152 Civilrechtspflege.

Schädel-i & Eie. der Klägerin zugesicherten 30 00 im nachherigen

Konknrse dieser Firma überhaupt nicht auf ein Verschulden der

Klägerin zurückgesiihrt werden farm.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appella-

tionsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 2. Februar 1903 in allen
Teilen bestätigt.

IV. Erfindungspatente. Brevets d'invention.

20. Zweit vom 16. Januar 1903 in Sachen Traumi & gie, KL, nie-Beet
u. Bee.-Ki., gegen Walther, Bekl., W.-Kl. u. Ber.-Bekl.

Nichtigkeitsklage gegenüber einem Patent. Darstellbarlceit durch:
Modell, Art. i Pat.-Ges. Neuheit der Erfindung. Art. 2 ee. 10 Z iff. 1
Pat.-Ges. Das Patent für eine Maschine wird dadeeessch. nicht zerstört,
dass das damit hergestellte Fabrikat vor der Patentanmelri-unge
schon bekannt war. Regel]? der Nente-eit: Bescärdnkang auf die
Schweiz ; Art und Weise des Bekanntwerdens, Grad desselöen, Wesen
und Inhalt. Bekanntwerden eine?" Erfindung durch Druckschriften,
liegend beim eidg. Amt für geistiges Eigentum und in der Bibliothek des
eidgenössischen Polyteez'tnilm-me. Erlöschen des Patentes wegen Ablehnung
eines Lizenzbegehrens, Art. 9 Zzîff. 4 Pat.-Ges. -Patentnachahmung,
Art. 24 la'/7.2 Pat.-Ges.

A. Durch Urteil vom 14. Oktober 1902 hat das Handelsgericht des Kantons
Aargau erkannt:

Die Klage wird abgewiesen, die Widerklage dagegen gutgeheissen, mithin
das von den Klägern und Widerbeklagten gelösteErsiiidungspatent Nr. 4169
betreffend Machine servant à la. fabrication des brosses etbalais de
tous genres richtet-lich als nächtig erklärt.

Die vorsorgliche Verfügung des Handelsgerichtspräsidiums vom30. April
1902, soweit sie sich aus die Beschlagnahme der streitigen Maschinen und
aus das Verbot ihrer Verwendung und derIV. Erfindungspatente. N° 20. 153

Veräusserung der damit hergestellten vBürsten bezieht, wird eng gehoben,
dagegen hat die von den Skagbern hinter-legte Kaution O r. de oniert zu
ei eu. · · sunzthegeogrxnsPesesF Urtkil hat die Klägerin rechtzeitig
und le; richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht erklart me dem
Antrag auf Gutheissung des Klagbegehrens. .. 'd ) It C. In der heutigen
Verhandlung vor Bundesgericht wie er Î der Vertreter der Klägerin
das gestellte Berufungsbegehren, ex Vertreter desBeklagten beantragt
Abweifung der Verusung udn Bestätigung des angefochtenen Urteils,
eventuell Rurkweisnnäeaxr Streitsache an die Vorinstanz zur Erhebung
der vor dieser tragten Beweise M '[)t in Erwagungndes erl zie . '
kaTITUKläggeriw Firma Tschumi &'(Siess ist anhaberin EEies eidgenössischen
Patentes Nr. 4169 aus eine Maschine zur Fritz rikation von Bürsten, bei
welch-en die Borsten rm? Halse meta ener; von der Maschine gleichzeitig
hergestellter Klammern, ostatt mir Leim, befestigt sind. Der Erfinder
dieser Maschine, fNanenieu T B. Gane in Paris, hatte sein Erfinderrecht
sur dieoSdhwäig Ein den Präsidenten der Société des aEntrepots Mantlimedd
n Bordeaux, SS, Jean in Asnières, ubertragen und as esse

G

ss Rechtsnachfolger hatte der Teilhaber der Klägerin Ed. Tschumy

jiis am 24. August 1891 provisorisch, am 9.Juni 1892 defini-f tiv das
genannte Patent erworben. DienKlagerim hat hsieraut die patentierte
Maschine in ihrem Geschaste eingesuhxt un sé;-Îderen Fabrikate-, besonders
in der Westschweiz, mit gutem folgCTexekn Ende des Jahres 1901 bezog der
Veklagte Wags??von Charles Poulet in Liege (Belgien). na? einanders drei
Img schinen zur Herstellung derselben Spezialitat ron. Burs en, unte löste
am 16. November 1991 für die damit versertigte sogena Klammerbürste das
eidgenössische Patent Nr. ?2,403·. E aarJm April 1902 reichte die Firma
T1chum1'& (Sie.. eimmit ba; gauischen Handelsgerichte gegen A. Walther
Klage ein Bekhxlite Verwendung von Maschinen nach dein System Einnaund die
Veräusserung der bisher mit solchen fabrizierten Burs en mit metallenen
Klammern sei dem Beklagten, unter Androhung

154 Civilrechtspflege.

einer genügenden Busse für jede Zuwiderhandlung, richterlich zu
untersagen. ss ...

2. Die vom Beklagten bisher bezogenen Maschinen nach dem System Gane,
sowie die noch vorhandenen Klammern und Bürsteu seien zu konfiszieren.

3. Der Beklagte sei zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, den er der
Klägerin durch Verwendung von Maschinen der streitigen Art zugefügt habe
und noch zufügen follie.

