480 A. Staztsrechtliche Entscheidungen. [I. Abschnitt. Bundesgesetze.

XIII. Quelle que soit done l'hypothése & laquelle l'on oeuille 0a l'on
dote-e s'arréäer, & supposer que l'art. ?16 CO, damage-zie Mr la reeeamnte
& thî'e subsidiaire , n'eltt pas da candu-tre & résoudre la question
soulevée en fave ur de la receurante, quel que seit, en d'autres termes,
et dans cette sappesite'en, le droit applicable eia la cause, Ze Trs'bunel
canton-al eau-dois ne pea-Halt pas ne pas recommilre la. Société des
Missions evange'llques de Belle comme également existante, e'est d-dire
comme jouîîssant également des droits civile dans le canton de Vaud,
et comme capable eneonse'quence de succéder et de reca-edil?" le legs
lui e'lant e'ekssa dans fa saceession de due Jenny-Louise Spengler,
sans ou bien vieler l'art. 46 GF, en meme temps que l'art. 2 al. 2
de la. loi fédérale sur les rapperts de droit civil, du 25 juin 1891,
ou bien commettre un déni de justice. Il en résulte que Ferret du 20
avril 1904 doit étre ennulé et la cause renvoyée au Tribunal cantone]
vaudois pour nouveau jugement, sans qu'il y ait lieu d'exeminer plus
outre les autres moyens invoqués par la receurante.

Par ces motifs, Le Tribunal fédéral prononce:

Le recours est declare fondé, l'arrét du Tribunal canton-el veudois du
20 avril 1904 ennulé, et le cause renvoyée en conséquence au dit tribunal
pour nouveau jugement.

V. Auslieferung nach dem Auslande.

Extradition aux Etats étrangers.

Vergl. Nr. 81.Kompetenzüberschreitungen kantonaier Behörden. N° 79. 481

Dritter Abschnitt. Trnisième section.

Kantonsversassungen.

Constitutions cantonales.

Kompetenzübersehreitungen kantonaler Behörden. Abus de competence des
autorités cantonales.

Uebergrifl in das Gebiet der gesetzgebenden Gewalt. Empie'tement dans
le domaine du pouvoir législatif.

79. Zweit vom 16. Hepiembet 1905 in Sachen Zurnitschek gegen Grossen
gm @mussi'mben.

Reim-rs gegen Bestimmungen eisiees Jagdgesetzes, dessen
Verfassungswislrigiselt behauptet wird. Zuständig/seit des Bzmdesgerlchts,
Art. 175 Ziff. 3 OG. Bing-riff in die Gesetzgebungsgewalt des
Volkes. Art. 2 KV von Gmuöümlen. Unterscheidung zwischen materiellen
Gesetzesdnderungen, die durch die Aenderung der Bandesgesetegebimg
erfordert werden, end solchen, bei denen das nicht der Fall zst.

A. Das Jagdgefetz des Kantons Graubünden vom 3. Nonem: ber 1901 bestimmt
u. a., dass die Eröffnung der Jagd (Hochwtldjagd und niedere Jagd)
am 1. Septemder stattfindet (Art. 15) Und dass dem Grossen Rat das
Recht zusteht, auf Antrag emzelner Gemeinden und Kreise nach freiem
ErtFtesseu durch deswdere Schlussnahme einzelne Gebiet-steile oder Wilde
atm auf kurzere

482 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonwerfassungen.

