338 Civilrechtspflege.

konstatieren sein. Denn, wie das Bundesgericht schon wiederholt und
insbesondere durch Urteil vom 12. Juli 1890 in Sachen Müller gegen Goar
(Bd. XVI, S. 596) entschieden hat, sind mehr oder weniger geschickte
Abänderungen längst bekannter Gebrauchsgegenstände oder Einrichtungen
keine Erfindungen Anderseits ist aber daran festzuhalten, dass, wie
ebenfalls in dem citierten Entscheide bemerkt wurde, das Gesetz bedeutsame
und unbedeutende Erfindungen in gleicher Weise schützt und einer Erfindung
der gesetzliche Schutz deshalb nicht versagt werden kann, weil das
Mass geistiger Tätigkeit, welches zu ihrer Hervorbringung erforderlich
war, ein geringes ist. Liegt nun wirklich etwas neuesmit Nutzen zu
gebrauchendes vor, das aber gleichwohl bisher von niemand ausfindig
gemacht worden war, so ist in der Regel der Schluss gerechtfertigt, dass
es nur durch diejenige geistige Tätigkeit zu eruieren war, welche eben als
ersinderisch bezeichnet zu werden pflegt (vergl. Schanze, Patentsähigkeit,
S. 40). Diese Erwägungen treffen auf den vorliegenden Fall zu. Denn wenn
gleich zuzugeben ist, dass das Mass geistiger Tätigkeit, dessen es zur
Hervorbringung des von den Klägern erzielten technischen Nutzeffektes
bedurfte, kein besonders grosses genannt zu werden verdient, so waren
doch immerhin während 20 oder 30 Jahren Nieten an Schuhen angebracht
worden, ohne dass irgend jemandanf den Gedanken kam, die Nietung zur
Unterstützung ganzer Nähte zu verwenden.

4. Liegt somit auf Seiten der Kläger und Widerbeklagten in der Tat eine
schutzberechtigte Erfindung vor, so ist die Widerklage abzuweisen, die
Klage dagegen prinzipiell zu schützen. Denn die klägerische Behauptung,
dass das Fabrikat der Beklagten unter den Patentanspruch der Klager
falle, ist nicht nur unwidersprochen geblieben, sondern steht sogar mit
den Ausführungen der Widerklage (vergl. Fakt. B hievor), wie überhaupt
mit dem Inhalt sämtlicher Akten, im Einklang.

Der beklagtische Hinweis auf Produkte der Schuhfabrik Kreuzlingen, welche
mit denjenigen der Kläger identisch seien, erscheint schon aus dem Grunde
als unstichhaltig, weil es sich dabei um Fabrikate handelt, die jünger
sind, als das klägerische Patent Nr. 16,884. 'Vl. Erfindungspatente. N°
41. 339

Was schliesslich die von den Klägern geltend gemachte
Entschädigungsforderung betrifft, so ist dieselbe in dem vorinstanzlich
zugesprochenen Betrage und aus denselben Gründenöf auf welchen die
Entscheidung der Vorinstanz beruht, gutzuheissen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Aargau vom 14. Januar 1904 in allen Teilen bestätigt.

41. gweü vom 27. Ell-it 1904 in Sachen Hierbei-, KL, W.-Bekl. u. Ber.-Kl.,
gegen Mac Garmin]: Harvesting Machine Company, Bekl., W.-Kl. u. Ber.-Bekl.

Erfindungsquah'tät: Erfindzmgsgedrmke, Erfindemgsproblem, oder Lä-szmg
des Erfindungsgedrmkens ? Art. { ; 10 Z if. 4 Pat. Ges.

A. Durch Urteil vom 20. November 1903 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich über die Rechtsbegehren:

a) der Hauptklage:

1. Der Beklagten sei die Nachahmung der dem Kläger in Patent Nr. 18,856
geschützten Mähmaschine, die Feilbietung und der Verkauf der nachgeahmten
Maschinen gerichtlich zu untersagen, unter Androhung der in Art. 25 des
Pat.-Ges. vorgesehenen Strassolgen;