Die Klägerin beruft sich zur Begründung dieser Begehren auf

das Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente vom 29. Juni 1888 und
führt wesentlich ans, die Maschinen, welche der Beklagte aus Belgien
bezogen habe, wo das Patent Gatte durch Zeitablauf erloschen sei, stimmen
nach den Angaben seines Lieferanten (Bries an die Klägerin) im Prinzip
der Konstruktion Und in der Arbeitsleistung mit der Maschine, ans die
das eidgenössische Patent der Klägerin laute, überein. Es bestehe nur ein
rein äusserlichen unerheblicher Unterschied der beiden, darin, dass bei
der Maschine des Beklagten, als der ältern Ausführungssorm der Erfindung
Gatte, ein gewisser Bestandteil butée an der Maschine selbst befestigt
sei, während er bei dem in der Schweiz patentierten Modell der Klägerin,
nach einer Verbesserung, die der Erfinder nachträglich angebracht
habe, auf einer besonderen Unterlage ruhe. Bei dieser wesentlichen
Übereinstimmung beider Maschinen dürfe diejenige des Beklagten, so lange
das Patent der Klägerin in Kraft sei, ohne Lizenz derselben in der Schweiz
nicht zu gewerblichen Zwecken verwendet werden. Der Beklagte aber habe die
streitigen Maschinen installiert, ohne eine solche Lizenz nachzusuchen,
und mache der Klägerin, welche an der Verwertung ihres Patentes infolge
bedeutender Auslagen hierfür ein grosses Interesse habe, durch den Absatz
der wider-rechtlich hergestellten Ware rücksichtslose Konkurrenz Somit
verletze er das Patentrecht der Klägerin und sei daher im genannten
Sinne zu ver-urteilen Die Konfiskation speziell rechtsertige sich,
da eine anderweitige, die Rechte der Klägerin nicht beeinträchtigende
Verwendung der Maschinen ausgeschlossen sei. Als Schadenersatz habe der
Beklagte den aus dem Verkauf der streitigen Fabrikate erzielten Gewinn
herauszugeben Zn einem Nachtrage zur Klage beantragt die Klägerin ferner,
es seiIV. Erfindungspatente. N° 20. 155

1) das vom Beklagten gelöste Patent RnB, 103 (von welchem stesür die
Klagschrist verspätet Kenntnis erhalten habe), als nächtig zu erklären
und mit allen seinen Folgen anfzubeben;

2) dem Beklagten zu verbieten, die betreffende Burste mit verankerten
Borsten in der Schweiz zu vertausen. .

Sie macht in dieser Hinsicht geltend, die Einrichtung zur Herstellung
der metallenen Klammern (ancres) und zur Verankerung der Borstenbündel
vermittelst jener bilde das· Charakteristikum der von der Klägerin
patentierten Maschine Die Klammer set denn auch, als eines der
wesentlichen Elemente der Erfindung Gane in der Patentschrift ausdrücklich
aufgesührt. Daher erscheine die Bürste des Beklagten, welche die gleichen
Klammern enthalte, als eine Nachahmung des Patentes der Klägerin und
durfe in der Schweiz nicht verkauft werden. Patent Nr. 22,403 sei nichtig,
sowohl nach Ziffer i und 2, als auch nach Ziffer 4 des am. 10 des atent
ee es.

Eiktem cgessutzch der Klägerin gemäss versügte das Präsidium des
aargauischen Handelsgerichtes, gestützt auf das emgeholte Gutachten
des Erperten, Jngenieur Ehrensperger, die Beschlagnahtne der streitigen
Maschinen und verbot dem Beklagten vorsorglich deren Verwendung, sowie die
Veräusserung der damit bei-gestellten Bitt-sten; anderseits auferlegte es
der Klägerin die Leistung einer Kaution von 3000 Fr. für alle eventuell
hieraus resulnerenden S adens el en. "_

chDer geklägte Walther beantragt Abweisung aller Klagschlusse (inklusive
Nachtrag) und stellt widerklageweise das Begehren( das von der Klägerin
gelöste eidgenössische Patent Nr.. 4169 sei als nichtig eventuell
als hinfällig zu erklären. Er bringt. wesentlich an, sogenannte
Drahtklammeroder Ankerbursten, wie sie mit der Maschine der Klägerin
fabriziert würden, seien in der Schwegz schon seit mindestens 15 Jahren
bekannt; der Beklagte selbst hae solche Ende der 1880er Jahre und 1890,
akso bevor die WENGEN; ihr Patent gelöst hätte, aus einer auslandtschen
Fabri (d . Flemming & Cie. in Schönheide, Sachsen), bezogen und in ten
Handel gebracht. Maschinen zur Herstellung derartiger Burs ern seien in
Frankreich, Belgien und Deutschland schon-vor mehr as

15 Jahren, nach verschiedenen Modellen mit demselben Prinzip, fenitrniert
und an den Weltausstellungen von Paris und Wien

156 Civilrechtspflege.

vorgeführt worden. Der Lieferan des Beklagten, Poulet in Liege verwende
die streitige Maschine seit 1880, während der Erfinder Gane erst
im Jahre 1886 in Belgien ein Patent erwirkt habe. In Deutschland
sei das Patent auf System Gane nichtig erklärt worden. Poulei,
der seine Maschine frei verkaufen dürfe, habe dieselbe auch andern
schweizerischen Bürstenfabrikanten offeriert und geliefert, z. B. der
Firma Vogler-Egloff in Ober-Rohrdorf (Aargau); überhaupt seien solche
Maschinen vom Auslande in die Schweiz eingeführt worden. Ferner sei
der Gegenstand des Patentes der Klägerin in den 1880er Jahren durch
deutsche Patentschriften, besonders durch diejenige des D. R. P. Nr.
45,457, welche am 3. Dezember 1888 erschienen und 1889 von den beiden
schweizerischen Bürstenfabrikanten Vogler-Egloff und Walther-Vogel gelesen
und studiert worden sei, öffentlich bekannt geworden. Danach sei die
streitige Erfindung im Jahre 1891, als die Klägerin ihr Patent erwirkt
habe, nicht mehr neu, somit nicht patentfähig gewesen. Überdies habe die
Klägerin in Wirklichkeit, wie aus dem Vertrage zwischen Gaue und Jean
deutlichss hervorgehe, das Recht auf das Bürstenfabrikationsverfahren
erworben und dieses letztere, nicht die Maschine, patentieren lassen.
Ein solches Patent auf ein Verfahren aber sei nach schweizerischem
Gesetz unzulässig, und daher nichtig. Übrigens wäre das Patent jedenfalls
gemäss Art. 9 Biff. 4 des Patentgesetzes, erloschen, da die Klägerin das
auf billiger Grundlage beruhende Lizenzbegehren des Beklagten (Brief
vom 2. Mai 1902) stillschweigend abgelehnt habe. Eventuell könnte der
Beklagte nicht aus Art. 8 an. 2 und Art. 24 Biff. 1 leg. cit. belangt
werden, da eine Nachahmung der patentierten Maschine nicht vorliege. Dies
treffe eher umgekehrt zu, indem das Modell der Maschine des Beklagten
das ältere sei; doch seien die beiden Maschinen in ihrer Konstruktion
nicht identisch, sondern weisen erhebliche Unterschiede anf. Das
Gutachten des Jngenieurs Ehrensperger, welcher früher im Dienste der
Klägerin gestanden habe, werde schon aus diesem Grunde und ferner-,
weil es ungenügend und summarisch motiviert Sei, bestritten und eine
neue Erpertise verlangt. Übrigens hätte die Firma Tschumi & Cie., gemäss
Art. 20 leg. cit., das Klagrecht verwn'ft, da sie die Fabrikate, deren
Herstellung patentiert sei, nicht mit dem eidgenössischen Kreuz und der
Patentnummer versehen,IV. Erfindungspalente. N° 20. 157