oder längere Zeit mit Jagdbann zu belegen (Art. 20). Die letztere
Vorschrift nimmt Bezug auf Art. 10 des Bundesgesetzes über Jagd und
Vogelschutz vom 17. September 18?5, der lautet: Dein Bundesrat sowohl
als den kantonalen Behörden steht das Recht zu, nach freiem Ermessen
durch besondere Schlussnahnie einzelne Gebietsteile oder Wildarten
auf kürzere oder längere Zeit mit Jagdbann zu belegen- Nachdem das
neue Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904 in Kraft
getreten war, handelte es sich darum, die Bestimmungen des bündnerischen
Jagdgesetzes damit in Einklang zu bringen, was in der Weise geschah, dass
der Grosse Rat des Kantons Graubünden in der Frühjahrssession 1905 die
nach seiner Ansicht erforderlichen Abänderungen des kantonalen Gesetzes
beschloss und das also revidierte Gesetz, ohne es einer Volksabstimmnng zu
unterwerfen, als Jagdgesetz des Kantons Graubünden vom 23. Mai 1905 neu
publizierte. Im vorliegenden Rekursfall kommen folgende Abänderungen der
bereits angeführten Bestimmungen in Betracht: Nach dem neuen Bundesgesetz
beginnt die Eröffnung der Flugjagd mit dem 1. September und diejenige
der allgemeinen niedern Jagd mit dem 1. Oktober; doch ist den Kantonen
gestattet, die allgemeine niedere Jagd gleichzeitig mit der Flugjagd
zu eröffnen (Art. 9). Die Hochwildjagd dagegen beginnt am 7. September
(Art. 12). Nun beschloss der Grosse Rat am 20. Mai 1905 in Abänderung des
am. 15 des bisherigen Jagdgesetzes: Die Eröffnnng der Jagd (Hochwildjagd
und niedere Jagd) findet am 7. September statt. (Art. 16 des revidierten
Gesetzes.) Ferner wurden ebenfalls durch Beschluss vom 20. Mai 1905,
in am. 20, nunmehr Art. 18, des Gesetzes die Worte auf Antrag einzelner
Gemeinden oder Kreise gestrichen; der neue Art. 18 nimmt Bezug auf Art. 7
des neuen Bundesgesetzes, wonach die Kantone befugt find, durch Gesetz
oder Verordnung die Schutzbestimmungen des Bundesgesetzes zu erweitern,
sowie weitere Vorschriften zum Schutze des Wilde? zu erlassen, wobei
die Kantone insbesondere nach folgenden Richtungen weitergehen können:
Einschränkung der Jagdzeit durch späteren Beginn, Verbot der Jagd auf
weitere Wildarten zc. Gestützt hierauf und auf Art. 18 des revidierten
kantonalen Jagdgesetzes beschloss sodann der Grosse Rat am

Kampetenzüberschreitungen kantonaler Behörden. N° 79. 483

23. Mai, es sei die Gemsjagd während des Jahres 1905 im ganzen Kanton
gänzlich verboten.

Nach der Verfassung des Kantons Graubünden (am. 2) wird die gesetzgebende
Gewalt vom Volke ausgeübt und-unterliegen u. a. der Volksabstimmung:
Gesetze a) organische und Rechtsgefetze und b) Verwaltungsgesetze,
insbesonderer im Steuer-, Schul-, Strassen-, Forst-, Jagdund Fischerei-,
im Gesundheitsund Armenwesen, ferner unterliegen der Volksabstimmung
diejenigen Bestimmungen kantoualer Ausführungsverordnungen zu
Bundesgesetzen, welche nicht notwendige Folge der letztern sind
und ihrer Natur nach in das Gebiet der Volksgesetzgebung fallen.
Über die Befugnisse des Grossen Rates schreibt die Verfassung in
Art. 15 u. a. folgendes vor: der Grosse Rat wacht über die Vollziehung
der eidgenössischen und kantonaten Gesetze; ihm steht die Vorberatung
über alle der Volksabstimmung unterliegenden Gegenstände zu; er erlässt
die nötigen Vollziehungsverordnungen und Aussührnngsbestimmungen zu
den kantonalen und, soweit es nicht von bundeswegen geschieht, zu den
eidgenössischen Gesetzen-

