328 Civilrechtspflege.

b. Auf das Begehren der Gotthardbahn, es sei ihr edentueîî ein Betrag
zur genügenden Ausgleichung dafür zu vergüten, dassdie Erträgnisse dieser
Linien der Gesellschaft nnr wahrend iL

Jahren und 11 Monaten zufliessen, wird nicht eingetreten.

c. Die für den Rückkaus massgebende Betriebsrechnnng desGotthardbahnnetzes
ist rechnerisch so zu gestalten, wie sie sich- voraussichtlich
thatsächlich gestaltet hätte, wenn die Linien LuzernJmmensee und
Zug-Goldau während der Zeit vom 1. Mai 1894 bis 30. April 1904 im Betrieb
gewesen wären.

d. Alle weiter gehenden Ansprüche sind als unbegründet abge-

wiesen.

VIII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen einerseits und. Privaten
oder Korporationen anderseits. Difl'érends de droit civil entre des
cantons d'une part et des particuliers: ou des corporations d'autre part.

37. Urteil vom 8. Mai 1901 in Sachen Wunderlin und Konsorten gegen Aargau.

F ischereirecht. Kiste-ge angebieîcher Rheingeîmssen oder Bechis--

uachfolger der alten Rheingenossensahaft auf Anerkennung

ihres Fiscîzeree'rechts. _ Streitwert, Ani. 48 Ziff. 2, 60 Abs. 2, 54'

Abs. 2 Org.-Ges. Wesen, rechtliche N eran de:-Blzeingenossenschnft und
des ihr zugestandenen Fischereh'echts: verlieize-nes Recht. -Widerruf des
Priviéegs? Subjekt. der Fischsiereiberechtigung. - Hinfssll des Privilegs
mit der Aufhebung der Bleeiflgenassemchaft ; Heim-fall ern den Staat.

A. I. Folgende geschichtliche Thatsachen sind hervorzuheben: Zum
gewerbsmässigen Betriebe der Schiffahrt, Flösserei und Fischerei am
obern Rhein von Säckingen abwärts bis nach Basel

soll nach der Behauptung der Klage (die sich hiesür aus
Better,...VIII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten,
etc. N° 37. 329

Die Schiffahrt,FIötzerei und Fischerei auf dem Oberrhein, Karlsruhe
1864, stützt) seit uralten Zeiten ein genossenschaftlicher Ver- band
mit besonderen Statuten, besonderen Kassen, eigener Gerichtsbarkeit,
besondern Banntagen (sogenannten Maiengerichten) be- sxanden
haben. Thatsache ist, dass Erzherzog Ferdinand von Osterreich als
Landesherr der derber-österreichischen Lande am 3. Februar 1587 den
gemeinen Fischern, Wand: und Mayen: genossen in den Städten Rheinfelden,
Säckingen, Schwörstadt, Karina, Wallbach, Ryburg, Angst, Krenzach und
Warmbach folgenden sogenannten Maienbrief ausgestellt hat:

Wir, Ferdinand von Gottes Gnaden, Ertzherzog zu Oesterreich, Herzog
zu Burgund zc. zc., bekennen nachdem uns gemeine Fischer, Wand und
Mayengenossen in Unseren Stadien Rheinfetten, Seckhingen, auch zu
Schwerstadt, Carsau, Wallbach, Ryburg, Angst, Krenzach und Warmbach
gesessen, und und das Mar)engericht Unserer Herrschaft Rheinfelden
gehörig, unterthänigst zu erkennen geben, wie dass sie und ihre Vorfahren
von dem allerdnrchleüchtigst, grossmächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn
Maximiliano des Ersten, erwählten Röm. Kaysern als Ertzherzogen des
hochlöbl. ©. hauss Oesterreichs ze, Unseren geliebten Herrn und Anherren
seeligsten Gedächtnnss des Vischens auch Rheinfurthsahrens und anderer
gebräuchlicher Uebungen halb, mir sondern Fret)heiten und Ordnungen,
welcher Massen es unter ihnen gehalten werden solle, allergnädigsi begabt,
welche Befreyung und Ordnung hernach auch ihnen wieder erneüwret und
beschriben, und als aber derselb erneüwret Meyenbrief und Beschreibung im
verschienen Fünfzehn Hundert Neün und fünfzigsten Jahr neben anderen in
der gewesten erschröcklichen Brunst zn Angst verbrunnen, wäre derselbig
nachgehends im April Fünfzehen Hundert Ein und Sechzigsten durch die
Ellisien gemeiner Weydgenossen wider angeben, in schriften verfasst,
und in eine neue Verschrybung gebracht, darvon sie Unss dann hernach
spezifizirte Copei sambt noch etlichen von neüwen verzeichneten Punkten,
so gleichwohl ihrer anzeig nach im alten verBrunnen, aber in denselben
ihnen verfassten neüwen Meyenbries nicht begriffen gewesst, Unterthänigst
übergeben, und also daraus

durch sie den obbemeiten Meyen und Weydgenossen an Uns

330 Civilrechtspflege.

unterthänigst sublicieret und gebetten worden, Wir als Ergherzog zu
Oesterreich auch Herr und Landesfürst der v. è. Lan- ben, wolten ihnen
solchen ihren angezogenen Meyenbrief und Vischerordnung gleichfalls
gndsi. confirmiren und bestättigen, und umberührte übergebene
fernere puncten und articlen, so gar dienstlich, fürständig und
Niemands nachtheilig, ertendirren und ersireckhen, auch folgendes
dabei handzuhaben, zu schützen und zu schirmen gdst. zu verordnen:
Wann Wir um solch ihr unterthänigstes Bitten nicht für unziemlich,
sondern fürständig nutzlich und gut angesehen; So haben Wir darauf aus;
Landsfürstl. Vollkommenheit Gewalt und Macht, auch ihnen den vilbemelten
Meyen und Waydgenossen zu sondern Gnaden (doch Uns, Unsern Erben und
Nachkommen, an Unserer Herrschaft Rheinfelden oberherrlichen Recht und
Gerechtigkeiten unvergrifenlich und ohnabbriichlich) denselben alten
Meyenbrief gdst. erneiiweret, bestättiget, und dann umb besserer Ordnung
und Richtigkeit willen, die noch weiters unterthgst. übergebene und
gebittene puncten, wie die hiernach begriffen stehen, darzu bewilliget,
thuen auch dasselbige hiemit in Kraft disz Briefs und wollen dass nun
hin-führo mehrbesagte Fischer, Mayen und Weydgenossen zu dem bemelten
Meyen zählt, der Herrschaft Rheinfelden gehörig, wie auch ihreNachkommen
sich nicht allein des Fischens und Rheinführtfahrens, sondern auch all
anderer ihrer wohlhergebrachten löbl. Gebreüchen, Freyheiten, Ordnungen,
Satzungen und Gewohnheiten, ohne männiglichs Eintrag, gebrauchen,
nutzen und niessen, auch darbei durch die Unsrige gehandhabt, geschützt,
geschirmt, und die Verbrecher nach gebühr abgestraft werden sollen,
und mng inmassen solches hernach inscriert, und noch mehr angehenkhte
puncten weitlänftiger ausweisen, getreulich und ohngefährllch.

Erstlich so haben gemeine Waidgenossen von Rheinfelden nit sich oder
abwärts zu fischen, und zu fahren Macht, bis gegen Hüningen ans Kapellin.

Andertens haben sie Waidgenossen von Rheinfelden, und so unter
der Bruk Rheinfelden sitzen, Macht, Salmengarn, Spiritgarn, und
allen Fischerzeug auf dem Rhein zu gebrauchen, nach ihrem Nutzen
und WohlgefallenV.... Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und
Privaten. ete. N° 33. 331

Drittens haben die Augster Macht nit sich zu zündet-I nach altem Gebrauch
und Herkommen.

Item sie haben Macht ob sich zu zünden bis gegen Rheinfelden an die Bruk,
und fach die Zündung beym Raichenwaag an, und gehet zum engen Gässlin, und
dargegenüber an das Hauennest herauf bis an Bitzisfach und dargegenüber.

Item, welcher unter Bruk eisen will, der soll ein Eispfannen, und ehe
nicht dann bis es ein Ruder und ein themen tragen mag, und welcher ein
Eispfannen will, der soll haben ein Waidling, ein Jinder, ein Ryemen,
ein Schauflen, ein Sail, ein Plaschsisch, ein Art, ein Stückgarn,
welcher deren Stücke eines nicht hat, so gibt man ihm nichts um sein
Spannen, er sei unter oder ob Angst und Rheinfelden; die obern Züg,
als Salmengarn, und Stanggarn, kann zween mit einander schalten um ein
Zug, solle sie entweders beede Stein und Sail haben, oder beide Garn,
auch mag einer mit Stein und Sail mit sammt dem Geschirr wohl spannen,
und welcher ein Morgenzug bahnt, der soll um die 8 Uhren kommen, und soll
von den achten bis um die zwölfen einen Nachtzug, und von den zwölfen
bis auf die sechsen ein Nachtng sein und werden.

Nur welcher mit Salmengarn spannt, der soll mit Stranggarn nicht
fahren, es sey dann Sache, dass niemand bei ihm pannt ze. ze. Welcher
der vorgeschriebenen Artikeln einer oder mehr nicht halten, und deren
einer verbrochen wurde, der soll mit hernach geschriebenen Straf gestraft
werden.

Die Gemeinen Gemeinsgenossen, so ob der Bruck Rheinfelden "his gen
Säckingen mit sammt denen von Säckingen und Rheinfelden haben Macht und
Gewalt zu fischen und zu fahren, auch nach ihrem Nutzen und Wohlgefallen

Ersilich haben sie Macht zu zünden von Kindsgraben bis an Schwein Haag,
und dargegen über von der Sandgruben bis auf Fahnspach und dargegen über
bis an Thannen, von der Tannen bis an Bittenen, und dargegen über von
Steinfach bis zum Mühlbach, und dargegen über von Mühlbach bis an Wang,
und dargegen über vom Bruckacker bis an Nägel Flue, bis gegen Wallbach
zur Eiche, und dar-gegen über von Wallbacher Eiche, Bis anden Rothenflue,
und dargegen über von der Rothenfer

332 Civilrechispflege.

Big an niedern Füchweeg, bis an das Fahr gegen Mumpf bis cm Spit; an
Giessen, und dar-gegen über vom Spitz an Giessen bis an die Säckinger
Bruch und dargegen über und zur jeder Zeit zum schöpfen.

Ferner haben die Rheinfelder und Karsauer zwischen Rheinfelden und Karsau
mit einander Macht zu eisen, und sonst niemand, und so sie eisen wollen,
sollen sie einander rufen, und welcher eisen will, der soll ein halb
Stuck Garn han; Item Säckinger, Wallbacher, Mumpfer, und Schwehrstetter
haben Gewalt, mit einander zu eisen, sollen aber das einander verbunden,
und so einer über desselbig Verkünden nicht zum Landschemmel kommt,
dem soll kein Teil davon werden.

Item, welcher Satzgarn, und Klebgarn zusetzen will, der soll um Vesperzeit
setzen, und am Morgen fruh wieder hinwegnehmen. Jtem, welcher Klebgarn
hintern fach setzen will, soll das bet) Vesperzeit darsetzen, und morgen
fruh wieder hinwegnehmen, aber so ihme geliebt, mag er drey Stein auf
den Fachboden legen, und das eines Waidlings lang darhintersetzen.

Jtem, welcher ein Wayd hat, und ein Licht darinnen machi, dem soll
Niemand darein setzen, es wäre dann Sache, dass er nit darein setzen
wollt, welcher auch ein Licht machen will, der so"lls machen, dass einer
mit einem Waidling innerhalb durchfahren möge.

Stern, welcher unter ihnen den gemeinen Waidgesellen an seiner Ehre
gescholten wird, dem soll der Rhein verboten sein, so lang bis er mit
Recht widentschlagen wird, so aber der gescholten, der Rechtens begehret,
so soll er den Rheinvogt anrufen, um einen Rechtstag, derselbe soll ihm
dann den Rechtstag auf seinen Kosten setzen, und ernennen, der Kläger
soll auch allda man das Gericht zahlt, einen Wirth um den Kosten, so auf
das Gericht mit Essen und Trinken, auch anderen gehen nicht, verbitt-gen

Jtem, so es sich zutragen würde, dass einem unter dem Laufer etwas
entfahren, und solches einer unter den Waidgenossen zu Land Bringen,
und länden würde, der soll dasselbe dem, so es entfahren, acht Täge
behalten, und so ers in acht Tägen nit holt, soll der, so das Geschirr
aufgefangen, dasselbige behalten,VIII. Civilstreitigkeiten Zwischen
Kantonen und Privaten, etc. N° 37. 333

.d,armit schalten und walten nach seinem Gefallen, so ers aber in dem
acht Tagen holen würde, soll ers ihm um einen ziehmflichen Lohn wieder
zustellen, und wann sie des Lohns nit konnten eins werden, so sollen beede
zum Rheinvogt gehen, und sich mit einer vor ihme gütlich vertragen, so
aber das alles nit ,hetfen wollte, mögen sie einander mit Recht beklagen;
Jtem, so etwas aus dem Lausfen einein entfahren, soll derselbe, so es
auffängt, vierzehn Täge behalten und gleichergestalt mitgehandelt werben,
wie oben geschrieben steht.

Jtem, welcher einen Ruder, Ryemen, Schöpf, oder von Schiffs.geschirr
etwas ohne dessen, so das Geschirr isf, Wissen und Willen, entwendet,
der soll gestraft werden.

