458 Siaatsrechfliche Entscheidungen. ll. Abschnitt. Bundesgesetze.
4. L'art. 18 de la loi sur les rapports de droit civil, également citée
per la, recoumnte à. l'appui de ses conclusiens, ne parait pas davantege
avoir subi une atteinte de par l'ordonnance attaqnée. Il n'est, en effet,
point contraire à cette disposition qu'une personne soitsidésignée, en
dehors du tutenr proprement dit à Genève, avec mission de surveiller,
dans le canton du Valais, les intéréts des mineursdont il s'agit au nom
des autorités tutéiaires genevoises. Orsi rien ne permet d'admettre que
le ròle du sieur Louis Jost; s'étende au delà de ses limites surtout
en présence de la declaration expresse, contenue dans le réponse de
Ia Chambre des tutelles de Genève, que l'autorité tutélaire genevoise
ne s'est jamais dessaisie de la rutelle des enfants Bacher, et qu'elle
continue à l'exercer aussi bien à I'égard de ceux d'entre enx qui ont
dù étre places en Valais, que de ceux qui sont restés à Genève.
Par ces motifs, Le Tribunal federal prononee: Le reccurs est
écarté.I. Kompelenzfibersehreitungen kantonaler Behörden. N° 96. 4-59
Dritter Abschnitt. _ Troisième section.
Kantonsverfassungen.
Constitutions cantonales.I. Kompetenzüberschreitung-en kantonaler
Behörden. Abus de competence des autorités cantonales.
96. Urteil vom 9. November 1899 in Sachen Dürrenmatt und Konsorten
gegen Bern.
Rekurs gegen einen Beschluss eines Groswn Rates: weil derselbe
nicht der Veiksabstimmung unterbreitet werden ist. _ Legétimaééon
zum Rekurse.-Stellung des Bundesgerichäes. Art. 6 Ziff. 4
bem. Verf. Endgültige Kompetenzen des Grossen Rates nach bernisehem
Verfassungsaffiecht.
A. Am 27. Dezember 1898 fasste der Grosse Rat des Kantons Bern nach dem
Antrage des Regierungsrates betreffend Neubau einer Hochschule und Verkan
der alten Hochschule an die Gemeinde Bern folgenden Beschluss:
I-
1. Esist auf der Grossen Schanze in Bei-n zwischen derSternwarte und
dem Verwaltungsgebäude der Jura-Simplon-" Bahn, auf Grund des von der
Konkurrenzjury mit dem ersten Preise gekrönten Vorprojektes von Hodler
und Zog, ein neues Hochschulgebäude zu erftellen.
2. Hiefür werden der Baudirektion folg-nde Kredite zur Vetfügung gestellt:
460 Staatsrcchtliche Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantansverî'assungen.
a. der von der Gemeinde Bern sür die alte Hochschulbesitzung ein der
Herrengasse zu bezahlende Kauspreis von 500,000 Fr.;
b. eine Summe von 500,000 Fr. aus Budgetrubrik XD, neue Hochbautenz
c. der von der Gemeinde Bern am 13. November 1898 für den Bau der
Hochschule bewilligte Beitrag von 200,000 Fr.
3. Das spezielle Aussührungsprojekt für den Neubau ist dem
vLitegierungsrat zur Genehmigung vorzulegen.
4. Die Vergebung der Arbeiten hat auf vorausgegangene
Konkurrenzausschreibnng hin aus Grund genauer Detailpläne und Devise
durch den Regierungsrat zu erfolgen. Demselben wird zur Pflicht gemacht,
nicht eher zur Hingabe und zum Beginn der Arbeiten zu schreiten, als bis
er die Gewissheit erlangt I)-at, dass der Bau ohne Überschreitung der zur
Verfügung stehenden Bausumme von 1,20lj,000 Fr. ausgeführt werden kann.
II.
Dein Kausvertrag zwischen dem Staat Bern und derEinwohnergemeinde
der Stadt Bern um das Hochschulgebäude und das ehemalige
Kantonsschulgebäude samt Grund und Boden im grünen Quartier der Stadt
Bern, d. d. 24. September 1897, wird die Genehmigung erteilt.
III.
