42 A. Staatsrechtliehe Entscheidungen. Il. Abschnitt. Bundesgesetzes.

Amis. Samml. der bundesger. Entscheide, Bd. XIX, S. 65 Erp. 2.
Die Ansicht der Rekurrenten, dass in solchen Fällen eine liberIeitung
der Beschwerde von der nicht kompetenten Amtsstellean die kompetente
Bundesbehörde eigentlich von Amte-s wegen erfolgen solle, muss als
rechtsirrtümlich bezeichnet werden.

2. Wenn somit im vorliegenden Falle bei der Beurteilung der formellen
Requisite des Rekurses von der am ?'. Dezember 1901 an den Bundesrat
gerichteten Beschwerde abzusehen isf, so kann auf den vorliegenden,
am 23.X24. Februar 1902 beim Bundesgericht eingereichten und gegen
Beschlüsse, die schon am 10. Oktober 1901 promulgiert worden sind,
gerichteten Rekurs wegen Verwirkung der GOtägigen Rekursfrist nicht
eingetreten merden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Auf die Beschwerde wird nicht
eingetreten.

Vergl. auch Nr. 6, Urteil vom 19. März 1902 in Sachen Baschnonga & Willi
gegen Beck-Held.Gerichtssiandsvertrag mit Frankreich in Civilsachen. N°
11. 43 Dritter Abschnitt. _ Troisième section. Staatsverträge der Schweiz
mit dem Ausland. _ Traités

de la Suisse avec l'étranger.

___-__-

Staatsverträge über (zivilrechtliche Verhältnisse. Traités concernant
les rapports de droit civil.

Gerichtsstanasvertrag mit Frankreich vom 15. Juni 1869. Traité avec
la. France du. 15 juin 1869.

11. Urteil vom 12. März 1902 in Sachen Züllig-Wüscher gegen Banque
d'Escompte de Paris.

Vollstreckung von Urteilen französischer Civilgeréchte in der Schweiz
gegen einen issn der Schweiz wohnhafzen Schweizer. Art. 15 , ! 6,
Ziff. 2 und 3, '17 Zéff. 1, 2 med 3 Gericietsstandsvertrag. Art. 1, M
feed.; AM. 58 B.-V., Art. 8 Sehe/fh. sf.-V. Prorogierter Gerichtsstand?
_ Gehörige Citation, Art. 17 Ziff. 2 Gerichtsstandsvertmg. -- Gehörige
Urteiiseigmfikaiion amd Noiifikation. Bescheinigung im Sinne des Ari. 16
Ziff. 3 Gez'ichtsstandsverirag. Verjährung des Urteils ? Art. 156 Code
de proc. civ. frang.

A. Das Aktienkapital der Aktiengesellschaft Banque d'Escompte de Fan's
in Paris war durch Beschluss der Generalversammlung vom 30. September
1884 auf 65 Millionen Franken, eingeteilt in 130,000 Aktien von 500 Fr.,
festgesetzt

44 A. Staatsrechtliehe Entscheidungen. III. Abschnitt. Staatsvertràge.

worden. Hievon waren 1020 Aktien vollständig und 128,980 zur Hälfte
einbezahlt.

Am 27. Juni 1891 beschloss die Generalversammlung eine Reduktion des
Aktienkapitals auf 25 Millionen Franken mittelst folgender Operationen:

1. Ankan und Vernichtung von 31,020 eigenen, zur Hälfte einbezahlten
Aktien durch die Gesellschaft;

2. Austausch von 97,98() zur Hälfte einbezahlren, gegen 48,980
volleinbezahlte Aktien. Jeder Besitzer von 2 zur Hälfte einbezahlten
alten Aktien sollte das Recht haben, dieselben gegen eine neue Aktie
auszutauschen

Sowohl die neuen, als die alten Aktien sind auf der Rückseite mit
einem Ausng aus den Statuten versehen. Aus den daselbst abgedruckten
Bestimmungen kommt für den vorliegenden Prozess in Betracht:

Art. 52: En cas de eontestations, tout actionnaire sera temi de faire
eleetion de domicile dans le departetnentx de la seine, et toutes
notifications et assignations seront valablement faites an demicile
par lui élu, sans avoir égard à sa deinean réelle.