Stern, es soll kein Knöpfgarn in kein Wand gesetzt werden ohne
Wissen und Willen deren so die Wand innhaben, und weicher aber wieder
angeregten Potten misshandeln würde, der,selbe soll fünfzehn Schilling
unnachsichtlich zu bezahlen verfallen fein, von welchem der Obrigkeit
zehn, und gemeinen Waydgenossen fünf Schilling zustehen und gebühren, und
soll auch sonst ine *anderweg mit denen Gebotten zu fünfzehn Schilling
von acht Tag zu acht Tag ferner schreiten, auch sonsten in andern Weg
mit denen Gebotten, Verbotten, Gerichten, in dieser Ordnung, Einziehung
der Rheinfach und Waagzinss, auch den Mayen, wie von altersherr kommen,
gehandelt, proeedieret und gestraft werden; ,Johann hernach seyn diess
die noch weiters bewilligte Punkten:

i'mg dass zur Zeit des Lachslaichs, als nehmlich von Allerheiligen bis
auf St. Andreas-Tag kein Waydgeuoss oder Fischer dem andern in seinen
Waid zinsen solle by Straf fünfzehn .Schilling.

Als dass zu Zeiten des Nassenund Plicken-Strichs ausserhalb gemeiner
Fischer und Waydgenossen und die es von alters zu thun, und üblich
hergebracht hätten, sonst niemand anderer, oder an ländischer an den
Gestaaden Rheins mit Blümeh oder Lops: Beeren, ausgenommen den Angel
fischen solle, bet) Straf fünf,zehn Schilling.

,3nit dass mit solchen Blümel, oder Zopsbeeren am Sonntag .oder
verbannenen Feyertagen niemand fischen solle, bey Straf been Pfund
Stäbler.

334 Civilrechtspflege.

WW demnach von altem gebrenchlich Herkommen, dass wart die Besitzer
und Inhaber der Herrschaft Schwerstatt oder Wert, das Wasser die Werren
genannt, spannen wollen, dass es, wie von alters Herkommen beschehe, die
Zeichen und Pfeill uit weiter schlagen, darvon die gemeine Weydgenossen zu
Seckhingen und zaudern Orthen an ihren Fischzügen und ihre Rechtssambe,
verhindert auch unversetzt, damit die Fisch in die oberen Wässerv ihren
einzug gehalten, verbleiben bei Straf drey pfund Stehlen

BW dass zu Zeit die zu Seckhingen ein (His; hatten, und Eissen "mollica,
dass solches inmassen obftehet, beschehen, und feiner, so nicht auch
garn hätte, zugelassen werden solte, beh Straf fünf zehen Schilling.

BW, Undt dieweil bishero an den Sonnund hohen Festtagen, mit den
Fischerzeügen und die alte Ordnung, etwas gefährlichgehandlet, so solle
hinfürder ein jeder Fischer oder Weydgefell, seinen fürgehende garn
oder Fischerzeüg an dem Samstag oderhochen Festtag abends zur Vesperzeit
aufhenckhen, und es nit ,;wieder ziehen oder brauchen, dann bis wieder
zur Vesperzeit, des Sontags, jedoch ausgenommen der Salmen wägen, und der
Lachsweyd, da solle es wie von Alters her gehalten und ge,zbraucht werden.

Letzlich, dass auch gemeine Fischer und Waydgenossen ihr gewöhnlichs
Meyer! gehalten, wie von Alters verführen sich auchihres Fanens und
Zeichens, wie biss auf die Zeit löbl. Hertommen, doch anderst nit, dan
so Jahrs, und dass aus Vergünstigung und Beysein Unser jedzeit wesenden
Ambtleiithen derHerrschaft Rheinfelden, das Meyen angesetzt und gehalten
wird,. gehrauchen mögen. Mit Urkhundt diss Briefs verfertigt mit Unserem
anhangenden Jnsigel geben in Unserer Statt Ynnsprug den 3. Februar im
Fünfzehenhundert Siben und Achtzigsten Sagt

(gez.) Ferdinand. v. Justinian Moser. Ad. Mand. Sermi Dni Archidis
proprium. (Sez-) Vide-

Wie sich aus dieser Urkunde ergibt, hatte schon Kaiser Marimilian I. als
Landesherr der vorderöfterreichischen Lande einen derartigen Maienbrief
ausgestellt. Unter dem 8. Oktober 1767 er-Vlll. Civilstreitigkeiien
Zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 37. 335

neuerte Maria Theresia, wiederum in ihrer Eigenschaft als Landesherrin
zu Vorder-Osterreich, die frühem Privilegien ec. durch folgenden neuen
Maienbrief:

Wir Maria Theresia von Gottes Gnaden Römische Kaiserin

Bekennen öffentlich mit diesem Brief und thun kund jeder-manniglich, dass
uns unsere getrene Liebe Unterthanen die sogenannten Rheingenossene,
das ist die Schiffleuth und Fischern im Oberen Rhein-Biertel zu
Rheinfelden, in der Herrschaft und in deren Städten Rheinfelden und
Sekingen, sodann die zu Kaiser-Angst, Warmbach, Nieder-Mumpf, Wallbach,
Ryburg, Wehr, Schwerstädten, Karfau und Riedmatt ze. allerunterthänigst
gebetten, womit Wir ihre von vielen Seculis her und von unseren
Vorfahren ertheilte jederzeit, auch von Unseres in Gott ruhenden"Herrn
Vaters Majestät Confirmirte Privilegia und sogenannten Maien-Brief
gleichfalls Confirmiren, und ein förmliches, deutlich verfasstes
Schiff-leuths-Zunfts-Privilegium allergnädigst er-: theilen möchten. -

Wann Wir nun ermelter Rheingenossenen Schiffleuth unds Fischern
allerunterthänigste Bitte gnädigst angesehen, zumalen betrachtet haben,
mit was besonderer Treu, und Eifer Von mehr als Hundert Jahren, diese
Schiffleuth, und Fischern ihre allerunterthänigste Pflicht sowohl zu
Kriegsauch Friedenszeiten,. als bei allen sich ergebenen Vorfallenheiten
fortan mit Aussetzung ihres Lebens beobachtet, und was von getreuen
Unterthanen begehrt werden mag, willig praeftieret haben; Wir dahero
denenselben die durch ihre Treu und Eifer erworbene und in mehr Waeg
vermehrte Verdienste zu vergelten, ganz willig, und gern willsahren
wollen.

Als haben Wir mit wohlbedachtem Math, gutem Rath, undrechtem Wissen ihren
Schiffleuten und Fischer-n in obgemelten Städten, Flecken und Dörfern
zu besserer Beförderung ihres frommen Nutzen, und Wohlfahrt alle ihre
wohlhergebrachte Privilegien, Gnaden, Freiheit nicht allein gnädigst
Consirmiret,. sondern dahern es auch von nöthen ware, neuerdingeu das
behörige und mit nachfolgenden Articulen verfasste Schiffleuth und
Fischer-. zunfts-Privilegium hiemit in Gnaden dergestalten ertheilt, dass-

336 Civilrechtspflege.

Erstens, Sie Schiffleuth jederzeit sich bestreben sollen, geschickte,
und Schifffahrts-Verständige niechterne Leuthe zu halten, Welchen Menschen
und Güter derteaut, und von ihnen sicher geführt werden können.

Andertens, solle denen sammentlich Gemeinen Rheingenossenen gestattet
fein, auf dem Rhein mit kleinen und grossen Schiffen, Waidling, Flössen
und anderen Fahrzeug ohngehindert jederma11niglich, ihren Verdienst zu
suchen so gut es sein kann.

Drittens wird ihnen Rheingenossenen Vergünstiget, und das Recht
bestättiget, mit allem Fischerzeng auf und nieder zu fischen nach ihrem
Nutzen, und gut befinden, bis gegen Hüningen an das Capellele an die
französische Gränzen, wie von Uralten her, alwo ein Landstein stehet.

Viertens, jene Rheins und Mayengenossene in der Stadt Rheinselden,
und die, welche unter der Rheinfelderbrück wohnen, haben erlangtes
Recht auf dem Rhein Salmen und Spreithgarn nach ihrem Wohlgefallen zu
gebrauchen, nicht weniger mögen die Augstemer bei Tag, oder Nacht bis
an die RheinfelderBruf hinauf fischen, solle dieser Distrikt auch um
bessere Ordnung willen bis an ersagte Bruk zum Fischen abgetheiit bleiBen,
wie die alte Observanz, Ordnung und Maienbrief enthaltet desgleichen,

Fünftens haben die Mayen und Rheingenossene, welche ober.halb der
Rheinfelder EBruk Wohnhaft seynd, das Recht mit Salmen-Spreitgarn, und
anderem Fischerzeug aufwärts zu fischen, "his an die Sekingerbrukt, und
solle auch diessalls der darinnen .befindliche Bezirk wie von alters her
unter ihnen zu fischen ausgetheilt, und in Mayen-Briesen geschrieben ist,
verbleiben; Wozumalen

Sechtens diese oberhalb besagter Bruck wohnhasie Schiffleuthe gleich
jenen, so unterhalb der Bruk sesshaft seynd, gleich ihnen mit gross und
kleinen Schiffen, Waidling, Flössen, und anderen Fahrzeug nach ihrem
gefallen, und Nutzen zu fahren, hauptsächlich aber erfahrne, niechtere
Schiffleuthe, und Steuermeistere aufzustellen, weilen alle Fahrzeig durch
das Steinige sogenannte Gewild und Hellhaggen passiren müssen: Und da

Sibentes Ein Rheinund Mayengenoss einen Lehrjnng
zumVIII. Civilstreitigkeitsn zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
37. 837

.Rheinfahren, und Fischen zu lehren annehmen will, so solle der
Lehrjungen ohne Vorwissen der Zunst keiner angenommen oder aufgedingt
werden, und welcher also angenommen wird, der solle aus der Stelle Sechs
Gulden Rheinisch erlegen, von welchem zwei Drittel in unser Rent Amt
zu Rheinfelden geliefert, ein gDrittel aber der Zunft zuständig sein
folle. Wäre es aber,

Achtens dass ein Rheinsgenoss seines Bruders Sohn die Schiffart und
Fischenz lehrete, derselbe solle gleich von alters her nichts zu bezahlen
schuldig sein, die weilen auch

Neuntes zu nicht geringem Nachtheil deren Rheingenossen vor einigen
Jahren her der Missbrauch eingeschlichen, dass die Töchtere, deren
Väter das Rhein-Recht hat, oder gebohrner Rheingenes; ist, sich des
nemlichen Rhein-Rechts angemasset, und ihre Ehemänner, die doch solches
Recht weder gehabt, noch die ProWsession erlehrnet, sammt ihren Kinderen
abermahlen beiderley Geschlecht für Rheingenossene geachtet und gehalten
sein wollten; So ist jedoch sürohin solches gänzlichen abgestellt,
und verboten, sondern dieses Rhein-Recht solle allein auf die Söhne und
niemalen auf Töchtern, oder Tochtermänner kommen oder fallen. und

Zehntens damit jedem Schiffmann, oder Fischer an dem Ge.staad des
Rheins sein SchiffahrgEisen und Fischerzeug sicher Blei-he, so bleibet
wie von alters her verboten, dass keiner sich .unterstehen solle,
aus einem Schiff, Waidling, Floss ze. Viel oder wenig zu entwenden,
die Uebertretern dessen sollen bei dem ohnehin abhaltenden Mayengericht
als Frevler der Gebühr nach .abgestrast werden. Desgleichen wann

Eilftens, unter ihnen Rheingenossen auf dem Rhein, oder am .Ufer
SchmähSchell: cchlägund Aruns-Händel bescheheten, diesen solle der
Rheinvogt den Rhein in solang immer verbieten, bis die Sache behörig
untersucht, und der, oder die Schuldigwerfundene Gebührend abgestreift
sein wird. Sollte

Zwölftens einem Rheingenossenen oder jemanden andern aus .Stèidten und
Landschaften, wie schon ost beschehen, und fürder-Zhin beschehen kann,
an dem Rheinuser wegen ohnvorgesehenund nicht verhoften schnell und
grossen Anlan des Rheins, auch Wanderen sich ergebenden Ursachen halber
etwas entrinnen oder

338 Civilrechtspflege.

weggespielt werben, welches ein Rheingenoss aufgefangen, und geländet
hätte; So solle er solches weder gleich-zu veraussern noch für sein
Eigenthum zu behalten, oder anzusprechen befugt sein, sondern solches
dem Rheinvogt, oder da es von Wichtigkeit wàre, dem Ober-Vogtei-Amt zu
Rheinfelden anzuzetgen, verhunden sein, welche alsdann schon ermessen
können, und sollen, ob es seinem verunglückten Eigenthums-Herren wiederum
zuzuBringen seye, oder nicht, alsdann es in solange in feiner Gewahrsame
halten, bis so viele Tage verstossen und sich ergibt, was deswegen zu
thun seye. Falls alsdann _

Dreizehntens, der Verunglükte sich meldet und glaubwurdtg das-thun kann,
dass das aufgefangene, und angelandete sein eigen, aber in seiner Verwahr
und Obsorg gewesen, so soll es ihnen jedoch gegen billigen Länderlohn,
Bezahlung seiner gehabten Bemühung, und allenfalls derselbe Kosten darauf
hätte verwenden müssen, gegen deren Vergütung abgefolgt und zugestellt
werden. Vierzehntens gleichwie von uraltem her gebräuchlich gewesen,
dass von dem Tag aller Heiligen bis auf St. Andreas Tag, dass ist den
ganzen Wintermonat hindurch kein Rheingenoss unterv Herrschaftlicher
Straf dem andern in sein Waid fahren, und darin fischen solle, also es
auch fortan also verbleiben, und verhoten sein folle. ' .