Durch diesen Beschluss und namentlich durch die von der
Einwohnergemeinde Bern an der Gemeindeversammlung vom
13. November 1898 beschlossene Erklärung wird die Frage der _
weitem Leistungen der Gemeinde Bern an die Hochschule in feiner Weise
präjudiziert.
Bei der Diskussion über diese Vorlage stellte Grossrat Dimenmatt den
Antrag, es sei der Beschluss des Grossen Rates der Volksabstimmung zu
unterbreiten. Der Antrag wurde abgelehnt und in der Schlussabstimmung
die regierungsrätliche Vorlage in der wiedergegebenen Fassung mit grosser
Mehrheit angenommen
Der Kausvertrag zwischen dem Staat und der Gemeinde Bern vom 24. September
1897, dem nach Biff. II des grossrätlichen Beschlusses vom 27· Dezember
1898 die Genehmigung erteilt wurde, bezeichnet als Gegenstand der
Handänderung das Hochschnlgebäude, das ehemalige Kantonsschulgebäude
und den GrundI. Kompetenzüberschreimngeu kantonaler Behörden. N° 96. 461
und Boden, auf dem die beiden Gebäude stehen, mit einem Flächeninhalt
von 43,56 Aten, Das Terrain war laut Tauschvertrag zwischen dem Staat
und der Stadt Bern vom 11. Januar 1887 zu gunsten der letztern mit der
Dienstbarkeit einer öffentlichen Durchsahrt von der Herrengasse durch
den Klosterhos zur Kirchenfeldbrücke und umgekehrt in einer Breite
von mindestens 8,5 Meter belastet worden. Die Grundsteuerschatzung der
verkauften Objekte beträgt:
für das Hochschulgebäude . . . Fr. 165,000
für das Kantonsschulgebäude. . 85,000
für Grund und Boden. . . . 435,000 Der Kaufpreis wurde auf 500,000
Fr. festgesetzt Nach Ziffers der Vertragsbedingungen übernahm überdies
die Gemeinde Bern dem Staate gegenüber die Verpflichtung, die Herrengasse
nach Westen zu öffnen bezw. bis an die Polizeigasse zu verlängern. Für
die Benutzung der verkauften Gebäude hatte bisher dieErziehungsdirektion
der Domänendirektion buchmässig einen jährlichen Zins von 24,600
Fr. vergütet. Effektiv bezog der Staat Bern überdies aus den fraglichen
Immobilien an Mietund Pachtzinsen jährlich 200 Fr. für einen Keller und
für die sog.Klosterhalbe, einen Garten beim Hochschulgebäude.
Das Terrain der Grossen Schanze, von dem ein Teil als Bauvlatz für die
neue Hochschule verwendet wird, gehört dem Staat Bern seit der im Anfange
dieses Jahrhunderts vorgenommenen Vermögensausscheidung zwischen Stadt
und Kanton Bern. Für den Neubau werden wie es scheint drei Parzellen mit
einer Grundsteuerschatzung von zusammen 88,220 Fr. in Anspruch genommen
Eine derselben mit einer Grundsteuerschatzung von 45,000 Fr. ist im
Domänenetat als Bauterrain bezeichnet.
B. Gegen den grossrätlichen Beschluss vom 27. Dezember 1898 erhoben
Dürrenmatt und eine Anzahl anderer stimmberechtigter Bürger des Kantons
Bern staats-rechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Die Rekurrenten
beantragen:
1. Es sei jener Beschluss aufzuheben; eventuell
2. Es sei zu erkennen, der Beschluss unterliege der Volksabstimmung
und könne so lange nicht in Kraft erwachsen, bis das Berner Volk dessen
Annahme beschlossen habe.
