A. STAATSREÜHTLIGHE ENTSCHEIDUNGEN ARRÈTS DE DROIT PUBLICErster
Abschnitt. Première section.

Bundesverfassung. _ Constitution fédérale.I. Rechtsverweigerung und
Gleichheit vor dem Gesetze. Déni de justice et égalité devant la, loi.

105. Urteil Vom 6. Oktober 1904 in Sachen "Motor gegen Regierungsrat
des Kantons Bern.

Bernische Steuerstreitigkeit: Besteuerung von Wasserkräften
des Elektrizitätswerkes einer auswärts domizilierten
Aktiengesellschaft. -Isnlcmfzzth einer bereinigten Greendsteuersckatzung
maügels rechtzeitäger Einspmche. 'If'erwirkung des Helmrses wegen
Bechtsverweigerung durch Verwirkung des Instanzenzuges bei den
kanzone/den Instanzen. -Dappelbesteuerung.A. Die Rekurrentin, eine in
Baden, Kanten Aargau, domizilierte Aktiengesellschaft, besass bis Ende
1903 das Elektrizitätswerk an der Kander, Gemeinde Spiez, Kanten Bern,
dessen Grundsteuertaxation sich vom Jahre 1899 bis 1902 auf rund 290,000
Franken belaufen hatte. Bei der Berichtigung der Grundsteuerregister
pro 1903 wurde die Rekurrentin in der Gemeinde Spiez

xxx, i. 1904 AO

608 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

für eine Vermehrung ihres Grundsteuerkapiials im Betrag von 3,780,000
Fr bestehend in 4200 nutzbar gemachten HP zu 900 Fr. eingeschätzt. Diese
Massnahme stützte sich auf eine regierungsrätliche Instruktion über das
Schätzungsverfahren vorn 20. Oktober 1875, deren § 19 in Abs. 4 besagt,
dass bei Gebäuden und Etablissementem die den Vorteil der Benutzung von
Wasserkräften haben, eine erhöhte Schätzung in Form eines Zuschlags von
2000 Fr. per HP und per Jahr siattfindet, sowie auf einen Beschluss
des Regierungsrates vom 29. Juni 1898, der für Elektrizitätswerke
die Schätzung per HP und Jahr auf 900 Fr. reduziert. Das bereinigte
Grundsteuerregister der Gemeinde Spiez war zu jedermanns Einsicht vom
1. bis und mit dem 22. Juli 1903 öffentlich ausgelegt, und es war diese
Auflage in der Gemeinde auch vorschriftsgemäss bekannt gemacht worden,
alles gemäss § 5 der ihrerseits durch Publikation im Amtsblatt und in
den Amtsanzeigern und durch Anschlag an den gewohnten Orten bekannt
gegebenen Verordnung des Regierungsrates vom 11. Februar 1903 über die
Vereinigung der Grundsteuerzc. Register für das Jahr 1903, welcher §
ò lautet: Vom 1. bis und mit dem 22. Juli 1903 sollen die Grundund
Kapitalsteuerregister zu jedermanns Einsicht öffentlich aufgelegt,
diese Auslage in jeder Gemeinde auf übliche Weise bekannt gemacht und dem
Amtsschaffner hievon zu Handen der Steuerverwaltung schriftlich Kenntnis
gegeben werden." Diese Vorschrift beruhte auf Art. 15 des grossrätlichen
Dekrets betreffend Revision der Grundsteuerschatzungen vom 22; August
1893, der bestimmt, dass die abgeänderten Grundsteuerregifter während 21
Tagen zur Einsicht auszulegen sind, welche Auflage öffentlich bekannt
zu machen ist. Innerhalb der Auflagefrist können die Beteiligten gegen
die erfolgte Berichtigung der Grundsteuerregister an die Finanzdirektion
rekurrieren (Art. 16 des Dekrets und § 6 der Verordnung pro 1903). Die
Rekurrentin hat innert der am 22. Juli 1903 zu Ende gegangenen Frist
einen solchen Rekurs gegen die bereinigte Grundsteuerschatzung pro 1903
nicht ergriffen.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 1903 teilte der Amtsschaffnet von
Niedersimmenthal der Rekurrentin (in ihrem Bureau mI. Rechtsverweigerung
und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 105. 609

