820 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird im Sinne der Motive teilweise begründet erklärt und damit die
Aufhebung des Zahlungsbesehls vom 17. September 1904 rückgängig gemacht.

139. Entscheid vom 17. Dezember 1904 in Sachen Lüscher.

Pfändung. Stellung verschiedener Pfändungsgruppen zu einan-der. Art. 145
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 145 - 1 Deckt der Erlös den Betrag der Forderungen nicht, so vollzieht das Betreibungsamt unverzüglich eine Nachpfändung und verwertet die Gegenstände möglichst rasch. Ein besonderes Begehren eines Gläubigers ist nicht nötig, und das Amt ist nicht an die ordentlichen Fristen gebunden.
1    Deckt der Erlös den Betrag der Forderungen nicht, so vollzieht das Betreibungsamt unverzüglich eine Nachpfändung und verwertet die Gegenstände möglichst rasch. Ein besonderes Begehren eines Gläubigers ist nicht nötig, und das Amt ist nicht an die ordentlichen Fristen gebunden.
2    Ist inzwischen eine andere Pfändung durchgeführt worden, so werden die daraus entstandenen Rechte durch die Nachpfändung nicht berührt.
3    Die Bestimmungen über den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) sind anwendbar.
,
110
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 110 - 1 Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
1    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
2    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist stellen, bilden in der gleichen Weise weitere Gruppen mit gesonderter Pfändung.
3    Bereits gepfändete Vermögensstücke können neuerdings gepfändet werden, jedoch nur so weit, als deren Erlös nicht den Gläubigern, für welche die vorgehende Pfändung stattgefunden hat, auszurichten sein wird.
, 88 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 88 - 1 Ist die Betreibung nicht durch Rechtsvorschlag oder durch gerichtlichen Entscheid eingestellt worden, so kann der Gläubiger frühestens 20 Tage nach der Zustellung des Zahlungsbefehls das Fortsetzungsbegehren stellen.
1    Ist die Betreibung nicht durch Rechtsvorschlag oder durch gerichtlichen Entscheid eingestellt worden, so kann der Gläubiger frühestens 20 Tage nach der Zustellung des Zahlungsbefehls das Fortsetzungsbegehren stellen.
2    Dieses Recht erlischt ein Jahr nach der Zustellung des Zahlungsbefehls. Ist Rechtsvorschlag erhoben worden, so steht diese Frist zwischen der Einleitung und der Erledigung eines dadurch veranlassten Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens still.
3    Der Eingang des Fortsetzungsbegehrens wird dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei bescheinigt.
4    Eine Forderungssumme in fremder Währung kann auf Begehren des Gläubigers nach dem Kurs am Tage des Fortsetzungsbegehrens erneut in die Landeswährung umgerechnet werden.
, 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 1 - 1 Das Gebiet jedes Kantons bildet für die Durchführung der Schuldbetreibungen und der Konkurse einen oder mehrere Kreise.
1    Das Gebiet jedes Kantons bildet für die Durchführung der Schuldbetreibungen und der Konkurse einen oder mehrere Kreise.
2    Die Kantone bestimmen die Zahl und die Grösse dieser Kreise.
3    Ein Konkurskreis kann mehrere Betreibungskreise umfassen.
19 Abs. 3 SchKG. Hat (las Betrei- bungsamè bei Vornahme
der Pfändung auf Begehren eines einer spa?-tern Gruppe ginge-leistenden
Gldubigers den Gläubigern der vorangehen- den Gruppen von Amtes wegen
den Anschluss am die Pfändung zu erteilen .9

I. In einer grössern Zahl Betreibungen, die gegen Adolf Haller
beim Betreibungsamt Reinach angehoben waren, bildeten sich drei
Pfändungsgruppen: eine erste, abgeschlossen am 7. April 1904,
in welcher unter anderm auch die Volksbank Reinach teilnahmz
eine zweite mit Abschluss am 16. Mai; und eine dritte, die infolge
Psändungsbegehren des heutigen Rekurrenten Notar Lüscher vom 16. Mai
durch einen Pfändungsvollzug vom 7. Juni eröffnet wurde. Gepfändet
wurden sowohl Mobilien als (über den Schätzungswert hinaus verhaftete)
Liegenschasten. Die Verwertung der erstern fand am 2. und 13. Mai
statt (worauf das Amt den Barerlös in der Weise auch der erst am
7. Juni begonnenen dritten Gruppe zu Teil werden liess, dass es ihn
als Pfändungsobjekt erklärte). Die gepfändeten Liegenschaften wurden am
4. Juli, wie es scheint ohne Ergebnis für die betreibenden Gläubiger,
zur Verwertung gebracht.