XXV, 1. 1899 31
482 Siaatsrechtliche Entscheidungen. HE. Abschnitt. Kaniousverfassungen.
Für den Fall, dass angenommen würde, es stehen die Posten unter Biff. 2
litt-. a und b des angesochteuen Beschlusses nicht in einem notwendigen
Zusammenhang und es sei die Verfassungsmässigkeit des Beschlusses für
jeden einzelnen derselben gesondert zu prüfen, werden die Rekursbegehren
als gegen jeden der beiden Posten für sich gerichtet bezeichnet Dagegen
wird ausdrücklich etf-art, dass der Beitrag der Gemeinde Bern sub litt. c
der Biff. 2 des grossrätlichen Beschlusses durch die Beschwerde nicht
berührt werde. Der Rekurs stützt sich auf Art. 6 Ziff. 4 der beruischen
Kantonsverfassungz überdies wird auf Art. 26 Ziff. 9 und Art. 111 der
Verfassung verwiesen. Die Beschwerdeführer stellen die Behauptung auf,
dass sie durch den grossrätlieben Beschluss vom 27. Dezember 1898 in
den ihnen durch dieVerfassung garantierten politischen Rechten verletzt
seien, und dass Überhaupt der Grosse Rat das in der Verfassung vorgesehene
Recht des Volkes auf Abstimmung Über den fraglichen Beschluss missachtet
babe. Diese Behauptungen begründen sie in der'Rekursschrift und in der
Replik im wesentlichen wie folgt:
a. Der Erlös aus dem Areal der alten Kantonsschule müsse mit 500,000
Fr. als Ausgabe für den neuen Hochschulbau mit in Rechnung gebracht
und zu dem aus der laufenden Verwaltung bewilligten Kredit von 500,000
Fr. hinzugerechnet werden. Dieser Erlös gehöre zum Aktivvermögen des
Staates und werde, durch Verwendung zu einem neuen speziellen Sme-ife,
eben auch ausgegeben. Wenn der Staat eine Million für einen Hochschulbau
verwende, so sei es an sich ohne Bedeutung, wie und wo er sich diese
Summe verschaffe, ob er sie entlehne oder seinem eigenen Staats-vermögen
entnehme u. s. w. Ausgaben seien auch diejenigen Verminderungen des
Stammvermögens des Staates, welche aus eine Willenserklärung, resp. eine
Handlung des Eigentümers zurückzuführen sind, überhaupt fallen unter jenen
Begriff alle Summen und Werte, welche weggegebeu werden und um welche sich
der Vermögensoder auch nur der Kassabestand vermindert. Dass dies der Sinn
des Wortes Ausgabe in Art. 6 Ziff. 4 der Verfassung sei, ergehe sich aus
der Entstehungsgeschichte der Bestimmung und aus den für die bernische
Finanzverwaltung aufgestellten gesetzlichen Normen. Ari. 6 am. 4 der
Verfassung seiI. Kompeienziîberscheeimngen kantonaier Behörden. N° 96. 463
aus dem sog. Referendumsgesetz vom 4. Juli 1869, § 2, herübergenommen Die
Bestimmung habe, wie aus der Diskussion im Schosse des Grossen Rates und
aus der Proklamatiou dieser Behörde an das bernische Volk vom 19, Mai
1869 hervorgehe, den Zweck verfolgt, dem Volke ein Mitverwaltungsrecht
in staatlichen , speziell finanziellen , Angelegenheiten zuzuerkennen.
Dieses Recht dürfe-, weil ein Volksrecht, im demokratischen Staate nicht
von einer engherzigen oder unsichern Tertesinterpretation abhängig gemacht
werben. Auf die bei der Gesetzesberatung ausgesprochene Befürchtung, dass
der Finanzreserendumsartikel in der Praxis ein toter Buchstabe bleiben
werde, habe man mit der Zussicherung geantwortet, dass derselbe loyal
und ehrlich interpretiert werben solle· Damals wäre eine Interpretation,
wie sie heute versucht werde, als unmöglich und undemokratisch bezeichnet
worden. Ausgabe sei also jede Verwaltungsmassnahme, durch welche über
einen Vermögens-wert des Staates in irgend einer Weise versiegt wird,
und zwar abgesehen davon, ob eine Zweckveränderung vorgenommen werde
oder nicht; die Mitverwaltung des Volkes müsse überall da Platz greifen,
wo Werte von 500,000 Fr. in Frage stehen oder das Vermögen des Staates
direkt oder indirekt durch eine Massnahme, welche finanzielle Folgen
von erwähntem Betrag nach sich zieht, berührt wird. Nach § 17 des
Gesetzes über die Finanzverwaltung vom 31. Juli 1872 (Begni. s 12
Ziff. 3 des Gesetzes betreffend die Vereinfachung der Staatsverwaltung
vorn 2. Mai 1880) falle der Erlös aus Domänen in die Domänenkasse, wo er
als Gegenwert der nicht mehr vorhandenen Gegenstände zu verbleiben habe;
und die Verwendung desselben zu einem Neubau sei an sich eine unzulässige
Operation, wenn sie nicht als Ausgabe bezeichnet werde. Die 500,000 Fr,
Kaufpreis stellen eine Verminderung des Staatsvermögens dar, welches
für diese Ausgabe kreditiert werden müsse. Unrichtig sei die Ansicht,
dass Antan und Veräusserung von Liegenschaften resp. andern Werten ohne
weiteres stattfinden können und sich höchstens als Verwaltungsmassregel
charakterisieren; nach dieser Ansicht könnte sich der Staat Bern in
Bauoder Grund: und Bodenspekulationen einlassen, die in die Millionen
gingen, ohne ein Veto des Volkes befürchten zu müssen.