A défaut d'élection de domicile, les notifications judi eiaires et
extrajudiciaires seront faites valablement un par quel: du tribuna]
de première instance de la seine.

Le domicile élu, formellement ou implicitement, comme il vient d'ètre
dit, entrainera ettribution de juridiction aux tribunaux competents de
la seine.

Jm Laufe des Jahres 1892 liess der Rekurrent durch Vermittlung der Bank
in Schaffhausen 50 in seinem Besitze befindliche alte Aktien gegen 25
neue aus-tauschen

Am 16. Februar 1894 brach über die Banque d'Escompte de Paris der Konkurs
aus und am 24. Juni 1895 wurden der auf die Reduktion des Aktienkapitals
Und den Aktienumtausch bezügliche Beschluss der Generalversammlung vom
27. Juni 1891, sowie sämtliche hieran gestützte Umtauschoperationen
durch Urteil des Handelsgerichtes desSeine-Departementes kassierL

Durch Urteil desselben Gerichte-s vom 26. April 1898 ist sodann der
Rekurrent auf Klage des Massaverwalters Bonneau zurGerichtssiandsrertrag
mit Frankreich in Givilsachen. N° 11. 45

Zahlung von 18,500 Fr. behufs gänzlich-er Liberiermtg seiner Aktien samt
Zinsen an die Masse der Banque d'Escompte de Paris ver-urteilt worden.

B. Am 2. Mai 1901 wurde gegen den Reknrrenten auf Grund dieses Urteils
für einen Betrag von 18,500 Fr. nebst Zins à 6 0/O seit 26. April 1898
Betreibung eingeleitet. Derselbe erhob Rechts-vorschlag, woran die Banque
d'Escompte unter Berufung auf den Staatsvertrag zwischen der Schweiz
und Frankreich vom 15. Juni 1869 und Art. 81 des Betreibungsgesetzes
Rechtsöffnnng verlangte

Die Rekursbeklagte produzierte eine beglaubigte Ansfertigung des bereits
erwähnten Urteils vom 26. April 1898, eine Bescheinigung des Rekurrenten,
laut welcher er die Vorladung zur Verhandlung am SO. März 1898 erhalten
hat, verschiedene Aktenstücke betreffend Zuftellnng des Urteilsund
eine Bescheinigung des Gerichtsschreibers des Handelsgerichtes des
Seinedepartements, folgenden Inhaltes: Nous soussigné, Greffier asser
mente an Tribunal de commerce du Departement de la Seine, certifions,
après Vérification faite sur les regisires tenus au Greffe, en conformité
de l'article 168 du Code de procédure civile, qu'il n'existe, sur les
dits registres, au cune mention faite aux termes de l'article précité,
etablie sent qu'il }{ ail, Opposition à l'exécution on appel du juge
ment rendu par le Tribunal de Commerce de la Seine le 26 avril 1898
entre . . . . (folgen die Namen der Parteien).

Der Rekurrent erhob eine Reihe von Einwendungen gegen das
Jiechtsössnungsbegehren, welche indessen vom Bezirksgerichtspräsidenten
von Schaffhausen samt und sonders als unbegrändet zurückgetriesen worden
sind. Durch Urteil der genannten Gerichtsstelle vom 30. Oktober 1901
wurde die nachgefnchte definitive Rechtsbffnnng für die zur Betreibung
aufgegebene Forderung bewilligt.