Inzwischen hatte der Rekurrent Lüscher die Nachpfändung eines dem
Schuldner Haller zustehenden, mit einem Nutzniessungsrecht beschwerten
Forderungstitels von 1500 Fr. verlangt. Das Amt vollzog diese Pfändung
am 19./23. Juni, erklärte aber in der Psändnngsurkunde: Im gleichen Rang
sind betreffs Nachpfändungund Kankurskammer. N° '139. 821

1824 Fr. 21 Età, womit es die Summe der Forderungsbeträge der übrigen
pfändenden Gläubiger meinte.

Gegen diesen Anschluss anderer Gläubiger an die Pfändung vom 19./23. Juni
führte Lüscher Beschwerde mit dem Begehren, nur diejenigen Gläubiger
zuzulasfen, welche in Bezug auf den gepfändeten Forderungstitel ein
spezielles Pfändungsbegehren gestellt hätten.

H. Die untere Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde in dem Sinne gut,
dass an der fraglichen Pfändung nur diejenigen Gläubiger früherer Gruppen
teilzunehmen berechtigt seien, welche bis zum 19. Juli 1904 in Bezug
auf den gepfändeten Titel ein Nachpfändungsbegehren gestellt halten,
sowie sämtliche Gläubiger der dritten Pfänduugsgruppe.

III. Gegen diese Entscheidung ergriffen die Volksbank Reinach und
Konsorten, als Gläubiger der frühem Gruppen, Rekurs, mit dem Antrag auf
Schutz der betreibungsamtlichen Verfügung

Unterm 24. Oktober 1904 erkannte die kantonale Aufsichtsbehörde:
Es sei die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ihres Entscheides
gutgeheissen. In den Erwägungen stellt sie sich auf den Standpunkt:
Wenn der Betreibungsbeamte nachträglich von noch nicht gepfändeten
Aktiven des Schuldners Kenntnis erhalte und die Pfänder zur Deckung
einer frühem Gruppe ihrem Schatzungswerte nach nicht hinreichen, so
sei er von Amts wegen zur Nachpfändung verpflichtet Es sei deshalb
hier nicht nötig gewesen, dass die Gläubiger, welche ja einmal ihre
Psändungsbegehren gestellt hätten, abermals solche hätten stellen müssen,
um an dem nachträglich zum Vorschein gekommenen Vermögen Pfändungsrechte
zu erwerben.

IV. In seinem nunmehrigen, dem Bundesgerichte rechtzeitig eingereichten
Rekurse erklärt Notar Lüscher, an seinem vor erster Jnstanz gestellten
Beschwerdeantrag festzuhalten

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. (Ausführung, dass die Beschwerde als rechtskräftig erledigt angesehen
werden muss, soweit die erste Instanz den sämtlichen Gläubigern
der dritten Gruppe unabhängig von der Stellung eines besondern
Pfändungsbegehrens die Befugnis zur Teilnahme an der Psändung vom
19./23. Juni 1904 eingeräumt hat.)

