Unterbehörde als solche verbindlich. Den pri-

vaten Rekurrenten dagegen kann in ihrer Eigenschaft als Inhaber

von Wirtschaften in Baden die Aktivlegitimation nicht abgesprochen
werden. Wenn die Ausübung eines Gewerbes von staats-wegen in der Weise
organisiert ist, dass die Zulafsung zu ihr gesetzlich von bestimmten
subjektiven und objektiven Voraussetzungen abhängt, so kann eine
Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetze nicht nur
dadurch eintreten, dass die Gewerbeausübuug einem gehörig ausgewiesenen
Bewerber willkürlich versagt, sondern auch dadurch, dass sie einen
Bewerber, der den gestellten Erfordernissen nicht entspricht, gleichwohl,
in augenscheinlicher Missachtung des Gesetzes, gewährt wird. Und zwar
wird durch eine Gesetzesverletzung letzterer Art indirekt die Gesamtheit
der das Gewerbe rechtmässig Ausübendeu in ähnlicher Weise berührt,
wie im ersteren Falle der einzelne direkt Betroffene Folglich steht
dieser Gesamtheit sowohl als Gemeinschaft, wie auch ihren einzelnen
Angehörigen, ein gleich berechtigtes Interesse, wie jenem Einzelnen,
an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung ihres Gewerbe-Z zur
Seite, und es darf ihnen deshalb der zu dessen Geltendmachng zuständige
Rechtsbehelf des staatsrechtlichen Rekurses ebenfalls nicht versagt
werden (bergl. in diesem Sinne schon AS 28 I Nr. 58 Erw. 1 S. 240 f.,
sowie auch den späteren in der AS nicht publizierten Entscheid in Sachen

474 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. [. Abschnitt. Bundesverfassung.

Bucher und Konforten gegen Regierungsrat Luzern, vom 18. Jannar 1907).

3. Die streitige Patenterteilung ist vom Regierungsrat geschützt worden
in Anbetracht der von der Finanzdirektion festgestellten Notwendigkeit,
der bisher nicht rentierenden Volksküche den Speisewirtschaftsbetrieb zu
gestatten, um die im Interesse der Arbeiterschaft und der Allgemeinheit
liegende, wohltätige Einrichtung zu erhalten, mit der ergänzenden
Erwägung, dass die in Baden beschäftigte ausserordentlich grosse
Zahl von Arbeitern, deren Verhältnissen der Wirtschaftsbetrieb,
laut vertraglicher Vereinbarung der Rekursbeklagten mit der die
Wirtschaftsräumlichkeiten zurVerfügung stellenden Aktiengesellschaft
Brown, Boveri & (Sir., angepasst werden solle, die Bewilligung einer
solchen Speisewirtschaft im Sinne des Ausnahmevorbehalts in § 12 des
Wirtschaftsgesetzes zu rechtfertigen vermöge Der Regierungsrat hat somit
entscheidend abgestellt auf die besondere Zweckbestimmung und Funktion
des bewilligten Wirtschaftsbetriebes Dieser Argumentation gegenüber
vermag die Berufung der Rekurrenten Oauf die bisherige Praxis der
kantonalen Behörden zum Nachweise einer die versassungsmässige Garantie
der Rechtsgleichheit oerletzenden Ausnahmebehandlung des gegebenen
Falles nicht aufzukommen Die beiden speziell angezogenen Präjndizien
(Schweiz. Seetalund Reinach-Münsterbahn-Gesellschaft; Jsler und Spiess),
in denen der Regierungsrat die gestellten Patentgesuche abgewiesen hat,
betreffen wesentlich andere tatsächliche Verhältnisse In den beiden
Fällen handelt es sich um Wirtschaften zur Gewerbeansübung im rein
privatwirtschaftlichen Interesse der Patentbewerber; dievorliegend
bewilligte Wirtschaft dagegen verfolgt, gemäss der Bestimmung der ihren
Betrieb besorgenden besonderen Rechts-persönlichkeit, in erster Linie
den einem allgemeineren und vom Stand punkte der Offentlichkeit höher zu
bewertenden Interesse dienenden Zweck, eine rationelle Verpflegung der auf
auswärtige Beköstigung angewiesenen Arbeiterschaft zu sichern Übeidies
stand dortdie Bewilligung Völlig neuer Wirtschaften in Frage, während
hier lediglich über die Umwandlung des bereits bestehenden und alseinem
Bedürfnis entsprechend anerkannten gesetzlichen Volksküchenbetriebs in den
näher geregelten (gegenüber den gesetzlichen Korn- l. Rechtsverwcigerung
und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 77. 475

