482 A. Siaaisrechtliche Entscheidungen. H. Abschnitt. Bundesgesetzes.

83. Urteil vom 6. November 1901 in Sachen Meyer-Ranz gegen Luzern.

Ueezuleissigkeit des staatsrechsitlicfzen Rckurses wegen
Rechtsver-weigerung gegen einen Ueberweisungsbeschluss.

Mit staatsrechtlichem Rekurs vom 22.,.. """23. Juni 1901 beschwert sich
G. Meyer-Ranz über einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom
22. Mai 1901, durch welchen eine von ihm gegen einen Überweisungsbeschluss
der Kriminal: und Anklagekammer vom 80. März 1901 eingereichte Beschwerde
abge-

wiesen worden ist. Der Returrent erblickt in diesem Entscheide-

eine Rechtsverweigerung

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Da es sich im vorliegenden Falle lediglich um einen Überweisungsbeschluss
handelt, so ist die Frage zu prüfen, ob der Rekurs nicht verfrüht
sei, und zwar deshalb, weil in dem gegenden Rekurrenten eingeleiteten
Strafverfahren noch kein Endurteil gefällt worden isf. In der That
bewirkt ein freisprechendes Endurteil, trotzdem es an der Thatsache des
Überweisuugsbeschlusses nichts andere, eine so vollständige Rehabilitation
des Angeklagten, dass für ihn jedes praktische Interesse daran wegfällt,
konstatieren zu lassen, ob bei Schluss der Voruntersuchung genügende
Verdachtsmomente vorgelegen hatten, um die Überweisung zu rechtfertigen.
Nun hat aber das Bundesgericht bereits durch Entscheid vom 7. April 1893
(Amtl. Samml., Bd. XIX, S. 102, Erw. 1) festgestellt, dass bei Beschwerden
über einen Akt der strasrechtlichen Verfolgung die Rekurssrist erst von
der Eröffnung des die Verurteilung enthaltenden Endnrteils an zu berechnen
sei; denn es liege in der Natur der Sache, dass ein Angeklagter zuerst
die Freisprechung zu erwirken suche. Indem hievon ausgegangen wird, ist
der Satz auszusprechen, dass ein gegen einen Akt der strafreclnlichen
Verfolgung gerichteter staats-rechtlicher Rekurs so lange als versrüht
zu bezeichnen isf, als nicht ein eine Verurteilung enthaltendes Endurteil
vorliegt. Das Mittel des staatsrechtlichen Rekurses ans Bundesgericht ist
nicht dazu bestimmt, über Rechtsfragen, die in erster Linie dem kantonalen
Rechte angehören undV. Organisation der Bundesrechtspflege. N° 84. 488

vom Augenblick einer Freisprechung an jeglichen praktischen Jn-

teresses bar find, eine bundesgerichtliche Entscheidung herbeizuführen
Vgl. Entscheidung des Bundesgerichts vom 17. Juli 1901 In Sachen Hänni.
Demnach hat das Bandes-gereicht erkannt: Auf den Rekurs wird, weil
versrüht, nicht eingetreten.84. Urteil vom 14. November 1901 in Sachen
Motor, Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizitat gegen Schneiter.

Form des staalsrecîetlichen Reise-Wes ; Art. 178 Ziff. 3
Org.-Ges. .' genügende Begründang. Specieèl : Erfordernis der Bezlegzmg
des ange- fochtenen Entsohe ides.

Jn der Rekursschrist wird angebracht: ·

Jakob Schneiter, Landwirt auf dem Dürrenbühl zu Spiez habe die Rekurrentin
vor die Cioilaudienz des Gerichtspräsidenten von Niedersimmenthal geladen
zur Behandlung und Beurteilung eines Rechtsbegehrens, demzufolge Ersatz
für den 'Schede? gefordert werde, welchen die Rekurrentin bei Vornahme
einer Rohrenlegung aus dem Grundstücke Schneiters an den dortigen Bautnen
verursacht haben solle. In der am 14. Mai 1901 m Sachen stattgefundenen
Parteiverhandlung habe die Rekurrentm gegenuber dieser Klage eine
forideklinatorische Einrede ans Recht gestellt und verlangt, es möge
sich der vom Kläger angerufene Richter als nicht zuständig erklären. Zur
Begründng hab-e sie daraus hingewiesen, dass es sich um eine persönliche
Ansprache tm Sinne von Art. 59 der Bundesversassung handle, dass sie,
die beklagte Gesellschaft, ihren Sitz in Baden, Kanton Aargau, habe,
aufrechtstehend sei, eine Zweigniederlassung im Kanton Bern nicht
besitze, und also in Baden, beim Richter ihres Domizils, angesucht werden
müsse. Der Gerichtspräsident habe diese Jtikompetenzeinrede abgewiesen,
sich als kompetent erklärt und der Rekurrentin auch die ergangenen Kosten
im Betrage von 17 Fr. auferlegt.