C. Diesen Entscheid ficht der Reknrrent durch Rekurseingabe vom
30.,.f"31. Dezember 1901 an, und zwar gestützt auf Art.175 Abs.?) des
Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege. Er stellt
den Antrag:

Es sei das angefochtene Erkenntnis des Bezirksgerichtspräsi-

46 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. lll. Abschnitt. Staatsverträge.

denten aufzuheben, die Vollstreckung des Urteils des Handelsgerichtes
des Seinedepartementes vom 26. April 1898 nicht zu bewilligen und das
Betretbungsamt Schafshausen aufzufordern, die eingeleitete Betreibung
aufzuheben.

Der Rekurrent hält sämtliche Einsprachsgründe, die er gegenüber dem
Rechtsöffnungsbegehren erhoben hat, aufrecht. Dieselben seien vom
Bezirksgerichtspräsidenten unrichtig beurteilt worden; teils seien
Tatsachen unrichtig angenommen, teils richtige Tatsachen rechtlich
unrichtig beurteilt worden. Rekurrent verlangt Eintreten in die Prüfung
aller früher und jetzt vorgebrachten Tatsachen.

D. Der Vertreter der Konkursmasse der Banque d'Escompte de Paris
beantragt die Abweisung des Rekurses

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Das Bundesgericht ist gemäss Art. 175 O.-G. zur Beurteilung
von Beschwerden Privater betreffend Verketzung von Staatsverträgen
kompetent, soweit die kantonalbehördlichen Entscheidungen endgültige
sind und nicht durch andere Rechtsmittel des Qrganisationsgesetzes
angefochten werden können (Org.-Ges. Art. 182, 2). Da der angefochtene
Rechtsösfnungsentscheid nicht auf dem Wege der Berufung weitergezogen
werden kann, so ist die Kompetenz des Bundesgerichtes gegeben, soweit
eine Verletzung der Bestimmungen des sranzösisch-schweizerischen
Staatsvertrages über den Gerichts-stand und die Vollziehung von
Civilurteilen behauptet wird. Dagegen kann es sich nicht etwa darum
handeln, den angefochtenen Entscheid nach jeder Richtung und im
Allgemeinen nach seiner Richtigkeit zn überprüfen. Es ist daher nur
auf diejenigen Ausführungen des Rekurrenten einzutreten, welche die
behauptete Verletzung des Staatsvertrages betreffen

2. Unter denjenigen Bestimmungen des Staatsvertrages, in denen die
allgemeinen Bedingungen der Urteilsvollsireckung aufgestellt sind -Art.
15, Art. 16 Ziff. 1, 2, 3, Art. 17 Biff. 1, 2, 3 befindet sich nur
eine, nämlich die von Art. 16 Ziff. 1, deren Verletzung der Rekurrent
nicht behauptet hätte. Hieraus ergeben sich nicht weniger als sechs
Rekursgritnde, von denen einer, nämlich der auf Art. 17 Biff. 2
bezügliche, seinerseits auf zwei verschiedene Erwägungen gestützt wird-

Es empfiehlt sich, bei der Untersuchung über die
BegründetheitGerichtsstandsvertrag mit Frankreich in Civilsachen. N°
11. 47

des rekurrentischen Standpunktes mit der Prüfun d ' ' Einwendun en u be
innen ' ' g erlangen WSW wg. z g , die sich aus am. 17 des Staatsver-

3. Der Rekurrent macht geltend, das F andels ' ' ' departements sei nach
Art. 1 des Staatssiertraggnrjite bis??? Art. 58 B..:V und Art. 8 K.-V. zur
Aussällung eines Urteils ihm gegenuber nicht kompetent gewesen, und es
sei daher die Vollziehung des Urteils gestützt auf am. 17 Biff. 1 des
Staatsvertrages zu verweigern gewesen. Auch habe das genannte Gericht
seine eigene Kompetenz nicht von Amtes wegen geprüft was nach flirt. 11
des Staatsoertrages hätte geschehen sollen sdndern es sei von·der
unrichtigen Ansicht ausgegangen, der-Beklagte forme auch in Bezug auf
diesen Punkt kontumaziert werden