Fünfzehntens, wann der Inhaber des Wassers, oder des Bachs die Wehra
genannt, darinnen spannen will, der solle die Pfahl nicht zu weit
hinaus setzen, dass gemeinen Fischeren und Rheingenossenen am Fischen es
hinderlich, und nachtheilig, oder gar· denen Fischen ihren Zug und Lan in
den Rhein gesperrt werde,. bei Straf zwei Gulden, oder nach gestalteten
Umständen nochhöher. Ferner und

Sechszehntens Solle keiner der nicht ein Rheingenoss ist, er seh
fremd oder einheimisch, am Gestaad des Rheins zu fischen erlaubt sein,
ausgenommen mit Angell, und wofern ein Rheingenoss an einem Sonntag,
oder gebotenem Feiertag vor derVesperzeit sich zu fischen unterstehet,
solle er es mit zwei Gulden Straf biissen. Zumahlen

Siebenzehntens Kein Schiff oder Floz an solchen Tagen,
ohneVIII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten; etc. N°
37. 339

Erlauhnis, und dringender Noth von Land geführt, oder gesiossen werden
betreffend aber die Salmenwäg, Und LarWaiden, mögen solche, wie von alters
her gehalten sein. Gleichwie auch ss Achtzehntens. Ihnen Schiffleuthen
und Fischern an ihren .habenden Rhein-Rechten und Freyheiten Niemanden
einige Hindermg oder Eintrag thun, auch nicht gestattet werden sollte,
dass dieselben an ihrem Verdienst, und Nutzen gehinderet, oder gesihemmt
werden, also hinantgegen Sie Rheinund Mahengenossene ,nicht allein
vorstehende Articulen, sondern beinebens all anderen guten Ordnung
und Satzungen, alten Herkommen, Gebrauch und Gewohnheiten nachkommen,
und zuleben, und dabey denen sich etwann ergebenden Ohngehorsammen die
guten Ermahnungen nicht Platzgreifen, auch Geldbussen nichts fruchten
oder erkleken ,Wolten, oder selten, denenselben der Genuss des Rheins
gänzlich verboten und abgesagt werden solle. Sofort und Neunzehntens
da uns das Dominium Rheni, oder die Beherrschung des Rheins in unserem
Gebiet ohnwiedersprechlich, und allein zustehet, mithin was auf oder ah,
mit Gelegenheit des Rheines daselbften passieret, Uns zu untersuchen,
und zu entscheiden privative zu gehöret, so solle all solches noch
fortan also gehalten werden, mithin Unserem zu Rheinfelden gestellten
Oberamt obliegen, alle Falle, so sich diesertwegen ergeben möchten,
genau zu untersuchen, und zu entscheiden, es wäre dann die Sach, dass
sich Fälle zutragen möchten, welche ohnehin an Unsere im Breussgau
aufgestellte Regierung, und Cammeo einberichtet, und von daraus die
behörige Verordnung und Verbescheidung abgewartet, oder gar an Uns
gebracht werden müssen. Weiters und

Zwanzigstens ist denen Schiffleuthen und Fischeren vorgeschriehen, dass
Sie, wie von alters her üblich gewesen und annoch isi, also auch fortan
alle zwei Jahre mit Erlaubnuss, Und in Beiseyn Unserer Rheinfeldischen
Amtleuthen das gewöhniiche Mayen-Gericht abhalten, die inzwischen von
denen Rheingenossenensspassierte Frevel untersuchen, die etwann widrige
abstellen, die Ubertretern dieser Artieulen zur Verantwortung ziehen
und nach Vefund des Verbrechens geziemend abstraer sollen. Wovon wir aber

340 Civilrechtspflege.

Ein und zwanzigstens Uns gleich von altersher zwei Drittel sowohl von
denen Strafen, als übrigen in diese Zunft fliessen den Gefallen gebühret,
welche von der Zunft in unser RentAmt zu Rheinfelden gleich von alters her
zu entrichten sind, der übrige Drittel aber besagter Zunst zu Bestreitung
dererGerichts-Umkosten, und anderen ohnumgänglichen Auslagen über lassen
wird. Endlichen

Zwei und zwanzigstens Soll all übriges was hier innen nicht wohl aber
in dem uralten Mahenbrief enthalten ist, sowohl derv Schiffahrt als des
Fischens halber, sonderheitlich des Rheinischen Wochen-Gefährts, und der
Kheri halber, alles wie bishero, fortan beobachtet werden, es wäre dann,
dass mittelst der Kheri, wie öfters beschehen das Publicum nicht versehen,
oder versorgt wäre, so ist Unserem Oberamt zu Rheinfelden jederzeit
obgelegen, hierin falls Pflicht mässig und ernstliches Einsehen darauf
zuKnaben, dass wegen Liederlichkeit einoder anderen Schiffmanns weder
Leuth noch Gut in Gefahr gesetzt werden, sondern allzeit gefliesseuesi
Bedacht sein sollen, dass dieser Unserer Gnädigsten und Heilsammen
Verordnung nachgelebt werde.

Verleihen dahero, Confirrniren und bestättigen die jetzt beschriebene
Freiheits-Artikel, so viel Wir daran von Rechtund Billigkeit wegen
verleihen und bestätigen können, nach ihrem gänzlichen Inhalt und
Begriff aus KaiserKöniglichundLandesfürftiicher Macht-Vollkommenheit
hiemit wissentlich in· Kraft dieses Briefes.

Ordnen, setzen, und wollen auch, das solche in soweit sie
Unseren in Handwerks-Sachen bereits ergangenen, oder noch
künftig erfolgenden Landesfürstlichen Generalien und Befehlen,
wie zuinahlen der Vorder-Oesierreichischen Landes-Polizei-Ordnung
und Sazungen nicht entgegen sind, stäts bei Kräften ver-s Meissen,
und dass mehrermelte Schiffleuth, und Fischerzunft imBreissgauischen
Ober-Rhein VrtL zu Rheinfelden sich derenselben in billigen Dingen
nüzlich freuen, und gebrauchen solle undmöge, von Jedermanniglich
ungehindert, jedoch uns und Unser-en nachkommend-regierenden Herren, und
Landessürsten, embe!) ausdrücklich vorbehaltend, besagtes Privilegium und
Freiheits-Articulen nach Unseren gnädigsien Befehlen, und Erforderung derv
Seit zu mehren, zu mindern, oder gar abzuthun.VIII. Giviistreitigkeiten
zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 37. 341

Gebieten hierauf allen, und jeden unseren Obrigkeiten, Prälaten, Grafen,
Freyen, Herren, Ritteren, Knechten, Landes - hauvtleuten, Landrichtern,
Vögten, Pflegeren, Hauptund Amtleuthen, Bürgermeistern, Nichtern, Reichen
Bürgern, Gemeinden, und sonst allen Unseren Unterthanen, und getreuen, was
Würben, Standes-, Umts oder Wesens die sind, so gnädig, als ernst lick;
mit diesem Brief, und wollen, dass oftgedachte Schiffleuthe, und Fischer
im Breissgauischen Ober-Rhein Vrtl. gegenwärtig und künftig bei dieser
ihnen obenangeführtermaszen gnädigst verliehenen, und bestätigten Freiheit
ruhig verbleiben, und derselben möglich freuen, und gebrauchen lassen,
selbe Unseretwegen Obrigkeitlich schützen, und Handhaben, darwider selbst
nicht hinderen dergleichen zu thun gestattet, in keine Weis noch Weege
als Lieb einem jeden seye, Unsere schwere Ungnad, und Strafe zu vermeiden.

Das meinen wir ernstlich Mit Urkund dieses Briefs.

(sig) Maria Theresia. Rudolphus Comes Chotek.

Rsi Cs"Sup. Arch. Aust. p. Cancella-rms. (L. S.) Ad Mandatum
Sac.-Caes. Regiae. Mis proprium. Frantz Joseph Edler von Hencke."

Nachdem dann in den Jahren 1803 1806 die vorderöfierreichischen
Lande rechts des Rheins an das neugebildete Grossherzogtum (früher
KursürsientunO Baden, diejenigen links des Rheines an den Kanton Aargau
gefallen waren, kam am 2.X17. September 1808 zwischen diesen beiden
Staaten ein Staatsvertrag zustande, der bezüglich der Schiffahrt und
der Fischerei der Rheingenossen folgende Bestimmungen enthielt:

"Art. 4. Schiffahrt: ...... Diesem zu Folge bleiben die Rheingenossen
beider Ufer zwischen Säckingen und Grenzach in Hinsicht der Schiffahrt
und Flötzerei im ferneren Genusse jener Rechte, welche in dem Maienbriefe
vom Jahre 1767 ausgedrückt sind. Da aber dessen Verfügungen den teils
durch die Zeitumstände, teils durch die Trennung des Frickthales von dem
Preisgun veränderten Verhältnissen in vielen Stücken nicht mehr passend
sind, so ist ein neuer Maienbrief entworfen worden, der als Beilage
des gegenwärtigen Staatsvertrages beiderseitigen Landesregierungen zur
Genehmigung vorgelegt wird.

342 Givilrechtspflege.

"Art. 5. Fischerei: ...... In Ansehung der Fischerei aus dem Rheine wird
festgesetzt, dass a) von der im Maienbriese be,zeichneten französischen
Grenze bis zur Säckinger Rheinbrücke die in diesem Maienbriefe in Betress
des Fischfanges enthaltenen zVersügungen fernerhin statthaben und von
den Maiengenossen ,beobachtet werden follett.

Der in diesem Staatsvertrage vorgesehene neue Maienbrief, auch Nein
Ordnung für die Rheingenossen geheissen, wurde vom Kleinen Rat des
Kantons Aargan am 31. August 1808, von der badischen Regierung etwa ein
Jahr später (Erlas3 der grossh badischen Regierung des Oberrheinkreises
zu Freiburg vom 25. September) genehmigt· Der Genehmigung durch den
Kleinen Rat des Kantons Aargau ist folgende Verordnung beigefügt:
Es solle dasselbe (das Regleinent) sobald die Ratisikation von Seite
Sr. Königlichen Hoheit des Grossherzogs von Baden gleichfalls erfolgt
sein wird von den Rheingenossen hie-sigen Kantons besolget und zu dessen
Vollziehung von nnseren ,Beamten Handbietung geleistet werden, insolang
wir uns nicht durch veränderte Umstände oder aus andern erheblichen
Gründen Bewegen finden, dasselbe abzuändern, oderaufzuheben-iDie
"Neue Ordnung enthielt im I. Abschnitt folgende Bestimmungen über die
Rheingenossenschaft:

§ î. Die Schiffleute und Fischer von Rheinfelden, Kaiseraugst,
.Niedermumpf, Wallbach und Ryburg, von Säckingen, Wehr, Schwörstetten,
Karsau, Riedmatt, Warmbach und Grenzach bilden unter dem Namen der
Rheingenossen eine Gesellschaft, beten Einrichtung, Rechte Und Pflichten
durch gegenwärtige neue zOrdnung bestimmt werden.

% 2. Diese Gesellschaft hat ihre Vorsteher, eine eigene Kasse ..und ihre
eigenen Versammlungen, Maiengerichte genannt.

% 3. Eigentliche Rheingenossen und Mitglieder dieser Gesell.schaft
sind aber nur jene, welche nach gegenwärtiger Ordnung das Meisterrecht
erlangt haben.

% 4. Der erste Vorsteher heisser Rheinvogt, die übrigen können
-Geschworene genannt werden, und unter diesen nach alter Gewohnheit zwei
den Namen als Rheinfähndrich führen.

% 5. Der Rheinvogt bleibet sechs Jahre am Amte, und
wirdVIII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
37. 343

,abwechselnd aus den Rheinger en des re te ' 1des linken Rheinufers
durch Stsismmenmehrclkeitn,eri:::"cdhlta.us IWW

% 6. Der Rheinvogt leitet die gesellschaftlichen Angelegen..he1ten nach
Massgabe dieser neuen Ordnung; er wachet über die· Beobachtung derselben,
Versammelt die Geschworenen und schlichtet mit ihnen die ihrer Kompetenz
anheimgestellten Elie en.stände. g '

Er istes, welcher dem versammelten Maiengerichte die Libertrete-r
dieser Ordnung anzeiget. Er bewahrt das gemeine Siegel der Gesellschaft,
besiegelt und unterfertiget die im Namen der ,Gesellschaft ausgefertigten
Akten.

§·7. Die Geschworenen werden aus den Genossen beider Rhe1nufer in gleicher
Anzahl gewählt, ihre Zahl im Ganzen soll sich aber niemal auf mehr als
acht, und nie weniger als die-: belaufen.

,:§s. Die erste Wahl wird vollzogen bei dem ersten nach .·E1nxuhrung
dieser neuen Ordnung stattssndenden Maiengericht in der Zwischenzeit
setzen die bisherigen Vorsteher ihre Bereich; tungen fort. Doch soll der
gegenwärtige Rheinvogt noch die folgenden sechs Jahre am Amte bleiben,
wenn bei dem nächsten .Maiengericht die Mehrzahl der Rheingenossen nicht
ausdrücklich Weine neue Wahl Verlangt.