2. die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger 20,000 Fr. nebst Zins à 5
0/0 seit dem Datum der Weisung (·1. Juli 1902) zu

bezahlen, eventuell eine nach richterlichem Ermessen, eventuell in

Verbindung mit einem Beweisverfahren sestzustellende Schadenersatzsummez

3. es seien die auf Schweizergebiet lagernden Maschinen der Beklagten zu
konfiszieren, ebenso die sämtlichen für die Feilhaltung und den Verkauf
auf Schweizerboden berechneten Prospekte, Preiseourants u. s. w.,
überhaupt alle Reklameinittelz

340 Civilrechtspflege.

4. der Kläger sei als berechtigt zu erklären, das Urteil auf Kosten der
Beklagten ein Mal in 2-3 schweizerischen Zeitungen zu publizieren; -

b) der Widerklaget

1. Das klägerische Patent Nr. 13,856 sei, soweit es das Prinzip der
automatischen Einund Ausschaltung des Getriebe-Z zum Gegenstand hat,
als nichtig zu erklären;

' 2. das klägerische Patent sei, soweit es in der Detailkonstruk-

tion der Maschine mit der Konstruktion der von der Beklagteu

fabrizierten Maschinen übereinstimmt, als nichtig zu erklären; erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2 Die Widerklage wird insofern gutgeheissen, dass die Gültigkeit des
schweizerischen Patentes des Klägers Nr 13,858 auf die in demselben
bezeichnete Konstruktion beschränkt wird

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit dem Antrage auf
Gutheissung der Klage.

C. In der heutigen Verhandlung wiederholt der Vertreter des Klägers diesen
Berufungsantrag, wobei er denselben dahin präzisiert, dass eventuell
zunächst in einem Vorurteil über das prinzipielle Klagebegehren 1 und über
die Widerklage entschieden werde im Sinne der grundsätzlichen Feststellung
der Schadenersatzpflicht der Beklagten, und dass weiter eventuell,
für den Fall der Nichtliqnidität des Schadenersatzanspruchs nach Art
und Umfang, ein Beweis-verfahren eingeleitet werde, vor Bundesgericht
oder durch Rückweisung an die Vorinstanz. Er anerbietet dabei den Beweis
durch Zeugen, Urkunden und Expertise, letztere namentlich zum Beweis der
Gleichartigkeit der Konstruktion beider Maschinen und vder Neuheit der
klägerischen Maschine. Er anerbietet auch die Vorweisung der Maschine
auf Verlangen des Gerichts.

Der Vertreter der Beklagten trägt auf Bestätigung des angesochtenen
Urteils cm. Für den Fall der Rückweisung behält er sich ausdrücklich das
Protokoll über die Frage der Neuheit des klägerischen siss Patentes offen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

'l. Der Klager, der sich mit der Herstellung und dem
BetriebVI. Ersindungspatente. N° .. 341

landwirtschaftlicher Maschinen, speziell auch von Mähmaschinem befugt, ist
Inhaber des eidgenössischen Patentes Nr. 13,856, vom 24. Mai/10. August
1897, für eine Mähmaschine. Nach der Patentbeschreibung ist Gegenstand
der Erfindung eine Mithmaschine, welche vermöge mechanischer Mittel
gestattet, dass sich die Einund Ausrückung des Triebwerkes infolge der
Einwirkung des Senkens und Hebens des Schneideapparates vollzieht-c Laut
der Patentbeschreibung musste nämlich bei allen bisherigen Wähniaschinen
das Triebwerk unabhängig vom Heben des Schneideapparates ausgerückt werden
was die Manövrierfähigkeit bedeutend erschwerte. Die Patentbeschreibung
enthält eine beispiels- weise Ausführung der mechanischen Einrichtung
zur Erreichung des Erfindungszweckes. Der Patentanspruch ist dahin
formuliert: Mähmaschine, dadurch gekennzeichnet, dass die Hebund
SenkVorrichtung für den Schneideapparat durch mechanische Mittel
denn mit der Triebvorrichtung in Verbindung steht, dass infolge
Hebens bezw. Senkens des Schneideapparates die Triebvorrichtung aus-,
bezw. eingerückt wird. Zum Verständnis dieses Erfindungsgedankens des
Klägers mag folgendes bemerkt sein: Die Mähmaschinen werden in der
Form eines zweirädrigen Gespannes gebaut, an dessen Seite rechts das
Schneidemefser angebracht ist. Die Einrichtungen sind derart getroffen,
dass alle maschinellen Funktionen durch den auf dem Bocke sitzenden
Leiter des Vehikels veranlasst werden, und zwar mittelst Bewegung
von Hand: und Fusshebeln, die vom Bocke aus erreichbar find. Das
Schneidemesser ist dabei im wesentlichens o konstruiert dass an einer
gerade verlaufenden Stange in gleichmässigen Abstanden eine Mehrzahl von
Zähnen (Fingern) befestigt sind, welche das Gras ze. erfassen sollen,
und dass zu jedem Zahn ein Messer angeordnet is,t welches durch rasche
Hinund Herbewegung in der zwischen den Zähnen befindlichen Lücke das
Abschneiden des Grases bewirkt. Letztere Bewegung muss durch eine
mechanische Vorrichtung geschehen, einer weitern solchen bedarf es,
um den Abstand des Schneidebalkens vom Erdboden genau zu fixieren
(zur Regulierung des Grasschnittes), und endlich eines Mechanismus, der
gestattet, den Schneidebalken aus der horizontal-en Lage, in der er sich
beim Schneiden des Grases befindet, in die Höhe zu heben, teils behufs