lDem Rekurrenten ist allerdings zuzugeben, dass die Klage auf Einzahlung
der zweiten Hälfte des Aktienbetrages eine rein personliche warund daher
gemäss Art. 1 des Staatsvertrages wie auch nach Art. 59 B.-V. an und für
sich am Wohnsitz-; des Beklagten hätte angestrengt werden müssen. Allein
diese Bestimmungen sind bekanntlich nicht in der Weise zwingender Natur
das die Parteien nicht auf einen andern Gerichtsstand prorogiereti
konnten. Es kann sich daher nur fragen, ob die Parteien in casu aus das
Handelsgericht des Seinedepartementes prorogiert haben Diese Frage muss
bejaht werden, und es genügt in dieser Be-: getszngcz augde urteik des
Bundesgekichtes non? 10. Juli 1901

a eUHie een Bo ** " dieses Urteils zu gväweisennneau , insbesondere
aus Erwagung 2

Hatten nun aber die Parteien au das ande '

Seine prorogiert, so war dieses Gerichtf zur Akssälltkiggerdgt Idle::
teils, um dessen Vollziehung es sich handelt, kompetent.

Durch die Feststellung dieses Resultates ist die Frage gegenstandslos
geworden, mit welchem Grade von Gründlichkeit das genannte Gericht seine
eigene Kompetenz geprüft habe. Denn es Ist ohne weiteres flat, dass
ein tatsächlich fo mpetentes Gericht sich nicht gegen eine Bestimmung
vergehen kann, deren einziger Zweck es zst, dem Erlass eines materiellen
Urteils seitens eines inkompetenten Richter-s vorzubeugen.

* A. s. XXVII, e, s. 349 fr.

48 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. III. Abschnitt. Staatsverträge.

4. Der Rekurrent hat sodann geltend gemacht, das in Art. 17 Ziff. 2 des
Staatsvertrages aufgestellte Requisit der gehörigen Citation sei in casu
nicht Vorhanden.

Zwar anerkennt der Rekurrent, dass ihm am 31. März 1898 eine Vorladung
zu der auf den 26. April angesetzten Verhandlung zugestellt worden sei,
allein er bemängelt die Art der Citation, und zwar in doppelter Hinsicht:

Erstens hätte ihm nach seiner Auffassung die Vortadung gemäss Art. 73
Ziff. 1 des Code de procédure civile mindestens einen Monat vor der
Verhandlung zugestellt werden müssen, und nicht nur 26 Tage. Der Rekurrent
gibt aber selber zu, dass er diese Einrede vor Bezirksgerichtspräsidium
nicht vorgebracht habe. Er kann sich also auch nicht darüber beklagen,
dass das Bezirksgerichtspräsidium die Urteilsvoltziehung aus diesem
Grunde nicht verweigert habe. Eine dies-bezügliche Untersuchung ex
officio lag der Vollziehungsbehörde um so weniger ob, als es sich hier
um die Interpretation ausländischen Rechtes handelt, wie es denn auch
keineswegs feststeht, dass diese Einrede, wenn sie vorgebracht worden
wäre, hätte geschützt werden müssen. Im Gegenteil hätte vielleicht geltend
gemacht werden können, dass der Rekurrent statutengemäss beim Parquet des
Tribunal de Ire instance in Paris Rechtsdomizil hatte und diese Amtsstelle
aktengemäss bereits am 19. März im Besitze der Vorladung gewesen ist.

Jn zweiter Linie bemängelt der Rekurrent die Art der Citation deshalb,
weil dabei die Vermittlung des Bundesrates oder doch diejenige der
Kantonsregierung umgangen worden sei. Demgegenüber genügt es aber,
daraus hinzuweisen, dass Art. 20 des Staatsvertrages eine solche
Vermittlung keineswegs vorsieht. Im übrigen ist den Vorschriften dieses
Artikels dadurch Genüge geleistet worden, dass die Vorladungsurkunde
durch Vermittlung des französischen Generalkonsuls in Zürich und der
Schaffhauser Polizeidirektion dein Rekurrenten zugekommen ist.