Der. zweite Abschnitt regelte das Maiengericht, d. h. die allgemeine
Versammlung der Rheingenossen zur Verhandlung gesellschaftlicher
Angelegenheiten, sowie das Gericht zur Beurteilung Von Freveln. Der dritte
Abschnitt handelte von den Rechten und Pflichten der Rheingenossen. Nach
einer allgemeinen Bestimmung § 163 Jeder Rheingenosse nimmt Teil an den
der Genossenschafi zustandigen Rechten und Pflichten. Diese theilen sich
in Ansehung der Schiffahrt und des Flötzens, und der Fischerey;

folgten zunächst Vorschriften über die Schiffahrt und das FISB:

recht, alsdann, sub B, solche über die Fischerei. Von letztern sind
folgende hervorzuheben % 31. Ferner haben die Rheingenossen, in
Rheinfelden, und Jene, welche ob der Rheinfelder Brücke wohnen, das
Recht aus der Nheinstrecke zwischen dieser Brücke und der Brücke,von
q.,.Sa-ckmgen aufund abwärts zu fischen; doch soll auch dieser xxvu,
2. {901 . 23

344 Givilrechtspflege.

Vezirk unter sie, wie in dein ältern Maienbrief enthalten, abge-

ilt bleiben. teDieser Brief sagt: Form haben sie Macht zuqzunden
voneKindsgraben bis an Schweinhag, und dagegen nber von der,,Sandgrnben
bis auf Fahrspach, und dagegen uber bis an Tannen; von der Tannen bis an
Buttenen, und adagegen über von Steinsach bis an Mühlbach, und dagegen
uber von Mühlbach bis an Waag, und dagegen fiber-vom Brunkaker ,,bis an
Nagelfluhe, bis gegen Wallbach zur (Heche, und dagegen-

über von der Wallbacher Eiche bis an den Rothenslnhe, und Mdagegen
über von der Rothenfluhe bis an niedern Viehweg bisan das Fahr gegen
Mumps,bi.s aneSpitz am Giessen und dg,,gegen über vom Spitz am (Stegen
bis an die Sackmger Bru ,. und dagegen über. . _ _

Diese Bannabtheilung soll sich auf das Schoper erstrecken..

g 32. Die Rheinfelder und Karsaner haben zwischen Rheinfelden und
Karsan allein das Recht zu etfssenf doch soll es ge1neinsam geschehen,
desgleichen haben die Sarktngen Wallbacher,Mnmpfer und Schwörstädter
das Recht, gemeinschaftltch zu elica..

% 33. Vom Tage Allerheiligen bis Andreastag, das ist den ganzen
Wintermonat über, soll kein Rheingenosse dem andern in feine Waid fahren
und fischen. ' . .

§ 35. Wer nicht Rheingenosfe ist, dem ist es nicht erlanbt,. ausser am
Ufer mit Angeln zu fischen." si

Der vierte Abschnitt enthielt unter der Ubersehrcft Lehr1ungen,.
Gesellen oder Knechte und Meister n. a. folgende Vorschrtskem

§ 43. Die Aufdingnng der Lehrlinge kann vor dem gewohnIichen Maiengericht,
oder vor dem sich halbfahrtg versammelndete Ausschufse desselben
statthaben. ' ·

@ 44. Jeder Knabe, der m die Lehre treten will, muss volle 15 Jahre alt,
und durch ein Zeugnis seines Pfarrers undSchullehrers auszuweisen im
Standesein, dass er sowohl m' derReligion als im Lesen, Schreiben und
Vechnen den seinem Stande und Alter angemessenen Unterricht inne habe.

% 46. Bei dem Ausdingen soll ein formltcher Lehrakord ausgefertigt,
und darin nicht nur das Lehrgeld bestimmt, sondern auch alle übrige
Bedingnisse ausgddruckt mex-den, wornber Meisier und Lehrling oder dessen
Vertreter übereingekoinmem

I! II II II

I! H

!! IfVIII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
37. 345

Im Allgemeinen soll jeder Lehrakord enthalten, dass der Meister dem
Lehrlinge gegen das bedungene Lehrgeld die nöthige Unterweisung in der
Schiffart und Fischerey ertheilem und denselben, was an ihm liegt, zur
Sittlichkeit und Religion führenvon Gelegenheiten zu Ausschweifungen
und Lastern entfernen, und zn einer nützlichen Thätigkeit gewöhnen wolle.

§ 47. Für das Aufdingen und Ledigsprechen werden 8 Franten oder 5 fl. 30
kr. R.-W. gezahlt, wovon 4/3 in die Kasse der Rheingenossenschaft,
die weitern 9/3 aber unter beide Landesherrschaften gleichtheilig
verrechnet werden.

g 48. Wenn ein Rheingenosse seines Bruderssohn in die Lehre aufnimmt,
so mag dieser nach alter Gewohnheit ein geringeres Lehrgeld zahlen.

EUR 49. Derjenige, welcher nach vollbrachter Lehrzeit freigesprochen,
mit einem förmlichen Lehrbrief versehen worden i, trittet in die Zahl
der Schiffknechte. si

g 51. Ein jeder soll in der Regel gehalten sein, zwei Jahre als Knecht
zu dienen.

g 52. Es kann nur derjenige das Meisterrecht erhalten, welcher als
Lehrling förmlich aufgedingt worden ist, und als solcher die Schiffahrt
und Fischereh drey Jahre rechtmässig erlernet,und als Beyknecht zwei)
Jahre gedient hat. Für die Erlangung bei, Meisterrechtes sollen nicht
weniger als vier Franken, oder 2 fl. 45 kr. und nicht mehr als 8 Fr. oder
5 fl. 30 kr. verlaugt und bezahlt, Meister und deren Bruderssöhne aber
können von dieser Taste zum Teil oder ganz befreit werden.

§ 53. Aus einer Familie können gleichzeitig nicht zween oder mehrere
Söhne das Meister und Genossenrecht erlangen, wenn gleich deren mehrere
auf dem Rhein gezogen worden wären.

§ 54. Jeder Rheingenosse hat das Recht Lehrjungen und Knechte zu halten,
und zwar die letztern in nnbeschränkter Seht

§ 55. Alle der Rheingenossenschast anklebende Rechte gehen mit Ausnahme
des Rechtes Lehrlinge zu halten, auch auf die Wittwen fiber, welche
deren Ausübung an Meistergesellen übertragen können; heurathet aber
eine Wittwe einen solchen der fein Rheingenosse ist, so verliert sie
den Genuss solcher Rechte.

Endlich waren im fünften Abschnitt die finanziellen Verhältnisse

348 Civilrecbtspflege.

der Rheingenossenschaft die eine eigene Kasse unter einem besondern
Kafsier hatte geregelt.

Nachdem im Jahre 1876 das Bundesgefetz über die Fischerei vom
18. September 1875 in Kraft getreten war, wandten sich einige
Rheingenossen von WaiIbach an die aarganische Regierung zum Schutze
ihres Eigentums und ihrer Gerechtsame Laut Beschluss vom 23. Februar
1876 antwortete die aargauische Regierung den Petenten: Die verletzt
geglaubten Eigentums-rechte der Einsprecher auf ihre Rechtfame
werden durch das Bundesgesetz nicht verändert oder sogar entzogen,
indem Art. 1 ausdrücklich von Anerkennung von Rechten zum Fischfange
spreche, bezüglich deren die Eigentümer und die Pächter von Fischenzen
den allgemeinen Vorschriften sich fügen müssen.

Am 10. Mai 1879 schlossen die Schweiz und das Grossherzogtum Baden
eine Übereinkunft betreffend den Wasserverkehr auf dem Rheine von
Neuhausen bis unterhalb Basel. Durch diesen Vertrag wurde die Schiffund
Flosssahrt auf der bezeichneten Strecke, vorbehältlich der polizeilichen
Vorschriften mit Beziehung auf Sicherheit und Ordnung des Verkehrs,
jedermann gestattet. Sämtliche Alleinrechte zur Ausübung der Schiffund
Flossfahrt, namentlich die durch Ziff-. 4 des Staatsvertrages zwischen
dem Grossherzogtum Baden und dem Kanton Aargan vom 2.X17. September 1808
bestätigten ausschliesslichen Schiffahrtsund Flössereibefugnisfe der
Rheingenossen zwischen Säckingen und Grenzach wurden aufgehoben. Jn
am. 6 verpflichteten sich die beiden Regierungen noch speziell,
namentlich die älteren Ordnungen, wie die auf die Schiffahrt und
Flösserei bezüglichen Bestimmungen der Neuen Ordnung von 1808, ausser
Kraft zu setzen. Diese Ausserkraftsetzung erfolgte schweizerischerseits
durch die bundesrätliche Flossordnung für den schweizerisch-badischen
Rhein von Neuhausen abwärts auf dem Gebiete der Kantone Zürich, Aargau,
Baselftadt und Bafellandschaft, vom 18. September 1880, die (in § 16)
bestimmte: Vom Tage der Verkündung der Flossordnung an werben die ältern
Ordnungen, namentlich die auf die Schiffahrt und die Flösserei bezüglichen
Bestimmungen des Materibriefs (Neue Ordnung) von 1808 ...... ausser
Kraft geÎeht.V.... Civilstreitigkeiten Zwischen Kantonen und Privaten,
etc, N° 37. 847

Die Rheingenossen aus den Gemeinden Mumpf und Wallbach wandten sich
hierauf an den Regierungsrat des Kantons Aargan mit dem Ersuchen, dieser
möge sich bei der Bundesbehörde dafür verwenden, dass unter einstweiliger
Beibehaltung der bis dahin befiandenen und anerkannten Einrichtung der
Rheingenossenschaft die vereinbarte neue Ordnung für die Schiffahrt auf
dem Rhein frühestens auf den 1. Januar 1881 in Vollng gesetzt werde.
Diesem Gesuche wurde von der aargauischen Regierung keine Fglsgö)gegeben
(Beschluss des Regierung-states vom 2. Februar

Nach Inkrafttreten der Übereinkunft vom 10. Mai 1879 wurde der letzte
Rheinvogt angehalten, seine Protokolle und Amtsinsignien samt dem
Rheinfähnlein der Rheingenossenschaft an das grossherzoglich badische
Bezirk-samt Säckingen abzuliefern; die Jurisdiktion der Maiengerichte
hörte auf und damit war auch die Rheingenossenschaft aufgehoben

II. Die Rheingenossen übten indessen trotzdem weiter thatfächlich
die Fischerei aus. Nach Inkrafttreten der aargauischen Voll-
ziehungsverordnung vom 11. November 1889 zum (neuen) Bundesgesetz
über die Fischer-ei vorn 21. Dezember 1888 verlangte die aargauische
Finanzdirektion auf Grund des § 3 der genannten Verordnung,
der bestimmt: Überdies sind jedem Berechtigten oder Pächter ein
Fischerschein bezw. eine Fischerkarte auszustellen, auf welchen nebst
dem Namen des Berechtigten auch das Berechtigungsgebiet, das Revier
und die Schonzeiten für die verschiedenen Fischarten und Krebse,
sowie das zulässige Mindestmasz anzugeben sind. Diese Karten liefert
die Finanzdirektion zum Selbstkoftenpreis Der Berechtigte hat sie
beim Fischfang bei sich zu tragen und auf Verlangen der Polizeiorgane
vorzuweisen, anfonst er in eine Ordnungsbusse von 1 5 Fr. verfällt
werden kann , dass auch die Rheingenossen als Berechtigte im Sinne
dieses Paragraphen Fischerkarten lösen sollten. So wurde z. B. im Jahre
1892 einem Aug. Schmid in Kaiseraugst als Rheingenofse eine Fischerkarte
zugeftellt. Gleichzeitig (unter dem 15. November 1892) zeigte jedoch die
aargauische Finanzdirektion dem Fischereiaufseher Kaufmann in Wallbach
an, ermöge den Fischern im Bezirke Rhein-

348 Civilrechtspflege.

felden eröffnen, dass ihnen das nächste Jahr keine Fischfangbewilligungeu
mehr erteilt werden können, wenn nicht in Wallbach eine Fischzuchtanstalt
errichtet wird.

Inzwischen in Versammlungen zu Mumpf am 5. Und 12. Juli 1891 hatten die
Fischer des Bezirks Rheinfelden die Gründung eines Fischereivereins mit
dem Titel Fischereiverein der Rheingenossen von Mumpf, Wallbach,
Rheinfelden und Kaiseraugst, Säckingen, Warmbach, Grenzach
beschlossen. Die Grundzüge für die Gründung sagen:

Nachdem durch die Übereinkunft zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum
Baden vom 10. Mai 1879 bie Bestimmungen des Maienbrieses vom Jahre 1808
in Bezug auf die Schisfahrt und der (sic) Flösserei der Rheingeuofsen
aufgehoben werben sind, die wohlberechtigten Ansprüche der letztern
auf die Ausiibung des Fischereirechts jedoch fortbesteher haben sich
die bisherigen Rheingenosfen zur Erhaltung ihrer wohlerworbenen Rechte
in Bezug auf die Fischerei im Rheine für sich und ihre Nachkommen als
Fischerei-Verein konstituiert und hiesür folgende Grundzüge für die
Statuten aufgestellt:

1. Die bisher vermöge ihrer Abstammung und der erworbenen
Berussgerechtigkeit zum Fischen im Rhein berechtigten Rheingenossen
bilden den Fischerei-Verein, welcher die beidseitigen Rhein- userstrecken
umfasst.

2. Über die Namen der Berechtigten soll eine Namenkontrolle angelegt
und genau weiter geführt werden. Es ist dies Pflicht und Aufgabe des
Vorstandes

3. Nachkommen der Rheingenossen, welche sich vor dem Vorstande oder einer
damit zu betranendeu Kommission Sachverständiger darüber ausweisen,
dass sie durch eine genügende Lehr"zeit die nötigen Fähigkeiten zur
Rheinfahrt und Behandlung der Fischergeräte erlangt haben, werden als
Mitglieder eingetragen und mit einem bezüglichen Ausweis zu Handen der
Behörden versehen.

