640 A, staatsrechtlicheEntscheidungen.
III. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

Oberaufsichtsrecht in unzweideutiger Weise schon durch die
Gemeindeverfassung begründet worden ist, nichts geändert wird, und weil
es immerhin möglich isf, dass in den früheren Fällen sachliche Gründe
für ein Einschreiten der Gemeinde nicht vorgelegen haben.

4. Aus dem gesagten folgt bereits, dass die weitere Beschwerde
der Rekurrenten, sie seien durch den angefochtenen Entscheid ihrem
verfassungsmässigen Richter entzogen worden, unbegründet ist. Die Frage,
die der Kleine und der Grosse Rat zu entscheiden hatten, nämlich welche
Befugnisse der Gesamtgemeinde den Fraktionen gegenüber in Bezug auf
den betreffenden Holzverkauf zustehen, ist eine solche des öffentlichen
Rechts, des Gemeindeverwaliungsrechts, die ihrem Wesen nach keineswegs
in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fälli. Eine positive
Gesetzesvorschrift, wonach im Kanton Graubünden über eine Frage dieser
Art der Zivitrichter zu entscheiden hätte, ist von den Rekurrenten
nicht angeführt. Es ist daher anzunehmen, dass die Streitigkeit als
Administrativstreitigkeit nach Art. 31 und 20 KV in die Kompetenz des
Kleinen und des Grossen Rates als Organen der Verwaltungs-Rechtsprechung
gehört hat

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.{. Staatseertrà'ge
über zivilrechtl. Verhältnisse. Mit_Frankreich. N° 98. 641

Vierter Abschnitt. Quatl'iéme section.

Staatsverträge der Schweiz mit dem Ausland.

Traités de la Suisse avec l'étranger.I. Staatsvertràge über
zivilrechtl. Verhältnisse. Rapper-ts de droit civil.

Vertrag mit Frankreich vom 15. Juni 1869. Traité avec la France du 15
juin 1869.

98. Zweit vom 26. Des-fernher 1907 in Sachen Warchus-Watamu; gegen
@stemeyex Qîhatesaîn.

Anwendbarkeit des cit. Vertrages. Unzulàssigkeit des Arrestes aus
Art. 271 Ziff. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 271 - 1 Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:469
1    Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:469
1  wenn der Schuldner keinen festen Wohnsitz hat;
2  wenn der Schuldner in der Absicht, sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögensgegenstände beiseite schafft, sich flüchtig macht oder Anstalten zur Flucht trifft;
3  wenn der Schuldner auf der Durchreise begriffen ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen, für Forderungen, die ihrer Natur nach sofort zu erfüllen sind;
4  wenn der Schuldner nicht in der Schweiz wohnt, kein anderer Arrestgrund gegeben ist, die Forderung aber einen genügenden Bezug zur Schweiz aufweist oder auf einer Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 beruht;
5  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen provisorischen oder einen definitiven Verlustschein besitzt;
6  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitzt.
2    In den unter den Ziffern 1 und 2 genannten Fällen kann der Arrest auch für eine nicht verfallene Forderung verlangt werden; derselbe bewirkt gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der Forderung.
3    Im unter Absatz 1 Ziffer 6 genannten Fall entscheidet das Gericht bei ausländischen Entscheiden, die nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007473 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind, auch über deren Vollstreckbarkeit.474
SchKG gegenüber einem in Franke-ich domiziliertm
Franzosen, Art.. 1 Gerichtsstandcertmg. Es ist unerheblich, dass des"
Areestnehmesir niche in der Schweiz wohnt; ebenso, dass er neben dem
Schweizerbürgewech-t noch die deutsche Reichsangeààrigkeit besitzt.