ö. Der weitere Einwand des Rekurrenten, die Vollziehung des Urteils
sei mit Rücksicht aus Art. i? Ziff. 3 des Staatsvertrages zu verweigern
gewesen, kann nicht gutgeheissen werden Weder die Prorogation auf einen
andern als den verfassungsmässigen Gerichtsstand, noch die Verurteilung
eines AktionärsGerichtsstandsvertrag mit Frankreich in Civilsachen. N°
11. 49

zur Einbezahlung des Aktienbetrages verletzen in irgend welcher Weise
Normen des öffentlichen Rechtes der Eidgenofsenschast oder die Interessen
der öffentlichen Ordnung der Schweiz.

& Was die in Art. 16 des Staatsvertrages aufgestellten Bedingungen für
die Urteilsvollziehung betrifft, so ist zunächst sder auf Ziffer 2 dieses
Artikels gestützte Einwand zu prüfen.

Aus den Akten ergibt sich, dass die Urteilssignifikation im August
1898 vom Parquet de Paris an den Minister für öffentliche Arbeiten, von
diesem an den französischen Generalkonful in Zurich und von diesem an die
Polizeidirektion Schaffhausen gesandt worden ist. Letztere Amtsstelle
Versuchte zweimal die Zustellung an den Rekurrentenz derselbe hat aber
die Annahme refüsiert. Hieran wandte sich die Polizeidirektion an die
Munizi.palbehörde (Präsidiuin des Stadtrates), welche ihrerseits den
Rekurrenten anfforderte, vor ihr zu erscheinen, und die Eröffnung und
Zuftellung des Urteils entgegenzunehmen. Der Rekurrent liess durch seinen
Anwalt erklären, dass er die Eröffnung oder Zuftellung des Urteils, sowie
jedes andern Aktenstückes eines französischen Gerichtes verweigere. Weder
sei der französische Richter kompetent, noch sei die Citation und die
Urteilszustellung auf richtigem Wege erfolgt.

Die Urteilsnotifikation ging mit dem Vermerk der Annahmeverweigerung
und unter Begleitung der Korrespondenzen zurück. Das Original der
Urteilsnotifikation, welche dem Rekurrenten zugeftellt werden wollte,
von diesem aber reftisiert worden ist, liegt vebenfalls bei den Wien. Da
eine gewaltsame Einhändigung nicht verlangt werden kann, so muss
dieses Dokument in Verbindung mit der vom Rekurrenten nicht bestrittenen
wiederholten Annahmeverweigernng als zur Erfüllung des in Art. 16 Ziff. 2
ausgeftellten Reauisites genügend erachtet werden, vorausgesetzt, dass
die Annahmeverweigerung nicht aus stichhaltigen Gründen erfolgt fei. Der
Rekurrent hat letzteres behauptet, und zwar deshalb, sweil bei dem
Versuch, das Urteil zuzuftellen, der Bundesrat und die Kantonsregierung
umgangen worden seien. Zur Widerlegung dieses Standpunktes genügt es
indes, auf die sub 3 hievor i. f. namhaft gemachten Gründe zu verweisen.

T. Der andere auf Art. 16 des Staatsvertrages gesiützte Ein-

xxvm, !. 1902 4

50 A. Staatsrcchtliche Entscheidungen. III, Abschnitt. Staatsverträge.

wand bezieht sich auf die in Biff. 3 dieses Artikels geforderte
Bescheinigung des Gerichtsschreibers. Der Rekurrent behauptet, die bei
den Akten liegende Bescheinigung, welche zwar für eine Exekution in
Frankreich genügend sei, entspreche nicht dem Erfordernis des Art. 16
Ziff. 3 des Staatsvertrages Es sei nur bescheinigt, dass im Moment
der Bescheinigung keine Appellation oder Opposition vorgemerkt s ei,
dagegen nicht, dass kein Rechtsmittel mehr ergriffen werden könne.