464 Staatsrechtliche Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
Mit § 11 letztem Absatz des Gesetzes von 1872, der unter dem
Titel III. Allgemeine laufende Verwaltung stehend den § 2 des
Referendumsgesetzes von 1889 wiedergibt, könne nicht argumentiert werden,
weil man es heute mit einer Verfassungsbestimmuug zu thun habe, die damals
nicht existierte und die keinen Unterschied mache, ob eine Ausgabe aus der
laufenden Verwaltung bestritten werde oder vom Stammvermögen herrühre,
und weil nach hernischem Verwaltungsrecht überhaupt alle Ausgaben durch
die laufende Verwaltung besorgt werden; würden daher dem Stammvermögen
Kapitalien entnommen, so müssten sie dem Konto der laufenden Verwaltung
zur Verfügung gestellt werden, welche Verwaltung einzig sie effektiv
ausgeben könnt-, da das Stammvermbgen grundsätzlich nicht vermindert
und mit demselben keine selbständigen Operationen vorgenommen werden
dürfen. In einem Worte, die Ausgaben könnten allein durch die laufende
Verwaltung besorgt und gebucht werden. Die in § 17 Abs. 5 des Gesetzes
über die Finanzverwaltung vorgesehenen Fälle der Beitragsleistung der
Domänenverwaltung an die Kosten eines Neubaus treffen nicht zu.
b. Abgesehen von der Frage der Zusammenrechnnng der beiden Posten, führt
die Rekursschrift weiter aus, belaufe sich die Ausgabe für die Errichtung
eines Hochschulgebäudes auf über 500,000 Fr. Nach § 17 Abs. 3 des Gesetzes
über die Finanzverwaltung müsse nämlich die laufende Verwaltung der
Domitnenverwaltung die Differenz zwischen der Grundsteuerschatzung und dem
Erlös der veränsserten Objekte ersetzen. Im vorliegenden Falle belaufe
sich diese Differenz auf 185,000 Jus-, die somit zu dem Baukredit von
500,000 {Sr. hinzukommen. In der Replik wurde, nachdem die Antwort darauf
hingewieer hatte, dass § 17 Abs. 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung
durch das Gesetz über die Vereinfachung der Staatsverwaltung vom 2. Mai
1880 das Rechnungsverhältnis zwischen Domänenverwaltung und laufender
Verwaltung bei Veräusserung von Domäneu aufgehoben babe, dieser Standpunkt
fallen gelassen. Dagegen wurde nun befont, die neue Bestimmung aus dem
Jahre 1880 spreche nicht gegen die Rekurrenten, sondern unterstütze
ihre Auffassung in der Hauptsache die Auffassung nämlich, dass der ganze
Kaufpreis[. Kompetenzüberschreitungen kantonaier Behörden. N° 98. 435
von 500,000 Fr. als Ausgabe zu behandeln fei. Und ferner wurde
ausgeführt: Nach den Berechnungen der Finanzdirektion fielen von der
Grundsieuerschatzung der verkaufte-n Immobilien 435,000 Fr. auf Grund und
Boden, 250,000 Fr. auf die Gebäude. Letztere werden somit der Stadt Bern
für 65,000 Fr. überlassen Es sei aber schon nach dem Zins-, den dafür
die Erziehungsdirektion entrichte, nicht anzunehmen, dass dieselben nur
diesen Wert repräsentieren. Und auch der Wert von Grund und Boden sei nach
den gegenwärtigen Bodenpreisen in der Stadt Berti auf. mehr als 435,000
Fr. anzuschlagen Um diesen Mehrwert vermindere sich das Stammvermögen
des Kantons, und die von der laufenden Verwaltung zu deckenden 500,000
Fr. stellten somit nicht die ganze und volle Leistung des Staates an
die Errichtung der neuen . Hochschule dar.