in den Handel gebracht habe. Ganz eventuell wäre die
Schadenersatzforderung unbegründet, indem der Beklagte aus dem bisherigen
Verkan der streitigen Bürsten keinen Gewinn erzielt habe; damit falle
auch das Konstskationsbegehren dahin.

Jn der Replik gibt die Klägerin zu, dass möglicherweise einzelne Sendungen
der sireitigen Bürsten schon vor Bestand ihres Patentes in die Schweiz
gelangt seien, doch werde dieses, weil auf die Maschine, nicht auf
deren Fabrikat lautend, dadurch nicht berührt; aus dem gleichen Grunde
sei auch die Aussetzung des Beklagten, dass die Patentzeichen auf den
Bürsten der Klägerin fehlen, ohne Belang. Von der Maschine Gane bestehen
nicht verschiedene, sondern nur die zwei in der Klage differenzierten
Modelle. Dass Poulet noch an andere Firmen in der Schweiz Maschinen
geliefert habe, dass überhaupt solche vom Ausland eingeführt worden
seien, werde bestritten, wäre übrigens für den vorliegenden Prozess
völlig irrelevant. Der Einwand, dass die Klägerin nur das Fabrikationsv
erfahren erworben und patentiert habe, werde schon durch den Wortlaut des
zum Beweise angeführten Vertrages, der die Maschine ausdrücklich erwähne,
widerlegt. Die Erfindung datiere aus der zweiten Hälfte der

ss 1880er Jahre; was der Beklagte aus früherer Zeit vorbringe,

könne sich nur auf ein älteres, von ihr ganz verschiedenes System Bär
beziehen; übrigens seien diese Anbringen, sowie auch die Behauptungen
betreffend die ausländischen Patente, unerheblich. Massgebend für
die Rechtsgültigkeit des eidgenössischen Patentes sei lediglich,
dass die Erfindung im Zeitpunkte seiner Verleihung in der Schweiz neu
gewesen sei. Dem Beklagten liege der Nachweis des Gegenteils ob; dazu
genüge es aber nicht, darzutun, dass damals bereits eine Beschreibung
der Maschine in einer ausländischen Patentschrift existiert habe und
diese von einzelnen schweizerischen Interessenten gelesen worden sei,
denn nicht schon dadurch, sondern erst durch die allgemeine, ganze
Kreise von Interessenten uknfassende und genügende Kenntnisnahme von
der technischen Natur einer Erfindung werde die Publizität im Sinne des
Gesetzes erreicht. Danach habe auch die Deposition jener Patentschrift
in der Bibliothek des eidgenössischen Polytechnikums (von welcher der
Beklagte in einer nach der Widerklage eingereichten Erklärung spreche)
diese Wirkung an sich nicht Die vom Be-

158 Civllrechtspflege.

klagten angerufene Bestimmung des Art. 9 Ziff. 4 des Patentgesetzes
treffe nicht zu, da eine Lizenz nur zum Zwecke der Fabrikation, nicht
der gewerblichen Verwendung des Patentgegenstandes verlangt werden könne;
übrigens habe der Beklagte sein Begehren verspätet (erst nach Anhebung der
Klage und Durchführung des vorsorglichen Beweisverfahrens), gestellt und
eine durchaus unannehmbare Ofserte gemacht. Die Jdentität der streitigen
Maschinen stehe ausser Zweifel; der Einwand des Beklagten gegen das
vorliegende Gutachten und das Verlangen einer weitern Expertise seien
unbegründet ..... Das Patent des Beklagten sei unhaltbar, da die vor
Kurzem patentierte Bürste nach seinen eigenen Behauptungen seit Jahren
in der Schweiz verbreitet sei. Die Klägerin hält in allen Teilen an der
Klage fest und beantragt Abweisung der Widerklage

In der Duplik gibt der Beklagte die Erklärung ah, er habe sein Patent
Nr. .22,403 löschen lassen, womit das Begehren Nr. 1 des Nachtrags
zur Klage dahinfalle. Zum Nachweis, dass das Patent der Klägerin wegen
mangelnder Neuheit seines Gegenstandes un Sinne des Gesetzes nichtig
sei, macht er weiterhin wesentlich geltend, die in den Jahren 1888 und
1889 herausgegebenen Patentschriften der D. R. P. Nr. 45,457, 46,309 und
46,744 auf den Namen I. V. Gatte, speziell die des Patentes Nr. 45,457
enthalten eine genaue Beschreibung über die Konstruktion und die einzelnen
Bestandteile der Maschine des schweizerischen Patentes Tschumi. Diese
Schriften seien, kurz nach Erscheinen, ossiziell an das eidgenössische
Amt für geistiges Eigentum in Bern, sowie an das Polytechniknm in
Sfir-ich gesandt worden, sie können überdies von Jedermann aus Berlin
bezogen werden; auch sei ihr wesentlicher Inhalt im Jahre 1889 in den
vom deutschen Patentamte bei-ausgegebenen Ausz1"tgen aus den deutschen
Patentschristen, einer von schweizerischen Industriellen vielbenützteu
Publikation, veröffentlicht worden. Die Gerichte hätten schon wiederholt
die neuheiizerstörende Wirkung der Bekanntgabe einer solchen Patentschrift
angenommen (zu vgl. Urteil des Handelsgerichtes in den Blättern für
handelsrechtliche Entscheidungen, Bd. XVII, S. 179). Das deutsche Patent
Gane Nr. 45,457 set'1893 durch Urteil des Reichsgerichtes nichtig
erklärt worden, weil die Erfindung bereits 1877 in einer englischen
PatentschriftIV. Erfindungspatenbe. N° 20. 159