Das Bundesgericht hat da sich ergeben:

A. Am 18. Februar 1907 erwirkte der in Rnfach (Elsass) wohnhaste
Rekursbeklagte Xaver Qstermeyer-Chatelain, welcher unbestrittenermassen
sowohl Bürger des Kantons Bern als auch Elsässerbürger ist, von der
Arrestbehörde Basel-Stadt die Berarresiiernng des der Reknrrentin, der
in Paris domizilterten Französin Mathilde Marchai geb. Chatelain, in
Basel angefallenen Erbteils ihres Vaters Alfred Chatelain bis zum Betrage

642 A. Siaatsrechfliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Siaalsvertràge.

von 80,000 Fr., für Forderungen laut Obligation und Schuldscheinen,
gestützt aus den Arresigrund des Art. 271
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 271 - 1 Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:469
1    Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:469
1  wenn der Schuldner keinen festen Wohnsitz hat;
2  wenn der Schuldner in der Absicht, sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögensgegenstände beiseite schafft, sich flüchtig macht oder Anstalten zur Flucht trifft;
3  wenn der Schuldner auf der Durchreise begriffen ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen, für Forderungen, die ihrer Natur nach sofort zu erfüllen sind;
4  wenn der Schuldner nicht in der Schweiz wohnt, kein anderer Arrestgrund gegeben ist, die Forderung aber einen genügenden Bezug zur Schweiz aufweist oder auf einer Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 beruht;
5  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen provisorischen oder einen definitiven Verlustschein besitzt;
6  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitzt.
2    In den unter den Ziffern 1 und 2 genannten Fällen kann der Arrest auch für eine nicht verfallene Forderung verlangt werden; derselbe bewirkt gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der Forderung.
3    Im unter Absatz 1 Ziffer 6 genannten Fall entscheidet das Gericht bei ausländischen Entscheiden, die nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007473 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind, auch über deren Vollstreckbarkeit.474
Biff. 4 SchKG (mangelnder
Wohnsitz des Schuldners in der Schweiz).

B. Diesen Arrest hat Mathilde Marchal rechtzeitig auf dein Wege des
staatsrechtlichen Rekurses beim Bundesgericht angefochten. Sie macht unter
Berufung auf die bundesgerichtliches Praxis geltend, dass derselbe gegen
Art. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 1 Schweizerische Eidgenossenschaft - Das Schweizervolk und die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura bilden die Schweizerische Eidgenossenschaft.
des Gerichtsstandsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich
vom Jahre 1869 bezw. gegen Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV verstosse, und beantragt, es sei
die streitige Arrestverfügung (Nr. 48) aufzuheben und das Arreftobjekt
freizugeden.

C. Der Rekursbeklagte Ostermeher hat auf Abweisung desRekurses
angetragen. Er wendet wesentlich ein, dass der französisch-schweizerische
Gerichtsstandsvertrag gegebenenfalls deswegen nicht Anwendung finden
könnt-, weil er, der Rekursbeklagte, nicht in der Schweiz wohne (zu
vergl. Curti, Staatsvertrag, S. 14 und 19 Axim. 8) und tatsächlich das
Bürgerrecht seines ausländischen Wohnsitzes ausübe, weshalb dieses allein
massgebend sei; --

in Erwägung:

Es steht nach der bundesgerichtlichen Praxis (vergl. aus neuerer Zeit
AS 26 I Nr. 13 Erw. 1 S. 88 und die dortigen Zitate) fest und ist
vorliegend auch ausser Streit, dass ein Arrestschlag in der Schweiz aus
Grund des Art. 271
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 271 - 1 Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:469
1    Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:469
1  wenn der Schuldner keinen festen Wohnsitz hat;
2  wenn der Schuldner in der Absicht, sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögensgegenstände beiseite schafft, sich flüchtig macht oder Anstalten zur Flucht trifft;
3  wenn der Schuldner auf der Durchreise begriffen ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen, für Forderungen, die ihrer Natur nach sofort zu erfüllen sind;
4  wenn der Schuldner nicht in der Schweiz wohnt, kein anderer Arrestgrund gegeben ist, die Forderung aber einen genügenden Bezug zur Schweiz aufweist oder auf einer Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 beruht;
5  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen provisorischen oder einen definitiven Verlustschein besitzt;
6  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitzt.
2    In den unter den Ziffern 1 und 2 genannten Fällen kann der Arrest auch für eine nicht verfallene Forderung verlangt werden; derselbe bewirkt gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der Forderung.
3    Im unter Absatz 1 Ziffer 6 genannten Fall entscheidet das Gericht bei ausländischen Entscheiden, die nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007473 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind, auch über deren Vollstreckbarkeit.474
Biff. 4 SchKG für eine nicht durch gerichtliches
Urteil festgestellte Forderungsansprache eines Schweizers an einen
in Frankreich domizilierten Franzosen nach Massgabe des Art. 1 des
französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrages vom Jahre 1869
nicht zulässig ist. Ein solcher Fall aber liegt hier vor; denn die
beiden Einwendungen des Rekursbeklagten gegen die Auwendbarkeit jenes
Vertrages halten nicht stich. Vorab erscheint der Umstand, dass der
Rekursbeklagte als Arreftnehmer (Arrestgläubiger) nicht in der Schweiz
wohnt, als unerheblich. Die in Rede stehende Vertragsbesiimmung setztwas
den Wohnsitz der einander gegenüberstehenden Parteien betrifft --
abgesehen davon, dass die beiden mit Bezug ans den Wohnsitz, wie
ihrer Nationalität nach, nicht demselben Vertragsstaate angehören
dürfen (so richtig Curti, Staatsvertrag S. 11[. Staaisvertràge fiber
Zivilrecht}. Verhältnisse. Mii Frankreich. N° 98. 643

und 15) , offenbar nur voraus, dass der Wohnsitz der Parteien sich
im Gebiete der Vertragsstaaten befinde, soweit er den im Vertrage
vorgesehenen Gerichts-stand bestimmt. Denn die von Curti (a. a. O. S. 14)
vertretene Auffassung, dass stets beide Parteien ihren Wohnsitz im
Gebiete der Vertragsstaaten haben müssten, ist schlechterdings nicht
zu vereinbaren mit der Bestimmung in Art. 1 des Vertrages, wonach
der Beklagte, Schweizer oder Franzose, welcher weder in der Schweiz,
noch in Frankreich einen bekannten Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat
( . . . n'a point de domicile ou de résidence connus en Suisse ou en
France . . .) vor dem Gerichte des Wohnort-s des Klägers belangt werden
farm, Der Vertrag kommt also jedenfalls zur Anwendung, sofern der für
den Gerichts-stand in erster Linie massgebende Wohnsitz der beklagten
Partei, wie hier der Rekurrentin als Arreftschuldnerin, in einem der
Vertragsstaaten liegt. Sodann schliesst auch der weitere Umstand, dass
der Rekursbeklagte neben dem Schweizerbürgerrecht noch die deutsche
Reichsangehörigkeit besitzt, die an jenes erstere geknüpfte Wirksamkeit
des französischschweizerischen Gerichtsstandsvertrages dem Rekursbeklagten
gegen- über keineswegs aus. Die von diesem behauptete Notwendigkeit der
ausschliesslichen Berücksichtigung seines ausländischen Bürgerrechts
könnte naturgemäss nur bestehen, sofern ein Konflikt seiner Rechte oder
Pflichten als Schweizerbiirger mit der Rechtsordnung jenes auswärtigen
Heimatstaates vorlage (vergl. am. 8 des BG Bett. das Schweizerbürgerrecht
vom 25. Juni 1903). Eine Verpflichtung des Rekursbeklagten aus seinem
Schweizerbürgerrecht gegenüber einem anderweitigen ausländischen Staate
aber, wie sie hier in Frage steht, wird durch jenes Doppelbürgerrecht in
keiner Weise berührt. Demnach ist der vorliegende Rekurs gutzuheissen;
erkannt:

Der Rekurs wird gutgeheissen und damit der nach Arrestbefehl der
Arrestbehörde Baselstadt am 18. Februar 1907 vollzogeneArrest Nr. 48
aufgehoben.