B. Mit Rechtsschrift vom 27. Mai 1905 hat Rechtsanwalt Dr. Jurnitschek
in Chur in seiner Eigenschaft als Jäger gegen die erwähnten
Grossratsbeschlüsse, wonach die niedere Jagd ebenfalls wie die
Hochwildjagd am 7. September eröffnet wird, in Art. 20 (18) des kantonalen
Jagdgesetzes die Worte auf Antrag einzelner Gemeinden und Kreise
gestrichen werden und die Gemsjagd für 1905 im ganzen Kamen verboten ist,
den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht ergriffen. mit dem Antrag,
es seien diese Beschlüs1·e,iveil verfassungswidrig, aufzuheben. Es wird
ausgeführt, dass die beiden erstgenannten Beschlüsse, die das kantonale
Jagdgesetz ohne bundesrechtliche Nötigung abänderten, nicht vom Grossen
Rate erlassen werden durften, sondern nach Art. 2 KV der Volksabstimmung
hätten unter-breitet werden sollen, und dass sie deshalb einen Eingriff
in die gesetzgebenden Befugnisse des Volkes enthalten. Die Bestimmung
des bisherigen kantonalen Jagdgefetzes, wonach die niedere Jagd am
1. September beginnt, sei mit dem Bundesgesetz durchaus in Einklang
gestanden, und die beschlossene Hinausschiebnng des Termins könne daher
unter keinen Umständen als notwendige Folge des Bundesgesetzes an-

484 A. Staatsrechtliche
Entscheidungén. lll. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

gesprochen werden. Ebenso bedeute die Streichung der Worte auf Antrag
einzelner Gemeinden und Kreise in Art. 20 eine materielle, durch das
Bandes-gesetz nicht geforderte Änderung des Gesetzes, indem dadurch die
Kompetenzen des Grossen Rates in Bezug auf die Verhängung des Jagdbannes,
die nunmehr auch ohne Antrag der örtlichen Verbände soll erfolgen können,
erweitert worden seien. Der Beschluss betreffend Verbot der Gemsjagd
sodann, der vom Grossen Rat ohne Antrag einer Gemeinde oder eines
Kreises, also aus Grund der verfassungswidrig beigemessenen Kompetenz
gefasst worden sei, sei als Anwendung eines in verfassungs-widriger
Weise zustande gekommenen Erlasses ebenfalls ungültig.

C. Namens des Grossen Rates hat der Kleine Rat von Graubünden auf
Abweisnng des Rekurses angetragen. Es wird die Frage aufgeworfen,
ob das Bundesgericht angesichts der Tatsache, dass das revidierte
kantonale Jagdgesetz dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt werden
müsse, zur Behandlung des Rekurses kompetent sei. Sodann wird betont,
dass die Auslegung der Kantonsverfassung und der kantonalen Gesetze in
erster Linie Sache der kantonalen Behörden sei, und dass daher, wenn
der Grosse Rat sich die verfassungsmässige Kompetenz zugeschrieben babe,
die angesochtenen Beschlüsse zu erlassen, dieser Auffassung ein gewisses
Gewicht beizulegen sei. Was sodann speziell den Beschluss betreffend die
Eröffnung der (niedern) Jagd am 7. September anbetreffe, so sei der Wille
des bisherigen kantonalen Jagdgesetzes offenbar der gewesen, dass die
gesamte Jagd im Interesse der leichtern Kontrolle und Aufsicht am selben
Tage beginnen solle; damit auch in Zukunft ein einheitlicher Jagdbeginn im
Kanton stattfinde, sei es notwendig gewesen, gemäss der bundesgesetzlichen
Ermächtigung die Eröffnung der niedern Jagd gleich der Hochwildjagd
auf den 7. September festzusetzen, so dass es sich also hiebei um
eine Bestimmung gehandelt habe, die sehr wohl als notwendige Folge des
Bundesgesetzes im Sinne des Art. 2 KV bezeichnet werden könne. Art. 20
des bisherigen kantonalen Gesetzes sodann sei vernünftigerweise dahin
auszulegen gewesen, dass der Grosse Rat in Bezug auf die Verhängung des
Jagdbannes nicht an den Antrag von Gemeinden oder Kreisen gebunden ge-

Kompetenzüberschreitungen kantonaler Behörden. N° 79. 485

wesen sei, sondern hier das Recht von sich aus gehabt habe, wie

denn auch die Auffassung, dass der Grosse Rat für eine solche Massregel
stets einen Antrag einer Gemeinde oder eines Kreises abwarten musste,
mit Art. 10 des früheren Bandes-gesetzes nicht vereinbar gewesen
ware. Demgemäss habe der Grosse Rat auch die Befugnis haben müssen, jene
Worte auf Antrag einzelner Gemeinden oder Kreise zu streichen. Damit
sei aber auch bereits gesagt, dass der Grosse Rat berechtigt gewesen
sei, von sich aus und ohne Antrag einer Gemeinde oder eines Kreises die
Gemsjagd für das Jahr 1905 gänzlich zu verbieten.

