630 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

93. zuteil vom 18. Oktober 1906 in Sachen Yaugetetlsitjati gt,-@. Draus
gegen Regierung-rat Zitdwatden

Besteuerung von Aktiengesellschaften nach Nidwaldner Recht. -Ein
Eingrifi' des Regierungsrates en eiterichie-"fiche Gewalt ist darin,
dass er z'sin seiner Kompetenz als entscheidende Behörde inSteuersachen
über eine zivilrechtliche Vm'f-rage (Gültigkeit einer be- rze-kreisten
Akte'engeseèlschafz) entscheiden nicht zu finden. WHI-kùrliche Behandlung
einer Aktiengeseièschaft, liegend in der Aetnah-me, sie sei nur zur
Umgehung des Steuergesetzes gegründet ?

A. Nach nidwaldnerischem Steuerrecht haben auswärtige Grundeigentümer
ihr im Kanton liegendes Grundeigentum ohne Schuldenabzug zu versteuern
(Gesetz vom 30. April 1893), während den einheimischen ein Schuldenabzug
gestattet wird. Im Kanton domizilierte Aktiengesellschaften werden laut
Gesetz vom 28. April 1895 in folgender Weise besteuert: Die Gesellschaften
haben die Totalsumtue ihres einbezahlten Aktienkapitals, den Reservefonds
und die übrigen Vermögens-teile nach dem wirklichen Werte als Einheit
aus der Gesellschaftskasse zu versteuern-A Als wirklicher Wert der Aktien
gilt der zwanzigfache Betrag der Dividende im vorangegangenen Jahr.

B. Im Jahre 1901 erwarb Jofef Durrer in Kägiswil, Obwalden, die am
Nordabhang des Stanserhorns in Nidwalden gelegene Alp Blumatt. Als
auswärtiger Grundbesitzer wurde er von Nidwalden für den vollen
Schatzungswert der Alp besteuert. Im Jahre 1902 ging die genannte Alp
an die neu gegründete, unterm -i. März 1902 ins Handelsregister von
Nidwalden eingetragene Baugesellschaft A.-G. Stans über. Das Kapital
dieser Gesellschaft beträgt 10,000 Fr. und isi in zehn auf den Inhaber
lautende Aktien à 1000 Fr.eingeteilt; als ihr Zweck wird angegeben:
Erwerb, Bewirtschaftung und Verkauf von Liegenschaften, sowie die
Erstellung von Gebäuden. Die Gesellschaft besitzt bis zur Stunde keine
andern Liegenschaften als die Alp Blumatt, auf der sie aber bisher noch
keine Bauten errichtet hat. Präsident des Verwaltungsraies ist Josef
Durrer in Kägiswil oder Samen, Vize-I. Rechtsverweigerung und Gleichheit
vor dem Gesetze. N° 93. 631

präsident und Aktuar seine beiden Söhne Otto und Emil Durrer in
Samen. Ueber die Besteuerung hinsichtlich der Alp Blumatt ergaben sich
Anstände zwischen den Nidwaldner Behörden und der Baugesellschaft
A.-G. Stans. Die Behörden wollten für die Alp die Steuern in
bisherigerWeise erheben, also für den Schatzungswert ohne Abzug der
Schulden, während die Baugesellschaft gemäss dem Gesetz vom 28. April
1895 arg Aktiengesellschaft, die keinen Reservefonds besitzt und bisher
keine Dividenden bezahlt hat, keine Steuern entrichten wollte-. Doch
musste sie für die Jahre 1903 und 1904 infolge Versäumung der Rekursfrisi
die beanspruchten Steuern bezahlen, und auf eine von ihr angestrengte
Rückforderungsklage trat das Kautonsgericht Nidwalden mangels Kompetenz
nicht ein. Für das Jahr 1905 wurden für die Alp Blumatt auf der
bisherigen Grundlage die Steuern beansprucht (im Gesamtbetrag von 111
Fr. 80 (US.). Die Steuerzettel lauteten der eine aus Z. Durrer,Besitzer
der Alp Blumatt in Kägiswil, die beiden andern auf Z. Durrer, Fabrikant,
Präsident der Baugesellschaft Aktiengesellschaft Blumatt" Samen-

