586 Entscheidungen der Schuldbetreihungs-

120. Entscheid vom 22. Dezember 1899 in Sachen Finanzdirektion des
Kantons Zürich und Konsorten.

Die Arrestbetree'bung bezieht sich nur auf das Arrestobjekt; es kann
daher dafür nicht cm einem andern Orte als demjenigen des Arrestes
Ergänzungspfändung verlangt werden. Vollstreckbaeffkeit ausserkantomler
Steuerfoe'derungen. Art. 52 und 80 Beth-Ges. .

I. Die Finanzdirektion des Kantons game), die Stadtgemeinde Winterthur und
die Gemeinde Oberwinterthur machten gegen den in Stein a. Rh. wohnhasten
J. Morf-Brüngger eine Steuerforderung von circa 8000 Fr. geltend. Sie
erwirkten hiefür einen Arrest auf eine Schuldbriefforderung des
Morf-Brüngger an Dr. Morf in Winterthur und hoben daraufhin für
den gesamten Steueranspruch Betreibung an. Die mit Arrest belegte
Forderung wurde am 15. Juli 1899 infolge Fortsetzungsbegehrens der
betreibenden Gläubiger gepfändet, wobei der Drittschuldner Dr. Mors
seine Zahlungspflicht bestritt.

Schon vor dieser Pfändung hatte der Betreibungsbeamte von Winterthur
mit Requisitorial vom 13. Juli 1899 das Betretbungsamt Stein ersucht,
beim Schuldner eine Pfändung zu vollziehen mit dem Bemerken, es seien
allfällig vorhandene Wertschriften, GoldUnd Silberwaren ze. in amtliche
Verwahrung zu nehmen. Dabei hatte er erklärt, dass die in Winterthur zn
vollstreckende Pfändung voraussichtlich resultatlos sein werde.

Das Betreibungsamt Stein verweigerte die Vornahme der verlangten Pfändung,
indem es unter Berufung auf Art. 22 des kanionalen Einsührungsgesetzes
zum Bundesgesetze den Standpunkt einnahm, die in Betreibung
gesetzte Forderung sei im Kanton Schaffhausen nicht exequierbar,
da sie öffentlich-rechtlicher Natur sei und aus ein Erkenntnis einer
ausserkantonalen Verwaltungsbehörde sich gründe.

Gegen diese Verfügung des Betreibungsamtes Stein beschwerien sich
die betreibenden Parteien mit dem Begehren, das Amt zur Vornahme der
nachgesuchten Ergänzung der Pfändung beim Schuldner anzuhaltenund
Konkurskammer. N° 1'20. 587

II. Die Aufsichtsbehörde des Kantons Schaffhausen wies die Beschwerde
am 5. September 1899 mit nachfolgender Begründung ab:

Art. 89 des Bundesgesetzes spreche zwar davon, dass die Pfandung
dem Betreibungsamte des Ortes der gelegenen Sache übertragen werden
könne. Daraus gehe aber nur ganz allgemein die Verpflichtung des
Betreibungsbeamten zur Rechtshülfeleistung hervor-. Ob diese Verpflichtung
eine unbedingte, eine Prüfung des gestellten Begehrens ausschliessende
sei, werde nicht gesagt und sei deshalb mangels einer ausdrücklichen
Bestimmung nicht anzunehmen.

Erweise sich somit der vom Betreibungsbeamten von Stein eingenommene
Standpunkt grundsätzlich als richtig, so frage sich nur nod), ob sich
dieser Beamte bei Verweigerung der Rechtshülfe auf berechtigte Gründe
gestützt habe-. -

