662 Civilrechtspflege.

83. Arten vom 25. grobe-user 1905 in Sachen QBidlthausil'm'c,
Kl. u. Ber.-Kl., gegen Erben Wagner, Bekl. u. Ver-Beil

Oeetiiotte Rechtsanwendung für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne
Auftrag und ungerechtfertigier Bereicherung. Art. 472; 79 ff. OR.

A. Durch Urteil vom 28. September 1905 hat das Obergericht von Unterwalden
nid dem Wald über das Rechtsbegehren: Die Beklagten haben an die Klägerin
3881 Fr. (= Reichsmark 31514/2) zu bezahlen und den Abweisungsschluss
der Beklagten erkannt:

1. (Beweisbeschlnss.)

2. Die Appellation wird als unbegründet erklärt und das
kantonsgerichtliche Urteil in Motiven und Dispositiven vollinhaltlich
bestätigt.

Das hiedurch bestätigte erstinstanzliche Urteil lautet:

Das Klagebegehren wird abgewiesen

B. Gegen das Urteil des Obergerichtes hat die Klägerin rechtzeitig Und
in richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit den
Anti-agent

Das Bundesgericht wolle das angefochtene Urteil in allen Teilen aufheben
und demnach erkennen:

a,) (Beweisantrag.)

h) Die Klageforderung von 3881 Fr. set der Klägerin im vollen Umfange,
eventuell in einem nach richterlichem Ermessen festzustellenden Betrag
zuzusprechen.

C. Die Beklagten haben beantragt: Die Berufung sei wegen Jnkompetenz
des Bundesgerichtes, eventuell als sachlich unbegründet abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die auf Hüllbuschhof in Benrad bei Hats (preuss. Rheinprovinz)
wohnhafte Klägerin hatte seit 1896 den im Kanton Nidwalden
heimatberechtigten Remigi Wagner als Viehwärter in ihrem Dienst, der
seit dem Tode seines Vaters (1868) unter:! ,. !IV. Ohligationenrecht. N°
83. 663

Vormundschaft stand. Am 5. September 1902 schrieb die Klägeriu an den
Vogt, Remigi Wagner sei erkrankt; da er sich zur vollsten Zufriedenheit
betragen habe, wolle sie ihn auch in seinen kranken Tagen bei sich
behalten; seine Krankheiten hätten ihn viel Geld gekostet, so dass sein
erspartes Geld bald zu Ende sein werde; er bitte, man möchte ihm 1000
Fr. senden. Es wurden darauf 300 Fr. gesandt; Remigi Wagner verlangte
(in einem von der Klägerin geschriebenen Briefe vom 15. September 1902)
weitere 700 Fr. Am 29. gl. Mis. schrieb die Klägerin im Auftrage von
Remigi Wagner- nochmals um Geld, wobei gesagt war, der Adressat könne den
Brief der Freundschaft verlegen. Die Klägerin fügte in ihrem Namen bei:
. . . . Sie müssen . . . nicht denken, dass ich auf dem sein Geld zu
passen stände, Gott sei Dank noch nicht. . . . Überhaupt hat Remigi sich
bei uns in den langen Jahren so betragen, dass er noch Pflege bei uns auch
ohne Geld erhält, wir wissen noch, was Christenpflicht und Nächstenliebe
ist Aber sein Eigentum hat doch jeder Mensch gerne, das sind Sie ihm
schuldig, herüber zu schicken, wenn wir iauch nichts beanspruchen,
aber Doktor und Apotheke kosten sein Geis) und das kann jeder Mensch
verlangen Der Vogt schickte am gleichen Tage weitere 700 Fr. Mit von
der Klägerin geschriebenem Brief vom 13. Januar 1903 verlangte Remigi
Wagner vom Vogt sein Vermögen heraus; ebenso mit Brief vom 17. gl. Mis
in dem bemerkt war, die 1000 Fr. seien ihm wohl zugekommen, er wünsche
aber sein Vermögen heraus, mit'50 Jahren brauche man keinen Vormund und
Vogt mehr. Weitere Reklainationen erfolgten am 13. Februar und 7. April
1903. Mit Brief vom 27. Mai 1903 teilte die Klägerin (die sämtliche von
Remigi Wagner unterzeichneten Briefe geschrieben hatte), mit, er habe
das Krankenhaus aufsuchen müssen, man solle sofort 1600 Fr. senden. Am
7. Juni sandte der Vogt 500 Fr. Am 6. Juni 1903 setzte Remigi Wagner
die Klägerin testamentarisch zum Erben ein; am 21. Juli gleichen Jahres
starb· er aus dem Hüllbuschhof, wovon die Klägerin dem Vogt mit Brief
vom 22. gl. Mrs. Mitteilung machte. Sie schrieb hier: Seit: barsch-Geld
habe ich seinem Wunsche und Willen gemäss zu dem Begrame .,Kosten des
Krankenhatises, der Apotheke verwendet. Was davon noch übrig bleibt,
sollte ich seinem Willen zufolge für heilige