822 B. Entscheidungen der Schuldhetreibungs--

2. Soweit die Beschwerde einer Überprüfung durch das Bundesgericht noch
unterliegt, ist vor allem hervorzuheben, dass der in Frage stehende
Pfändungsakt vom 19.X28. Juni nicht etwa den Charakter einer Nachpfändung
im Sinne des Art. 145
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 145 - 1 Deckt der Erlös den Betrag der Forderungen nicht, so vollzieht das Betreibungsamt unverzüglich eine Nachpfändung und verwertet die Gegenstände möglichst rasch. Ein besonderes Begehren eines Gläubigers ist nicht nötig, und das Amt ist nicht an die ordentlichen Fristen gebunden.
1    Deckt der Erlös den Betrag der Forderungen nicht, so vollzieht das Betreibungsamt unverzüglich eine Nachpfändung und verwertet die Gegenstände möglichst rasch. Ein besonderes Begehren eines Gläubigers ist nicht nötig, und das Amt ist nicht an die ordentlichen Fristen gebunden.
2    Ist inzwischen eine andere Pfändung durchgeführt worden, so werden die daraus entstandenen Rechte durch die Nachpfändung nicht berührt.
3    Die Bestimmungen über den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) sind anwendbar.
SchKG besitzt und deshalb auch nicht nach den für
diesen speziellen Fall geltenden Rechts-regeln zu beurteilen ist. Die
Voraussetzungen zum Vollzuge einer solchen Nachpsändung lagen zur Zeit
des genannten Pfändungsaktes noch nicht vor, weil noch nicht alle der den
drei Gruppen verhafteten Psändungsobjekte, nämlich die Liegenschaften,
zur Verwertung gelangt waren. Das Betreibungsamt konnte also nicht, wie
es dem Art. 145
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 145 - 1 Deckt der Erlös den Betrag der Forderungen nicht, so vollzieht das Betreibungsamt unverzüglich eine Nachpfändung und verwertet die Gegenstände möglichst rasch. Ein besonderes Begehren eines Gläubigers ist nicht nötig, und das Amt ist nicht an die ordentlichen Fristen gebunden.
1    Deckt der Erlös den Betrag der Forderungen nicht, so vollzieht das Betreibungsamt unverzüglich eine Nachpfändung und verwertet die Gegenstände möglichst rasch. Ein besonderes Begehren eines Gläubigers ist nicht nötig, und das Amt ist nicht an die ordentlichen Fristen gebunden.
2    Ist inzwischen eine andere Pfändung durchgeführt worden, so werden die daraus entstandenen Rechte durch die Nachpfändung nicht berührt.
3    Die Bestimmungen über den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) sind anwendbar.
SchKG entsprechen würde, in der Meinung zur Pfändung des
fraglichen Titels geschritten sein, den als ungenügend sich erweisenden
Erlös aus der genannten Verwertung zu ergänzen aus dem Wege einer
nachträglich, im Verteilungsverfahren, von Amts wegen vorzunehmenden
Exekution in weiteres Vermögen. Vielmehr konnte sein Vorgehen nur den
Zweck und die Bedeutung haben, noch vor dem Verteilungsverfahren (das
ja unbestrittenermassen noch nicht begonnen hatte) für ausreichendere
Deckung der Gruppengläubiger durch Einbeziehung neuen Vermögens in die
Psandungsmasse zu sorgen. Der Hinweis darauf, dass das Amt in Rücksicht
aus diese Psändnng vom 19.X23. Juni und deren Vornahme zu Gunsten aller
Gruppengläubiger später, als nach erfolgter LiegenschaftsVerwertung eine
Nachpfändung gemäss Art. 145 möglich geworden war, von der Vornahme einer
solchen abgesehen hat, tut dem Gesagten keinen Abbruch. Denn das spätere
Verhalten des Amtes ist für die Beurteilung der Bedeutung und rechtlichen
Wirkung des Pfändungsaktes vorn 19.X23. Juni, um was es sich hier handelt,
unerheblich und es hätte übrigens eine solche Nachpsändung gemäss
Art. 145 nur unbeschadet der Rechte inzwischen erfolgter Pfändungen,
d. t). hier derjenigen vom 19./23. Juni, stattfinden können.