Das Bundesgericht zieht in (Erwägung:

1. Der Rekurrent beschwert sich über kantouale Erlasse, die seine
Rechtsstellung berühren, nicht etwa weil sie Normen des eidgenössischen
Jagdrechts verletzen würden, welche Beschwerde sich der Kognition des
Bundesgerichts allerdings entzöge (s. A. S. d. bg. (E. XXIX, 1, Nr. 101),
sondern weil sie in formell versassungswidriger Weise zustande gekommen
oder Anwendung einer dergestalt verfassungswidrigen Vorschrift fein
sollen. Die Kompetenz des Bundesgerichts zur Behandlung des Rekurses
ist daher nach Art. 175 Ziff. 3 OG gegeben. Dass die angefochteneu
Bestimmungen als Bestandteile der kantonalen Jagdgefetzgebung der
Genehmigung des Bundesrates unterbreitet werden müssen, ist für die Frage
der Zuständigkeit des Bundesgerichts ohne Bedeutung, weil der Bundesrat
das kantonale Recht selbstverständlich nur auf seine Übereinstimmung mit
dem eidgenösfischen Jagdrecht und nicht auch daraufhin zu überprüfen hat,
ob es sich mit dem kantonalen Verfassungsrecht in Einklang befinde.

2. Nach bündnerischem Staatsrecht (Art. 2 KV) können kantonale
Ausführungsbeftimmungen zu Bundesgesetzen, die nicht notwendige Folge der
letztern sind und ihrer Natur nach in das Gebiet der Volksgesetzgebung
gehören, nur dadurch Gesetze-straft erlangen, dass sie der Volksabstimmung
unter-breitet und in dieser angenommen werden. Dem Grossen Rat steht in
Bezug auf solche Erlasse lediglich die Vorberatung zu (Art. 15 Abs. 2
KV). Ob die augefochtenen Beschlüsse des Grossen Rates, die einen
Bestandteil des mit Datum vom 23. Mai 1905 neu publizierten Fantonalen
Jagdgesetzes bilden, und dem Volke zur Abstimmung nicht

486 A. Staaisisrechtliche
Entscheidungen. lll. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

vorgelegt worden sind, verbindliche Kraft haben, hängt daher vonder Frage
ab, ob sie an sich und ihrer Natur nach gemäss kantonalem Staats-recht
überhaupt in das Gebiet der Gesetzgebung gehören und wenn ja, ob sie
sich nicht als eine notwendige Folge des neuen Bundesgesetzes betreffend
Jagd und Vogelschutz darstellen. Dagegen wäre, falls die fraglichen
Grossratsbeschlüsse mit Rücksicht auf ihren Inhalt der Sanktionierung
des Volkes nicht bedürfen sollten, kaum etwas dagegen einzuwenden, dass
sie ihrer rein äusseren Form nach als Teile eines Gesetzes und nicht
als Verordnung erscheinen, wie denn auch eine eigentliche Anfechtung
aus diesem Gesichtspunkte nicht vorliegt.