Thun) mit, er sei von der Steuerverwaltung davon in Kenntnis gesetzt
worden, dass die Rekurrentin laut Steuerregifter Spiez eine Vermehrung
des Grundsteuerkapitals von 3,780,000 Fr. (4200 HP à 900 Fr.) verzeigez
diese Wasserkräfte hätten schon 1899 eingeschätzt und versteuert werden
sollen; der Amtsschaffner sei beauftragt, nachträglich pro 1899 1902
die dergestalt berichtigte Grundsieuer zu beziehen. Die Rekurrentin
erhob hierauf (am 30. Oktober 1903) Einsprache bei der Finanzdirektion,
indem sie erklärte, dass sie von einer solchen Einschätzung bisher keine
Mitteilung erhalten habe und geltend machte, dass eine Einschätzung der
Wasserkräfte als Grundsteuerobjekte ungesetzlich sei, und eventuell,
dass das Kanderwerk bei weitem nicht 4200 nutzbare HP habe, wofür
sie sich aus die Kontrollen des Werkes und auf ein von der bernischen
Kantonalbank im Jahre 1902 eingeholtes Gntachten berief. Durch Entscheid
vom 9. März 1904 wies der Regierungsrat die Einsprache ab mit folgender
wesentlicher Begründung: Durch eine beinahe dreissigjährige Praxis sei
festgestellt, dass die Wasserkräfte als Zubehörden zum Grundeigentum
steuerpflichtig seien; diese Praxis sei auch vom Bundesgericht als
verfassungsmässig bezeichnet worden (Urteil vom 18. Juni 1903 in Sachen
der Elektrizitätswerke Hagneok).-Ie Die Einfprache der Rekurrentin müsse
aber schon wegen Verspätung verworfen werden, weil sie nicht innerhalb
der publizierten Auflagefrist erfolgt sei, welche Frist nach konstanter
Praxis peremptorischen Charakter habe. Die Rekurrentin könne nicht
geltend machen, dass sie keine Mitteilung von der erfolgten Vereinigung
des Grundsteuerregisters pro 1903 erhalten habe; denn eine solche
Mitteilung sei nirgends vorgesehen; sie sei eben durch die Auslage
der Register und deren öffentliche Bekanntmachung ersetzt. Mangels
einer rechtzeitigen Einsprache der Rekurrentin sei daher die bereinigte
Grundsteuerschatzung des Kanderwerkes pro 1903 in Rechtskraft erwachsen.
Mit der Zustellung dieses Entscheides an die Rekurrentin (18. März 1904)
verband der Amtsschaffner von Niedersnnmenthal eine erneute Aufforderung,
die Nachsteuer für die Jahre 1899 bis 1902 und die Steuer für das Jahr
1903 zu bezahlen.

* In der Amtlichen Sammlung nicht. abgedruckt.

610 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. !. Abschnitt. Bundesverfassung.

B., Gegen den Entscheid des Regierung-states hat der Motor rechtzeitig
und in richtiger Form den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht
ergriffen mit den Begehren: Es sei die Besteuerung der Wasserkraft des
Kanderrverkes für die Jahre 1899 bis 1903 als Grundsteuerobjekt durch
die Gemeinde Spiez und den Kanten Bern mit einem Kapital von 3,780,000
Fr. in jeder Form als verfassungswidrig und unzulässig zu erklären,
und es seien demgemäss die Entscheidung des Regierungsrates von Bern vom
9. März, die Verfügung betessend nachträgliche Einforderung der Steuern
pro 1899 bis 1902, eventuell auch die