3. In zweiter Linie hat in Betracht zu fallen, dass die beiden ersten
Gruppen, welchen die Gläubiger angehören, deren Recht zur Teilnahme an
der Psändung vom 19.X23. Juni 1904 hier m Frage steht, beim Vollzuge
dieser Pfändung bereits abgeschlossen waren (_ die zweite am 16. Mai
). Es kann also dieund Konkurskammer. N° 139. 825

genannte Psäudung für diese Gläubiger nicht die Bedentung einer
Ergänzungspfändung nach Art. 110
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 110 - 1 Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
1    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
2    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist stellen, bilden in der gleichen Weise weitere Gruppen mit gesonderter Pfändung.
3    Bereits gepfändete Vermögensstücke können neuerdings gepfändet werden, jedoch nur so weit, als deren Erlös nicht den Gläubigern, für welche die vorgehende Pfändung stattgefunden hat, auszurichten sein wird.
SchKG haben, d. h. einer unselbständigen
Nebenpfändung, die während der für die Bildung der Psändungsgruppe
laufenden dreissigtägigen Frist oder unmittelbar nachher erfolgt und
welche, sofern wenigstens, als sie nicht den unt Anschluss nachsuchenden,
sondern die bereits in der Gruppe sigurierenden Gläubiger betrifft,
von Amts wegen vorgenommen wird, um der Psändungsmasse soweit tunlich
den Umfang zu geben, der für die Befriedigung aller nunmehrigen
Gruppengläubiger benötigt ist (vergl. Arch. V, Nr. 2). Vielmehr kann es
sich bei der Psändung Vom lg,/23. Juni für die frühem Psändnngsgläubiger
nur darum handeln, an ihr als an einer selbständigen Nachpfändung
teilzunehmen, die, im Gegensätze zu dem in Art. 145 vorgesehenen
Falle, vor der Verwertung und im Sinne einer Vervollständigung der
Pfändungsmasse, nicht einer Ergänzung des Verwertungserlöses erfolgt. Die
Vornahme einer derartigen Nachpfändung muss jeder Pfändungsgläubiger,
der aus Ergänzungspfäudung nach Art. 110 nicht mehr Anspruch hat,
innert der Jahresfrist des Art. 88 Abf. 2 zu verlangen befugt sein. Die
Pfändung kann dann die Grundlage für die Bildung einer neuen selbständigen
Psändungsgruppe abgeben, in der Weise, dass anderweitige Gläubiger innert
der dreissigtägigen Frist Anschluss daran erlangen (siehe den zitterten
Entscheid) und zwar auch solche Gläubiger-, die bereits als Teilnehmer
in einer früher entstandenen Gruppe sigurieren.

Die hier zu entscheidende und durch die bisherige Rechtssprechung noch
nicht präjudizierte Hauptfrage ist nun die, ob das Betreibungsamt,
wenn es auf Begehren eines einer spätern Gruppe angehörigen Gläubigers
(wie hier des Rekurrenten) zu einer Pfändung schreitet, den Gläubigern
der vorangehenden Gruppen von Amts wegen, ohne dass dieselben ein
dahingehendes Begehren zu stellen brauchten, den Anschluss an diese
Psändung erteilen müsse. Zu der Bejahung dieser Frage kann man zunächst
nicht (wie namentlich Curti, Archiv III, S. 313 annimmt) von der
allgemeinen Erwägung aus gelangen, dass sich der Gläubiger einer frühern
Gruppe exekutionsrechtlich gegenüber später pfändenden Gläubigern in
einer privilegierten Stellung befinde und des-

824 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs--

halb auf später in Pfändung fallende Objekte im Verhältnis zu jenen
Gläubigern einen vor-gehenden oder doch einen konkurrierenden Anspruch
besitze. Denn die bevorzugte Stellung des frühem Gläubigers besteht
nicht darin, dass er durch die Pfändung ein generelles Pfändungsrecht,
ein allgemeines Privileg auf vorzugsweise Befriedigung aus dem gesamten
Vermögen des Schuldners erhalten wurde, da ja der Pfändungsakt, der
das Pfändungsrecht begründet, gegen konkrete Objekte sich richtet,
nicht gegen das schuldnerische Vermögen überhaupt, und die gesetzlichen
Wirkungen dieses Aktes (Art. 96 ff.) sich nur auf diese bestimmten in
Pfändung genommenen Objekte erstrecken. Bringt aber der Pfändungsakt kein
generelles Privileg, sondern nur bestimmte einzelne Vian: dungsrechte
an den gepfändeten Objekten zur Entstehung, so muss das von der Pfändung
nicht betroffene Vermögen nach wie vor dem Zugriff anderer Gläubiger, ohne
dass sie der genannte Akt zu hindern vermöchte, offen stehen, und kann es
deshalb z. B. vorkommen, dass nachträglich erst pfändende Gläubiger aus
solchem Vermögen vollbefriedigt werden, währenddem vorangehende infolge
erhobener Drittanfprüche, ze. ganz oder teilweise zu Verlust kommen.