veröffentlicht und deshalb in Deutschland 1886 nicht mehr patentfähig
gewesen sei; auch dieser Umstand spreche für das allgemeine Bekanntsein
der Ganeschen Maschine im Jahre 1891. Die Bürstenfabrikanten Walther und
Thnt in Oberentfelden hätten schon Ende der 1870er, oder anfangs der
1880er Jahre, eine gleiche Maschine, wie die der Klägerin aus England
beziehen wollen; die Lieferung sei allerdings nicht erfolgt. Eventuell
wird gegen das Begehren Nr. 2 des Rachtrages zur Klage noch bemerkt,
dass sich der Rechtsschutz des Patente-Z der Klägerin schon an sich
nicht aus die Klammerbürste ausdehne, dass diese überdies schon 1891
in der Schweiz im Handel bekannt gewesen sei. Gegenüber der Duplik
erklärt die Klägerin, das Begehren Nr. 2 des Nachtrages zur Klage
auf diejenigen Bürsten zu beschränken, welche der Beklagte selbst mit
den streitigen Maschinen hergestellt habe. Sie bestreitet, dass die
Nichtfgerklärung des deutschen Patentes Nr. 45,457 für den vorliegenden
Prozess von Belang sei, indem die deutsche Patentgesetzgebnng mit der
schweizerischen nicht übereinstimme. Endlich erhebt fie, eventuell,
gegenüber dem Nichtigkeitsbegehren die Einrede der Verjährung, weil es
nicht innert 10 Jahren seit der Lösung des Patentes geltend gemacht

, worden sei.

Bei der Hauptverhandlung vor der kantonalen Instanz erklärte die Klägerin,
ihren Schadenersatzanspruch nur grundsätzlich festzuhalten und den
ziffermässigen Betrag desselben eventuell in besonderem Verfahren
konstatieren zu lassen.

2. Der in Fakt. A mitgeteilte Entscheid der Vorinstanz beruht wesentlich
auf der Erwägung, dass die durch Deposition der deutschen Patentschriften
in Sin-ich und Bern geschaffene Möglichkeit der Einsichtnahme und
Prüfung der streitigen Erfindung durch allfällige Interessenten eine
Offenkundigkeit derselben in sich schliesse, welche die Neuheit der
später zur Patentierung angemeldeten Maschine im Sinne von Art. 2
des Patentgesetzes vernichtet habe, indem deren Ausführung durch
Sachverständige damals zweifellos möglich gewesen wäre.

3. Die vorliegende Klage qualifiziert sich einerseits als Anspruch wegen
Verletzung eines Patentes der Klägerin durch nnerlaubte Benutzung der
geschützten Erfindung seitens des Beklagten, anderseits geht sie auf
Nichttgerklärung eines vom Beklagten er-

160 Givilrechlspflege.

wirkten Patentes. Dieses zweite Begehren ist jedoch dahingesallen,
da der Beklagte das angefochtene SBatent seit Anhebung der Klage
hat löschen lassen; es steht somit nur noch der erste Anspruch zur
Entscheidung Mit Bezug auf diesen kannpvotab Eber die Aktivlegitimation
der Klägerin kein Zweifel bestehen. Sie hat unbestrittenermassen das
eidgenössische Patent Nr. 4169 aus eine Maschine zur Herstellung
sogenannter Klammerbursten als Rechtsnachfolgerin des Erfinders
jener Maschine, Jugenienr Gane, rechtmässig erworben und ist demnach
berechtigt, den Schutz des Paientgefetzes anzurufen, sofern ihr Patent
nicht aus einem der gesetzlich vorgesehenen Gründe rechtswirksain
angefochten werden kann. In dieser Hinsicht macht nun der Beklagte
einmal geltendc die Klägerin habe in Wirklichkeit das Recht auf das
fragliche Binnensabrikationsverfahreu, nicht auf die zugehörige Maschine
erworben und patentieren lassen; ein solches Patent auf ein Verfahren
aber gewähre das schweizeriche Gesetz nicht; das dorliegend streitige
Patent sei daher als ungesetzlich zu besehen Dieser Einwand erscheint
jedoch als offenbar unbegründet; denn wie die Vorinstanz zutreffend
ansführt, bezeichnet die massgebende Patentschrift als Patentgegenstand
die (näher beschriebene-und konstrnktiv dargestellte) Maschine Somit ist
zweifellos diese selbst patentiert, wie denn auch die vorliegende Klage
aus den Schutz der patentierten Maschine abzielt. Demgegenüber ist ohne
Belang, dass in dem Akte zur Übertragung des Erfinderrechts von der Ab-
tretung des Verfahrens die Rede ist, besonders da auch dabei ausdrücklich
auf die streitige Maschine verwiesen wird. _ Ferner und hauptsächlich
aber erhebt der Beklagte in feiner Widerklage die Einrede aus Art. 10,
Ziff. i des Patentgesetzes, indem er die Richtigerklärung des Patentes der
Klägerin verlangt, weil der patentierten Erfindung das Erfordernis der
Neuheit fehle. Bei Prüfung der hiesiir vorgeht-achten Argumente tft-von
der in Art. 2 des Gesetzes aufgestellten negativen Begriffs-bestimmung
auszugehen, wonach Erfindungen nicht als neu gelten, wenn sie, zur
Zeit der Anmeldung, in der Schweiz schon derart bekannt geworden sind,
dass ihre Ausführung durch Sachverstandige möglich ist. Nun stellt der
Beklagte zunächst auf die grundsätzlich unbestrittene Tatsache ab, dass
nach System Gane fabrizierte Klammerbürsten, schon bevor die Klägerin
ihr Patent er-IV. Erfindungspatente. N° 20. 151