xxx, 2. 1904 23

342 Givilrechtspflege.

Reinigung von Grasresten, Steinchen u. dgl., hauptsächlich aber, um
Hindernissen, wie Baumstrünken u. dgl., auszuweichen. Die Vorrichtung
für die Bewegung der Messer des Schneidebalkens war nun, wie es scheint,
früher derart beschaffen, das; die Messer automatisch in Funktion traten,
wenn die Räder des Vehikels sich bewegten, also namentlich beim Zug, und
die Bewegung mit deinStillestehen der Räder aufhörte. Da aber das Hinund
Herbewegen der Messer, wenn die Maschine nicht für den Grasschnitt
funktionieren, z. B. gereinigt werden sollte, was mit den Händen
geschieht, für den bedienenden Arbeiter eine Gefahr in sich schloss,
musste dieselbe von den Rädern unabhängig gemacht, also ausgeschaltet
werden können, und dies geschah nun bei den Wähmaschinen älterer
Konstruktion mittelst eines besondern, beim Bock angebrachten Hand:
oder Fusshebels. Wenn dann aber die rechtzeitige Bedienung dieses Hebels
versäumt wurde, was bei dermannigfachen Inanspruchnahme des auf dem Bocke
Sitz-enden, insbesondere auch durch die Zugtiere, etwa vorkommen konnte,
sowar infolgedessen die Gefahr siir den den Schneidebalken reinigenden
Arbeiter, der jenes Versäumnis nicht so leicht bemerken konnte, um
so grösser. Der Kläger will nun durch seine zum Patent angemeldet-Z
Erfindung den genannten Übelstand beseitigen-. und gleichzeitig den
Mechanismus und dessen Bedienung vereinsachen. Unterm 16. Juni 1897 ist
ihm für eine Mähmaschine mit gleichzeitigem Ausrücken des Triebwerkes
beim Heben derMesser auch das deutsche Patent Nr. 95,850 erteilt worden,
dessen Patentanspruch 1 mit dem Anspruch des schweizerischen Patentes
identisch ist, während Patentanspruch 2 eine spezielle Aussührungssorm
enthält. Maschinen der in seinem Patent beschriebenen Art bringt der
Kläger unter der Bezeichnung Automatik in den Handel Die Beklagte, welche
in Chicago, Nordamerika, die Fabrikation landwirtschaftlicher Maschinen im
grossen Massstabe betreibt und in Zürich eine Zweigniederlassung besitzt,
verkauft in der Schweiz insbesondere einen Spezialtyp von Mahmaschinen
unter dem Namen Vertikal. Diese Benennung nimmtdaraus Bezug, dass bei
dieser Maschine der Schneidebalken senkrecht (900) gehoben wird, also das
Answeichen von Hindernissen (z. B. Baum-en) in vollem Masse gestattet,
während bei derVl. Erfindungspaiente. N° 41. 348

klägerischen Automatik die Hebung nur bis ans Mittelhöhe (zirka
45°) geschieht. Darin aber stimmt die beklagtische Vertifal mit
der klägerischen "Automatik überein, dass auch bei jener die Ausund
Einschaltung des Schneidemessers automatisch durch Heben und Senken des
Schneidebalkens erfolgt. Da der Kläger im Vertriebe dieser Mähmaschine
eine Verletzung seines schweizerischen Patentes erblickt, hat er gegen
die Beklagte Klage mit den aus Fakt. A ersichtlichen Rechtsbegehren
erhoben, worauf die Beklagte mit den ebenfalls dort wiedergegebenen
Rechts-begehren der Widerklage geantwortet hat.