Aus dem Gesagten ergibt sich nun insbesondere für die vorwürsige Frage,
dass wenn ein Gläubiger ein in eine frühere Pfändung nicht einbezogenes
Objekt pfänden lässt, an diesem Objekt irgend ein erekutionsrechtliches
Vorrecht des früher pfändenden Gläubigers, auf dessen Wahrung der
Pfändungsbeamte Rücksicht zu nehmen hätte, nicht besteht, wie es
bei der Pfändung für den Mehrerlös nach Art. 110 Abs. 3 der Fall
ist. Vielmehr kann es sich auch für den frühem Pfändungsgläubiger nur um
die Neubegründung eines speziellen konkurrierenden Pfändungsrechtes an dem
betreffenden Objekte handeln. Damit erscheint aber als ausgeschlossen,
dass der Betreibungsbeamte von Amts wegen zu seinen Gunsten vorzugehen
hätte. Denn eine Pflicht des Amtesanlässlich einer von einein Gläubiger
anbegehrten Pfändung gleichzeitig für einen andern Gläubiger eine solche
von sich aus vorzunehmen und für ihn derart das Verfahren weiterzuführen,
lässt sich gesetzlich nicht begründen. Sie würde im Gegenteil dem vom
Gesetze als Regel zu Grunde gelegten Antragssystem widersprechen,und
Konkurskammer. N° 139. 825

demzufolge das Amt nur aus Begehren des Gläubigers hin zur Vornahme
einer Betreibungshandlung zu schreiten hat, Dabei ist zu beachten,
dass dieser Grundsatz namentlich auch in dem dem vorliegenden Falle
analogen des Art. 149 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 149 - 1 Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.290
1    Jeder Gläubiger, der an der Pfändung teilgenommen hat, erhält für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Der Schuldner erhält ein Doppel des Verlustscheins.290
1bis    Das Betreibungsamt stellt den Verlustschein aus, sobald die Höhe des Verlustes feststeht.291
2    Der Verlustschein gilt als Schuldanerkennung im Sinne des Artikels 82 und gewährt dem Gläubiger die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 erwähnten Rechte.
3    Der Gläubiger kann während sechs Monaten nach Zustellung des Verlustscheines ohne neuen Zahlungsbefehl die Betreibung fortsetzen.
4    Der Schuldner hat für die durch den Verlustschein verurkundete Forderung keine Zinsen zu zahlen. Mitschuldner, Bürgen und sonstige Rückgriffsberechtigte, welche an Schuldners Statt Zinsen bezahlen müssen, können ihn nicht zum Ersatze derselben anhalten.
5    ...292
SchKG gilt. Wenn daselbst die neue Pfändung
gestützt auf einen definitiven Verlusischein nur infolge Begehren-s des
die Betreibung fortsetzenden Gläubigers stattzufinden hat, so muss es
sich im vorwürfigen Falle gleich verhalten, wo der Gläubiger nach einer
ersten, ganz oder teilweise fruchtlosen Pfändung gestützt auf einen
provisorischen Verluftschein gemäss Art. 115 befugt ist, die Betreibung
durch Nachpfändung fortzusetzen. Für die gegenteilige Auffassung der
Sache lässt sich umgekehrt nicht mit dem eine Nachpfändnng von Amis
wegen vorsehenden Art. 145 argumentieren: Hier handelt es sich um eine
vom allgemeinen System des Gesetzes abweichende Ausnahmevorschrift, die
eine analoge Anwendung nicht zulässt, und die in speziellen Verhältnissen
des betreffenden Falles ihre