wirkt hatte, vom Auslande nach der Schweiz eingeführt und; hier in den
Handel gebracht, somit allgemein bekannt geworden seien. Er zieht hieraus
den Schluss, es habe damit auch die Einsuhr und gewerbliche Benützung
der Maschinen selbst Jedermann sreigestanden, die Patentanmeldung der
Klägerin sei also zu spät erfolgt. Allein diese Argumentation trifft
nicht zu. Wie das Handelsgericht mit Recht annimmt, ist der Umstand,
dass das Fabrikat im massgebenden Zeitpunkt allgemein bekannt war,
für die Frage der Neuheit der Maschine durchaus irrelevantz denn er
bedingt keineswegs das vom Gesetz geforderte Bekanntsein der Maschine
(als des Gegenstandes der Erfindung) in ihrer konstruktiven Wesenheit. Jm
Gegenteil muss gerade die Einfuhr des Fabrikates aus dein Auslande als
Jndiz dafür angesehen werden, dass die Art und Weise seiner Herstellung,
d. h. die streitige Maschine in ihrer technischen Funktion, damals in
der Schweiz noch nicht bekannt war. Jedenfalls aber erscheint danach das
Patent der Klägerin, welches sich nur auf die Herstellung des Fabrikates
resp. auf die Verwendung der ftreitigen Maschine zu gewerblichen Zwecken,
nicht aber auf das Fabrikat schlechthin bezieht, aus dem angeführten
Grunde nicht als ansechtbar.

Dagegen ist der weitere Einwand des Beklagten, dass die patentierte
Maschine selbst zur Zeit der Patentanmeldung durch die Klägerin in der
Schweiz im gesetzlichen Sinne bekannt gewesen sei, an sich erheblich
und bedarf der näheren Untersuchung Dabei handelt es sich vorab um
genaue Abgrenzung des Begriffs der Neuheit, welchen der citierte Art. 2
des Gesetzes als Voraussetzung der Patentfähigkeit aufstellt. Diese
Gesetzesauslegung führt zu wesentlich folgenden Schlüssen:

a. Art. 2 verlangt, dass die Erfindung zur Zeit der Patentanmeldung in
der Schweiz nicht derart (wie näher umschrieben) bekannt sein darf; er
beschränkt also abweichend von den analogen Bestimmungen des deutschen
und des französischen Rechts, nach welchen die Bekanntgabe in irgend einem
Territoriuni, auch ausserhalb der Landesgrenzen, schlechthin von Bedeutung
ist den Begriff der Notorietät auf den räumlichen Geltungsbereich des
Gesetzes. Vorgänge zur Publikation einer Erfindung, die sich im Auslande
abspielen, sind daher nach

xx1x, 2. 1903 H

162 Civilrechtspflege.

schweizerischem Recht unerheblich, sofern sich ihre Wirkung nicht
irgendwie ans das schweizerische Staatsgebiet erstreckt. b. Mit Bezug aus
die Art und Weise des Bekanntwerdens, auf dessen äussere Erscheinung,
enthält der citerte Artikel keine nähere Bestimmung Es ist deshalb
anzunehmen, dass zur Bewirkung dieses Effektes alle Mittel-genügen,
die ihrer Natur nach hiezu geeignet sind im Gegensatz zum deutschen
Patentgesetz, das die rechtswirksamen Publikationsvorgäuge erschöpfend
aufführt. Jnsbesondere ist nicht erforderlich, dass eine Erfindung in
der Schweiz durch direkte Herstellung oder Venutzung ihres Gegenstandes
bekannt geworden sei, sondern esfanti dies auch aus mittelbare Weise,
namentlich durch Veröffentlichung von Beschreibungen und Abbildungen
jenes Gegenstandesgeschehen, wie sie zum Beispiel in den Patentschriften
enthalten sind. Diese Auslegung des Gesetzes ergibt sich zur Evidenz
ausseiner Eniftehuugsgeschichte, indem der fragliche Art. 2 nach dem
ursprünglichen Entwurf des Bundesrates der offenkundigen Benutzung
einer Erfindung die Veröffentlichung in anderer Weise ausdrücklich
gleichstellte (zu vgl. auch die von der Voriustanz zutreffend zitierte
bundesrätliche Botschaft zu dem Gesetzesentwnrf), während aus den
Verhandlungen der Räte die in Kraft getretene, nur redaktionell
modifizierte Fassung hervorging. Ohne Belang ist, ob die Publikation
durch den Erfinder selbst oder durch dritte Personen, ob mit oder
gegen den Willen jenes erfolgt. Der Erfinder kann den Patentanspruch
verwirken dadurch, dass er die Anmeldung versäumt, bis die Erfindung
Gemeingut geworden ist; anderseits erzeugt oder erhöht er die Gefahr des
allgemeinen Bekanntwerdens durch die Erwirkung des Patentes in irgend
einem Staate wegen der regelmässig damit verbundenen Publikation der
Erfindung; er zerstört so eventuell durch sein eigenes ausländisches
Patent die Patentfähigkeit der Erfindung in der Schweiz. Immerhin
greift hiebei -im Rahmen der internationalen Konvention zum Schutz des
gewerblichen Eigentums vom 20. Mai 1883, sowie des schweizerisch-deutschen
Übereinkommens vom 13. April 1892 die schützende Bestimmung des Art. 32
leg. cit. Platz, wonach dem Inhaber eines ausländischen Patentes eine
Prioritätsfrist von 7 Monaten zur nachträglichen Patentanmeldung in der
Schweiz gewährt ist.IV. Erfindungspaiente. N° 20. 163

c. Den Grad der rechts-erheblichen Notorietät umschreibt der zitterte
Artikel mit dem Erfordernis, dass die Ausführung der Erfindung durch
Sachverständige möglich sein müsse. Es wird demnach, wie besonders das
zürcherische Handelsgericht wiederholt zutreffend ausgeführt hat, (Blätter
für handelsgerichtliche Entscheidungen, Bd. 17, S. 178 und die dortigen
Citate) vorausgesetzt, dass die Erfindung in ihrer technischen Eigenart,
eine Maschine speziell nach ihrer Konstruktion, derart bekannt geworden
fei, dass sie durch normal ausgebildete Funktionäre des betreffenden
Industriezweiges-, in concreto durch Techniker (hommes du métier) von
durchschnittlicher Berufsbildung reproduziert werden kann.

