436 Entscheidungen des Bundesgerichls als oberster Zivilgerichtsinstanz.

59. go,-teu vom 21. Heutember 1906 in Sachen BMB, Kl. n. Ber.-Kl.,
gegen ann, Bekl. u. Ver-Bekl.

Dienstleistung Verhältnis der verschiedenen Scheidungsgründe

zu einander. Art. 80 OG. i. Eine Partei, welche vor der letzten kantonalen
Instanz auf Be--

stàfiéigung des erstänsttrnzlicieen Urteils, das die Klage aus Art. 46 ZEG
abgewiesen and sie nenaus Art. 47 gutgelzeissm hatte, ange-tragen lea-t,
kan-n ewBundesgericht Art.-16 nicht mehr anrufen. 2. Die Umwandlung des
Scheidungsbegehssrens einer "Parte,-Z aus Art. 47 ZEG in ein gemeinsames
Begehren gemäss Art. 45 sivor Bundesgericht ist unstatthaft, weil gegen
Art. 80 OG verst-ossend.

Das Bundesgericht hat,

auf Grund der nachfolgenden Prozesslagez A. Durch Urteil vom 29. Mai
1906 hat das Obergericht

des Kantons Solothurn gemäss dem Antrage der Beklagten als Appellatin,
in Aufhebung des das Scheidungsbegehren des Klägers aus Art. 47 ZEG
gutheissenden Entscheides derersten Jnstanz erkannt:

Die Ehescheidungsklage des Gustav Angst ist des Gänzlichen abgewiesen-

B. Gegen dieses Urteil des Obergerichtes hat der Kläger rechtzeitig die
Berufung an das Bundesgericht erklärt mit den Begehren:

fl. Das Bundesgericht wolle-, in Aufhebung des obergerichtlich-In Urteils,
das Urteil der ersten Instanz bestätigen und dem Kläger eine angemessene
Prozessentschädigung zusprechen

2. Das Bundesgericht wolle die zum Beweise bei der ersten und zweiten
Instanz verlangte Schrifterpertise über die eingelegten Briefe und
Ansichtskarten verfügen.

G. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Klägers die
Erklärung abgegeben, dass sich die Beklagte nun dem Scheidungsbegehren
seines Klienten anschliesse und dass die Parteien sich über die
vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung oerständigt hätten, und hat,
mit dem Bemerken, dass die Scheidungsgründe der Art. 45, 46 litt. b und
47 ZEG gegeben seienbeantragt, es sei die Scheidung auszusprechen

I. Civilstand und Ehe. N° 59. 4:3?

Der Vertreter der Beklagten hat die vorstehende Erklärung der Gegenpartei
bestätigt und beantragt, es sei demnach die Ehe der Litiganten auf Grund
des am. 45 eventuell des Art. 47 ZEG gänzlich zu trennen; --

in Erwägung: -

'l. Die Scheidungsbestimmung des Art. 46 litt. b ZEG welche der Kläger
ursprünglich neben Art. 47 ZEG angerufen hatte, fällt nach der heutigen
Prozesslage ohne weiteres ausser Betracht. Der Kläger hat sich bei dem
die Scheidung auf Grund des Art. 47 aussprechenden Urteile der ersten
Instanz beruhigt und auch noch in seiner Berufungserklärnng gegenüber dem
Urteile des Qbergerichts einfach auf Bestätigung des erstinstanzlichen
Entscheides antragen lassen. In diesem Verhalten aber muss ein Verzicht
auf die fernere Geltendmachung eines speziellen Scheidungsgrundes aus
Art. 46 litt. b erblickt werden, und es erscheint daher die Wiederanrusung
dieser Bestimmung im heutigen Vortrage des Vertreters des Klägers als
prozessualisch unstatthaft

2. Ebenso kann auch von Anwendung des Art. 45 ZEG, auf den sich heute
beide Parteien in erster Linie berufen haben, aus prozessualem Grunde
nicht die Rede sein. Denn die heutige Umwandelung des nach dem gesagten
bisher noch im Streite liegenden einseitigen Scheidungsbegehrens
des Klägers aus am. 47 ZEG in ein gemeinsames Scheidungsbegehren der
Litiganten nach Massgabe des Art. 45 ZEG verstösst gegen die Vorschrift
des Art. 80 OG, wonach neue Begehren in der bundesgerichtEichen Instanz
ausgeschlossen sind (vergl. hier das unter der Herrschaft des OG vom
Jahre 1874 erlassene Präjudiz: AS d. bg. (83. 11 Nr. 10 S. 45 sf.).