Verfügung des Amtsschaffners von Nieder-Simmenthal, d. d.-

18. März 1904, aufzuheben. Eventuell: Es sei die Einschätzungssumme
von 3,78i),000 Fr. als eine willkürliche und verfassungswidrige zu
erklären und dieselbe nach Mitgabe der Anbringen sub IV zu reduzieren,
eventuell sei der Regierungsrat von Bern einzuladen, nach gepflogener
Untersuchung eine sachgemässe Einschätzung vorzunehmen In der Begründung
wird unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtes in Sachen
des "Motor gegen Aargau vom 20. November 1908, speziell Erwägung 1
(abgedruckt Antti. Samml. d. bundesger. Entsch., Bd. XXIX, 1. Teil,
am. 108) nachzuweisen versucht, dass die Besteuerung der Wasser-kraft des
Kanderwerkes als Grundsieuerobjekt mit Rücksicht auf das ausserkantonale
Domizil der Rekurrentin sowohl grundsätzlich als hinsichtlich der Höhe der
Steuerschätzung gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstosse. Ferner
wird geltend gemacht, dass sich diese Besteuerung auch vom Standpunkt
des bernischen Steuerrechts aus als Rechtsverweigerung darstelle, weil
nach diesem die Besteuerung einer Wasser-kraft als Grundsteuerobjett
nicht zulässig sei, was näher ausgeführt wird. Auch sei die Annahme,
dass das Kanderwerk 4200 nutzbare HP habe, rein aus der Luft gegriffen
und willkürlich Endlich werden die Auffassung des Regierungsrates, dass
die fragliche Grundsteuerschatzung mangels einer rechtzeitigen Einsprache
der Rekurrentin in Rechtskraft erwachsen sei, und die Dekretsvorschrift,
auf welche der Regierungsrat in dieser Hinsicht abstellt, als Art. 4
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche.
BV
verlegend, gerügt. Die Eintragung der Wasserkraft im Grundsteuerregister,
so wird ausgeführt, sei schon deshalb bedeutungslos, als eine Wasser-kraft
gar kein Grundsteuerobjekt sei und daher auch[. Rechtsverweigerung und
Gleichheit vor dem Gesetze. N° 105. 611

nicht in das Grundsieuerregister gehöre. Abgesehen hievon folge
aus der Garantie der Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 4 VV),
dass derartige Steuerveranlagungen den Pflichtigen mitzuteilen seien,
damit sie Gelegenheit hätten, sich dagegen zur Wehre zu setzen. Eine
kantonalrechtliche Bestimmung, wonach die Steuerregister durch blosse
Auslage rechtskräftig würden, sei damit nicht Vereinbar; und zwar müsse
dies um so mehr gelten, wenn der Steuerpflichtige ausserhalb des Kantons
wohne. Was die Nachsteuern für die Jahre 1899 bis 1902 anbetrifft, so
beruht die Beschwerde auf der Voraussetzung, dass hierüber die Verfügung
einer kompetenten kantonalen Behörde ergangen sei.

C. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat beantragt, es sei der Rekurs
aus dem formellen Stunde, weil der bestrittene Steueranspruch nach
bernischem Steuerrecht rechtskräftig festgestellt sei, eventuell als
materiell unbegründet abzuweisen Es wird bemerkt, dass darüber, ob die
Rekurrentin für die Jahre 1899 bis 1902 eine Steuernachzahlung zu machen
habe, ein Entscheid der kompetenten kantonalen Behörde noch nicht erfolgt
sei; die Zahlungsaufforderung der Amtsschaffnerei Niedersimmenthal sei
kein solcher Entscheid. Zur Zeit könne sich der Regierungsrat über den
Bestand oder Nichtbestand dieser Forderung nicht aussprechen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Nachdem der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung erklärt hat, dass
eine verbindliche kantonale Verfügung, wonach die Rekurrentin für die
Jahre 1899 bis 1902 nachträglich die Wasserkräfie des Kanderwerkes zu
versteuern hätte, nicht besteht, können als Gegenstand des Rekurses nur
noch der regierungsrätliche Entscheid Vom 9. März 1904 und die bereinigte
Grundsieuerschatzung pro 1903 in Betracht kommen.