' Erklärung und Rechtfertigung findet. Art. 145 zieht die Möglich-

keit in Betracht, dass bei der Verwertung die Schätzungssumme der
Pfändungsobjekte nicht erreicht wird, und stellt nun behufs rascher
Korrektur des bisherigen Verfahrens-, das infolge der unrichtigen
amtlichen Schätzung und der dadurch bedingten Bildung einer ungenügenden
Psänduugsmasse dem bezw. den betreibenden Gläubigern nicht zu dem
gebührenden Resultate verholfen hat, ein ausserordentliche-Z an keine
Fristen gebundenes Nachversahren auf. Unter diesem Gesichtspunkte der
Verbesserung einer dem frühern Verfahren anhaftenden Unrichtigkeit zu
Gunsten der sonst geschädigten Gläubiger ist es durchaus verständlich,
dass der Gesetzgeber hier dazu gekommen ist, eine Abweichung vom
Antragssystem zu statuieren und die sofortige Wahrung der gläubigerischen
Interessen von Amts wegen vorzuschreiben.

4. Endlich sind es namentlich auch Gründe praktischer Namr, welche
dagegen sprechen, dass Nachpsändungen der in Frage stehenden Art, möge
es sich dabei um anfängliche oder. wie hier, um an solche sich reihende
Anschlusspfändungen handeln, von Amts wegen zu erfolgen hätten. Zunächst
müsste es, namentlich bei Betreibungsämtern mit grösserm Geschäftskreise,
nur schwer oder gar nicht möglich sein, im Momente, in dem die Pfändung zu

826 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

erfolgen hat, den Bestand der verschiedenen zu berücksichtigenden
Psändungsgruppen nach Existenz und Höhe der darin noch
teilnahmeberechtigten Forderungsbeträge mit Sicherheit festzustellen und
damit ein Urteil darüber zu gewinnen, ob die vorhandene Deckung durch
Pfändungsobjekte für den betreffenden Gläubiger bezw. die betreffende
Gruppe wirklich eine ungenügende, einer Vervollständigung durch
Neupsändung bedürftige sei oder nicht. Denn ausseramtlich erfolgte,
ganze oder teilweise Zahlungen der betriebenen Forderungen ze. können
irgend wann dem Betreibungsamte unbekannte Änderungen der in Betracht
kommenden Verhältnisse herbeigeführt haben, und es kann sich auch durch
Verminderung und Erhöhung von Ansprüchen Dritter an den Pfändungsobjekten
das Verhältnis der vorhandenen Aktiven zu den betriebenen Forderungen
vielfach verschieben, was namentlich bezüglich der Retentionsrecht
geniessenden Forderungen aus Miete und Pacht von erheblicher praktischer
Bedeutung ist. Jtn weitern würden sich Schwierigkeiten bezüglich der
Frage ergeben, unter welchen Umständen und namentlich in welchem Momente
das Amt die Deckung einer Gruppe als ungenügend zu erachten und demnach
die Vorttahme einer neuen Pfändnng als gerechtfertigt anzusehen habe, ob
z. B. schon bei der Anmeldung eines die Volldeckung in Zweifel stellenden
Drittanspruches nach Art. 106/9 oder erst mit dem gerichtlichen Schutze
dieses Anspruches. Endlich müsste hier das Amt vorgehen, ohne sich,
wie sonst (Art. 68), den Ersatz der entstehenden Kosten durch einen
Vorschuss des Gläubigers sichern zu können (mass im Falle des Art. 145,
wo regelmässig ein Barerlös aus dem vorangegangenen Verwertungsverfahren
sich in Handen des Amtes befindet, weniger ins Gewicht fällt}. Dabei
könnte der ohne Wissen des Gläubigers erfolgende Pfändungsvollzug bei
bereits stattgefundener Bezahlung des Gläubigers lediglich dazu führen,
den Beteiligten unnütze Auslagen zu verursachen.