Dieser Einwand beruht auf einer unrichtigen Auslegung von Art. 16
Ziff. 3. Es ist nicht Sache des Gerichtsschreibers, und es hat ihm
auch bei Abschluss des Staatsvertrages nicht zugemutet werden woilen,
eine Bescheinigung über die Rechtsfrage abzugeben, ob gegenüber einem
bestimmten Urteil noch ein Rechtsmittei ergriffen werden könne, sondern
wenn Art. 18 Ziff. 3 eine Bescheinigung über das Nichtvorliegen eines
Rechtsmittels verlangt, so hat sich die bescheinigende Amtsstelle auf die
Untersuchung zu beschränken, ob ein Rechtsmittel angemeldet sei. Dass
dies in casa nicht der Fall sei, ist durch die bei den Akten liegende
Bescheinigung erhärtet.

Der Rekurrent behauptet übrigens selber nicht, dass er irgendein
Rechtsmittel gegen das Urteil ergriffen habe, trotzdem er nachseinen
eigenen Angaben hiezu drei Jahre lang, nämlich bis zur S}Èfèindung,
Zeit gehabt hätte. ss

8. Schliesslich ist noch der letzte Einwand des Rekurrenten zu
prüfen, dass ein rechtskräftiges Urteil, wie solches nach Art. 15 des
Staatsvertrages erfordert ist, gar nicht mehr vorliege, weil das von der
Gegeiipartei produzierte Urteil gemäss Art. 156 des Code de procédure
civile verjährt sei.

Der genannte Artikel des Code de procédure civile bestimmt in der Tat,
dass alle Kontumazurteile 6 Monate nach ihrer Ausfällung dahinfallen,
falls sie nicht innert dieser Frist vollzogen werden, was von der
französischen Jurisprudenz (vgl. Pandectes franqaises périodiques 1893,
I, S. 527) im Anschluss an Art. 159 leg. cit. dahin interpretiert wird,
dass innert der sechsmonatlichen Frist irgend eine Exekutionshandlung
vorgenommen und dem Vernrteiiien notisiziert werden muss.

In easn ist nicht bestritten, dass die Klagpartei dein
RekurrentenGerichlsstandsverlrag mit Frankreich in Civilsachen. N° 11. ,51

gegenüber am 20. August 1898 einen Zahlungsbefehl (commandement) und am
24. August 1898 einen Verlustschein (procèsverbal de carence) ausgewirkt
hat, welch letzterem zufolge am 24. August von dem zuständigen Beamten
konstatiert worden ist, dass der Rekurrent in Frankreich weder Mobilien
noch Immobilien besitze, auf welche gegriffen werden könne, dass also
die Exekuiion keinen Erfolg gehabt habe. Der Rekurrent behauptet nun
aber, innert der Frist des Art. 156 cit. keinerlei Beweibungsurkunde
erhalten zu haben. Weder der Zahlungsbefehl noch der procès-verbal
de carence seien ihmTZkzngestellt worden, ja es sei nicht einmal der
Versuch gemacht worden, die Zustellung dieser Aktenstücke zu bewirken,
sondern es habe einfach das französische Generalkonsulat in =gr'irich
jene Dokumente mit dem Vermerk der Annahmeverweigerung zurückgehen lassen.

Diese Darstellung ist durchaus neu. Vor Bezirksgerichtspräsidium hatte
der Beklagte die Verjähruugseinrede dar auf gestützt, dass die beiden
Erekutionshandtungen nicht in Schasfhausen, sondern in Paris vollzogen
worden seien, nicht aber darauf, dass er von denselben innert der
sechsmonatlichen Frist keine Kenntnis erhalten habe. Selbst wenn es nun
richtig wäre, dass der Rekurrent innert der sechsmonatlichen Frist des
Art. 156 Code de procédure civile von dem commandement und dem acte
de carenee keine Kenntnis erhalten habe, so könnte doch nicht gesagt
werden, dass das Bezirksgerichtspräsidium durch Nichtberücksichtignng
dieser im Rechtsöffnungsverfahren gar nicht geltend gemachten Tatsache
den Staatsvertrag verletzt habe.