Aus den Statuten, die sich der Verein alsdann gab, ist zu erwähnen, dass
der Verein bezweckt: Die Wahrung der bisherigen, staatlich anerkannten
Fischereigenosfenschaftsrechte, sowie die Veförderung der Fischerei
durch gemeinsames kollegialisches Ein-VIII. Civilstreitigkeiten zwischen
Kantonen und Privaten, etc. N° 37. 349

Wwirken bei gesetzgeberischen Erlasfen in allen Bestrebungen im Gebiet der
Fischerei (è i), und dass Mitglied des Vereins jeder Rheingenosse werden
kann (g 2). Ferner wurde ein Reglement erlassen, nach dessen § 1 jeder
Nachkomme eines .Rheingenossen, der als Meister in den Verein ausgenommen
zu werden wünscht, eine Lehrzeit von 2 Jahren und nach Besendigung
derselben eine Prüfung vor der bestellten Kommission zu bestehen hat,
wodurch er sich über die erforderlichen Fähig,feiten in Handhabung
der Fahrzeuge, Fischereigerätschaften und Fahrtüchtigkeit auszuweisen
hat." Auf eine Reklamatiou des .Fischerei-Vereius betreffend Erteilung
von Fischerkarten an NichtRheingenossen erteilte die Finanzdirektion
des Kantons .Aargau dem Vereinsvorstande mit Schreiben vom 26. Juli 1893
die Antwort: Sie habe von jeher nur solchen Karten ausgestellt;

vwelche sich durch eine Bescheinigung des Gemeinderates oder des

Gemeindeammanns als Rheingenossen ausgewiesen haben. Um nun ganz sicher
zu sein, dass keine Unberechtigten solche Karten erhalten, werde er
Gemäss dem Wunsche des -Vereins) alle künftighin einlangenden Gesuche
um Fischerkarten für den Rhein Von der Säckinger Brücke bis hinab
zur Kantonsgrenze dem Vorstande des Fischerei-Vereins zur Begutachtung
einsendeu. Zn der Folge (Schreiben der Finanzdirektion des Kantons Aargau
an den Vorstand des Fächern-Vereins vom i. August 1893 und 15. November
1894) wurde dem Fischerei-Verein von der Finanzdirektion eröffnet, dass
an die Fischer des Bezirks Rheinfelden keine Fischfangbewilligungen mehr
erteilt werden, falls sie nicht eine Fischzuchtanstalt errichteten. Jn
seiner Sitzung vom 24. März 1895 beschloss hierauf der Verein die
Errichtung einer solchen Anstalt. Im Jahre 1897 bewilligte die
Finanzdirektion mehreren -Rheingenossen, gestützt auf diese ihre
Eigenschaft, den Fang von Äschen während der Schonzeit.

III. Mit Verfügung vom 20. Januar 1898 nach Ablauf der den Fischern
des Bezirks Rheinfelden ausgestellten Fischerkarten eröffnete die
Finanzdirektion des Kantons Aargau den genannten Fische-tm dass nur
noch an solche Personen Fischerfetten ausgestellt werden, welche sich
urkundlich über eine Fischereiderechtigung ausweisen können. Diese
Verfügung stützte sich auf

3.50 Civürechtspflege.

das noch in Kraft stehende aargauische Gesetz über Ausübung der Fischerei
vom 15. Mai 1862, welches in §§ 1 3 bestimmt:

§ 1. Das Recht in den öffentlichen Gewässern des Kantons zu fischen,
soweit es nicht einzelnen Personen oder Korporationen erweislichermassen
zusteht, wird vom Staate ausgeübt.

g 2. Das Fischereirecht wird zum Vorteil des Staates ver-

pachtet.

g 3. Zum Zwecke der Verpachtung wird das Staatsgebiet in.

eine Anzahl von Fischenzen eingeteilt ;

und aus §§ 1 3 der Vollziehungsverordnung vom 11. November 1889 zum
eidgenössischen Fischereigesetz. Die Verfügung bedeutete danach die
Bestreitung des Fischereirechtes, das die Be-: trosfenen bisher als
Rheingenossen innegehabt hatten. Der Fischereiverein. rekurrierte gegen
diese Verfügung an den Regierungsrat des Kantons Aargau, und suchte hiebei
zugleich um Genehmigung seiner Statuten und seines Reglementes nach. Durch
Beschluss vom 18. April 1898 hat der Regierungsrat den Rekurs abgewiesen
und das Gesuch um Genehmigung der Statuten und Reglemente abgelehnt. Die
Begründung dieses Beschlusses geht: dahin:

a) Zur Abweisung des Rekurses: Der Regierungsrat habe am 4. September
1894 Schlussnahme gefasst in dem Sinne, dass (wie das Bezirksamt
Lörrach in einer Zuschrist vom 8. November 1893,. worin es die
Neuordnung der Fischereiverhältnisse im Rhein don; Säckingen bis
Basel angeregt, angenommen habe) durch die Übereinkunst zwischen der
Schweiz und dem Grossherzogtum Badenvom 10. Mai 1879 mit der Aufhebung
der Rheingenossenschaft auch die ihr zugestandenen Fischereirechte
aufgehoben und an den. Staat übergegangen seien; als Berechtigte können
nur noch die-:

jenigeu anerkannt werden, welche gemäss §§ Z und 52 der Neuen ,

Ordnung, also vor 1879, das Meister-recht erlangt haben; sobald diese
Personen gestorben seien, werden die ihnen noch zustehenden Rechte
ebenfalls an den Staat zurückfallen. Aus Grund dieserSchlussnahme müsse
der Rekurs abgewiesen werden.

b) Zur Abweisung des Gesuches um Genehmigung der Statuten. und des
Reglementes: Der Verein bezwecke mit diesem Ge-VIII. Cwilstreitigkeiten
zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 37. 351,

suche nichts anderes, als wieder eine Fischerzunft einzuführen, unt dann
destoeher die ehemaligen Rechte der s. Z. bestandenen Rheingenossenschaft
geltend machen zu können. Die Zünfte seien nun aber im Kanton Aargau
schon längst durch gesetzliche Erlasse beseitigt worden; ein Bedürfnis zur
Gründung einer Fischerzunst im Bezirk Rheinfelden sei nicht vorhanden. Es
genüge, wenn die dortigen Fischer sich zu einem Vereine zusammenthun, um
ihreInteressen zu wahren. Eine Sanktionierung der Statuten und Reglemente
durch den Regierungsrat sei nicht erforderlich

Gemäss Verfügung vom 8. Dezember 1898 lehnte es dieaargauische
Finanzdirektion ab, dem Fischereiverein, wie er verlangt hatte, die
Kosten für Reinigungsarbeiten im Rheine zu Gunsten besserer Fischer-ei
zu vergüten, mit der Begründung, die betreffenden Arbeiten seien ohne
vorherige Einfrage bei der Finanzdirektion zur Ausführung gelangt.

Vorher im August 1898 hatte die Finanzdirektion angefangenss. eine Strecke
im Bezirke der ehemaligen Rheingenossenschaft von Wallbach aufwärts bis
Mumpf zu bewachten

Seither wurde eine Reihe von Mitgliedern des Fischereivereins wegen
unbefugter Ausübung der Fischer-ei verzeigt. ss

Zu erwähnen ist noch, dass laut Schreiben des grossh bad. Bezirksamts
Säckingen vom 15. März 1898 an den Vorstand des Fischereivereins
dieses Bezirksamt ebenfalls an Rheingeuossen keine Fischerkarten
mehr ausstelltz dass dagegen die badischeStaatsregierung beabsichtigt,
denjenigen Rheingenossen badischer Staatsangehörigkeit, welche bisher die
Fischerei noch selbständig ausübten, für die entzogene Fischerei eine
Entschädigung zu gewähren, dass aber die Gewährung einer Entschädigung
an schweizerische Beteiligte nur im Falle einer gleichen Berücksichtigung
der badischen Interessenten durch die Schweiz in Frage kommen könnte.

B. Mit Klageschrift vom T. Juli 1899 haben nun die 26 mögen die
sämtlich teils in Wallbach, teils in Mumps wohnhaft und Mitglieder des
Fischereivereins find, ferner Rheingenossens zu sein behaupten, beim
Bundesgericht gegen den Kanton Aargau die Rechts-begehren gestellt:

1. Der Kanten Aargau sei gehalten anzuerkennen, dass die

352 Civilrechispflege.

" er bere ti t ind, die Fischerei als Privatgerechtsame im ZEJKtkth und
Îwîr min der Rheinfelderbrücke an bis zur Säckingen ,brücke auszuüben,
und es sei deshalb die hohe Regierung zu oerhalten, den Klägern gemäss §
3 der kantonalen Vollziehungs.verordnung zum Fischereigesetz Fischerkarten
auszustellen _

2. Alle der Ausübung dieses Rechtes entgegenstehenden Schlusnahmen der
hohen Regierung des Kantons Aargau seien als aufgehoben und unwirksam
zu erklären. "

3. Der Kanton Aargau sei grundsatzlich haftbar zu erklaren für allen
Schaden, den die Klfiger durch die Eingriffe des Kantons

in i r Re t erlitten haben.' Bufi: Begéi'mdung bringen die
Kläger zunächst die oben sub A ioiedergegebenen Thatsacheii vor. Jn
rechtlicher Beziehung ziehen sie aus diesen Thatsachen die Schlüsse:
Das Recht, Rheingenosse zu werden, sei nur bestimmten Familien
zugestanden und erblich gewesen. Wiederholt seien Verzeichnisse
der berechtigten Familien sowohl von den badischen Behörden wie
von den aargauischen Beamten aufgenommen worden; Abschrift eines
Verzeichnisses der hochheitlich anerkannten Privatsischenzrechte
des Bezirks Rheinfelden, für Fischereiaufseher Kaufmann in Wallbach
wird eingelegt (Klagebeil. ?). (Die Kopie dieses Verzeichnisses ist am
Rechtstage von der beklagten Partei als getreu anerkannt work -den.) Die
Ausübung der Fischerei seitens der Rheingenossen sei demzufolge stets
als privatrechtliche Gerechtsame betrachtet worden, so auch von Vetter
a. a. O., S. 23. Durch die Uberemknnft vom 10. Mai 1879 seien allerdings
Maiengerichte und Rheinvogt und damit auch die Rheingenossenschaft
aufgehoben worden. Nichtsdestoweniger seien die Kläger im ungestorten
Besitze ihres Fischereirechts verblieben und sei dieses von den
aargauischen Behörden immer anerkannt worden bis zum Jahre 1898. Die Legi-

timation der Kläger zur Klage wird darauf gestützt, dass sie sämt.

lich in den konstituierenden Statuten des Fischereivereins als voll-

berechtigte Genossen anerkannt seien und also zu denjenigen Personen

gehörten, deren Fischereirecht von der Regierung des Kantons Aargan bis
Ende 1897 in vollem Umfange anerkannt war. Nr. 1-14 der Kläger seien
schon vor 1879 Rheingenossen gewesen-Es werde Eintage des Verzeichnisses
der berechtigten Rheingenossen,VIII. Civilstreiugkeiten zwischen Kantonen
und Privaten, etc. N° 37. 353

denen Fischerkarten ausgestellt worden seien, verlangt, ferner Beizug der
Protokolle und Akten der Rheingenossenschaft vom Grossh. Bad. Bezirksanit
Säckingen Bezüglich des Streitwertes bemerkt die Klageschrift: Die Kläger
taxieren den Wert ihres Fischereirechtes aus mindestens je 3000 Fr. für
jeden einzelnen Berechtigten. Sie haben sich wird weiter bemerkt in
dieser Sache, da ihre Interessen identisch seien und auf dem gleichen
Rechte beruhen, zu einer Streitgenossenschast vereinigt.