Nun sei zweifellos die Stellung des Amtes gegenüber einer im Kanten
nicht vollstreckbaren Forderung keine verschiedene, ob diese Forderung
Gegenstand einer bei ihm eingeleiteten Betreibnng bilde, oder ob
ihm ihre Vollstreckung bloss auf dem Wege des Rechtshülsebegehrens
zugemutet merde. In Wirklichkeit sei aber gemäss Art. 80 B.-G. und
Art. 22 des kantonalen Einführungsgesetzes die in Frage stehende
Forderung nicht vollstreckbar, da sie sich als eine auf Grund eines
Erkenntnisses einer ausserkantonalen Verwaltungsbehörde entstandene
qualifiziere und Art. 22 cit. nur die Entscheide und Beschlüsse der
schaffhauserischen Verwaltungsbehörden vollsireckbaren gerichtlichen
Urteilen gleichstelle. Im Kanton Schaffhausen wäre also für die
genannte Forderung keine Rechtsöffnung erteilt worden, woraus folge,
dass sie, trotzdem sie vom Bezirksgerichtspräsidium Winterthur im
Rechtsöfsnungsversahren als vollstreckbar erklärt worden sei, doch
durch den Betreibungsbeamten des Kantons Schaffhausen nicht vollstreckt
werden dürfe. Zudem habe der schaffhauserische Richter eine Klage auf
Anerkennung dieser Forderung mit Urteil vom 24. Januar 1898 abgewiesen,
so dass bezüglich ihrer res judicata vorliege.

Sofern im weitern der in Winterthur erwirkte Arrest kein fingierter sei,
so müsse daselbst ein pfändbares Vermögensobjekt des Schuldners liegen
und brauche der Gläubiger nicht an andern Orten nach Pfändungsgegenständen
zu fahnden. Überhaupt könne

588 Entscheidungen der Schuldbetreibu ngs-

die am forum arresti vorgenommene Pfändung nur den Arrestgegenstand
ergreifen und sei das forum arresti nur ein Ersatzgerichtsstand
für das mangelnde forum domiciiii; es könne deshalb nicht eine
Psändung konkurrierend am Arrestorte und am Wohnorte des Schuldners
erfolgen. Morf-Brüngger müsse vielmehr zwecks Pfändung der in seinem
Besitze befindlichen Vermögensstücke an seinem Wohnsitze Stein
a. Rh. betrieben werden.

III. Gegen diesen Entscheid rekurrierten die Finanzdirektion des Kantons
Zurich, die Stadtgemeinde Winterthur und die Gemeinde Oberwinterthur
rechtzeitig an das Bundesgericht. Sie Beantragen, es sei das
Betreibungsamt Stein a. Rh. zur Vomahme der nachgesuchten Ergänzung der
Pfändung bei J. Morf-Briingger anzuweisen, und bringen zur Begründung vor:

Es handle sich um Steuersorderungen, die, wie unbestritten, auf
rechtskräftig gewordenen Entscheidungen zürcherischer Verwaltungsbehörden
beruhen. Der Kanton Schaffhausen verweigere einerseits die Exekution für
diese Guthaben; anderseits lehnen es seine Gerichte wegen angeblicher
Jnkompetenz ab, darüber zu erkennen. Auf diese Weise seien die Gläubiger
mit ihrer Forderung im Kanton Schasfhausen rechtlos. Mori habe zudem
sowohl bei Zustellung des Zahlungsbefehles als im Rechtsöffnungsverfahren
die Ergreifung der gesetzlichen Rechtsinittel unterlassen. Die gespsändete
Forderung werde in fingierter Weise von einein Schwiegersohne des
Mors als Eigentum angesprochen. Infolgedessen hätten die Gläubiger
einen nngedeckten Pfandschein erhalten und deshalb Fortsetzung der
Pfändung in Stein a. Rh. verlangt. Die Betreibung sei am richtigen Orte,
demjenigen des Arrestes, angehoben worden. Die Ansicht, die Betreibung
am Arrestorte könne sich nur auf das Arrestobjekt erstrecken, erweise
sich als irrtümlich; vielmehr müsse die Psändung auf Requisition ergänzt
werden und zwar auch durch Objekte, die sich an einem andern Orte,
z. B. am Wohnsitze des Schuldners befinden.

