30 Civilrechtspflege.

zuwenden (so § 53 des deutschen Reichsstrafgesetzbuches). Danach hat
aber der Beklagte Widmer in Notwehr gehandelt, da er den unzweifelhaft
rechtswidrigen Angriff der Hüsler und der Brunner von Bühlmann
abwenden wollte. Fraglich könnte nur sein, ob er sich nicht eine
Uberschreitung der Notwehr habe zu schulden kommen lassen, indem eine
massvollere Verteidigung auch genügt hatte. Bei Bejahung dieser Frage wäre
grundsätzlich seine Schadenersatzpflicht wieder hergestellt Allein diese
Frage kann unentschieden gelassen werden, da dem Kläger Brunner trotzdem
deshalb nichts zuzusprechen wäre, weil ihm, als Mitangreifer, jedenfalls
ein grösseres Verschulden zur Last fällt, als dem Beklagten Widmer, so
dass in Anwendung der dem Richter in Art. 51 Abs. 2 O.-R. eingeräumten
Befugnis der Verletzer von der Ersatzpflicht unter allen Umständen zu
entbinden wäre.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird als unbegründet
abgewiesen.

5. Urteil vom 4. Februar 1899 in Sachen Wirth gegen Bischofberger und
Konforten.

Bürgschaft. Aufhebung durch Uebereinkunfl. Art. 140 0.-R.?

A. Durch Urteil vom 17. November 1898 hat das Kantvnsgericht des Kantons
St. Gallen erkannt:

1. Die Klage ist in dem Sinne geschützt,

a. dass die von den beiden Beklagten am 17. Januar 1895 übernommene
Solidarund Selbstzahlerbürgschaft (für den Vetrag von ursprünglich
15,000 Fr.) jetzt noch für 18,000 Fr. plus Zinsen (Art. 499 Abs. 3
O.-Ji.) fortbesteht;

b. dass die beiden Beklagten jedoch aus diesem Betrag jeweilen nur für die
sälligen Termine samt Zinsen einzustehen, bezw. solchezu bezahlen haben.

2. Mit den weiter gehenden Begehren ist der Kläger abgewiesen

lll. Obligationenrecht. N° 5. 81

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Wirth rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem Antrage: es sei
in Abänderung des angefochtenen Urteils zu erkennen: dass die streitige
Solidarund Selbstzahlerbürgschaft vom 17. Januar 1895 ihm gegenüber
nicht zu Recht bestehe.

C. Der Beklagte Fatzer teilt mit Eingabe vom 2. Februar 1899 mit,
dass er davon Umgang nehme, an der Verhandlung vor Bundesgericht
teilzunehmen, nachdem der Kläger Bischofberger den von ihm in seiner
ersten Prozesseingabe und in der Prozessverhandlung vor Kantonsgericht
eingenommenen Rechtsstandpunkt, wonach er im unerwarteten Falle der
Entlassung des Mitbürgen Wirth aus der Bürgschaft nur für die Hälfte zu
haften hatte, mit schriftlicher Erklärung vom 2. Februar 1899 anerkannt
habe.

D. In der heutigen Verhandlung beantragt der Vertreter des Beklagten
Wirth, es sei die Berufung gutzuheissen. Der Anwalt des Klägers trägt
auf Abweisung der Berufung an.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Am 12/17. Januar 1895 kaufte Metzger Josef Gut in St. Gallen von
Metzger Joh. Otto Wegelin daselbst die Liegenschaft zum goldenen Rössle
in St. Gallen um den Preis von 89,000 Fr. Unter den auf der Liegenschaft
haftenden und vom Käufer zu übernehmenden Forderungen befand sich als
letzte ein Terminbrief von 15,000 Fr. zu Gunsten des heutigen Klägers
Bischofberger, verzinslich zu 41/2 0/0, Zinsfall Jakobi; an diesen Titel
waren je auf Jakobi jährlich 1000 Fr. abzubezahlen, das erste Mal Jakobi
1896. Nach Ziffer 5 der Kaufund Zahlnngsbedingungen hatte Gut für diesen
Titel eigene Burgen zu stellen und den Verkäufer und seine bisherigen
Bürgen davon zu entlasten. In Ausführung dieser Bestimmung verbürgten
sich die beiden heutigen Beklagten Wirth und Fatzer mit Bürgschein vom
17. Januar 1895 dem Kläger als Bürgen und Selbstzahler für den Termintitel
von 15,000 Fr. Gut zahlte die zwei ersten Abzahlungsraten, befand sich
jedoch bald in finanziellen Schwierigkeiten. Infolgedessen kündigte
Wirth mit Amtsanzeige vom 30. Januar 1896 dem Kläger die Bürgschaft im
Betrage von 10-000 Fr. gemäss O.-R. auf 6 Wochen à dato." Tags darauf