664 Civxlrechtspflege.

Messen verwenden. Jch bin seinem Wunsche in jeder Hinsicht-

nachgekommen, da ich auch notarisch zu seiner Universalerbin eingesetzt
bin, werde ich mich genau an seinen letzten Willen halten. Über den
Verbleib des baten Geldes kann ichIhnen, wenn Sie wünschen, Rechnung
einsenden. Durch rechts-. kräftig gewordenes Urteil vom 25. Mai 1904 hat
das Kantons-s gericht Nidwalden eine Klage der heutigen Klägerin gegen
die heutigen Beklagten gutgeheissen, die den Klageschluss enthaltenhatte:
Die Beklagtschaft hat das von Reinigi Wagner am 6. Juni 1903 zu Hüls
errichtete Testament als rechtsgültig errichtet anzuerkeunen und demgemäss
der Klagerin vom Nachlass des Remigi Wagner, soweit derselbe erhaustes
Vermögen ist, den fünften Teil und soweit dasselbe ererbtes Vermögen ist,
den zehnten Teil aushinzugeben.

2. Mit der vorliegenden Klage verlangt nun die Klägerin Besriedigung
aus dem Nachlasse des Remigi Wagner für ihre Dienftleistungen und
Auslagen des Remigi Wagner und zwar gemäss folgender Nechnungssiellung:
(folgt Aufzählung).

Sie stützt die Klage rechtlich auf die Bestimmungen des Schweiz,
Obligationenrechts über Geschäftsführung ohne Auftrag, Art. 472,
und ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 70), daneben hat sie in der
Klage auch § 142 nidw. BGB angerufen· Das klagabwei sende Urteil der
ersten Instanz dessen Begründung sich die zweite Instanz ohne weiteres
angeschlossen hat wirst für die Entscheidung des Rechtsstreites die zwei
Fragen auf-.

a) Kann die Beklagte angehalten werden, Schulden des Erblassers zu
bezahlen, die jener ohne Wissen und Begriissung der Freundschaft, welcher
er zur fraglichen Zeit unterstellt war, gemacht hat und im Besahungssalle
in welchem Mahe?

b) Hat die Freundschaft dem Remigi Wagner sel. die nötigen:
Subsistenzmittel versagt und dadurch notwendig gemacht, dass die heutige
Klägerin für dessen Unterhalt besorgt sein musste? und verneint beide. Es
stellt fest, dass die Klägerin von der Tat--

sache der Bevormundung des Reinigi Wagner Kenntnis gehabt habe. Des
weitern führt es aus, die Beklagtschaft habe dem Remigi Wagner die nötigen
Subsistenzmittel gesandt. Endlich liege in der Korrespondenz ein Verzicht
der Klägerin auf eine Vergütung.IV. Obligatîonenrecht. N° 83. 665