2. Die Begründung der Widerklage, von deren Entscheidung das Schicksal
der Hauptklage abhängt, lässt sich kurz dahin zusammenfassen: Erstens
sei die angebliche Erfindung des Klägers nicht patentierbar, namentlich
nicht nach schweizerischem Patentgesetz, indem nur ein Erfindungsproblem,
ein Erfindungsgedanke, nicht aber eine konkrete Ausführungssorm, den
Gegenstand des Patente-Z bilde, was unzulässig sei; in dieser allgemeinen
Form sei daher die Ersindung auch nicht gewerblich verwertbar und nicht
durch Modell darstellbar. Sodann mangle der klägerischen Ersindung
das Ersordernis der Neuheit, wofür namentlich auf Publikationen
in amerikanischen Fachzeitschriften (Official Gazette of the United
states Office) abgestellt merde. Endlich sei der Kläger auch nicht der
Urheber der Ersindung. Des weitern, eventuell, hat die Beklagte die
Jdentität der von ihr in den Handel gebrachten Mähmaschine Vertikal
mit der klägerischen Mähniaschine Automatik und somit die Tatsache der
Nachahmung bestritten. Die Vorinstanz ist zu ihrem eingangs mitgeteilten
Urteile dadurch gelangt, dass sie zunächst den Patentgegenstand, soweit
er im Patentanspruch zum Ausdrucke kommt und jede Ausführungsform
der Verbindung des Schneideapparates mit der Triebvorrichtung durch
mechanische Mittel zum Zwecke der Ausund Einschaltung der Triebvorrichtung
beim Heben bezw. Senken des Schneideapparates umfasst, als blosses
Problem, als blosses Erfindungsresultat, bezeichnet und daher als nicht
patentierbar erklärt, und sodann ohne Erörterung der Frage der Neuheit des
klägerischen Patentes ausführt, ein Beweis für die wesentliche Jdentität
der Mähmaschine der Beklagten mit der hienach

344 Givilrechtspflege .

einzig zu schützenden speziellen Konstruktion der klägerischen Mähmaschine
liege nicht vor.

Z. Das Bundesgericht hat sich, bei der Überpriifung dieses Urteils
des Handelsgerichts, auf die Frage zu beschränken, ob und inwieweit im
Gegenstande des Patentes eine Erfindung im Sinne des schweizerischen
Patentgesetzes liege, eine Frage, welche nach ständiger Praxis beim
sogenannten Antriebe-System des schweizerischen Patentgesetzes zum
Gegenstand einer Richtigkeitsklage oder -Einrede gemacht werden farm. Beim
Entscheide dieser Frage sind im vorliegenden Falle verschiedene Seiten des
Erfindungsbegrisses: so das Vorhandensein einer schöpserischen Idee, die
Überwindung wesentlicher technischer Schwierigkeiten und die Erreichung
eines neuen technischen Nutzeffektes, nicht streitig Und auch von der
Beklagten anerkannt, indem sie erklärt hat, die spezielle, im Patente
aufgesührte Ausführungsform, die Konstruktion, nicht anzufechten,
sofern das Gericht finden sollte, dass ihre Mähmaschine Verified mit
derjenigen des Klägers nicht identisch sei. Die Vorinstanz hat aus dem
Grunde, weil sie zur Annahme einer Verschiedenheit beider Konstruktionen
gelangt, die Frage der grundsätzlichen Patentierbarkeit der klägerischen
Detailkonstruktion nicht untersucht. Dagegen geht die Vorinstanz mit der
Vetlagten davon ans, die geistige Arbeit des Ersinders sei, soweit sie
nicht in der speziellen Ausführungsform, die das Patent aufführt, zur
Anschauung gebracht sei, nicht vollendet, es sei beim Erfindungsproblem
geblieben, die Lösung des Problems liege abgesehen von jener speziellen
Ausführungssorm nicht vor. Zwar gibt die Vorinstanz zu, dass die Tätigkeit
des Klägers nicht bei der blossen Spekulation stecken geblieben sei,
bei der blossen Frage, wie dem Nachteil, der darin besteht, dass die
Bewegung der Räder des Gespannes das Einschalten der Messer bewirkt,
abgeholer werden könne, der Patentanspruch gehe weiterhin daraus,
dass die Messertriebvorrichtung mit der Hebund Senkvorrichtung des
Schneideapparates in Verbindung stehe, und zwar durch mechanische
Mitici. Allein gerade in diesem Gedanken der mechanischen Verbindung sei
lediglich das Erfindungsresultat, das Erfindungsproblem, zu erblicken. Jn
dieser entscheidenden Erwägung kann nun der Vorinstanz nicht beigestimmt
werden. Richtig ist zwar,VI. Erfindungspatenté. N° 41. 345