32 Civilrechtspflege.

forderte der Kläger den Gut durch Rechtsbot auf, binnen 6 Wochen einen
annehmbar-en Ersatzbiirgen zu stellen, da Wirth die Bürgschaft an diesen
Terrain gemäss O.-R. gekündigt habe. Am 20. Juni 1898 wurde über Gut
der Konkurs eröffnet; der Kläger wurde darin mit seiner Forderung von
13,520 Fr. s(wovon 520 Fr. Zinse) kolloziert; er wahrte sich dabei alle
seine Rechte gegen die Bürgern und teilte ihnen dies mit. Der Beklagte
Wirth bestritt mit Zuschrift vom 6. Juli 1898, noch haftbar zu sein,
da er entlassen worden sei; der Beklagte Fatzer teilte dein Kläger mit
Brief vom Z. August gl. Jahres mit, er habe erst klirzlich erfahren, Wirth
habe seine Bürgschaft gekündet und der Kläger diese Kündigung angenommen;
wenn dies richtig sein solle, müsse er, Fatzer, jede Haftbarkeit für
einen auf jenen Titel sich ergebenden Ausfall ablehnen und dem Kläger die
Wahrung seiner Interessen überlassen. Der Kläger antwortete am 6. August
1898, er halte sich in erster Linie an Fatzer; zudem bestreite er, die,
übrigens unstatthafte, Kündigung des Wirth angenommen zu haben. Gegen
einen Zahlungsbefehl vom 11. September 1898 für 13,520 Fr. schlug
Fatzer Recht vor, worauf der Kläger gegen ihn Klage auf Anerkennung der
Bärgschaft und Bezahlung des Betrages derselben erhob; diese Klage dehnte
er in der Folge auch auf den Bektagten Wirth aus. Zu bemerken ist, dass
über die Liegenschaft zum goldenen Rbssle vor der Klaganhebung eine erste
Steigerung stattgefunden hatte, die aber ein ungenügend-es Resultat ergab.

2. Der Beklagte Wirth der einzig als Berufungskläger erscheint -begründet
seinen Antrag auf Abweisung der Klage damit, der Kläger habe die an sich
unzulässige Kündigung vom 30. Januar 1896 angenommen und ihn damit ans der
Bürgschaft entlassen; er behauptet somit, die Burgschaft sei, soweit sie
ihn betreffe, durch Übereinkunft (Art. 140 Q.-R.) aufgehoben worden. Bei
Prüfung dieses Standpunktes ist zunächst klar -- was auch der Beklagte
selber zugiebt, dass dem s weizerischen Oin ationenre t in Übereinstimmnn
' dem gemeinen e t vgl. auch deutsches B.'.: ., 778 f.), We Wigung der
Bürgscha"t durch den Vür en u annt Wmäicht m. Obligationenrecht. N° 5. 33

Dagegen kann sie allerdings, unter Wahrung der Rechte allsalliger
Mitbiirgen, durch Übereinkunft zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger,
aufgehoben werden, und gerade eine solche Aufhebung behauptet
der Beklagte; diese Übereinkunft will er folgern zunächst aus der
Thatsache des Stillschweigens des Klägers auf die Anzeige der Kündigung
der Biirgschaft, und sodann aus dem anhalte des Rechtsbotes an den
Hauptschuldner Gut. Allein Jenes Stillschweigen kann an sich durchaus
nicht als Zustimmung zu der Kündigung, als Annahme derselben, angesehen
werdendies schon deshalb nicht, weil die Kündigung, wie gesagt, gesetzlich
unzulässig war und daher keine rechtliche Wirkung haben konnte und ein
Stillschweigen auf derartige rechtlich völlig irrelevante vAnzeigen
nicht als jkstimmung zu denselben angesehen werden (kann,Ta eine
Rechts-pflicht, sie zu beantworten, nicht besteht Îgl. Regelsberger,
Pandekten, I, S. DOD). Dazu kommt dass es sich bei der Entlassung des
Beklagten aus der Bürgschaft für den Kläger nicht um den Erwerb eines
Rechtes handelte, sondern um die Aufgabe eines schon bestehenden; hier
wäre aber sein Verzicht notwendig gewesen, und ein solcher darf nach
bekanntem Rechtsgrundsatze nicht vermutet werden. Gegen die Annahme eines
Verzichtes spricht nun entscheidend der Umstand das der Bürgschein nach
wie vor in Händen des Klägers bliebohne dass dem Beklagten Wirth eine
schriftliche Erklärung e; sei entlassen, zugestellt wurde. Zwar konnte der
Bürgscheinuls solcher dem Beklagten Wirth nicht wohl zurückgegeben werden
da auf demselben auch der Beklagte Fatzer als Bürge gezeichnei hatte
und dieser jedenfalls noch weiter haftete; allein die Parteien hatten
sicherlich, wenn der Beklagte Wirth wirklich entlassen worden ware,
zur Sicherung der Rechtsbeziehungen darüber eine Urkunde ausgestellt
Uberdies wäre eine Entlassung des Beklagten Wirth ohne Mitteilung an
den Mitbürgen Fatzer wohl kaum erfolgt, so dass der Umstand, dass diesem
keine Mitteilung gemacht wurde, wiederum gegen die Annahme der Entlassung
spricht. Wurde übrigens das Stillschweigen des Klägers an sich als Annahme
der Kündigung zu betrachten sein, was, wie gezeigt nicht der Fall ist,
so könnte doch die Klage gegenüber dem Ve; klagten Wirth noch nicht ohne
weiteres abgewiesen werden, viel' XXV, 2. 1899 8