Gegen die für 1905 beanspruchten Steuern ergriff die Baugesellschaft
A.-G. Stans den Rekurs an den Regierungsrat Nidwalden, indem sie geltend
machte, dass sie als Aktiengesellschaft zu besteuern fei, als welche sie
pro 1905 keine Steuern zu bezahlen habe. Der Regierungsrat wies durch
Entscheid vom 30. Dezember 1905 den Rekurs ab mit folgender wesentlicher
Motivierung: Die Gründung der Baugesellschaft A.-G. in Stans sei einzig
zu dem Zwecke erfolgt,dass der Eigentümer der Alp Blumatt, Josef Darker,
für dieselbe nicht mehr besteuert werden könne. Diese Gründung sei ein
Scheinmanöver, was schon aus der Tatsache hervorgeht-, dass Durrer und
seine beiden Söhne Präsident, Vizepräsideut und Aktuar der Gesellschaft
seien, und dass die letztere, obgleich sie sich Baugesellschaft nenne,
noch gar keine Bauten aufgeführt habe.

C. Gegen den Entscheid des Regierungsrates hat die Baugesellschaft
A.-G. Stans den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht mit dem Antrag
auf Aufhebung ergriffen. Der Entscheid soll einen Übergriff in das Gebiet
der richterlichen Gewalt enthalten, da der Regierungsrat die Fragt-,
ob die Rekurrentin eine zu Recht bestehende Aktiengesellschaft fei,
behandle und verneine,

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welche Frage, weil zivilrechtlicher Natur, dem Richter vorbehalten sein
müsse. Ferner bedeute der angefochtene Entscheid eine Rechtsverweigerung
und eine ungleiche Behandlung der Rekurrentiw Diese sei eine nach allen
gesetzlichen Formen konstituierte Aktiengesellschaft, die ernsthafte
Zwecke verfolge; die Aktien befänden sich keineswegs nur in den Händen von
Verwandten des frühem Eigentümers der Alp Blumatt, J. Darm-, und wenn es
auch der Fall sein würde, so wäre dies für die Frage, ob eine wirkliche
Aktiengesellschaft vorliege, gleichgültig Als Aktiengesellschaft könne die
Rekurrentin nur nach dem Gesetz vom 28. April 1895 besteuert werden und
sie müsse darnach, weil sie im Jahre 1904 keine Dividende ausgerichtet
habe und auch keinen Reservefonds besitze, pro 1905 überhaupt keine
Steuern bezahlen Jndem der Regierungsrat die Rekurrentin hinsichtlich der
Steuer für die Alp Blumatt wie eine ausser Kantons wohnende Einzelperson,
statt als Aktiengesellschaft, behandle, stelle er sie ausserhalb des
Gesetzes und verfahre gegen sie, trotz Gleichheit der tatsächlichen
Verhältnisse, in willkürlicher Weise anders als gegen andere im Kanton
domizilierte Aktiengesellschaften, die alle nach dem Spezialgesetz vom
28. April 1895 besteuert würden. Damit sei willkürlich klares Recht
zu Ungunsten der Rekurrentin bei Seite gesetzt und der Anspruch auf
Gleichheit vor dem Gesetz und damit Art. 4 BB verletzt.

D. Der Regierungsrat von Nidwalden hat auf Abweisung des Rekurses
angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Beschwerde, der angefochtene Entscheid bedeute einen Eingriff in
das Gebiet der richterlichen Gewalt, ist unbegründet. Der Regierungsrat
hat darin lediglich über eine Steuerstreitigkeit entschieden, wozu er
als Verwaltungsinstanz unbestrittenermassen kompetent war. Auch wenn man
annehmen wollte, der Regierungsrat habe bei seinem Entscheid mit darauf
abstellen wollen, ob die Returrentin zivilrechtlich eine rechts-gültige
Aktiengesellschaft fei, wäre er dennoch innerhalb der Grenzen seiner
verfassungsmässigen Gewalt geblieben. In diesem Falle hätte man es mit
einer zwilrechtlichen Vorfrage in einem öffentlich-rechtlichen Streite
zu nm. Nach allgemeinen, wohl auch in Nidwalden geltenden Grundsätzen

lI. Bechtsverweigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 93. 633

ist aber der Administrativrichter befugt, privatrechtliche
Vorfragen selbständig zu lösen (wie auch der Zivilrichter über
öffentlich-rechtliche Vorfragen selbständig befinden farm). Ein Eingriff
in die richterliche Gewalt liegt hierin deshalb nicht, weil die Antwort
des Verwaltungsrichters auf die privatrechtliche Vorfrage für den
Zivilrichter in keiner Weise verbindlich sein farm.