C. (Provisorische Verfügung) -

D. In seiner Antwort beantragt der Regierungsrat des Kantons Aargau
namens des letztern Abweisung der Klage. Die thatsächlichen Anbringen der
Klage werden nicht bestritten; dagegen macht der Beklagte in rechtlicher
Beziehung geltend: Es sei nicht richtig, dass die Rheingenossenschaft aus
bestimmten Familien gebildet worden sei. Jeder rechtschaffene Mann habe
die Aufnahme verlangen können, wenn er sich über Lehrzeit und Meisterstück
ausgewiesen habe. Nur der Maienbrief von 1587 spreche von den Nachkommen
der Fischer-. Dieser Ausdruck sei aber nicht in erbrechtlichem Sinne
zu verstehen, sondern im Sinne zoon Nachfolger im Berus; es seien die
damaligen und die auf sie im Laufe der Zeiten folgenden Rheingenossen,
nicht die erbrechtliche Descendenz, nicht bestimmte Familien, sondern
Generationen gemeint. Die Auffassung der Kläger sei schon deshalb
ausgeschlossen, weil es sich bei der Rheingenossenschaft um eine Zunst
gehandelt habe. Das ergebe sich unzweideutig aus dem. Maienbrief der
Maria Theresia. Die gebotenen Rheingenossen seien hier und in der Neuen
Ordnung den nicht gebotnen Rheingenossen gegenübergestellt, und es werde
lediglich für jene ein kleines Vorrecht statuiert. Unter den Waiden seien
nicht private Gerechtigkeiten der Rheingenossen zu verstehen, sondern es
sei darunter nur der Ort, wo gefischt merde, verstanden; das saktische
Jnnehaben eines solchen Ortes begründe kein Privatrecht. Sodann aber
und das sei das zweite entscheidende Moment sei die Rheingenosseuschast
entstanden durch ein aus landesherrlicher Machtfülle erteiltes Privileg,
und zwar durch ein widerrusliches Privileg (woffir auf die Maienbriefe
und die Neue Ordnung verwiesen wird). Von einem Erblehen (von dem

354 Civilrechtspflege.

Vetter spricht) könne keine Rede sein; der Ausdruck Lehen sei in den
Urkunden für die Rheingenossenschaft nirgends gebraucht, während in
ihrer nächsten Nähe für die Fischer zwischen Säckingen und Laufenburg,
die ein Lehen von Säckingen hatten das Verhältnis, das wirklich ein Lehen
gewesen, auch ausdrücklich so genannt worden fei. Jenes widerrufliche
Privileg nnn sei aargauischerseits wenigstens zurückgenommen worden,
sofern es überhaupt nach der 1879 erfolgten Aufhebung der Zunft dessen
noch bedurst hatte. Die Regierung habe es abgelehnt, dem sogenannten
Fischereiverein das Privileg neuerdings zu bestätigen oder es ihm oder
den Klägern zu verleihen So lange die Rheingenossenschaft bestanden und
ein Widerruf des Privilegs nicht stattgefunden habe, habe allerdings die
Regierung die Rheingenossen als zum Fischfang befugt behandelt; das sei
die Bedeutung des als Klagbeilage 7 eingereichten Verzeichnisses. Zn
dritter Linie sei zu beionen, dass die Rheingenossenschaft durch die
Übereinkunft vom 10. Mai 1879 aufgehoben worden sei und dass. damit auch
alle ihr s. Z. verliehenen Rechte dahingefallen feien.. Der Klage fehle
also das Fundament, ein bestehendes einklagbares Recht. Sodann fehle den
Klägern auch die Aktivlegitimationt da es keine Rheingenossenschaft mehr
gebe, gebe es auch keine Rheingenossen mehr. Dazu komme noch, dass keiner
der Kläger mehr noch Glied der alten aufgehobenen Rheingenossenschaft
gewesen sei; Thastsache sei lediglich, dass einige von ihnen Familien
zugehören, die früher Rheingenosseu gestellt haben. Dass sie Mitglieder
des Fischereivereins seien, sei irrelevanj. Endlich werde auch der von
den Klägern angegebene Streitwert bestritten.

E. In der Replik halten die Kläger daran fest, dass die alte
Rheingenossenschaft auf bestimmte Familien beschränkt gewesen sei ;.
die ganze Organisation derselben erkläre sich hieraus; auch sei das

in den betreffenden Gemeinden notorisch (wofùr Beweis durch-.

Zeugen anerboten wird). Ebenso wird daran festgehalten, dass der Ausdruck
Waiden in den Urkunden Privatgerechtigkeiten andeute. Über das Wesen
der Rheingenossenschaft wird sodann ausgeführt: Allerdings sei die
Rheingenossenschaft eine Zunft gewesen; das jedoch nur hinsichtlich der
Ausübung des Gewerbes (der Schiffahrt, Flösserei und Fischerei). Daneben
sei sie Trägerin vonVIII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und
Privaten, etc. N° 37. 355

Privatrechten gewesen, sei es infolge ursprünglicher Okkupation, sei es
gemäss hofrechtlichem Ursprung, sei es durch Privileg des Landesherrn,
das aber älter als die Ausbildung des landesherrlichen Regals und deshalb
unwiderruflich sei. Die Fischereizünfte seien überall nicht eigentliche
Zünfte gewesen und deshalb speziell auch weder im Grossherzogtum Baden
noch im Kanton Aargau mit der allgemeinen Aufhebung der Ziinfte (die
im Kanton Aargan vom Jahre 1858 an erfolgte) dahingefallen. Aus jenem
rechtlichen Wesen der Rheingenossenschaft folge nun, dass allerdings durch
Aufhebung der Rheingenossenschaft im Jahre 1879 die Zunst als solche
aufgehoben worden fei, mit ihren gewerblichen und gewerbepolizeilichen
Funktionen und ihrer ganzen Organisation, dass aber die den Genossen
zugestandenen privaten Fischereirechte, die in der Zunft nicht aufgegangen
seien, von der Aufhebung nicht berührt worden seien. Vielmehr seien diese
Rechte durch die Aufhebung der Zunft in das condominium der Rheingenossen
Übergegangen. Übrigens würde, auch wenn man das

ganze Fischereirecht der Rheingenossenschaft als ein einer Zunft

erteiltes Privileg konstruieren wollte, daraus noch nicht der HeimTall
des Rechtes an den Staat durch Aufhebung der Zunft folgen. Denn weder
sei das Privileg ein widerrusliches gewesen, noch wäre ein allein
gültiger Widerruf, d. h. ein Widerruf durch die oberste sonveräne
Gewalt erfolgt. Im Grossherzogtum Baden sei denn auch das Vermögen
der ausgehobenen Schiffergilden und Schifferzünste unter Aufsicht
der landesherrlichen Behörden liquidiert und den lebenden Mitgliedern
zugewiesen worden. Den Fischerziinften habe die badische Gewerbeordnung
gar noch die Ablösung der Fischereirechte garantiert. Auch im Kanton
Aargau habe sich bei Aufhebung der Zünste der Staat deren Vermögen nicht
angeeignet. Zu ihrer Legitimation berufen sich die Kläger neuerdings
darauf, dass Nr. 1-l4 derselben schon vor 1879 Rheingenossen gewesen
seien, Und auf das Verzeichnis der berechtigtenRheingenossen auf
dem Bezirk-samt Säckingen, sowie auf die Protokolle und Akten der
Rheingenofsenschaft.

F. Aus der Duplik die im allgemeinen an den rechtlichen Ausführungen
der Antwort festhält ist hervorzuhebem Der von den Klägern für ihre
Auffassung, es habe sich bei den Fischerei-

358 Civilrechlspflege.

reehten der Rheingenossenschaft um private Rechte bestimmter Familien
gehandelt, geltend gemachte Umstand, dass die Genossenrechte ganz
verschieden abgestuft und abgegrenzt gewesen seien, beweise hiefür
nichts. Möglich sei, dass es einst auch Fischwagen und Waiden gegeben
habe, die nicht der Genossenschaft gehörten und viel älter waren
als diese. Möglicherweise seien gelegentlich derartige Privatwagen
und Waiden auch von Rheingenossen erworben worden. Allein derartige
Privatwaiden stehen hier nicht in Frage: Kein einziger der Kläger
behaupte, eine zu besitzen, sondern alle leiten ihren Anspruch von der
alten Rheingenossenschaft, also von dem durch den Maienbrief und die Neue
Ordnung geregelten korporativen Verhältnis her, das mit jenen Privatwaiden
nichts zu schaffen gehabt habe. Das Privileg sei widerruslich gewesen,
und sei die Fischereiberechtigung, wenn die Rheingenossenschaft sie
schon vor den Maienbriefen besessen haben sollte, durch diese widerrufen
worden. Der Widerruf habe gültig durch die Regierung, alsVerwaltungsakt,
erfolgen können. Übrigens hätten die Klager, wenn sie den Widerruf
als verfassungswidrig anfechten wollten, den staatsrechtlichen Rekurs
dagegen ergreifen sollen; im Civil: prozess könne das Bundesgericht
nicht überprüfen, ob der Widerruf verfassungsmässig sei oder nicht. Die
Ausführungen der Replik über das Wesen der Rheingenossenschaft werden
bestritten; neben der Zunft sei sie nichts anderes gewesen. Ihre Aufhebung
habe durch die Zunftgesetzgebung deshalb nicht erfolgen können, weil sie
auf einem Staatsvertrage der Neuen Ordnung von 1808 beruht habe. Die
Zunft habe nach ihrer Aufhebung keinen Rechtsnachfolger gefunden. Die
den Zünsten erteilten Privilegien seien mit der Zunft dahingesallen.

G. An dem am 19. April 1900 von der Jnsiruktionskommission abgehaltenen
Recht Stag wurde u. a. beschlossen, die Protokolle und Akten der
Rheingenossenschaft beim Bezirksamte Säckingen beizuziehen zum Beweise der
bestrittenen Thatsache, dass die 14 ersten Kläger vor 1879 Rheingenossen
waren.

H. Die Kläger haben am Rechtstage ein Rechtsgutachten von Dr. U. Stutz,
o. è. Professor der Rechte in Freiburg ilBr., eingelegt, das zu folgenden
Schlüssen kommt:

1. Die Mitgliedschaft in der 1879/80 ausgelösten
Rhein-VIII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
37. 357

genossenschaft der Fischer, Schiffer und Flösser zwischen Säckingen und
Basel war nur den in bestimmten Familien der rheingenös-s sifehen Orte
Geborenen zugänglich.

2. Die Rheingenossenschaft war Subjekt einer ausschliesslichen
Gewerbegerechtigkeit für Schiffahrt, Flösserei und Fischerei, undeiner
rein privaten Fischereigerechtsame.

3. Die verbundenen Rechte (Gerechtig"keit und Rechtsamer standen
der Genossenschaft als Verbandsperson und den in ihr vereinigten
Einzelpersonen zu Gesamtrecht zu. Innerhalb der Genossenschaft gab
es Gruppen von Sonderderechtigten, gebildet durch die Genossen eines
oder mehrerer Orte. Der einzelne Genofse war also genossenschaftlicher
Gesamtberechtigter am Gesamtrecht der ganzen Genossenschaft und an
dem Sonderrechte der "Gruppe, der er angehörte Er hatte ausserdem
möglicherweise ein frei vererbliches und veräusserliches, zu Gunsten
der Gesamtheit nur wenig beschränktes Sondereigentum an einer Fischweide
oder Fischwi:ge.

4. Hinsichtlich der Gewerbegerechtigkeii, die unter bestimmten
Voraussetzungen widerruflich war, stellte sich die Rheingenossenschaft
dar als Zunft. Hinsichtlich der Fischereigerechtsame war st'e eine
private Vet-mògeuègenossenschaft.

5. Im Grossherzogtum Baden war das rheingenössischeFischereirecht
vorübergehend von 1848 1854 ablösbar gewesen, aber durch Belassung
wieder unablösbar geworben. Seit 1890 ist die Ablösbarkeit auf dem
Verwaltungswege von neuern gesetzlich gegeben, aber nur gegen Ersatz
des zwölffachen Jahresertrags.

Im Kanton Aargau blieb das rheingenössische Fischereirecht lstets
unablösbar und besteht eine andere als die durch die allgemeinen
Enteignungsgesetze gegebene Möglichkeit der Ablösung auch heute noch
nicht.

8. Die schweizerisch-badische Flossordnung vom Jahre 1880 hob,
nachdem die Fischereigerechtigkeit schon vorher den beiderseitigen
Fischereigesetzen zum Opfer gefallen war, auch die Schifffahrtsund
Flössereigerechtigkeit samt der Gewerbegerichtsbarkeit auf. Da die
Organisation der Rheingenossenschaft eine ganz und gar zünftische gewesen
war, fiel auch diese weg und mit ihr die

358 Givilîechtspflege.

bisher wesentlich vom öffentlichen Recht her begründete
Persönlichkeit.7. Die Rheingenossenschaft wurde im übrigen eine
private Fischereigenossenschaft in Liquidation. Infolgedessen fiel
ihr Verv.,mögen, vor allem ihre Fischereigerechtsame, an die damaligen
Genossen. --

8. Das rheingenössische Fischereirecht verwandelte sich demnach aus
einem korporativen in ein solches von Einzelnen Ihre Erweislichkeit
behielten diese Einzelrechte, weil aus dem Recht der Rheingenossenschaft
entstammen-d, durch die nicht ausser .Kraft gesetzten Bestimmungen
der Neuen Ordnung von 1808 mtb der älteren fMaienbriefq welche das
Fischereirecht betreffen.

9. Berechtigte sind seither alle zur Zeit der Auflösung der
Rheingenossenschaft vorhanden gewesenen Genossen und deren ,Erben,
sowie sonstige Rechtsnachfolger, sofern sie damals, den qgesetzlichen
Bestimmungen gemäss, ein Fischereirecht ausübten, und, wenn es sich um
Erben oder Rechtsnachfolger handelt, sofern sie heute diese Ausübung
oder die Ausübungssähigkeit nachljnstreifen

1(). Nach aargauisehem Recht bilden sie zusammen eine Ge,meinschaft,
die hinsichtlich ihrer sachenrechtlichen Beziehungen den .Vorschriften
des aargauischen privatrechtlichen Gesetzbuchs über das Miteigentum
untersteht, und hinsichtlich der bestehen gebliebenen Sonderrechte wieder
in besondere Untergemeinschaften zerfällt. So steht, wie von Alters her,
nur in anderer rechtlicher ,Gestalt, den Berechtigten von Säckingen,
Mumpf, Wallbach, .Schwörstadt, Karsau und Rheinfelden, soweit solche
noch vorhanden, und die berechtigten Familien oder ihre Rechtsnachfolger
nicht ausgeftorben sind, wie alle Grossfischerei, so die Schöpf,fischerei
zwischen der Säckinger und der Rheinfelder Brücke ge.meinschafilich zu
und in gleicher Weise den Genannten ohne die Karsauer und Rheinfelder
die Eisfischerei zwischen Säckingen und Karsau.