IV. Z. Mvrf-Brüngger trägt in seiner Vernehmlassung auf Abweisung des
Rekurses an.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung: i, Es steht
aktenmässig fest und wird von den rekurrierendenund Konkurskammer. N°
120. 589

Gläubigern noch besonders darauf hingewiesen, dass die Betreibung,
bezüglich der sie Ergänzung der Psändung am Wohnsitze des Schuldner-s in
Stein a. Rh. nachsuchten, eine in Winterthur angehobene Arrestbetreibung
ist. Nun richtet sich aber die Arrestbetrei.bung, sofern für sie
im Sinne von Art. 52 B.-G. ein Spezialsforum des Ortes, wo sich der
Arrestgegenstand befindet, besteht, nur gegen letztern, und es kann nicht
nachträglich aus dem Wege der Pfändungsergänzung noch anderes Vermögen
des betriebenen Schuldners, das ausserhalb des Arrestortes liegt, in
dieselbe einbezogen werden. Denn dadurch würde sie in ihrer Wirkung
einer gewöhnlichen Betreibung gleichgestellt, Und es würde sich die mit
dem Sinne des Art. 46 B.s-G. unvereinbare Konsequenz ergeben, sdass,
sobald die Forderung des Gläubigers arrestfähig isf, der Schuldner für
dieselbe bezüglich seines gesamten Vermögens und nicht nur bezüglich
der am Arrestorte befindlichen Objekte ausserhalb seines Wohnsitz-es
betrieben werden kann.

2. Dem gegenüber lässt sich auch nicht geltend machen, dass es sich
vorliegenden Falles um Steuern, also um Forderungen öffentlich-rechtlicher
Natur, handle. Freilich hat das Bundesgericht entschieden, dass bei
der Betreibung solcher Forderungen die Garantie des Wohnsitzes als
Ort der Betreibung im Sinne von Art. 46 cit. nicht Platz greise,
so dass die Betreibung im KanTone, wo die Forderung entstanden
isf, auch gegen den ausser Kantones wohnenden Schuldner angehoben
werden dürfe (vgl. Entscheid des Bundesgerichtes, Bd. XXIII, Nr. 64,
i. S'. Bloch). Daraus folgt aber keineswegs, dass nun auch ausserhalb
des Kantons liegende Vermögensstücke des Schuldner-s in die angehobene
Betreibung einbezogen werden können. Vielmehr wird die Statthaftigkeit
einer solchen Massnahme wesentlich davon abhängen, sob die Gesetzgebung
des-, Kantons, in dem die genannten Vermögensstücke sich befinden die
Exekntion in dieselben für die berriebene Forderung zulässt, d. h., ob
sie auch Beschlüsse und Entscheide ausserkantonaler Verwaltungsorgane
als vollstreckbar erklärt.

Und abgesehen hievon liegt eben hier keine gewöhnliche, sondern seine
Arrestbetreibung vor, welche nach obigen Ausführungen als solche schon,
d. h. unabhängig von der Frage, ob sie für privat-

xxv, i. 1899 39

590 Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

oder für öffentlich-rechtliche Forderungen erfolge, die im Kanten
Schaffhausen befindliche pfändbare Habe des Schuldners nicht

ergreifen kann. ' 3. Nach dem Gesagten ist die Weigerung des
Betreibungsamtes

Stein a. R. zur Vornahme der verlangten Ergänzungspfändung als eine
begründete zu erachten. Es lässt sich hiegegen auchnicht der frühere
Entscheid des Bundesgerichtes in Sachen Stoller (Archiv, Bd. V,
Nr. 32) anführen, wonach erklärt wurde, der um Rechtshülfe angegangene
Betreibungsbeamte habe die örtliche Zuständigkeit des requirierenden
Betreibungsbeamten nicht zu prüfen, sondern dem Begehren ohne weiteres
Folge zu gehen. Denn vorliegenden Falles stützt sich die Weigerung, die
Ergänzungspfändung zu vollziehen, nicht etwa auf eine Bemängelung der
Gesetzmässigkeit der in Winterthur angehobenen Arrestbetreihung, sondern
darauf, dass diese Vetreibung zu dem gestellten Rechtshülfebegehren,
d. h. zur Vornahme von Betreibungsakten im Kamen Schaffhansen, offenbar
nicht berechtige, gerade weil es sich um eine Arrestbetreibuug handle und
weil diese zudem für eine im Kanton Schaffhausen nicht erekutionssähige
Forderung erfolge. ss Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer
erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.