Ö. Mit dem Gesagten gelangt man dazu, den Rekurs im Sinne des
erstinstanzlichen Beschwerdeentscheides gutzuheissen, d. h. die: jenigen
Gläubiger der zwei ersten Gruppen, die innert der gesetzlichen Frist
kein Begehren um Anschluss an die Pfändung vom 19.X23. Juni gestellt
haben, von der Teilnahme an dieser Pfandung auszuschliessen, wogegen
die Gläubiger der dritten Gruppeund Konkurskammer. N° 140. ' 827

auch ohne ein solches Begehren an dieser Pfändung teilnehmen. Die Frage,
ob die genannte Pfändung (weit innert der Teilnahmefrist siir die dritte
Gruppe erfolgt) sich für den Rekurrenten als Ergänzungspfändung nach
Art. 110
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 110 - 1 Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
1    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
2    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist stellen, bilden in der gleichen Weise weitere Gruppen mit gesonderter Pfändung.
3    Bereits gepfändete Vermögensstücke können neuerdings gepfändet werden, jedoch nur so weit, als deren Erlös nicht den Gläubigern, für welche die vorgehende Pfändung stattgefunden hat, auszurichten sein wird.
SchKG charakterisiere oder als eine selbständige Nachpfändung,
kann, da sie nach der Sachlage nicht von aktueller Bedeutung ist und da
insbesondere das Anschlussrecht der Gläubiger der beiden frühern Gruppen
von diesem Gesichtspunkte aus nicht im Streite liegt, ausser Erörterung
bleiben. ·

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt: Der Rekurs wird im Sinne der Erwägung 5 hievor ginge-

heissen.

140. Entscheid vom 17. Dezember 1904 in Sachen Jsler.

Verwertung von Forderungen im Konkurse. Art. 258 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 258 - 1 Der Verwertungsgegenstand wird nach dreimaligem Aufruf dem Meistbietenden zugeschlagen.
1    Der Verwertungsgegenstand wird nach dreimaligem Aufruf dem Meistbietenden zugeschlagen.
2    Für die Verwertung eines Grundstücks gilt Artikel 142 Absätze 1 und 3. Die Gläubiger können zudem beschliessen, dass für die erste Versteigerung ein Mindestangebot festgesetzt wird.456
, 259
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 259 - Für die Steigerungsbedingungen gelten die Artikel 128, 129, 132a, 134-137 und 143 sinngemäss. An die Stelle des Betreibungsamtes tritt die Konkursverwaltung.
, 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 1 - 1 Das Gebiet jedes Kantons bildet für die Durchführung der Schuldbetreibungen und der Konkurse einen oder mehrere Kreise.
1    Das Gebiet jedes Kantons bildet für die Durchführung der Schuldbetreibungen und der Konkurse einen oder mehrere Kreise.
2    Die Kantone bestimmen die Zahl und die Grösse dieser Kreise.
3    Ein Konkurskreis kann mehrere Betreibungskreise umfassen.
28,
1-29, 256, 543 SchKG.

L Im Konkurse des Albert Ochsner schritt das Konkursamt St.Gallen
am 19. Oktober 1904 zur Versteigerung von zwei Kaufschuldbriefen im
Nominalwerte von 10,000 Fr. bezw. 3000 Fr. Auf den ersten dieser Titel
machte der Reknrrent Dr. Jsler, nach seiner Angabe für einen dritten
(von ihm nicht genannten) Austraggeber, ein Angebot von 500 Fr. und dann,
als ein Höhergeboi von 2000 Fr. erfolgt war, ein solches von 2100 Fr.
Für den andern Titel bot er 50 Fr. Das Amt brachte aber diese Angebote
nicht zum Ausrufe, weil der Gläubigerausschuss für den ersten Titel einen
Ausrufspreis von 9000 Fr. und für den zweiten einen solchen von 2000
Fr. vorgesehen habe. Dr. Jsler verlangte, es solle ihm zu den von ihm
gemachten Angeboten der Zuschlag erteilt werden, wobei er sich bereit
erklärte, die angebotenen Beträge zu deponieren. Das Amt wies ihn mit
diesen Begehren ab. In dem über die Steigerungsverhandlungen aufge-