2. Auch die Hauptbeschwerde wegen Rechtsverweigerung und ungleicher
Behandlung entbehrt der Begründung Der Regierungsrat geht davon aus,
dass die Baugesellschaft A.-G. Stans zu dem einzigen Zweck gegründet
wurde, damit der bisherige Eigentümer der Blumatt, Josef Durrer, der
angefochteuen Besteuerung entgehe, dass die Gesellschaft äusserlich,
formell, zwar richtig konstituiert ist, dass aber in Wirklichkeit Und
abgesehen von der Steuersrage nach der Absicht der beteiligten Personen
an den bisherigen Verhältnissen nichts geändert sein soll. Dieser
Annahme, für die eine ganze Reihe von Jndizien spricht die Kleinheit
des Aktienkapitals, die geringe Zahl der Aktien, die Zusammensetzung
des Verwaltungsrates, die Tatsache, dass die Gesellschaft keine
andern Liegenschaften als die Blumatt besitzt, dass sie bisher, trotz
mehrjährigem Bestande, ihre Zwecke noch in keiner Weise verwirklicht
hat kann der Vorwurf der Willkür jedenfalls nicht gemacht werden. Wenn
sodann der Regierungsrat das Gesetz vom 28. April 1895 dahin auslegt,
dass eine solche nur aus Rücksichten der Besteuerung ins Leben gerufene
Aktiengesellschaft, die im Grunde nur den Steuerbehörden gegenüber
bestehen soll, keine Aktiengesellschaft im Sinne des Gesetzes ist,
dass das letzere insbesondere keine Handhabe dazu bieten soll, Grund
und Boden das wichtigste Steuerobjekt in dieser Weise der Steuerpslicht
zu entziehen, so erscheint eine derartige Auslegung dem Sinn und Geist
des Gesetzes wohl entsprechend und keineswegs als Rechtsverweigerung
Eine verfassungswidrige ungleiche Behandlung kann darin deshalb
nicht gefunden werden, weil die Rekurrentin mit Rücksicht auf die
angegebenen Verhältnisse mit sonstigen, normalen Aktiengesellschaften
nicht auf eine Linie gestellt werden darf, sondern sich in wesentlichen,
steuerrechtlich wichtigen Momenten davon unterscheidet. Die Argumentation
des Regierungsrates läuft im Grunde daraus hinaus, dass steuerrechtlich
nicht die Rekurrentin,

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sondern Josef Durrer als Eigentümer der Alp Blumatt zu betrachten und zu
behandeln sei. In der Tat ist nach dem gesagten die Auffassung vertretbar,
dass die Stellung des Durrer zur an, wenn er auch sormell-jnristisch
nicht mehr Eigentümer sein mag, doch in Wirklichkeit dieselbe geblieben
ist und wirtschaftlich derjenigen des Eigentümers gleichkommt. Das
Bundesgericht hat aber schon in frühem Fällen (s. AS. d. bg. E. 30 I
S. 243 E. 2) ausgesprochen, dass vom bundesrechtlichen Standpunkt der
Rechtsverweigerung aus nichts dagegen eingewendet werden Yann, wenn
nach kantonaiem Steuerrecht bei der Besteuerung von Liegenschaften (auch
wenn das Gesetz von Grundeigentum spricht) nicht bloss der Eigentümer im
zivilrechtlichen Sinne, sondern unter Umständen auch ein Nichteigentümer,
dessen Beziehung zur Liegenschast wirtschaftlich der des Eigentümers
entspricht, als steuerpslichiiges Subjekt in Anspruch genommen wird. Ein
gewisser Widerspruch liegt vorliegend allerdings darin, dass Joses Durrer
für die Steuer zum Teil nicht einfach als Einzelperson, sondern in seiner
Eigenschaft als Präsident des Verwaltung-states der Rekurrentin belangt
worden ist; allein diese Jnkonsequenz erklärt und entschuldigt sich aus
den absonderlichen Verhältnissen, wie sie hier bestehen, und kann an
sich den Vorwurf der Willkür wiederum nicht begründen. Demnach hat das
Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