2. Die bereinigte Grundsteuerschatzung des Elektrizitätswerkes
an der Kander pro 1903 ist mangels einer rechtzeitigen Einsprache
der Rekurrentin nach bernischem Steuerrecht, ohne Rücksicht auf ihre
materielle Richtigkeit, formell in Rechtskraft erwachsen. Die Bestimmungen
des grossrätlichen Dekrets vom Jahr 1893, auf denen auch die Verordnung
des Regierungsrates für die Vereinigung der Grundsieuerregister pro 1903
fusst, sind in dieser Hinsicht durchaus klar. Die Rekurrentin hat auch
weder gegen die Rechtsbeständigkeit des Dekrets nach bernischem Ver-

612 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

fassungsrecht, noch gegen die Auslegung der Art. 15 und 16, wonach
die sogenannte Auflagefrist mit peremptorischer Wirkung verbunden ist,
etwas vorgebracht. Es kann aber auch keine Rede davon sein, dass diese
Vorschriften, insofern darnach die Auflage der Grundsteuerregister bloss
öffentlich bekannt gemacht und den Beteiligten nicht noch besonders
mitgeteilt wird, allgemein oder wenigstens in ihrer Anwendung aus die
Rekurrentin den von Bundeswegen bestehenden Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzen würde. Eine solche Fristansetzung an alle, die es angeht,
auf dem

Wege des allgemeinen Erlasses statt der individuellen Verfügung .

ist vielfach und auf den verschiedensten Gebieten der Verwaltung üblich,
und ein bundesrechtlicher Satz, der dieser Praxis entgegenstünde, kann
aus Art. 4 VV nicht hergeleitet werden, vorausgesetzt natürlich, dass
was hier nicht streitig ist die Publikation des Erlasses ordnungsmässig
erfolgt. Auch vom Standpunkt des auswärts wohnenden Grundeigentümers aus
kann oorliegend bundesrechtlich ein mehret-es nicht verlangt werden;
denn wer in einem Kanton Grundbesitz hat, dem kann auch zugemutet
werden, dass er die seine Liegenschaft betreffenden ordnungsgemäss
bekannt gemachten Erlasse ferme, und für die Rekurrentin konnte
dies um so weniger mit Schwierigkeiten verbunden sein, als sie, wenn
auch keine Zweigniederlassung im Kanton Bern, doch ihre Organe beim
Kanderwerk und auch ein Bureau in Thun hatte. Die Rekurrentin kann
sodann die Anwendung jener Dekretsbestimmungen auf sie auch nicht
mit dem Einwand ausschliessen, dass die eingeschätzte Wasserkraft gar
kein Grundsteuerobjekt sei, also nicht ins Grundsteuerregister gehöre
und somit auch der Rechtskraft des Registers nicht teilhaftig sein
könne. Es steht fest, dass nach langjähriger bernischer Steuerpraxi
3 Wasserkräfte als Grundsteuerobjekte oder als Zubehörden, Annexe von
solchen, behandelt werden. Für die formelle Gültigkeit der Einschätznng
und deren Fähigkeit, mangels Einsprache unabänderlich zu werden, muss dies
aber zweifellos genügen, so dass nicht erörtert zu werden braucht, ob die
der fraglichen Praxis zu Grunde liegende Auffassung über die rechtliche
und steuerrechtliche Natur der Wasserkräfte nach kantonal-bernischem
Recht haltbar ist.

3. Hat somit der Regierungsrat, indem er die Einsprache der

I. Rechtsvel'weigerung und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 105. 613

Rekurrentin als verspätet zurückwies, sich einer Willkür jedenfalls nicht
schuldig gemacht, so ist damit auch bereits gesagt, dass die bereinigte
Grundsteuerschatzung selber auf dem Wege des staatsrechtlichen Rekurses
aus Art. 4
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche.
BV nicht mehr angefochten werden farm, weder grundsätzlich,
noch dem Betrage nach; denn die Voraussetzung einer Beschwerde wegen
Rechtsverweigerung ist die Erschöpfung der kantonalen"Jnstanzen, und es
muss daher, wenn die auf kantonalem Boden offen stehenden Rechtsutittel
verwirkt sind, auch der ftaatsrechtliche Rekurs wegen Rechtsverweigerung
verschlossen sein.