121. Entscheid vom 22. Dezember 1899 in Sachen . Akkumulatorensabrik
Oerlikon und Konsorten.

Kompetenz der Aufsichtsbehörden bezüglich Anfechtung des,
Kollokationsplemes bezw. Beschlüsse der Gläubigereersammlang. Befugnisse
des Gläubigerausschusses und der Kon- kursverwaliung. AN. 2 14 245,
247 , 237 Bahn Ges.

I. Im Konkurse des Josef Meier, Fabrikanten in Wohlhusen, meldete
Dr. Pestalozzi in Zürich eine Forderung von 472,419 Fr. 70 Cis an,
für die Pfandeventuell Retentionsrecht an mehreren vGiilten in Anspruch
genommen wurde. Die Konkursverwaltungund Konkurskammer. N° 121, 591

Konkursamt Ruswyl, wies die Forderung, weil nicht hinlänglich belegt,
weg. Dagegen beschloss der von der Gläubigerversammlung bestellte und von
ihr mit den Befugnissen des Art. 237 des Betreibungsgesetzes ausgestattete
Gläubigerausschuss, als ihm der Entwurf des Kollokationsplanes
vorgelegt wurde: Die von der Konkursverwaltung beantragte Wegweisung
der Forderung mit Pfandrecht wird nach Prüfung der ausgelegten
Belege und der Korrespondenzen und der von Meter und Pestalozzi
gestellten Rechnungsauszüge, sowie der Bücher Meiers von Seite des
Gläubigerausschusses nicht aufgenommen und die Konkursverwaltung
beauftragt, die Wegweisung nicht zu verfügen in der Meinung,
dass die Anfechtung den einzelnen Gläubigern zu überlassen sei. Die
Konknrsverwaltung trug diesen Beschluss im Kollokationsplan, in den die
Forderung mit der ursprünglichen Wegweisungsverfügung aufgenommen worden
war, im Anschluss an letztere ein. Nachdem dann der Kollokationsplan
mit dieser und andern Abänderungen vom Gläubigerausschuss genehmigt
und aufgelegt worden war, erhoben die Akkumulatorenfabi-if Orlikon
und 25 andere Konkursgläubiger des Z'. Meier Beschwerde bei der untern
kantonalen Aufsichtsbehörde mit dem Antrag, es sei die Verfügung des
Gläubigerausschusses als ungesetzlich und unverbindlich aufzuheben und zu
erkennen, dass der Kollokationsplan so als aufgelegt zu gelten habe, wie
ihn die Konkursverwaltung entworfen bezw. festgestellt habe, das heisst
unter Wegweisung des fraglichen Postens des Dr. Pestalozzi. Schon vorher
war von Samuel IDätwyler in Windisch eine auf das nämliche gerichtete
Beschwerde bei der untern kantonalen Aufsichtsbehörde eingereicht
worden. Konkursverwaltung und Gläubigerausschuss opponiertengegen beide
Beschwerden, wobei sie vorab die Einrede der Jnkompetenz erhoben. Auf die
Beschwerde des S. Dätwyler trat die untere kantonale Aufsichtsbehörde laut
Beschluss vom 6. Juli 1899 wegen Unzuständigkeit nicht ein. Diejenige
der 26 Kreditoren wurde mit Entscheid Vom T. August 1899 abgewiesen
mit dem Beifügen, dass die Verfügung des Gläubigerausschusses aufrecht
erhalten werde; immerhin wurde in den Motiven ebenfalls ausgeführt,
dass die Anfsichtsbehörden in der Sache nicht kompetent seien. Beide
Entscheide wurden an die