Z. Was nun den in erster Linie angefochtenen Beschluss, der den Beginn
der niedern Jagd auf den 7. September hinausschiebt, anbetrifft, so
steht vorerst ausser Zweifel, dass er seiner Natur nach in das Gebiet der
Volksgesetzgebung gehört; denn er ordnet einenGegenstand des Jagdwesens,
dessen Regelung in Art. 2 KV ausdrücklich der dont Volke auszuübenden
gesetzgebenden Gewalt vorbehalten ist, und er enthält zudem eine
(materielle) Abänderung eines bestehenden Gesetzes, des Jagdgesetzes,
nach welchem die niedere Jagd am 1. September eröffnet wird. Es kann
aber auchentgegen der vom Kleinen Rat in der Vernehmlassung vertretenen
Auffassung nicht anerkannt werden, dass man es mit einer durch das neue
Bundesgesetz notwendig gewordenen kantonalen Anordnung zu tun habe. Das
Bundesgesetz gestattet den Kaukonen, dieallgemeine niedere Jagd schon
am 1. September zu eröffnen. Die betreffende Bestimmung des kantonalen
Jagdgesetzes konnte daher vor Bundesrecht durchaus bestehen. Die
Abänderung kann auchnicht insofern als notwendige Folge des Bundesgesetzes
hingestellt werden, als das kantonale Gesetz, wie der Kleine Rat geltend
macht, einen einheitlichen Jagdbeginn postulieren würde und deshalb
zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Beginn der niedern Jagd auf den
7. September als bundesgesetzlichen Eröffnungsrermin derHochwildjagd
hätte verlegt werden müssen. Das kantonale Gesetzhatte allerdings die
Eröffnung der gesamten Jagd (Hochwildjagd und niedern Jagd) auf denselben
Tag festgesetzt; aber ein Rechtssatz des Inhalts, dass der Jagdbeginn
für alle Wildarten unteralien Hmstànden, also auch bei einem Eingreifen
der Bundes-Kompelenzüherschreitungen kantonale! Behörden. N° 79. 487

gesetzgebung hinsichtlich einzelner Wildarten, einheitlich sein müsse,
kann hieraus unmöglich gefolgert werden. Es mag allerdings sein, dass die
Einheitlichkeit des Termins seinerzeit mit ein gesetzgeberisches Motiv
war; doch wäre eine durch Bundesgesetz herbeigeführte Notwendigkeit der
Gesetzesänderung ohne Frage nicht hieraus, sondern höchstens aus einem
eigentlichen Rechtssatz im angegebenen Sinne herzuleiten. Aus dem gesagten
folgt, dass der Verfassungs-mässig vorgeschriebene Weg für den Erlass
des fraglichen Beschlusses derjenige der Volksgesetzgebung gewesen wäre
und dass der letztere daher in Gutheissnng des ersten Beschwerdepunktes
für so lange ais ungültig zu erklären ist, als die Voraussetzung seines
verbindlichen Erlasses, nämlich die Annahme in der Volksabstimmung,
nicht erfüllt iii.

4. Anders verhält es sich mit dem zweiten angefochtenen
Grossratsbeschluss, der auf Streichung der Worte auf Antrag einzelner
Gemeinden oder Kreise in Art. 20 des bisherigen kantonalen Jagdgesetzes
geht. Eine Abänderung des Gesetzes-, wenn vielleicht auch nur formaler
Natur und ohne materielle Bedeutung, liegt allerdings auch hierin, aber
es kann jedenfalls sehr wohl gesagt werden, dass die Änderung durch das
schweizerische Jagdrecht gefordert gewesen sei. Der Rekurrent versteht
den Art. LO des bisherigen Gesetzes dahin, dass der Grosse Rat nicht aus
eigener Initiative, sondern nur auf Antrag von Gemeinden oder Kreisen
den Jagdbann über einzelne Gebietsteile oder Wildarten zu verhangen
bestimmt gewesen sei, während der Grosse Rat und der Kleine Rat in der
Vernehmlassung die Bestimmung dahin interpretieren, dass der Grosse Rat
auch von sich eine solche Massregel anordnen konnte. Es ist zuzugestehen,
dass der Wortlaut eher für die Auslegung des Rekurrenten zu sprechen
scheint. Indessen braucht die Frage hier nicht gelöst zu werden. Denn
nimmt man die für den Rekurrenten günstige Lösung an, dass nämlich am. 30
dem Grossen Rat keine Befugnis einräumt, von sich aus und ohne Antrag
von Gemeinden oder Kreisen den Jagdbann zu verhängen, so befand er sich
mit Art. 10 BG betr. Jagd und Vogelschutz vom 17. September 1875, auf
den er übrigens verweist, sowie auch mit Art. 7 des neuen Bundesgesetzes
in Widerhornet). Wenn nämlich das frühere Bundesgesetz in Art. 10 an-