dass das blosse Problem, die Stellung der Aufgabe, nicht patentierbar
isf, dass vielmehr Gegenstand des Patentes nur die Lösung bilden farm,
und zwar, nach dem System des schweizerischen Gesetzes, eine Lösung,
welche durch Modell darstellbar ist (Art.1, 10 Ziff. 4). Allein in
der Frage, was als Problem und was als Lösung anzusehen ist, irrt
die Vorinstanz, indem sie zum Problem in casu nicht nur die Aufgabe,
das Messertriebwerk gleichzeitig automatisch mit der Hebevorrichtung
auszuschalten sondern auch die dazu vorgesehene durch mechanische Mittel
erreichte Verbindung des Messertriebwerkes mit der Balkenhebevorrichtung,
durch die nach dem Patentanspruch ein automatisches Ein: und Ausschalten
erfolgen soll, rechnet. Dies ist unrichtig; nur das erstere ist Problem,
das letztere dagegen Lösung. Allerdings gibt diese Lösung nicht das
Detail der konstruktiven Ausführung an; es ist nur beispielsweise
angegeben, wie diese Ansschaltung des Triebwerkes durch das Heben des
Schneidebalkens technisch ausgeführt werden muss, und es frägt sich,
ob die Erfindung so umschrieben werden Fanti, dass nur das allgemeine
Lösungsprinzip ohne spezielle Ansstihrungssorm wiedergegeben wird, sodass
alles Nachahmung sein kami, was dieses Prinzip verletzt, auch wenn die
Konstruktion eine andere ist, vorausgesetzt nur, dass nicht in letzterer
selber wieder Momente, die den Begriff der Erfindung erfüllen, enthalten
sind. Mit Hartig (Studien in der Praxis des kaiserl. Pat.-Amtes, S. 132,
151) ist nun davon auszugehen, dass bei Patentierung von Maschinen das
wesentliche, das, woran sich die Erfindung richtet, in der Regel nicht
die einzelnen konstruktiven Teile sind, sondern der ganze Arbeitsprozess,
der Arbeitsgang. Von dieser Auffassung aus gelangt man dazu, anzuerkennen,
dass zwar ein blosses Problem nicht patentierbar ist, dass aber die im
Patente darzustellende Lösung nicht solche Einzelheiten der Ausführung
wiederzugeben braucht, auf die es bei der Erzielung des Ersindungseffektes
nicht ankommt, die nach bekannten Regeln der Technik so oder anders
gestaltet werden können, vielmehr eine allgemeine Lösung genügt, sofern
diese durch Sachverständige ausführbar und, wie für das schweizerische
Patentgesetz hinzugefügt werden muss, durch Modell darstellbar ist;
alsdann umfasst diese allgemeine Lösung alle die-