4. Der Umstand, dass die fragliche Grundsteuerschatzung in Rechtskraft
erwachsen ist, muss aber vorliegend auch einer Anfechtung wegen
bundesrechtlich unzulässiger Doppelbesteuerung im Wege stehen. Wenn die
Praxis des Bundesgerichtes eine Beschwerde wegen Doppelbesteuerung bei
grundsätzlicher Anerkennung der Steuer in einem Kanton für das betreffende
Steuerjahr ausschliesst und eine solche Anerkennung z. B. in der Vornahme
einer Selbsttaration erblickt (Amtl. Samml. d. bundesg. Entsch Bd. XXVIII,
1. Teil, S. 121, Erw. 3), so muss dem der Fall gleichgestellt werden,
da ein kantonaler Steuer-ansprach für ein bestimmtes Jahr infolge
unterlassener rechtzeitiger Einsprache unanfechtbar und rechtskräftig
geworden ist, wobei höchstens die Einschränkung zu machen ist, dass
der Pslichtige allgemein durch sein Domizil, oder doch mit derjenigen
Beziehung Grundbetrieb, Niederlassung, Geschäftsbetrieb, ee. , an
welche der Steueranspruch anknüpst, der Hoheit des betreffenden Kantons
Unter-stehen muss. Wer es unter diesen Umständen versäumt, die ihm zu
Gebote stehenden Rechtsmittel gegen eine Stenerforderung zu ergreifen,
muss sich gefallen lassen, dass dieses sein Verhalten als Anerkennung für
das betreffende Steuerjahr gedeutet und eine nachträgliche Beschwerde
wegen Doppelbesteuerung schon ans diesem Grunde abgewiesen wird, zumal
es auch nicht die Aufgabe des staatsrechtlichen Rekurses sein kann, gegen
solche auf eigener Versäumnis beruhende Nachteile Schutz zu bieten, selbst
wenn in ihnen nach Lage der Dinge eine nnzulässige Doppelbesteuerung
liegen sollte· (S. auch Antil. Samml. d. bundesg. Entsch Bd. II,
S. 186 Erw. 2.) Die Rekurrentin hätte allerdings gegen die bereinigte
Grundsteuerschatzung pro 1903, als angeblich gegen

614 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

das Verbot der Doppelbesteuerung verstossend, direkt ans Bundesgericht
gelangen können, da bei Rekursen mit diesem Beschwerdegrund die oorgängige
Erschöpfung des kantonalen Jnstanzenzuges nicht erforderlich ist. Dies
wäre aber, weil es sich im Verhältnis zur Rekurrentin nicht um einen
Streit über die Hoheitsrechte zweier Kantone (Art. 175 Ziff· 2 QG),
sondern um die Anfechtung einer konkreten kantonalen Verfügung wegen
Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts (ibi(iem Ziff. 3) handelt,
doch nur innert der sechzigtägigen Rekursfrist des Art. 178 Ziff. 3
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche.

OG zulässig gewesen (die durch den vorliegenden Rekurs nicht gewahrt
ist), und nur unter der Voraussetzung eines solchen rechtzeitigen
staatsrechtlichen Rekurses gegen die bereinigte Grundsteuerschatzung
könnte der Rekurrentin auch vor Bundesgericht die Versäumung der
kantonalen Rechtsmittel und die Rechtskraft der fraglichen Steuerschatzung
nicht entgegengehalten werden. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Der Rekurs wird abgewiesen.

1067Urteil vom 19. Oktober 1904 in Sachen Streuli-Hüni gegen Regierungsrat
des Kantons Zürich