488 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen. ordnet, dass sowohl
dem Bundesrat als den kantonalen Behörden

das Recht zustehe, nach freiem Ermessen einzelne Gebietsteile oder
Wildarten für kürzere oder längere Zeit mit Jagdbann zu be-

legen, so soll damit derjenigen Behörde, die kantonalrechtlich für--

solche Massnahmen allgemein zuständig erklärt ist, also in Graubünden
dem Grossen Rat, die Befugnis erteilt sein, aus eigener Initiative und
nicht etwa bloss auf Antrag lokaler Verbände den Jagdbann auszusprechen,
weil der Zweck des Bundesgesetzes, die Beförderung eines wirksamen
Wildschutzes, ein solches selbständiges Handeln der obern. kantonalen
Behörde unbedingt erheischt. Dann konnte es aber einem Kantou nicht
zukommen, diese der Fantonalen Behörde von blindes-wegen eingeräumte
Kompetenz dadurch zu beschränken, dass sie vom Antrag lokaler Stellen
abhängig gemacht wurde. Art. 20 des bündnerischen Jagdgesetzes stand also
bei-der gedachten, vom Rekurrenten vertretenen Auslegung von Anfang an
mit Bundesrecht in Widerspruch Durch das neue Bundesgesetz ist in dieser
Beziehung der Rechtszustand nicht verandert worden, wie sich aus der
Entstehungsgeschichte des Gesetzes mit aller Deutlichkeit ergiebt. Art. 7
Abs. 1 war im Entwurfe und bis zur Beratung im Nationatrat wesentlich,
soweit er hier m Betracht kommt, gleichlautend mit Art. 10 des alten
Gesetzes. Im Nazionali-at wurden sodann als redaktionelle Verbesserung
die Worte: ....sowohl als den kantonalen Behörden... gestrichen,
weil diese Kompetenz der kanionalen Behörden sich bereits ausAbs. 2
des Art. 7 ergebe, der die Kantoue als befugt erklärt, durch Gesetz
oder Verordnung die Schutzbestimmungen des Bundesgesetzes zu erweitern
(s. stenogr. Bulletin 1904, S. 301 s.).. Man übersah hiebei allerdings,
dass Abs. 2 seiner Formulierung nach auf die Abgrenzung der legislativen
Befugnisse des Bandes und der Kantoue und nicht, wie Abs. l auf die
administrativen Kompetenzen des Bundesrates und der kantoualen Behörden
Bezug hat. Aber trotz dieser textlichen Schwierigkeit darf es entsprechend
der gesetzgeberischen Absicht als Meinung des Gesetzesangefehen werden,
dass die bisher den kantoualen Behörden von bundleswegen zustehenden
Befugnisse, den Jagdbann aus eigene ' Initiative nach freiem Ermessen
zu verhängen, in vollem Umfang erhalten bleiben sollten, zumal ja auch
eine Abschwächung dieserKompetenzüberschreitungen kantonaler Behörden. N°
79. 489

Befugnisse sich mit dem ganzen auf einen wirksamern Wildschutz gerichteten
Zweck des neuen Bundesgesetzes schlecht vertragen würde. Besand sich
aber danach Art. 20 des bündnerischen Jagdgesetzes, insofern er immer
nach der gedachten Auslegung den Grossen Rat in Bezug auf die Verhängung
des Jagdbannes an eine Antragstellung seitens der Gemeinden oder Kreise
bindet, im Widerspruch zu Bundesrecht, so war die Bestimmung in diesem
Punkte ausser Kraft gesetzt und unwirksam, und es ist vomSiandpunkt des
kantonalen Staats-rechts aus gewiss nichts dagegen einzuwenden, wenn der
Grosse Rat bei Anlass der Vereinigung der kantonalen Jagdgesetzgebung
auf Grund des neuen Bundesgesetzes jenen Artikel auch redaktionell mit
dem Bundesgesetz in Einklang gebracht hat; denn wenn der Grosse Rat nach
am. 2 KV zu materieller Änderung eines Gesetzes, die sich als notwendige
Folge der Ausführung eines Bundesgesetzes erweist, ermächtigt ist,
so muss dies umsomehr gelten von blossen redaktionellen Bereinigungen
zum Zwecke formaler Übereinstimmung, z. B. der Streichuug einer vom
Bundesrecht ausser Kraft gesetzten Bestimmung.