3. Wird nun zunächst die Kompetenz des Bundesgerichtes zur Beurteilung
dieser Streitsache geprüft, so ist vorerst unrichtig: wenn die Beklagten
behaupten, die Klägerin habe ihre Klage auf Nidwaldner Recht gestützt: Die
Klägerin hat das Nidwaldner Recht nur angerufen, um die Pflichten von Vogt
und Freundschaft darzulegen, dagegen macht sie ihren Anspruch ausdruckltch
als obligationenrechtlichen, abgesehen von familienrechtlichen Grunden,
Art. 76
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 76 - 1 Ist die Zeit auf Anfang oder Ende eines Monates festgesetzt, so ist darunter der erste oder der letzte Tag des Monates zu verstehen.
1    Ist die Zeit auf Anfang oder Ende eines Monates festgesetzt, so ist darunter der erste oder der letzte Tag des Monates zu verstehen.
2    Ist die Zeit auf die Mitte eines Monates festgesetzt, so gilt der fünfzehnte dieses Monates.
OR, als Anspruch aus Geschäftsführung ohne Austrag und aus
ungerechtfertigter Bereicherung geltendYuUd sie hat denn auch die Klage
nach dieser Richtung substanztiert. In dieser Richtung fragt es sich nun,
ob für diesen Anspruch schweizerisches oder aber deutsches Recht zur
Anwendung komme. Hierüber ist zu bemerken: Geltend gemacht wird mit
der Klage zunächst der Anspruch des Geschäftsführers ohne Austrag auf
Ersatz seiner Verwendungen; es handelt sich also um die Ersatzpflicht
des Geschäftsherrn. Diese beurteilt sich nun nach der in der deutschen
Rechtswissenschaft und Praxis allgeman anerkannten Ansicht nach dem
Rechte des Wohnortes des Geschaftsherrn '(vgl. Regelsberger, Bd. I,
S. 176 zu Anm. 9 und dort zitikrte; Zitelmann, Internat. Privatr., II,
S. 528 f.). Als Geschaftsherr erscheinen aber hier die Beklagten, da
die Klagerin behauptet, an deren Stelle für Remigi Wagner Verwendungen
gemacht zu haben. Ebenso richtet sich die Frage der ungerechtfertigten
Bereicherung, wie wohl unbestritten itt, nach dem Rechte des Ortes, wo
die Bereicherung stattgefunden haben soll, alsoxsn der Regel nach dem
Rechte des Wohnortes des Erwerbers; Furden Klaganspruch kommt daher nach
beiden ihm von der Klagerin gegebenen Begründuugen schweizerisches Recht
zur Anwendung, und es ist daher auf die Streitsache selbst einzutreten.

4. Was nun vorerst das Klagfundament der Geschäftsfuhrung ohne Auftrag
betrifft, so gehört zur Begründung des Anspruchs gemäss Art. 472
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 472 - 1 Durch den Hinterlegungsvertrag verpflichtet sich der Aufbewahrer dem Hinterleger, eine bewegliche Sache, die dieser ihm anvertraut, zu übernehmen und sie an einem sicheren Orte aufzubewahren.
1    Durch den Hinterlegungsvertrag verpflichtet sich der Aufbewahrer dem Hinterleger, eine bewegliche Sache, die dieser ihm anvertraut, zu übernehmen und sie an einem sicheren Orte aufzubewahren.
2    Eine Vergütung kann er nur dann fordern, wenn sie ausdrücklich bedungen worden ist oder nach den Umständen zu erwarten war.
OR der
Nachweis, dass die Ubsrnahme der Geschäftsbesorgung durch das Interesse
des. Geschaftsherrn geboten war, sowie der Nachweis der Notwendigkeit
oder Nutzlichkeit und Angemessenheit der Verwendungen, deren Ersatz
verlangt werd. Schon jener erste Nachweis ist nun nicht geleistet,
Ja es liegt vielmehr das Gegenteil in den Akten. Denn es sieht fest,
dass Vogt und Freundschaft des Remigi Wagner diesem in der kurzen

666 Giviirechtspflege.

Zeit vom 11. September 1902 bis 7. Juni 1903 die relativ bedeutende Summe
von 1500 Fr. gesandt haben, womit für einen Mann von der Stellung des
Reinigi Wagner gewiss genügend gesorgt war, so dass ein Eintreten der
Klägerin durchaus nicht im Interesse von Vogt und Freundschaft geboten
war. Ob das Geld in anderer Weise zur Bezahlung von Zechschulden
u. dgl. verwendet wurde, isi offenbar vollständig irrelevantz Vogt
und Freundschaft hatten ihrer Pflicht Genüge getan mit Übersendung
gehöriger angemessener Subsistenzmittel. Des weitern fehlte auf Seite
der Klägerin auch der Wille, die Verwendungen im Interesse der Beklagten
zu machen; wie die Briefe der Klagerin zeigen, worin sie mehrfach von
ihrer Nächstenliebe u. s. 11). spricht, erfolgten ihre Verwendungen in
liberalem Sinne, ohne die Absicht, dadurch die Beklagten verpflichten und
deren Interessen wahren zu wollen. Sie mag diese Verwendungen auch in
der Hoffnung, durch das Testament des Remigi Wagner belohnt zu werden,
gemacht haben, in welcher Hoffnung sie dann auch nicht getäuscht wurde;
auch das lässt daraus schliessen, dass sie nicht an einen Ersatz von
Seiten der Beklagten dachte, die Verwendungen nicht in der Willensabsicht,
die Beklagten zu verpflichten, vornahm. Endlich zeigt auch ihr Brief
gleich nach dem Ableben des Remigi Wagner das deutlich. Damit erledigen
sich alle übrigen Einwendungen, auf die einzutreten nicht notwendig ist.