d. Endlich ist über Wesen und Inhalt der Notorietät aus der Vernunft
des Gesetzes zu folgern, dass sie grundsätzlich durch den Vorgang
der den sub a-c erwähnten Erfordernissen genügenden Bekanntgabe
der Erfindung, d. h. ihrer Preisgabe nicht nur gegenüber einzelnen,
sondern gegenüber einem grössern, an sich unbeschränkten Kreis von
Personen, dem daran interessierten Teil des Publikums (vgl. Entsch. des
Bundesger. i. S. Schelling und Stäubli, Amit. Samml Bd. XX, S. 682)
erreicht wird. Es ist, mit andern Worten, nicht erforderlich und zu
beweisen, dass Interessenten tatsächlich, in entsprechender Weise,
von der Erfindung Kenntnis genommen haben, sondern es genügt schon,
wenn aus den nähern Umständen der Bekanntgabe auf eine zureichende
Möglichkeit jener Kenntnisnahme geschlossen werden farm. Diese Auffassung
ergibt sich namentlich daraus, dass der in Frage stehende Art.2 des
Gesetzes-, wie bereits ausgeführt wurde, nicht nur die wirkliche
Herstellung oder Verwendung einer Erfindung in concreto der Maschine
sondern auch alle diejenigen Faktoren als relevant einbezieht, welche
die jederzeitige Herstellung ermöglichen und dadurch jener selbst im
Effekte gleichstehen. Ob aber die Möglichkeit eine zureichende sei,
kann nicht nach abstrakter Regel entschieden werden, sondern hängt
durchaus ab von den Verhältnissen des konkreten Falles. Es ist dabei
auf das allgemein gültige Gesetz der Kausalität abzustellen, jedoch
nur, soweit die Erfahrung des praktischen Lebens und Vernunftgründe es
gebieten, so dass jedenfalls nicht jede entfernte, ausser dem Bereich
der normalen Wahrscheinlich-

164 Civilrechtspflege.

keit liegende Eventualität in Betracht fällt. Jnsbesondere rechtfertigt
es sich bei dieser Würdigung, welche völlig dem freien Ermessen des
Richter-s anheimsteht (vergl. Entsch. des Bundesgerichts i. S. Honer,
Amit. Samml., Bd. XXV, 2, S. 995), einen strengeren Massstab anzulegen,
wenn, wie vorliegend, die Vorgänge zur angeblichen Bekanntgabe vom
Willen und Zutun des dadurch geschädigten Ersinders resp. seines
Rechtsnachfolger-Z unabhängig find.

4. Werden die bisher gewonnenen Grundsätze auf den vorliegenden Fail
angewendet, so erscheinen vorab die Anbringen des Beklagten, dass die
streitige Maschine schon vor der Patentanmelduug durch die Klägerin in
Frankreich, Deutschland und Belgien vom Lieferanten des Beklagten, Poulet
in Liege, speziell auch vor Bestand des belgischen Patentes -hergestellt
und an Weltausstellungen produziert worden sei; dass, ebenfalls vor
jenem Zeitpunkt, die Firma Walther und Thut in Entfelden eine Maschine
aus England habe beziehen wollen, als durchaus unerheblich. Denn dadurch
wird die gesetzlich allein massgebende Notorietät der Maschine in der
Schweiz keineswegs dargetan, da der Beklagte keinen einzigen damit im
Zusammenhang stehenden Fall inländischer Fabrikation oder tatsächlich
ausgeführter Lieferung nach dem Inland namhaft macht. Die behauptete
Offerte und Lieferung an Vogler-Egloff in Rohrdorf ram, weil jedenfalls
erst nach Erwirkung des streitigen Patentes erfolgt, schon deswegen
ausser Betracht. Die Vorinstanz hat daher mit Recht auf den Beweis
dieser Angaben gar nicht abgestellt. Der Umstand, dass das deutsche
Patent Nr. 45,457 wegen Mangels der Neuheit nichtig erklärt worden ist,
präjudiziert der vorliegenden Streitsache, schon mit Rücksicht auf die
oben erwähnte Verschiedenheit des deutschen und des schweizerischen
Patentgesetzes, in keiner Weise. Von Bedeutung aber ist an sich die
in der Duplik zum Hauptargument erhobene Behauptung des Beklagten,
die streitige Erfindung Gaue sei im Jahre 1889., jedenfalls vor 1891,
durch deutsche Druckschriften in der Schweiz bekannt geworden. In dieser
Hinsicht steht tatsächlich fest, dass die Patentschriften der deutschen
Reichspatente Nr. 45,457, 46,309 und 46,744, welche inhaltlich mit dem
eidgenössischen Patent Nr. 4169IV. Erfindungspatente. N° 20. 165