spetenzen eines solchen teilweise vertragsgemäsz beschränkten)
Speisewirtschaftsbetrieb zu entscheiden war. Bei dieser Verschiedenheit
des Tatbestandes aber ist die ungleiche Subsumtion der Fälle unter das
Gesetz als solche aus dem Gesichtspunkte der Rechts-

-.gleichheit nicht zu beanstanden. Dagegen kann es sich weiterhin

allerdings fragen, ob nicht die vorliegende Gesetzesanwendung, für
sich betrachtet, weil rein willkürlich, mit dem Inhalt des Gesetzes
schlechterdings nicht vereinbar gegen die Garantie des Art 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV verstosse
In Betracht fallt § 12 des aargauischen Wirtschaftsges setzes vom 2. März
1903 der sogenannte Bedurfnisartikel ,welcher in Abs i und 2 bestimmt:

Nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes dürfen neue
Wirt,schaftsbewilligungen einzig nach Massgabe des durch die Bevölkerung
und den Verkehr der Gemeinde sich ergebenden öffentlichen Bedürfnisses
erteilt werden-

Ein öffentliches Bedürfnis ist grundsätzlich besondere örtliesse
Verhältnisse vorbehalten überall da als nicht vorhanden anzunehrnen, wo
auf 250 Einwohner eine Wirtschaft bereits besteht. Für Gemeinden unter
500 Einwohnern können zwei Wirtschaften bewilligt werden, wo besondere
Verhältnisse es recht..,fertigen.

Diese Bestimmungen lassen sich nun freilich ohne Zwang wohl nur dahin
auslegen, dass für die Bewilligung neuer Wirtschasten lediglich das
Bedürfnis der Gemeinden, bestimmt nach der darin sich aufhaltenden oder
verkehrenden Bevölkerung, massgebend sein soll, wobei die in Abs. 2
vorbehaltenen besonderen örtlichen Verhältnisse- nur dazu führen
können, ausnahmsweise den im gleichen Satze als Regel festgelegten
Maximalquotiemen des das Bedürfnis bestiinmenden Verhältnisses der
Wirtschaftszahl zur Bevölkerungszahl zu verschieben, nicht aber von
der Grundlage dieser Bedürfnisbestimmung selbst durch Verwendung völlig
anderer Gesichtspunkte abzuweichen. Allein dieser Gesetzesauslegung steht
der angefochtene Entscheid des Regierungsrates nicht entgegen. Denn die
darin erörterte ausserordentliche Konzentration einer Arbeiterbevölkerung
in Baden, die zu wesentlichem Teile nicht durch die answärts wohnenden
Familien betöstigt werden kann, lässt ohne Willkür die Annahme besonderer
örtlicher Verhältnisse zu,

476 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

welche die Bewilligung gerade der in Frage stehenden Wirtschaft mit
ihrer speziellen, schon früher erwähnten Anpassung an die Bedürfnisse
jener Kundschast zu rechtfertigen vermögen. Was sodann im einzelnen noch
die Bezugnahme des Regierungsrates aus die von der Aktiengesellschaft
Brown Boderi & Eie. zugesicherteSchliessung der bisherigen Wirtschaft
zum Talackeri betrifft,. sind die Rekurrenten bei ihrem formellen
Einwand gegen die Berücksichtigung dieser Tatsache den erforderlichen
Nachweis dafürschuldig geblieben, dass·sich der Regierungsrat mit jener
Bezugnahme einer offenbaren Verletzung des massgebenden kantoualen
Verwaltungsprozessrechts und damit eines Verstosses gegen die Garantie
des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV schuldig gemacht habe. Und auch materiell lässt sich
die Beiziehung der fraglichen Tatsache nicht schlecht- hin von der
Hand weisen, da ihr bezüglich der Bedürfnis-fragejedeufalls etwelche
Bedeutung beigemessen werden durfte, wenn auch die Argumentation
des Regierungsrates, dass es sich danacheigenilich nur noch um eine
Wirtschaftsverlegung im Sinne des § 15 des Wirtschaftsgesetzes handle,
wohl nicht haltbar ist; erkannt: Der Reiurs wird abgewiesen.