3. Kann es sich demnach nur fragen, ob dem auf Art. 47 ZEG gestützten
Scheidungsbegehren des Klägers zu entsprechen Yet, so ist trotz der heute
vorliegenden Einwilligung der BevÎlagten in die Scheidung, zu prüfen, ob
die gesetzlichen Voraussetzungen jenes einseitigen Scheidungsbegehrens:
tiefe, unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses, an welcher
der auf Scheidung klagende Ehemann nicht die ausschliessliche oder doch
überwiegende Schuld trägt, gegeben seien. Dies aber ist nach Lage der
Akten zu bejahen ..... ;

438 Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster Zivilgerichtsinstanz.

in Aufhebung des Urteils des solothurnischen Obergerichtes vom 29. Mai
1906; . erkannt: Die Ehe der Litiganten wird in Anwendung des Art. 47
ZEG des gänzlichen geschieden.

II. Oblig-ationenrecht. Gode des obligations.

60. geteilt vom 6. Juli 1906 in Sachen Haber Und Genosseu,
Bekl. u. Ber.-Kl., gegen galant Mifid), Kl. u. Ver-Bekl.

Amtsbürgschaft. 1. Aufsichtspflz'cht des Amtsher-rn. 2. Novation der
Bürgschaft beim Eintritt neuer Bürgm? Verzicht ? Expre- me'ssicm? Art. 142
Z 71,17. 2 OR. 3. Umfang der Bürgschaft bei Neueintritt von Bua-gen
während der Amtsperiode des Beamte-n, für den geb-amt wird ; Aeeslegu-ng
der Bürgscäaftsm'kunde.

A. Durch Urteil vom 21. Februar 1906 hat die I. Appella: tionskammer
des Obergerichts des Kantons Zürich über die Streitra e:

f kSind die Beklagten verpflichtet, unter solidarer Haft als Bürgen und
Selbstzahter dem Kläger 25,000 Fr. nebst Zins zu 50/0 vorn 15. Mai 1905
an zu bezahlen?

erkannt:

Es sind pflichtig, an die Klägerschaft zu bezahlen:

,a) Die sämtlichen vier Beklagten solidarisch 19,592 Fr. nebst Zins zu
40,o vom 15. Mai bis 26. September 1905 und von da an zu 5 0/0;

b) die Beklagten Schweizer, Schäppi und Bürgi weiter solidarisch 5408
Fr. nebst Zins zu 4 fo vom 15. Mai 1905 bis 26. September 1905 und von
da an zu 50-9.

B. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten rechtzeitig und in gesetzlicher
Form die Berufung an das Bundesgericht eingelegt.

Der Vertreter der Beklagten Huber und Schweizer stellt die
Berufungsanträge :

ll. 0bligati0nenrecht. N° 60. 439

1. Die Klage sei gegenüber Haber und Schweizer vollständig abzuweisen,
aus dems Grunde, weil die nötige Kontrolle der Aussichtsbehörden über
Notar Matiz mangelte.

2. Eventuell sei die Klage gegenüber Huber gänzlich abzuweisen, gestützt
darauf, dass derselbe am 20. Juli 1904 von der Bürgschaft vollständig
entlassen worden sei, bezw. in dein Eintritt der neuen Bürgen, Schweizer,
Schäppi und Bürgi, eine Novation der Biirgschaft liege.

Der Berufungsantrag der Beklagten Bürgi und Schäppi lautet:

Es sei das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage des Fiskus
ganz abzuweisen, eventuell seien die Beklagten nur zu verpflichten, je
1,l3 von 6358 Fr. 30 Cts. je solidarisch unter sich Und dem Beklagten
Schweizer zu bezahlen.

C. In der heutigen Verhandlung zu der nur die Vertreter der Beklagten
erscheinen konnten haben diese ihre Berufung-santräge wiederholt und
begründet

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. In tatsächlicher Beziehung ist zu bemerken:

a) Am 2. November 1903 erklärten sich die Beklagten Huber Und
Schweizer beides Schwäger des Hauptschuldners dem Staate Zürich
gegenüber solidarisch als Burgen und Selbstzahîer haftbar bis auf den
Betrag von 25,000 Fr. für allen Schaden, welchen der am 25. Oktober
1903 auf die gesetzliche Amtsdauer 4 Jahre zum Notar des Kreises Enge
gewàhlte Herr Johannes Manz während seiner ganzen AmtsDauer verursacht
haben wird und für welchen er verantwortlich gemacht werden kann (§§
7 und 8 des Gesetzes betreffend die Amtskautionen vom 31. Mai 1896).
Der Bürgschaftsschein trägt den gedruckten Vermerk: Die Kaution wird,
sofern keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht worden sind, zwei
Jahre nach Ablauf der Amtsdauer aushingegeben Doch darf die Aus,.hingabe
in keinem Falle vor der definitiven Genehmigung der betrefsenden
Rechnungen stattfinden (% 15 des Gesetzes betr. die Amtskautionen vom
31. Mai 1896). Unter dem 5. Juni 1904 schrieben die beiden Beklagten
Haber und Schweizer an den Regierungsrat des Kantons Zurich, da die
Lebensweise des