11. Die Bildung des Fischereivereins des Bezirks Rheinfelden hat am
sachenrechtlichen Verhältnis nichts geändert. ss

12. Daraus folgt als Ergebnis:VIII. Civilstreitigkeiten Zwischen Kantonen
und Privaten, etc. N° 37. %9

a) Die Klage ist materiell wohl begründet.

b) Die Kläger sind zur Klage legitimiert, sofern sie im Jahr 1880
eigentliche Rheingenossen waren, aber, zwar als Minderberechtigte,
aber dem damaligen aargauisch-eidgenössischen Rechte entsprechend, die
Fischerei ausübten, oder sofern sie von einem damaligeu Rheingenossen
abstammen und die heutigen gesetzlichen Erfordernisse erfüllen. Das
Vorhandensein des Fischereivereins benimmt ihnen die Legitimation
keinesfalls, da sie das Fischereirecht nur in genossenschaftlicher
Berbundenheit und Beschränkung einfügen und weil selbst bei
Genossenschaften, die, anders als der Fischereiverein, eigene
Rechtspersönlichkeit besitzen, nach einem alten, durch Praxis und Theorie
ganz allgemein anerkannten -,Grundsatz (Gierke, D. Pr.-R. I, S. 548
f.) die einzelnen Mitglieder im Bereich ihrer Sonderrechte jederzeit
sich selbst und mittelbar auch die Körperschaft vertreten könnenft Der
Beklagte hat zu diesem Gutachten Gegenbemerkungen er-

attei.

I. In der heutigen Verhandlung haben die Vertreter der Parteien ihre
Anträge erneuert. Dabei hat der Vertreter der Kläger neu geltend gemacht,
die Klage sei auch aus dem Grunde der Ersitzung begründet. Der Vertreter
des Beklagten hat diesen Standpunkt bekämpft

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

i. Die Klage geht auf Anerkennung einer privaten Fischereigerechtsame
der Kläger am Rhein (von der Säckingerbrücke bis abwärts zur
Rheinfelderbrücke). Die Kläger treten auf ais Sonderberechtigte, und
zwar leiten sie ihre Berechtigung her aus ihrer angeblichen Nachfolge
in die alte, im Jahre 1879 ansgehobene Rheingenossenschaft. Da sie
Rechtsnachfolger dieser Genossenschaft zu sein behaupten, und da ferner
das private Fischereirecht dieser Genossenschaft wenigstens in der
Klageschrift gestützt wird auf die Maienbriese, ist es zulässig, dass
die Kläger, wie sie es gethan, als Streitgenosseu austreten, indem sie
ihr Recht aus dem nämlichen Rechtsgeschäfte herleiten und den nämlichen
Zweck verfolgen, womit die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft nach
Art. 6 eidg. C.-P.-O. gegeben sind. Die Einrede mehrerer Streitgenossen
hat der Beklagte nur nebenbei und ohne daraus irgend-

xxvn, 2. 1901 M

380 Civilrechispflege.

welche für den Entscheid erhebliche Schlüsse zu ziehen, erhoben, und es
kann ihr auch nach Art. 8 l. c. keine Bedeutung beigemessen werden.

2. Bezüglich der Kompetenz des Bundesgerichts, die auf Art. 48
Ziff. 2 Organis.-Ges. gestützt wird, kann es sich nur fragen, ob der
Streitgegenstand den für die Kompetenz des Bundesgerichts als erste
und letzte Instanz erforderlichen Streitwert erreiche, d. h. einen
Hauptwert von wenigstens 3000 Fr. habe. Nun kann die Bestimmung des
Art. 60 Abs... 1 Organis.-Ges. (die vom Streitwert bei der Berufung
handelt), wonach mehrere in einer Klage von Streitgenossen geltend
gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden können, sofern sie sich
nicht gegenseitig ausschliessen, unbedenklich auch auf die Fälle,
wo das Bundesgericht als einzige Civilgerichtsinstanz angerufen ist,
angewendet werden. Abgesehen hievon ist wohl auch zu sagen, dass von
Streit-genossen geltend gemachte Ansprüche dann, wenn sie den gleichen
Gegenstand betreffen wie das hier der Fall ist stets zusammen zu rechnen
sind. Alsdann aber ist mit Sicherheit anzunehmen, dass der Wert des
Streitgegenstandes den für die Kompetenz des Bundesgerichts als einzige
Civilgerichtsinstanz erforderlichen Betrag weit übersteigt Da es sich um
den Wert wiederkehrender Nutzungen von ungewisser Dauer handelt, ist als
Kapitalwert der zwanzigfache Wert der einjährigen Nutzung anzunehmen
(Art. 54 Abs. 2 Organis.-Ges.), und dieser Kapitalwert dürfte bei
mehreren der Kläger nämlich bei denen, die von Beruf Fischer sind den
erforderlichen Streitwert mindestens erreichen.

3. Da die Kläger, wie bemerkt, materiell ihr Recht auf ihre angebliche
Nachfolge in die Berechtigungen der alten Rheingenossenschaft stützen;
da ferner der Betlagte den Standpunkt einnimmt, mit der Aufhebung dieser
Genossenschaft seien auch die ihr zugestandenen Rechte dahingefallenz da
endlich die Kläger dem gegenüber geltend machen, die Fischereirechte der
Genossenschaft seien mit der Aufhebung dieser nicht auch Untergegangen,
so ist zunächst das Wesen, die rechtliche Natur dieser Genossenschaft
und der ihr zugestandenen Rechte zu untersuchen

a.. Wenn auch ausdrücklich nicht schon in der Klageschrift,
so doch in der Replik, haben die Kläger den Ursprung dieser
Rhein-VIII. Civilstreiligkeiten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N°
37. 861

genossenschaft schon vor den Maienbrief des Kaisers Maximilian I.
(als Erzherzogs) zurückdatiert, und namentlich in der Replik den
privatrechlichen, vor die Maienbriefe zurück-reichenden Ursprung
der Fischereigerechtsame der Rheingenossenschaft behauptet Auf diesem
Standpunkt steht auch mit aller Schärfe das Gutachten Stutz. Dem gegenüber
vertritt der Beklagte die Auffassung: die Rheingenossenschaft vermöge ihre
Rechte erst aus den Maienbriefen herzuleiten. Durch diese Maienbriefe sei
die Genossenschaft als Zunft organisiert worden. Durch sie sei ferner der
Genossenschaft das Privileg der Schiffahrt, Fiösserei und Fischerei auf
dem Rheine zwischen Säckingen und Rheinfelden erteilt worden, und zwar
als widerrufliches Privileg. Während also der Beklagte den Standpunkt
einnimmt, Ursprung und Berechtigung der Rheingenossenschaft leiten sich
her von den Maienbriefen, behaupten die Kläger (namentlich an Hand des
Gutachtens Shih), Ursprung und Berechtigung gehen hinter diese Urkunden
zurück-; diese Urkunden enthalten nur eine Anerkennung der Rechte
der Rheingenossenschaft, sie konstituieren diese Rechte nicht. Nun
ist klar, dass den Klägern der Nachweis der Entstehung des von ihnen
behaupteten Rechtes obliegt. Was nun aber die Kläger Uebrigens erst in
der Replik) und das Gutachten Stutz dafür, dass das Rheingenossenrecht
älter gewesen sei als das landesherrliche Regal, vorbringen, beschränkt
sich auf Vermutungen und nicht schlüssige Judizien. Nach Stutz (S. 10)
kann man darin den Rest einer Mark: oder Allmendnutzung sehen, oder an
königliche Bannung zu Gunsten der rheingenössischen Familien denken,
oder seinen Ursprung im Hofrecht suchen, und beweisend dafür, dass es ein
ins frühere Mittelalter zurückgehendes Recht sei, sollen sein: einmal das
altertümiiche Gepräge der Rheingenossenschaft mit ihrer Beschränkung auf
bestimmte Familien, sodann der Umstand, dass in dem grossen Bezirk der
rheingenössigen Fischerei andere Fischereirechte neben ihm so gut wie
gar nicht aufkarnenJIs und endlich die Thatsache, dass die Genossen ein
so ausgedehntes Recht überhaupt erwarben (was insbesondere gegenüber
dem Umstande, dass im Jahre 1354bie Basler Schifferund Fischerznnft
gegründet worden, merkwürdig sei). Allein das altertümliche Gepräge
der Rheingenossenschaft an sich beweist noch nichts für die Existenz
privater Fischerei-

362 Civilrechtspflege.

rechte schon vor den Maienbriefen, und die Beschränkung auf
bestimmte Familien ist zum nesten nicht dargethan. Der Umstand
des faktischen Monopols sodann ist für die Existenz eines vor die
Maienbriefe zurückgehenden Privatrechts ebenfalls nicht schlüssig.
Dasselbe ist von der dritten Thatsache zu sagen. Alle diese Vermutungen
Und Hypothesen vermögen den den Klägern obliegenden Beweis der frühem
Entstehung ihres Rechtes nicht zu ersetzen. Dagegen sprechen umgekehrt
die Ausdrücke, die sich im ältesten erhaltenen Maienbriefe -dem
des Erzherzogs Ferdinand vom 3. Februar 1587 finden, dafür, dass die
Freiheiten und Ordnungen den Rheingenossen erst von Maximilian I. (als
Erzherzog zu OfterreichJ gegeben worden find, da dort eingangs gesagt
ist, die gemeinen Fischer, Wandund Mahengenossenlt haben zu erkennen
gegeben, dass sie von Maximilian allergnädigst begabt worden seien
und dass die Befret)ung und Ordnung hernach wieder erneuert worden
sei. Ebenso spricht der Maienbrief von 1767, der ein eigentliches
sörmliches Schiffleuts-Zunfts-s rivilegium erteilte, deutlich von der
Bestätigung und Erneuerung der den Rheingenossen erteilten Privilegien,
Rechte und Freiheiten, und das mit Rücksicht auf die Dienste der
Rheingenossen ats getreuer Unterthanen. Auch wenn übrigens ältere
Rechte (vor den Maienbriefen) bestanden haben sollten, so wären diese
durch die Maienbriefe aufgehoben und wäre an deren Stelle das aus
dem landesherrlichen Privileg hersliessende Recht getreten. Denn ein
bestehendes Privatrecht kann dem Regalrechte nicht untergeordnet werden,
ohne nnterzugehen. Die Annahme, die Rechte der Rheingenossenschaft seien
aus dem landesherrlichen Regal hergeleitet, beruhen auf diesem, steht
denn auch insofern mit der geschichtlichen Entwicklung im Einklang, als
zur Zeit der Regierung des Kaisers (und Erzherzogs) Marimilians I. der
Grundsatz der Regulität bereits voll ausgebildet war und nun doch kaum
bezw. nur beim Vorhandensein ganz unzweidentiger Beweise hiefür, wie
sie die Kläger nicht beigebracht haben, angenommen werden könnte, dass
dieser Grundsatz gerade auf einem so wichtigen Gewässer, wie dem Rhein,
nicht zur Anwendung gebracht worden sei. Ebenso fällt der Maienbrief von
1587 in die Zeit der voll ausgebildeten Privilegskorporation (Gieffe,
Genossenschaftsrecht I,S. 638 sf.), deren Existenzgrund das Privileg
war [a. a. O., S. 639).VIII. Civilstreitigkeiten zwischen Kantonen und
Privaten, etc. N° 37. 363

b. So ist denn davon auszugehen, dass das Fischereirecht der Rheingenossen
(gleichwie ihr ausschliessliches Recht der Schiffahrt und der Flbsserei)
begründet worden ist durch landesherrliches Privileg, dass also die
Rheingenossenschaft anzusehen ist als eine jener zahlreichen Junungen
oder Zünfte, die ein für allemal nach Art einer Handwerkszunst
mit dem Fischereirecht im ganzen bekiehen worden sind (Gieffe,
Genossenschaftsrecht, II, S. 352 {'ci Anm. 8). Das Fischereirecht
der Rheingeuossenschast war abgeleitet aus dem landesherrlichen
Regal und bedeutete eine Verleihung des dem Landesherrn zustehenden
Nutzungsrechts an die Rheingenossen. Und zwar im Gegensatze z. B. zum
Rechtsverhältnisse der Fischer oberhalb Säckingen bis Laufenburg, die
die Fischereigerechtsame als Erblehen vom Stiste Säckingen innehatten
(ng. Liebenau, Geschichte der Fischerei in der Schweiz, S. 55 und 75;
Vetter, a. a. O., S. 166 ff.) betraf die Verleihung nur die Ausübung des
Regals, nicht das Regal selbst. Das beweist auf das klarste der Inhalt
der beiden erhaltenen Maienbriefe, woraus erhellt, dass die Verleihung
jeweilen vom neuen Landesherrn neu nachgesucht werden musste, und sodann
insbesondere die Widerrnfsklausel Letztere findet sich schon in beiden
erhaltenen Maienbriefen (in dem von 1587 freilich noch nicht in voller
Schärfe) und sodann wieder in der Verordnung des Kleinen Rates des
Kantons Aargau betreffend Genehmigung der Neuen Ordnung Von 1808. Dieser
Widerrussklausel kann nicht damit ihre Bedeutung genommen werden, dass
(mit dem Gutachten Stutz, S. 15) erklärt wird, sie habesich lediglich auf
das den Rheingenossen erteilte Gewerbeprivileg bezogen, nicht dagegen
auf die vom absoluten Staat bereits vorgefundene Fischereigerechtfame.
Gegen diese Auffassung spricht schon die Stellung der Widerruf-sklausel in
den Urkunden, die sich an deren Eingang bezw. Schlusse befindet und alles
nachbezw. vorgehende umfasst. Sodann fällt diese Auslegung dahin mit der
Hinfälligkeit der Annahme, die Fischereigerechtsame sei nicht erst durch
die Maienbriese verliehen worden, sondern habe vorher schon bestanden,
und die Maienbriefe hätten nur ihre Bestätigung enthalten. Endlich
kann, wie später noch zu erörtern isf, eine derartige Trennung der
der Rheingenossenschaft zustehenden Rechte in Gewerbeprivileg und
Fischereigerechtsame gar nicht durchgeführt werden. Der Inhalt

384 Givilrechtspflege.

des verliehenen Rechtes aber bestand (bezüglich der Fischerei) in der
ausschliesslichen Befugnis zur Ausübung der Fischerei.