ö. Aus der vorangehenden Erwägung folgt bereits, dass auch der dritte
Beschwerdepunkt, die Anfechtung des Grossratsbeschlusses betreffend
Verbot der Gemsjagd pro 1905 unbegründet ist, weil sich dieses aus
eigener Initiative des Grossen Rates erfolgte Verbot als Anwendung eines
verfassungsmässig zustande gekommenen Erlasses darstellt. Das Verbot
wäre übrigens auch, ganz abgesehen von der Frage, ob die vom Grossen Rat
verfügte Streichung der Worte auf Antrag einzelner Gemeinden oder Kreise
in Art. 20 des bisherigen kantonalen Jagdgesetzes nach bündnerischem
Verfassungsrecht zulässig war, unangreifbarz denn einmal hätte der Grosse
Rat nach den Ausführungen in Erwägung 4 schon von Bundesrechts wegen
die Befugnis gehabt, die fragliche Massregel von sich aus zu ergreifen,
und sodann wird Art. 20 des kantonalen Jagdgesetzes in seiner frühem
Redaktion vom Grossen Rat und auch vom Kleinen Rat dahin ausgelegt,
dass der Grosse Rat nicht nur auf Antrag der lokalen Behörden, sondern
auch aus eigener Initiative handeln kann, und diese Auslegung, die nach
dem Wortlaut freilich nicht unzweifelhaft ist,

490 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

für die aber u. a. der Umstand spricht, dass der Jagbann für einzelne
Wildarten über den ganzen Kanton verhängt werden kann, erschiene unter
keinen Umständen als willkürlich, und müsste deshalb, da es sich um
die Interpretation von kantonalem Gesetzesrecht bandelle, für das
Bundesgericht als Staatsgerichtshof verbindlich sein. Demnach hat das
Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird insoweit gutgeheissen, als der Beschluss des

Grossen Rates des Kantons Graubünden vom 20. Mai 1905 dahingehend, dass
die Eröffnung der niedern Jagd am 7. September stattfindet (Art. 16
Abs. 1 des Jagdgesetzes), für so lange als ungültig erklärt wird, als
er nicht dem Volke zur Abstimmung vorgelegt und von diesem angenommen isf.

Jm übrigen wird der Rekurs abgewiesen.!. Staatsverträge über
civilrechtl. Verhältnisse. Mit Frankreich. N° 80. 491

Vierter Abschnitt. Quatriéme section. Staatsverträge der Schweiz mit
dem Ausland. Traités

de la Suisse avec l'étranger.

-b i q--

I. Staatsverträge über (zivilrechtliche Verhältnisse. Traités
concernant. les rapport-,e. de droit civil.

Vertrag mit Frankreich vom 15. Juni 1869. Traité avec la France in 15
juin 1869.

80. Zweit vom 28. Hepiemöer 1905 in Sachen Tgalnmun und Genossen gegen
gchmtdt.

Konservaîarische Hassnahmen im Sinne cl.A-rt. 10 Gee-ichtsstamisverrmg:
geäöri zu solche-w die Bestellung eines Prozessvertreters für einen
im. andern Vm-tragsstaat Bevogteten oder zu, Bevogtenden ? Legiti-mation,
des wegen Mangels der Vertretamgsbefugssis abgewiesenen Ver-
ireäers zum sèaaésreclmichen Rekurse. Stellmeg des Bundesgerichts
als Staatsgerichtsiwf. Anfechtung eines Kostendekretes wegen
Rechtsuerweigerung.

A. Am 6. Juli 1904 zahlte Witwe Dilos-Dopf, von Befangoa, wohnhaft in
Basel, ihrem Nachbarn, dem rekursbeklagten Gärtnermeifter Schmidt, mit dem
sie wegen Gewährung eines Darleihens in Unterhandlungen gestanden hatte,
einen Betrag von 5000 Fr. ans-. Drei Tage nachher wurde Witwe Dilos als
geisteskrank in die baselstädtische Heilund Pflegeanstalt Friedmatt

XXXI, L {905 32