der Klägerin identisch sind, nach ihrer Herausgabe (Ende 1888
resp. anfangs 1889) vom kaiserlichen Patentamt in Berlin offiziell,
je in einem Exemplar, an das eidgenössrsche Amt für geistiges Eigentum
in Bern und an die Bibliothek des eidgenössischen Polytechnikums in
Zürich geschickt worden find. Frägt es sich daher, ob diese Tatsache
als relevante Bekanntgabe der erst am 24. August 1891 zur Patentterung
angemeldeten Erfindung zu betrachten und somit das angefochtene Patent
der Klägerin als nichtig zu erklären sei, so ist dies, im Widerspruch mit
der Auffassung der Vorinftanz, zu verneinen. Allerdings stehen was als
in den massgebenden Kreisen bekannt gelten darf die bei den genannten
Anstalten vorhandenen Patentschriften allfälligen Interessenten zur
Verfügung und ist insofern an sich die Möglichkeit gegeben, dass eine
bestimmte Erfindung durch Auslegung ihrer ausländischen Patentschrift
bei jenen Anstalten in der Schweiz öffentlich bekannt werde, unter
der Voraussetzung, dass die Tatsache der Übermittelung resp. des
Vorhandenseins der Patentschrift genügend bekannt geworden ist. Allein
für die in Frage stehenden Patentschriften ist vorab das Zutreffen
dieser Voraussetzung weder vom Beklagten ausdrücklich behauptet,
noch durch die Akten irgendwie erstellt. Ferner ergibt sich aus der
vorliegenden Bescheinigung des eidgenössischen Amtes für geistiges
Eigentum, dass jene Schriften in der Zeit vor der Patentanmeldung der
Klägerin tatsächlich vom Publikum nicht eingesehen und benutzt worden
sind; das Gleiche muss auch hinsichtlich der in Zürich befindlichen
Exemplare angenommen werden, da der Beklagte den ihm obliegenden Beweis
des Gegenteils durch die beigebrachte, durchaus unbestimmt gehaltene
Erklärung der Bibliothekverwaltung des Polytechnikums nicht geleistet
hat. Wenn nun auch dieses Moment der faktischen Nichtbenutzung während
des massgebenden Zeitraums gemäss dem früher Gesagten für sich noch nicht
ausschlaggebend ist, so bildet es doch, in Verbindung mit dem weiteren
Umstand, dass auch während circa 10 Jahren seit der Patentanmeldung
bis zum Beginn des heutigen Prozesses, nach den vorliegenden Akten,
offenbar niemand von der in Bern und Zürich gebotenen Gelegenheit,
die Erfindung kennen zu lernen, Gebrauch gemacht hat, dass diese viel-

166 Civilrechtspflege.

mehr überhaupt bis in die neueste Zeit tatsächlich nicht bekannt geworden
ist, ein genügendes Jndiz daftin die Möglichkeit des Bekanntwerdens
durch jene Auslegung nicht als hinreichend anzuerkennen Die gegenteilige
Auffassung würde im Effekte dazu führen, dass schon die Tatsache des
amtlichen Austausches von Patentschriften, nicht erst die nach Lage der
speziellen Verhältnisse dadurch gebotene Möglichkeit des Bekanntwerdens
einer Erfindung, neuheitzerstörend wirkte, eine Konsequenz, welche mit
der oben entwickelten Interpretation der massgebenden Bestimmung des
Pateutgesetzes zweifellos nicht im Einklang stände. Wenn die Vorinstanz
darauf abstellt, dass die Verbreitung deutscher Patentschriften in der
Schweiz gerichtsnotorisch ist, so muss dieser allgemeine Gesichtspunkt
als für die konkrete Entscheidung unerheblich zurückgewiesen werden, da
das Handelsgericht gleichzeitig das Vorhandensein der hier in Betracht
fallenden Patentschristen lediglich in den zwei vorstehenden erwähnten,
amtlich nach der Schweiz gelieferten Eremplaren feststellt. Die Behauptung
des Beklagten aber, dass eine Beschreibung der streitigen Maschine
durch das offiziell herausgegebene deutsche Patentpublikationsorgan den
schweizerischen Interessenten zu Kenntnis gekommen sei, verdient keine
Beachtung, weil ein Beweis für diese Behauptung gar nicht beantragt
ist. Der Umstand endlich, dass zwei schweizerische Bürstenfabrikauten
angeblich die fraglichen deutschen Patentschriften studiert haben, ist
schon deshalb ohne Belang, weil die Kenntnisnahme durch zwei einzelne
Personen zweifellos keine allgemeine Notorietät zu begründen vermag,
abgesehen davon, dass die beiden Fabrikanten nicht als Sachverständige im
Sinne des Gesetzes angesehen werden könnten. Mögen auch die in Betracht
fallenden Patentschriften eine einlässliche Beschreibung und konstruktive
Darstellung der streitigen Maschine enthalten, so kann doch nicht
angenommen werden, dass aus Grund derselben die Herstellung der Maschine
durch Sachverständige im massgebenden Zeitpunkte möglich gewesen wäre;
besonders da sich der Erfinder selbst in einem bei den Akten liegenden
Schreiben wörtlich dahin ausspricht: La construction de ces machines
est fortdifficile, on ne sanrait la faire avec les seuls brevets see-Its
une Eongue étude préalabie et des desse'ns bien de'taille's. Dazu kommt,
dass die Patent-IV. Ersindungspatente. N° 20. 157

schriften tatsächlich nicht herausgegeben worden sind, also bei der
Herstellung der Maschine nicht benutzt werden konnten. Hieraus muss,
mit Rücksicht auf den relativ kurzen Zeitraum von 1889 bis August 1891
(Patentanmeldung der Klägerin), die Unmöglichkeit des allgemeinen
technischen Bekanntwerdens der Erfindung geschlossen werden.

5. Als weiteres Argument gegen die Rechtsgültigkeit des Patentes der
Klägerin bringt der Beklagte vor, dieses sei gemäss Art. 9 Ziff. 4 des
Patentgesetzes erloschen, indem die Klägerin ein auf billiger Grundlage
beruhendes Lizenzbegehren des Beklagten abgelehnt habe. Allein dieser
Einwand muss als gegen Treu und Glauben verstossend zurückgewiesen werben;
denn der Beklagte hat erst, nachdem ihm die vorliegende Klage zugestellt
war, offenbar lediglich mit Rücksicht aus seine prozessuale Situation,
ber Klägerin den Vorschlag eines Lizenzvertrages gemacht; bei dieser
Sachlage aber kann, wiesi die Vorinstanz mit Recht ausführt, der Schutz
der citierten Gesetzesbestimmung nicht angerufen werden. Es ist daher gar
nicht zu untersuchen, ob Lizenzbegehren für die hier streitige Verwendung
eines Patentgegenstandes zu gewerblichen Zwecken überhaupt gesetzlich
zulässig seien. Somit wird natürlich der Frage, ob die Klägerin pflichtig
sei, eine nachgesuchte Lizenz zu erteilen, vorliegend nicht präjudiziert,
sondern es bleiben dem Beklagten in dieser Hinsicht alle Rechte gewahrt.