4. Der Beklagte behauptet nun, wenn auch erst in zweiter Linie, ein
Widerruf des Privilegs habe in der That stattgefunden und schon aus diesem
Grunde sei die Klage nnbegründet. Er findet diesen Widerruf allerdings
selber erst in den Akten des aargauischen Regierungsrates vom Jahre
1898, nämlich im Verweigern der Erteilung von Fischerkarten, speziell im
Beschlusse vom 18. April 1898. Allein ein ausdrücklicher Widerruf eines
Privilegs kann in diesen Handlungen des Regierungsrates nicht erblickt
werden; der Regierungsrat stellte sich hier auf den Standpunkt, die der
Rheingenossenschast verliehenen Privilegien seien mit deren Aufhebung
im Jahre 1879 dahingefallen, untergegangen, und brauchte daher auch
die Privilegien nicht zu widerrufen. Bei dieser Sachlage kann auch die
Frage unerörtert bleiben, ob zum gültigen Widerruf ein Verwaltungsakt
genügt hätte, oder ob dazu ein Akt oder wenigstens eine Ermächtigung
der gesetzgebenden Gewalt nötig gewesen wäre. Bemerkt sei nur, dass der
Ansicht des Beklagten, das Bundesgericht als Civilgerichtshof könnte die
Verfassungsmässigkeit des Widerrufs eines Privilegs nicht überprüfen,
nicht beigestimmt werden kann (vgl. Amtl. Samml. der bundesg. Entsch.,
Bd. XXIII, S. 1254 T.).

5. Weiterhin ist die Frage zu entscheiden, wer Subjekt des
durch die Maienbriefe verliehenen Privilegiums ausschliesslicher
Fischereiberechtigung gewesen sei. Über diese Frage gehen die
Parteien im Grunde zunächst einig, indem sie beide annehmen, die
Gerechtsame sei der Rheingenossenschaft als solcher, als Zunft, also
als öffentlich-rechtlicher Korporation, zugestanden. Eine Uneinigkeit
besteht nur insofern, als die Kläger behaupten, die volle Mitgliedschaft
der Rheingenossenschaft habe nur durch Geburt in bestimmten Familien
erworben werden können, während der Beklagte den Standpunkt einnimmt,
zur Erreichung der Mitgliedschaft habe die Erfüllung gewisser, durch
die Organisation der Rheingenossenschaft als Zunst vorgeschriebener
Formalitäten genügt. Die Streitfrage kann indessen vorderhand...unerörtert
gelassen werden, da sie nicht zu entscheiden ist, wenn feststeht, dass
das Privilegium an die Rheingenossenschast als solche geknüpft

VIII. Civnstreitlgkezten zwischen Kantonen und Privaten, etc. N° 37. 365

war und, wie der Beklagte geltend macht, mit der Aufhebung dieser
Genossenschaft als dahin gefallen erklärt werden muss. Dem gegenüber
nehmen die Kläger (mit dem Gutachten Stutz) den Standpunkt ein: Die
Rheingenossenschaft sei eine Zunst gewesen nur hinsichtlich der ihr
verliehenen Gewerbegerechtigkeit, daneben aber eine auf der Grundlage
einer privaten Gesamtberechtigung sich aufbauende Verbandsperson. Mit
der Aufhebung der Zunst seien nun nur die zünstische Organisation und die
Gewerbegerechtigkeit dahingefallen, nicht aber die Fischereigerechtfame;
diese sei vielmehr auf die einzelnen Rheingenossen übergegangen. Hiegegen
ist jedoch zu erwidern: Die Prämisse dieser ganzen Deduktion: Die
Trennung der Fischereigerechtsame von der Geiverbegerechtigkeit, ist
unhaltbar. Nachdem erstellt ist, dass das Fischereirecht erst geschaffen
wurde durch die landesherrliche Verleihung, ist zu sagen, dass sich dieses
Recht erschöpfte in der Gewerbegerechtigkeitz Gewerbegerechtigkeit und
Fischereigerechtsame sind in diesem Verhältnisse der Ableitung aus dem
landesherrlichen Regal nur zwei Seiten einer und derselben Sache, nicht
zwei verschiedene Dinge. Aufhebung der Gewerbegerechtigkeit bedeutet
daher hier auch Aufhebung der Fischereigerechtsame.

6. Damit ist nun auch die Frage der Bedeutung des Wegfalles der zünftigen
Organisation im Jahre 1879/1880 für das rheingenössische Fischereirecht
(Slutz, S. 21 ff.) ihrer Lösung näher gebracht. In thatsächlicher
Beziehung ist hiebei vorab an folgendes zu erinnern: Nach Aufhebung
der Rheingenossenschaft hat eine anderweitige Organisation unter den
Rheingenossen überhaupt nicht fortbestanden. Erst im Jahre 1891 ist
der Fischereiverein gegründet worden, der aber-weder thalsächlich noch
rechtlich als Nachfolger der Rheingenossenschast angesehen werden kann:
thatsächlich nicht, weil nicht erwiesen ist, dass er sich ausschliesslich
aus ehemaligen Rheingenossen rekrutiertez rechtlich nicht, weil er einen
ganz andern Lebenszweck und eine ganz andere rechtliche Stellung hat;
er ist ein privater Verein ohne das Recht der Persönlichkeit Die Kläger
behaupten denn auch selber nicht, der Fischereiverein sei in die Rechte
der Rheingenossenschaft eingetreten, und erheben ihre Ansprüche nicht
namens des Fischereivereins oder für diesen, sondern im eigenen Namen
als Streit-

366 Civilrechtspflege.

genossen. Dagegen behaupten sie, die Rechte der Rheingeuossenschaft seien
nach deren Auflösung auf sie übergegangen, da die Genossenschaft zu einer
privaten Fischereigenossenschaft in Aquidation geworden sei. Allein
thatsächlich findet sich hievon, wie bemerkt, keine Spur. Es fehlt
vollständig an irgend einer Organisation, während diese doch nach
der aargauischen Gerichtspraris (die in Ermangelung gesetzlicher
Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für den Kanton
Aargau massgebend sein muss), die sich hiebei völlig im Einklang mit der
deutschrechtlichen Wissenschaft befindet, zum Wesen einer Genossenschaft
gehört (vgl. die Sammlung Schneider, Entsch. desaarg. Obergerichtes,
Bd. I, Nr. 16). Einzelne ehemalige Rheingenossen haben allerdings mit
Rücksicht aus ihre frühere Zugehörigkeit zu der Rheingenossenschaft von
der aargauischen Finanzdirektion noch nach 1879 Fischerkarten erhalten
und mochten sich deshalb als Jndividualberechtigte betrachten; doch kann
daraus natürlich nicht auf einen Fortbestand der Rheingenossenschaft und
ihrer Rechte geschlossen werden. Jst so der Fortbestand einer privaten
Genossenschaft, wie bemerkt, ausgeschlossen , so kann ebenso wenig
angenommen werden, dass die einzelnen Genossen die Rechtsnachfolger der
der Rheingenossenschaft verliehenen Privi-

legien geworden seien. Es handelt sich hier nicht um ein persön'

liches Vermögensrecht, über das die Rheingenossenschaft hätte jederzeit
frei verfügen und das sie beliebig hätte veräussern können, sondern um
eine an den Bestand derselben geknüpfte Berechtigung, die von ihr selbst
gar nicht einseitig losgelöst werden konnte. Denn für die Verleihung der
Ausübung des Regalrechts an die Genossenschaft war ja zweifellos gerade
die in derselben verkörperte Organisation der am Rheine wohnenden und
die Fischerei ausübenden Personen massgebend. Mit Rücksicht auf dieselbe
konnte der Inhaber des Negals die Genossenschaft durch die Verleihung
auch zum Ausschluss aller anderen, Nicht-Kheingenossen berechtigt
erklären. Gleichwie nun mit dem Hinfall dieser Ausschliesslichkeit die
Berechtigung ihren wesentlichen Inhalt verlieren musste (ng. Slides),
Privatrecht, § 227z Schafshausen, Privattecht, § 6243 Bluntschli,
Deutsches Privatrecht, S. 228), so konnte sie auch nicht mehr existieren,
nachdem ihr Substrat, dieVlll. Givilstreitigkeiten zwischen Kantonen
und Privaten, etc. N° 37. 367

Organisation, dahingesallen war (ng. auch Gieffe, Genossenschaftstheorie,
S. 855; Gierke, Deutsches Privatrecht, S. 565). Die von den Klägern
behauptete Umwandlung der Berechtigung der Genossenschaft in Einzelrechte
der einzelnen Genossenschaften welche von ihnen beliebig veräussert
und auch vererbt werden könnten, könnte ja im Laufe der Zeit zu einer
unabsehbaren Vermehrung der Berechtigten führen, während doch aus den
Maienbriefen ganz deutlich der Wille der Verleihenden ersichtlich ist,
dass aus einer Familie jeweilen nur ein Sohn das Genossenrecht erlangen
solle, und sie müsste auch beim Abgang jeglicher Bestimmungen über
den Umfang und die Art und Weise der Ausübung dieser verschiedenen
divergierenden Berechtigungen zu Konflikten führen, deren Lösung
keineswegs auf dem Boden der von den Klägern angerufenen Bestimmungen
Über das Miteigentum gefunden werden könnte. Endlich hätte sie eine den
Absichten der Verleihenden offenbar direkt zuwiderlaufende Loslösung
der Berechtigung von dem Objekte des Rechtes zur Folge. Bei der heutigen
gegenüber früher verminderten Sesshaftigkeit der Bevölkerung wäre es nicht
nur möglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich, dass nach einer gewissen
Zeit die einzelnen Berechtigungen in der Mehrzahl Personen zuständen, die
gar nicht mehr am Rhein wohnen, so dass sie die eigentlichen Anwohner,
die doch faktisch die Ausübung allein übernehmen könnten, entgegen
der der Verleihung zu Grunde liegenden Absicht, von derselben gänzlich
auszuschliessen, bezw. sie ihnen nur unter drückenden Bedingungen zu
überlassen, die Möglichkeit hätten.

Wenn sonach diese Annahme der Kläger von der Umwandlung der
Gesamtberechtigung in Einzelberechtigungen abgelehnt werden muss, so
bleibt als einzige mögliche Lösung nur noch der Heimfall des Privilegs
an den verleihenden Staat, kraft sozialrechtlicher Nachfolge. An dieser
Thatsache kann auch der Umstand nichts ändern, dass der Beklagte
(resp. dessen Organe) den ehemaligen Rheingenossen noch eine Zeit
lang Fischerkarten ausgestellt hat; es lag darin ein Irrtum über
die rechtlichen Folgen der Aufhebung der Rheingenossenschaft, der die
Rechtswirkungen dieser Aufhebung nicht zu entkräften und nicht ein neues
Privatrecht zu schaffen vermochte.

368 Civilreehtspflege.

7. Auch auf Ersitzung können die Kläger sich nicht Berufen. Abgesehen
davon, dass dieser Nechtsgrund wohl verspäket vorgebracht ist,
da er erst in der heutigen Verhandlung geltend gemacht wurde
(vgl. Art. 45 eidg. C.-P.-O.), ist seine materielle Begründetheit
durchaus nicht erwiesen. Es müsste nachgewiesen sein, dass jeder der
Kläger die Fischereiberechtignng während der Ersitzungszeit als private,
unwiderrufliche Gerechtsame ununterbrochen besessen hätte ein Nachweis,
der in keiner Weise erbracht, ja nicht einmal anerboten ist. si

8. Möglich ist, dass Privatrechte einzelner Kläger an Fischweiden und
-ioagen bestehen. Allein sie stehen in diesem Prozesse nicht in Frage,
sind nicht eingeklagt, und werden daher vom vorliegenden Prozesse auch
nicht berührt

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.Lausanne. Imp. Georges Bridei & Ci.

iOIVsLRECHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA JUSTICE CIVTLEI. Abtretung von
Privatrechten. Expropriation.

Vergl Nr. 38, Urteil vom 19. Juli 1901 in Sachen Genossenschaftsgemeinde
St. Gallen gegen Vereinigte Schweizerbahnen.

II. Verfahren vor dem Bundesgerichte in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten. Procédure à. suivre devant le Tribunal fédéral en
matière civile.

38. Urteil vom 19. Juli 1901

in Sachen Genossenschaftsgemeinde St. Gallen gegen Vereinigte
Schweizerbahnen.

Stellung des Bunzlesgerichtes gegenüber Schätzzmgsfragm. Aktener-

ganz-W;; durch neue Beweîsmiîte}; Ara. 172, und {73 Ziff. i
eidgen. G.-P. 0.; Gegensatz zu neuen Thatsachen.

A. Der Urteilsantrag der Jnstruktionskommission vom 12. Juni 1901
geht dahin:

1. Die Vereinigten Schweizerbahnen sind verpflichtet, an die
Genossenschaftsgemeinde St. Gallen zu bezahlen:

xxx-'n, 2. {90} 25