346 Givilrechtspflege.

jenigen Ausführungsformen des Problems-, die nicht selbst wieder eine
technische Neuheit (Eigenartigkeit) und einen wesentlichen technischen
Fortschritt enthalten (ng. Schanze, Problem, Prinzip und Hypothese,
in Gar-Rechtsschutz und Urheberrecht, Bd. III, S. 161, spez. S. 165
f.). Hienach liegt eine Erfindung erst dann dor, wenn die Lösung des
Problems, das sich die Erfindung stellt, soweit in die Einzelheiten
dargelegt ist, dass die Ausführung jedem Sachverständigen mit den
hergebrachten Mitteln der Technik möglich ist; oder m. a. W.: Die
Darstellung der Erfindung gibt dann nicht nur ein Problem wieder,
sondern eine Lösung, wenn in dieser Darstellung alle die wesentlichen
Momente gegeben sind, welche dem Sachverständigen die Ausführung, unter
Verwendung irgend eines zur Erzielung der Lösung bekannten technischen
Ausführungsmitteis, ermöglichen. Ob dies beim streitigen Patente
zutreffe, hat die Vorinstanz nicht geprüft, und es könnte sich fragen,
ob nicht die Sache schon zur Entscheidung hierüber an sie zurückzuweisen
sei. Indessen muss ohne weiteres Beweis-verfahren an Hand des streitigen
Patentes selber als festgestellt erachtet werden, dass in casu auf Grund
der Patentbeschreibung, unter Weglassung der beispielsweise angegebenen
Konstruktion, jedem Sachverständigen die Ausführung möglich ist. Wenn die
Vorinstanz gegen die hier entwickelte Auffassung vom Wesen der Erfindung
gegenüber dem Ersindungsproblem geltend macht, hienach würde das Monopol
des Erfinders eine Mehrheit von Ausführungsmöglichkeiten umfassen und
damit würde die Freiheit des technischen Schaffens in unzulässiger Weise
eingeschränkt, so übersieht sie, dass das Patent zwar alle diejenigen
Ausführungsmöglichkeiten der Erfindung umfasst, welche, wie die
beispielsweise angegebene, die blosse Verwendung bekannter technischer
Handgriffe enthalten, aber auch nur diese, und dass ein konkretes
Ausführungsmittel selbst wieder Gegenstand einer Erfindung sein kann. Mit
Recht weist ferner der Kläger zur Entkräftung des Nichttgkeitsgrundes
des Nichtvorhandenseins einer Erfindung auf sein deutsches Patent hin,
bei dem nicht nur eine spezielle Ausführungsform, sondern das allgemeine
Lösungsprinzip in einem besondern Patentanspruch geschützt ist; und es
darf wohl im Anschlusse hieran noch daran verwiesen werden, dass auch
die Erteilung des Patentes durch dasVI. Erfindungspatente. N° 41. 847

schweizerische Patentamt, die ja immerhin nach einer gewissen Prüfung
erfolgt (vergl. Art. 17 Pat.-Ges.), den Gedanken, dass die Erfindung
im Stadium des Problems stecken geblieben fei, eher hätte ausschliessen
sollen. Schon an diesem Umstande scheitert wohl auch der Standpunkt der
Beklagten, die Erfindung des Klägers sei nicht durch Modell darstellbar,
der ja übrigens durch die Vorlage des (beispielsweisen) Modells durchaus
widerlegt ist.

4. Kann so der Vorinstanz in der entscheidenden Erwägung: der Frage
des Vorhandenseins einer Erfindung im ganzen Umfange des Patentes,
nicht beigestimmt werden, so sind dagegen noch die übrigen Einreden,
die die Beklagte gegen die Rechtsbeständigkeit des Patentes erhoben hat,
so vor allem die Einrede der Nichtneuheit im Sinne der Offenkundigkeit
(vergl. über den Unterschied von Neuheit im Sinne der Eigenartigkeit,
also als eines Begriffsmerkmales der Erfindung, und im Sinne des
Nichtbekanntseins: Spiro, in Zeitsch. f. schweiz. Recht, N. F., Bd. XX,
S. 396, und Schanze, Schweiz. Pat.-Recht, S. 7), zu prüfen. Da die
Vorinstanz hierüber zwar verhandelt, aber nicht entschieden hat und
zur Entscheidung eine Ergänzung der Akten nötig ist, ist die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung, eventuell auch über das Quantitativ
des Entschädigungsanspruches des Klagers und alle weitern streitigen
Punkte, unter Aufhebung des angesochtenen Urteils an die Vorinstanz
zurückzujweisen (am, 82 Abs. 2 OG).

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Jn Gutheissung der Berufung des Klägers wird das Urteil des
Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 20. November 1903 aufgehoben
und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht
zurückgewiesen.