6. Erscheint die Anfechtung des Patentes Nr. 4169 der Klägerin nach
dem Vorstehenden als unbegründet, so ist die Widerklage abzuweisen; die
Klage dagegen ist grundsätzlich gutzuheissen, sofern die vom Beklagten
verwendete Maschine entgegen den Ausführungen der Rechtsantwort -als
Nachahmung der durch jenes Patent geschützten Maschine erklärt werden
musz. Nun hat sich allerdings die Vorinstanz, gemäss ihrem abweichenden
Standpunkte hinsichtlich der Patentanfechtung, über diese Frage nicht
ausgesprochen, doch ist dieselbe nach den vorliegenden Akten ohne allen
Zweifel zu besahen. Denn der Lieferant des Beklagten, Poulet in Liege,
erklärt in seinem Brief vom 27. Januar 1901 an die Klägerin, die Maschinen
des Beklagten seien comme travail et comme résultat les meines que les
machines faites d'une pièce , d. h. diejenigen, auf welche das Patent
der Klägerin lautet; und auch der vom Präsidium

168 Civilrechtspflege.

des Handelsgerichtes im vorsorglichen Verfahren zugezogene
Experte,'Jngenieur Ehrensperger, dessen Gutachten durchaus klar und
etnwandfrei erscheint, bemerkt ausdrücklich, dass die Maschinen des
Yeklagtem trotz einer äusserlichen Abweichung in der Konstruktion-eine
Nachahmung derjenigen der Klägerin darstellen Tendenz sie den gleichen
Zweck durch die gleichen Mittel er; fullen. Der Einwand des Beklagten,
die Klägerin habe das Klagrecht verwirkt, da sie die durch Art. 20,
Abs. 1 des Patentgesetzes vorgeschriebene Anbringnng von Schweizerkreuz
und Nummern auf ihren Fabrikaten unterlassen habe, ist natürlich durchaus
unzutrefsend, indem ja die Maschine, nicht deren Fabrikat den Gegenstand
des streitigen Patente-Z bildet. ' ss

7. Nachdem Gesagten ist dem Klagebegehren, es sei dem Beklagten die
Benutzung seiner Maschinen und die Veräusserung der damit hergestellten
Bürsten zu untersagen, Folge zu gebendagegen hat die Klägerin den weitern
Antrag auf absolutes Ver; bot des Verkanfs sogenannter Klammerbürsien
mit Recht fallen gelassen. Die behauptetete Schadenersatzpflicht des
Beklagten ist grundsatzltch gutzuheissen; die Frage der Konfiskation aber
muss weil, gemass Art. 28 des Gesetzes, mit der quantitativen Schadens:
seststellung im Zusammenhang stehend, gleich dieser einem eventuellen
besonderen Verfahren vorbehalten bleiben.

. ' Demnach hat das Bundesgericht in teilweiser Gutheissung der Berufung
der Klägerin und daheriger

Abänderung des angefochtenen Urteils des aar aui · en andelsgerichtes
vom 14. Oktober 190.2 g fd) H

erkannt:

i. Die Widerklage wird abgewiesen und dem Beklagten die weitere Verwendung
von Maschinen zur Bürstenfabrikation nach dem System Gaue, sowie die
Veräusserung der von ihm mit solchen Maschinen verfertigten Bürsten
(sogenannte Drahtklatnmerbürsten) unter Androhung der in Art. 25 des
Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente vom 29. Juni 1888
vorgesehenen Straffolgen verboten.

?. Der Beklagte wird für den Schaden, welchen er der Klägenn durch
Verwendung der streitigen Maschinen zugefügt hat grundsätzlich haftbar
erklärt. ,IV. Erfindungspatente. N° 21. 159--

3. Das Klagbegehren um Konfiskation der streitigen Maschinen wird-im
Sinne der vorstehenden Erwägungen in ein besonderes Verfahren verwiesen;
dagegen wird die Verfügung der Vormstanz, wonach die Kautionssumme von
3000 Fr. deponiert bleiben soll, aufgehoben und ist die Kaution der
Klägerin herauszugeben.

21. Arrét äu 28/24 janvier 1903, dans la cause Schneider & Cie, elem.,
rec., contre Schneider, def., rec.

Demande en nullité d'un brevet d'invention. Définition de l'in- vention
brevetable. Notions de la nouveauté de l'invention. Art. 2 ei 10,
ch. 1, Loi sur les brev. d'inv. -Art. 20 1. c. Gontrefaqon, art. 24,
ch. ler eod. dommages intéréts, 311.24, ch. 251. c. ; inapplicabilité
des art. 50 ss. CO. Publication des jugements, art. 28, al. 3 1. e.

Le 11 mai 1889, Jacques Schneider, à Aussersihl (Zurich), successeur
de ().-A. Bauer, auquel a succédé le. Société Ernest Schneider &
Cie, fabrique de timbres à giace et comptoirs-glacières, e obtenu
du Bureau fédéral de le propriété intellectuelle à Berne, un brevet
définitif N° 973 pour des glacières, seit timbres à glace, avec portes
rabattahles. L'exposé de ce brevet se resume en une seule revendicatiou,
savojr l'adaptation à un timbre, seit comptoir à glace, d'une ou de
plusieurs portes munies de charnières inférieures se rabattant sur le
sol et portam; sur leur face intérieure des. rails mis en relation avec
ceux fixes à. l'intérieur du timbre per deux petits rails pivotants, de
maniere à permettre l'entrée et la sortie d'objets placés sur des supports
ou chariots,. sans l'emploi _d'aucun pont mobile ou autre objet semblable.

Le 11 mai 1900, le meme Jaques Schneider a obtenu un second brevet N°
2185, pour un chei-ict, soit chàssis roulant, mobile, haussable, pour
l'introduction des tonnelets de biete dans les timbres à glace. Ge 2°
breve!; se résume eu deux revendications, l'une, principale, exposée
sous le N° 1, a trait à l'ensemble du chàssis, soit ehariot breveté,
lequel est monté sur galeis, haussable, et se compose de deux paires de