34 Civilrechtspflege.

mehr müsste zuerst der vom Kläger anerbotene Beweis dafür-, dass der
Beklagte Wirth innert der 6 Wochen nach derf Kunde: gung sich mit dem
Kläger dahin geeinigt habe, es verbleibe alles beim alten, abgenommen
werden, da bei Richtigkeit dieser Behauptung die Kündigung und deren
Annahme ohne. jede rechtliche Wirkung waren. Was sodann das Rechts-bot an
den Hauptschuldner Gut betrifft, so kann dahingestellt bleiben, ob es aus
der rechtsirrtümlichen Auffassung des Klägers, die Kündigung sei gültig,
geflossen sei; jedenfalls stellt diese Anzeige an den Hauptschuldner
nicht eine Willenserklärung an den Beklagten Wirth dar und war danach
die Entlassung des letztern zudem an eine Bedingung geknüpft, die nicht
eingetreten ist, so dass deshalb Wirth daraus für sich nichts herleiten
kann, Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird als
undegründet abgewiesen und somit das Urteil des Kantonsgerichtes des
Kantons St. Gallen vom 17. November 1898 in allen Teilen bestätigt.

6. Urteil vom 10. Februar 1899 in Sachen Aktiengesellschaft
Bibliograph. Art. Jnstitut Zürichtt gegen Aktiengesellschaft Ari. Institut
Orell Füssli.

Art 873 und 876 0.-R.: Deutle'che Unterscheidbarkeit Zweige-

Firmen von Akliengesellschaften.

A. Durch Urteil vom 14. Oktober 1898 hat das Handels-

gericht des Kantons Zärich erkannt: ' Der Beklagten wird der Gebrauch
der Bezeichnung am,

Institut- in ihrer Firma untersagt; dieselbe ist verpflichtet, diese

Bezeichnung im Handelsregister löschen zu lassen und demgemäss

ihre Firma zu ändern. . B. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte
rechtzeitig und in

III. Obligationenrecht. N° 6. 35

richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem Antrage:
Die Klage sei gänzlich abzuweisen.

C. In der heutigen Verhandlung erneuert der Vertreter der Beklagten
diesen Antrag.

Der Vertreter der Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung an.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

î. Die Klägerin, Aktiengesellschaft am. Institut Orell MLH, wurde im Jahre
1890 in Zürich gegründet zum Zwecke der Übernahme und des Betriebes der
graphisch-artistischen Anstalten und der Verlagsbuchhandlung der seit
Ende des vorigen Jahrhunderts in Zürich bestehenden Handels(Kollektiv-)
Gesellschaft Orell Füssli & Cie. Die Eintragung in das Handelsregister
Zurich erfolgte am 22. Oktober 1890. Jin Jahre 1894 begann der
Inhaber einer in Zürich bestehenden Verlagsbuchhandlung J, A.
Preuss ebenfalls die Bezeichnung Art. Institut, artistisches Institut
für sein Geschäft und seine Publikationen zu gebrauchen, während er
früher etwa seiner Firma die Worte Art, Anstalt beigefügt hatte. Er
gab jedoch vor Friedensrichteramt die Erklärung ab, sich dieser Worte
nicht mehr zu bedienen, als die Klägerin wegen dieses Zusatzes Klage
gegen ihn eingeleitet hatte. In der Folge bediente sich dann die Firma
J. A. Preuss des Zusatzes Ari. Etablisseinent, und änderte im Jahre
1897 ihre Firma ab in J. A. Preuss, Art. Etablissement; als Natur des
Geschäfte-s wurde Verlagsbuchhandlung und artistisches Etablissement
angegeben. Im Juli 1898 erwarb dann die beklagtische Aktiengesellschaft,
deren Firma lautet: Bibliograph. Art. Institut Zürich LDG/Z das bisherige
Etablissement J. A. Preuss; die genannte Firma wurde am 13. Juli 1898 in
das Handelsregister Zürich eingetragen. Die Klägerin erblickte nun in
der Verwendung der Worte Art. Institut Zurich durch die Beklagte eine
Verletzung ihres Firmenrechtes und erhob daher Klage mit dem Begehren,
der Beklagten sei jeder geschäftliche Gebrauch dieser Worte, insbesondere
in der Firma, gänzlich zu verbieten und es sei der diesbezügliche Eintrag
im Handelsregister Zürich zu löschen. Zur Begründung der Klage führte sie
im wesentlichen aus: Die Bezeichnung am. Institut sei von ihr zuerst im