Zürcher Steuerstreiiigkeit: Besteuerung um Tantiemen des Verwaltungsrates
einer Aktiengesellschaft Konflikt zwiscfwn der Sckeitsueegs-
kommission einerseits, der Finanzdirektion und dem Regierungsmte
anderseits, darüber, ob es sich um eine Tamaticmsfrage oder um eine
Frage der Steurpflicht hamièe. Staatsrechtléche Sten-emy der zu Toh.
Schatz-unsreitems-mission Art. 56 zurcfz. KV, Art. 58
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 58 Armée - 1 La Suisse a une armée. Celle-ci est organisée essentiellement selon le principe de l'armée de milice.
1    La Suisse a une armée. Celle-ci est organisée essentiellement selon le principe de l'armée de milice.
2    L'armée contribue à prévenir la guerre et à maintenir la paix; elle assure la défense du pays et de sa population. Elle apporte son soutien aux autorités civiles lorsqu'elles doivent faire face à une grave menace pesant sur la sécurité intérieure ou à d'autres situations d'exception. La loi peut prévoir d'autres tâches.
3    La mise sur pied de l'armée relève de la compétence de la Confédération.18
BV. Art,
37 zara-h. Entf.-Ges. z. SchKG. Willkür ? gg 10, 29, 30 erste-ein
Einkommensteuergesetz.A. Der Rekurrent hatte sich gegen die durch die
Steuerkommission Horgen vorgenommene Taxation seines Einkommens pro 1903
auf 40,000 Fr. auf die Schätzungskommission berufen. Durch Entscheid
vom 9. März 1904 setzte diese das Einkommen des Rekurrenten auf 16,000
Fr. fest unter der Voraussetzung,I. Rechtsverweigemng und Gleichheit
vor dem Gesetze. N° 106. 615

dass die Tantiemen, die er als Verwaltungsrat der Schweiz. Kreditanstalt
und der Unsallversicherungsgesellschaft Zürich bezieht, von den
betreffenden Gesellschaften versteuert werden; wären die Tantiemen von den
Bezügern zu versteuern, so würde für den Rekurrenten ein Einkommensansatz
von 40,000.Fr. gelten. Am 15. März 1904 wies die Finanzdirektion die
Sache an die Schätzungskommission zurück zur nochmaligen Behandlung
innerhalb ihrer Kompetenzen: indem die Schätzungskommission die Taration
des Einkommens davon abhängig gemacht habe, ob die Tantiemen durch
die betreffenden Aktiengesellschaften versteuert werden, habe sie ihre
Kompetenzen überschritten Sie habe einfach das Einkommen festzustellen,
welches ein Pflichtiger aus regelmässigen Bezügen, wie hier die Tantiemen,
besitze. In Bezug auf die Besteuerung der letztern werde auf Ziff. 42
der vom Regierungsrate am 7. Mai 1903 genehmigten Anleitung betreffend
das bei der Steuertaxation zu beobachtende Verfahren verwiesen. Ob
der Empfänger von Tantiemen diese versteuern müsse, sei eine Frage
der Steuerpflicht, worüber im Streitfalle die Finanzdirektion zu
entscheiden habe. In ihrer zweiten Beratung vom 9. Mai 1904 entschied
die Schätzungskommission, dass, da die Tantiemen noch gewissermassen den
betreffenden Gesellschaften bei der Taxation ihres Einkommens angerechnet
worden seien, das steuerpflichtige Einkommen des Rekurrenteu nur auf
16,000 Fr. festgesetzt werde.

Mit Verfügung vom 6. Juni 1904 hob die Finanzdtrektion die beiden
Beschlüsse der Schätzungskommission auf und zwar aus folgenden
Gründen: 1. Der Beschluss vom 9. März 1904 verstosse gegen Art. 49
Abs. 2 der Tarationsanleitung vom 7· Mai 1908, wonach im Laufe
des Taxationsversahrens auftretende Fragen der Steuerpflicht der
Finanzdirektion zum Entscheid Vorzulegen sind. 2. Der Beschluss vom 9. Mai
1904 lasse, trotz nachdrücklichem Hinweis seitens der Finanzdirektion,
wiederum Art. 49 Abs. 2 der Tarationsanleitung ausser Acht. Er leide
ausserdem an dem noch schwereren Mangel, dass die Schätzungskommission,
indem sie auf die Frage der Steuerpflicht eingetreten, das Recht zur
Prüfung ihrer eigenen Kompetenz und damit einer steuerrechtlichen
Frage formeller Natur sich zugeschrieben habe. Hier komme, dass die
Schätzungskommission ihre Kompetenz be-