94. Zirkels vom 18. Oktober 1906 in Sachen gliene; gegen Regierungsrat
äussern.

Rele-Ms gegen eine Verordnung betr. Jagdpatente, wonach die Patente
für nicht im Kanton wohne-nein Jäger höher sein sollen als für
Kan-tansemwohner. K0mpetenz des Bundesgerichts, Art. 175 Z. 3 OG. --
Verstass gegen den Grundsatz der Gleichheit war dem Gesetz ?

Das Bundesgericht hat, nachdem sich ergeben: A. Am 30. August 1906 hat
der Regierungsrat des Kantons Luzern eine von ihm erlassene Verordnung
betreffend die AusübungI. Rechtsverweigerung und Gleichheit vor dem
Gesetze. N° 94. 635

der Jagd im Jahre 1906 publiziert, welche unter Ziffer 7 bestimmt: Die
Taten für die Ausübung der allgemeinen Jagd werden wie folgt sestgesetzi:

a. Patenttaxe (inklusive 1 Hund) 60 Fr.

b. Für jeden weitern mitzuführenden Hund 10 Fr.

c. Nicht im Kanton niedergelassene Jäger haben eine nm 50 9/0 erhöhte
Patenttaxe und überdies für jeden Jagdhund eine Hundesteuer von 15 Fr. (3
Fr. und 12 Fr.) zu entrichten.

B. Hieraus hat Fürsprech Otto Meyer in Zofingen am. 2. September 1906 beim
Bundesgericht einen staatsrechtlichen Rekurs eingereicht, worin er unter
Berufung darauf, dass er seit Jahren stets ein luzernisches Jagdpatent
zu lösen pflege, die lit. c der vorstehend wiedergegebenen Bestimmung,
mit dem Begehren um Aufhebung derselben, als gegen den Grundsatz der
Rechtsgleichheit (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV) verstossende Neuerung ansicht.

C. Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat mit wesentlich folgender
Begründung auf Abweisung des Rekurses angetragen: Das im Kanton Luzern
bestehende Jagdregal, wonach das Recht zu jagen vom Staate auf dem Wege
der Patenterteilung einzelnen Personen verliehen werde, berechtige
den Kamen, die Linsübung der Jagd ohne Rücksicht auf das Prinzip
der Gewerbefreiheit durch polizeiliche Vorschriften einzuschränken
und insbesondere die Patenterteilung von der Bezahlung einer Tare von
beliebiger Höhe abhängig zu machen. Bezüglich der Höhe dieser Taxe sei
eine ungleiche Behandlung der Kantonseinwohner und der Nichtkantonseim
wohner durchaus zulässig. Sie versiosse weder gegen die Rechtsgleichheit
nach Art-L BV, noch gegen das Gleichbehandlungsprinzng des Art. 6D BV;
denn diesen beiden Versassnngsgrundsätzen sei dadurch genüge getan, dass
jeder in einem andern Kanton wohnende Schweizerbürger, sei er Luzerner
oder AngehörigerNanderer Kantone, die betreffende Zuschlagstaxe bezahlen
müsse. Ubrigens rechtsertige sich diese Zuschlagstaxe auch aus der Natur
desJang rechts, dessen Ausübung an das Gebiet des Kantons geknupst set
und deshalb in erster Linie an die Bewohner dieses Gebietes verliehen
werden solle, sowie aus dem Bestreben, von welchem sich der Regierungsrat
bei Feststellung der JagdtaxSNFbthAUPt habe leiten lassen, im Interesse
der Erhaltung des Wildstandes die Zahl der Patente einzuschränken Auch
diese Momente schlossen die An-