78. guten vom 24. Hemmt-er 1908 in Sachen geing gegen Frauenbtokter
Altdorf und Genossen (Yegierungsrat und Ebers-erseht altri).

neiget-Lieber Eingriff in das Gebiet der richterlichen Gewalt,
begangen durch den Regierungsrat als Oberaufsicétsbehò'rde über das
Hypothekarwesen. Urnerisckes Hypotizekargesetz vom. 3. Mai 1857 ;
Hypothekarverorcènung vom 14. Nov. 1850 ; KV Art. 61 litt. d ; Art. 14
Abs. 1. Willkürh'che Auslegung und Anwendung des Hypothekargesetzes.

A. Der Rekurrent Alois Bissig ist Eigentümer der Bergliegenschaft Hinterer
Kulmberg im Gebiet der Gemeinde Attinghausen.

Auf dieser Liegenschaft hasteten unter andern zwei Altgülten zu-

Gnnsien der Brüder des Eigentümers, Andreas und
Johann[. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 78. 477

Bissig im Gesamtbetrage von 1392 Fr. 88 (Els. Im Oktober 1907 wurden die
beiden Altgülten auf Begehren des Schuldners und der Gläubiger von der
Hypothekarkanzlei Uri in eine Obligation im gleichen Betrage umgewandelt
Der Unterschied zwischen Altgülten und Obligationen besteht darin, dass
die erstern aus der Seite des Gläubiger-s unkündbar, die letztern dagegen
kündbar find. Die fragliche vom Landamman des Kantons Uri am 21. Oktober
1907 gesiegelte Obligation kann von den Gläubigern auf zwei Monate zur
Rückzahlung gekündet werden. Im Frühjahr 11905 stellte der Rekurrent
Alois Bissig ans Kreisgericht Uri ein Auswerfungsgesuch in Bezug aus
seine Liegenschaft Kulmberg und die daran anstossende, ihm ebenfalls
gehörige Liegenschast Rämseliwald. Nach dem Einführungsgesetz zum SchKG
(Art. 55 ss.) wird die Auswerfnng (Heimschlag an die Gläubiger) liegender
Güter bewilligt beim Nachweis des guten Zustandes der Liegenschaft,
sowie dass eine absichtliche Entwertung, wie z. B. durch Adholztmg
und dergleichen nicht stattgefunden habe (Ari. 56). Das Gut fällt
zunächst dem letzten Gläubiger zu und, wenn dieser es ausschlägt, an den
zweirletzten usw. Die zu Verlust gekommenen Schuldverschreibungen werden
getilgt. Gegen das Auswerfungsgesuch des Rekurrenteu Bissig erhoben
die Rekursbeklagten als grundversieherte Gläubiger Einsprache mit der
Begründung, dass der Schuldner in unzulässiger Weise zwei Altgülten
in eine Obligation umgewandelt habe und dass hierüber eine Beschwerde
beim Regierungsrat anhängig sei. Mit Entscheid vom 18. März 1908 wies
das Kreisgericht das Gesuch des Bissig ab, und dieser Entscheid wurde
vom Obergericht Uri am 8. April 1908 bestätigt in Erwägung: dass in der
Verweigerung der Auswerfung durch das Kreisgericht weder Willkür-, noch
Rechtsverweigerung oder ein anderer Grund zur Aufhebung des Beschkusses
erblickt werden farm, indem möglicherweise in der angefochtenen
Handlung des Unterpfandsbesitzers eine absichtliche Entwertung des
Unterpfanres, im Sinne des Art.5611tt.b "des Einführungsgesetzes, wie
z. B. durch Abholzungen und dergleichen, liegt und es daher vollständig
gerechtfertigt ist, die Auswerfung nicht zu bewilligen, bevor der
Regierungsrat hierüberseinen Entscheid abgegeben hat