Ubrigens liegen bei den Akten zwei auf den Zahlungsbefehl und den aote
de carence bezügliche Notisikationsurkunden, auf denen das französische
Generalkonsulat in Zürich unterm 31. August 1898 die Annahmeverweigerung
bescheinigt hat. Sollte es richtig sein, was der Rekurrent behauptet,
dass dieser Bescheimgung keine speziell auf diese beiden Aktenstücke
bezügliche Annahmeverweigerung, sondern lediglich das Schreiben des
Anwaltes des Rekurrenten vom 23. August 1898 zu Grunde liege, so hätte
sich der Rekurrent bezw. sein Anwalt dieses Resultat selber zuzuschreiben
Es war zum mindesten sehr naheliegend, die effektive Zustellung der
beiden Notiftkationen an den Reknrrenten am

52 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. Ill. Abschnitt. Staatsverträge.

31. August als unausführbar zu betrachten, nachdem der Anwalt des
Reknrrenten acht Tage zuvor schriftlich erklärt hatte, dass er
die Eröffnung oder die Zustellung jedes andern Aktenstückes eines
französischen Gerichies verweigere. Angesichts dieser, in einer vom
Anwalt des Rekurrenten als ächt anerkannten, bei den Akten liegenden
Erklärung ist es unbegreiflich, wie in der Rekursschrift gesagt werden
kann, die Originalerkliirung vom 23. August 1898, welche nicht zu den
Akten gegeben worden ist, gehöre nur zu dem die Urteilsnotifikation
bezweckenden Akt Nr. 2798.

9. Nachdem sich auf Grund der vorstehenden Erwägung die
Unbegründetheit sämtlicher von der Rekurspartei gegenüber dem Urteil
des Bezirksgerichtspräsidiums vom 18. Juli 1901 erhobener auf den
Staats-vertrag gestützten Einwendungen ergeben hat, ist es, wie bereits in
Erwägung 1 ausgeführt, überflüssig, in eine neue Beurteilung der übrigen
vor Bezirksgerichtspräsidium geltend gemachten Einreden einzutreten, wie
der Rekurrent verlangt, sondern das Bundesgericht als Staatsgerichtshof
hat sich auf die Feststellung zu beschränken, dass das vorliegende
Rechtsösfnungsurteil keine Verletzung des französisch-schweizerischen
Gerichtsstandsvertrages enthält.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.B. Entscheidungen der Schuldhetreibungsund
Konkurskammer.

Arrèts de la Chambre des poursuites et des faillites.

12. Entscheid vom 14. Januar 1902 in Sachen Theurillai, Beuret & Cie.

Unpfändbare Gegenstände: Tascksienuhr eines Knechtss. Art. 92 Zeiss 1
Sch. ee. Is.-Ges.

_Die Rekurrenten hatten dem Johann Meister, Knecht in Vinmngen eine
Taschenuhr für 36 Fr. verkauft unter Vorbehalt des Eigentums bis nach
erfolgter Zahlung des ratenweise zu entrichtenden Kaufpreises Da Meister
laut Angabe der Rekurrenten mit der Abtragung seiner Schuld im Rückstande
war, hoben diese für die ver-bleibende Preisrestanz Betreibung gegen ihn
an und verlangten Pfändung der fraglichen Uhr. Das Betreibungsamt wies
sie mit ihrem Begehren ab; ebenso auf erfolgte Beschwerde die kantonale
Aufsichtsbehörde, woran sie rechtzeitig an das Bundesgericht rekurrierten.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung-

Es ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass eine Taschenuhr
heutzutage für einen Arbeiter, und zwar auch für einen