5. Aus der vorstehenden Erwägung folgt aber auch, dass die Anrufung von
Art. 70
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 70 - 1 Ist eine unteilbare Leistung an mehrere Gläubiger zu entrichten, so hat der Schuldner an alle gemeinsam zu leisten, und jeder Gläubiger kann die Leistung an alle gemeinsam fordern.
1    Ist eine unteilbare Leistung an mehrere Gläubiger zu entrichten, so hat der Schuldner an alle gemeinsam zu leisten, und jeder Gläubiger kann die Leistung an alle gemeinsam fordern.
2    Ist eine unteilbare Leistung von mehreren Schuldnern zu entrichten, so ist jeder Schuldner zu der ganzen Leistung verpflichtet.
3    Sofern sich aus den Umständen nicht etwas anderes ergibt, kann alsdann der Schuldner, der den Gläubiger befriedigt hat, von den übrigen Schuldnern verhältnismässigen Ersatz verlangen, und es gehen, soweit ihm ein solcher Anspruch zusteht, die Rechte des befriedigten Gläubigers auf ihn über.
OR ebenfalls zu Unrecht erfolgt: eine Bereicherung der Beklagten
aus dem Vermögen der Klägerin und ohne rechtmässigen Grund liegt nicht
vor; das schon deshalb nicht, weil die Klägerin ihre Aufwendungen
für Remigi Wagner in liberaler Absicht machte und weil die Bektagten
pflichtgemäss die nötigen Subsistenzmittel gesandt haben und zu mehrerein
nicht verpflichtet waren.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird abgewiesen und
das Urteil des Obergrrichts des Kantons Unterwalden nid dem Wald vom
28. September 1905 in allen Teilen bestätigt.IV. Ohligationenrecht. N°
84, 667

84. glitten vom 1. Dezember 1905 in Sachen Aktiengesellschaft Rhein-,
Ben., W.:Kt. u. Ber.-Kl., gegen Aktiengesellschaft sitt gewinn-pietund
xeimsadrikatton KL, W.-Bekl. u. Ber..-Bekl.

Kauf. Vollmacht des Handelsangestellten, speziell zu eine-r
Schuldanerkennung. Art. 426 GR.

A. Durch Urteil vom 23. Juni 1905 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich über die Rechtsbegehrem

a) Der Klägerin: Es sei zu erkennen, die Beklagte habe der Klägerin 2766
Fr. 65 Cts. nebst kZins zu Ö 0/0 seit 22. Sep: tember 1904 zu bezahlen.

b) Der Antwort und Widerklage: Die Klage sei abzuweisen; die Klägerin und
Widerbeklagte sei zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin 23,023
Fr. 15 Cis. nebst 5 M, Zins seit 22. September 1904 zu bezahlen. erkannt:

Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin 2203 Mk. 25 Vf. zu
bezahlen, nebst 5 0/0 Zins vom 22. September 1904 an. Die Widerklage
wird abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte und Widerklägerin rechtzeitig
und in richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt,mit den
Anträgen: '

I. Es sei in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen
und die Widerklage gutzuheissen.... eventuell: .

II. es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die
Vorinsianz zurückzuweisen:

1. Zur Abnahme der Beweise dafür:

a) dass Thieme weder Prokurist ist noch eine Generaloder Spezialvollmacht
oder einen Auftrag oder Anweisung zur Anerkennung der klägerischen
Forderung erhalten hatte und dass er den Brief d. d. 2. September 1904
auch nicht im Sinne einer Schuldanerkennun ab e en liess ;

b) dass Igt. Schrittes sofort, als er von jener Zuschrist Thieines