c. Jedenfalls-, sagen die Rekurrenten ferner-, könne der Erlös aus dem
alten Kantonsschulgebäude nicht ohne weiteres für den Hochschulneubau
verwendet werden, da jenes nicht für Hochschulzwecke errichtet worden sei
und nicht für solche diene, der Erlös aus dem Kantonsschulgebäude somit
seinem Zwecke entfremdet würde. Und unter allen Umständen erhöhe sich
die Ausgabe von 500,000 Fr. um den Kapitalwert der Mietund Pachtzinse,
die effektiv ans den Verkaufsobjekten bis jetzt bezogen worden seien,
d. £). um etwa 4 5000 Fr.
d. Als Ausgabe sei auch der Wert des Bauplatzes auf der Grossen Schanze,
der die Grundsteuerschatzuug bedeutend übersteige, in Anschlag zu bringen.
e. Bei der Ermittlung der Gesamtausgabe, die der angefochtene Beschluss
für den Kanton Bern zur Folge habe, sei nicht nur das Hochschnlgebäude
als solches in Betracht zu ziehen, sondern alles, was zu diesem Gebäude
gehört, damit es seinem Zwecke dienen könne. Es fallen darunter also
alle Ausgaben, die mit dem Bauobjekte in irgend einem Zusammenhange
stehen. Die Verfassung mache keinen Unterschied zwischen direkten und
indirekten Ausgaben, oder zwischen solchen, die sofort und solchen, die
später gemacht werden sollen; ebensowenig kenne sie einen Unterschied
zwischen Ausgaben, die sich auf die Hauptsache beziehen und solchen,
die durch Zubehörden oder Accessorien verursacht werden,
456 staatsrechtliche Entscheidungen. Ill. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
Zu der Gesamtausgabe, welche der Beschluss vom 27. Dezember 1898 zur
Folge habe, müssten daher auch die Kosten des zur Ausstattung des
neuen Hochschulgebäudes erforderlichen Mobiliars gerechnet werden. Der
Schwerpunkt liege in den Ausgaben als Folgen des Beschlusses-. Durch
diesen werde der Staat zu einer grösseren Ausgabe als 500,000
Fr. verpflichtet Schon jetzt seien mit Rücksicht auf die notwendigen
Folgen mehr als 500,"000 Fr. für die neue Hochschule beschlossen. Auch
aus diesemGrunde müsse der Beschluss dem Referendum unter-breitet werden,
{. Wenn in einem demokratischen Freistaate die Frage der Mitwirkung
des Volkes bei irgend einer Handlung als zweifelhaft erscheinen sollte,
dann gelte der Satz: in dubio pro populo, pro refez'endo.
{). Der Regierungsrat des Kante-us Bern, dem vom Grossen Rate der
Auftrag zur Beantwortung der Beschwerde erteilt worden ist, schliesst
in seiner Vernehmlassuug auf Abweisung derselben. Zunächst wird die
Frage aufgeworfen, ob die Rekurrenten zur Beschwerde legitimiert
seien. Dies sei deshalb zu bezweifeln, weil man es nicht mit einer
die Returrenten persönlich betreffenden Verfügung und auch nicht
mit einein allgemein verbindlichen Erlass zu thun habe (Art.1'78
Biff? Organis.-Ges.). Materiell werden gegenüber den Anbringen der
Rekurrenten folgende Einwendungen erhoben:
ad a.. Der Beschluss, dass der Erlös aus der alten Hochschulbesitzung
für das neue Hochschulgebäude zu verwenden sei, habe für den Staat
nicht eine Ausgabe irn Sinne von Art. 8 Biff. é der Staatsverfassung zur
Folge. Unter den Ausgaben des Staates seien nur die Ausgaben der laufenden
Verwaltung zu verstehen. Nur diese würden in der Staatsrechnung unter der
Rubrik Ausgaben verrechnet. Dagegen erscheinen darin die Veränderungen
im Bestande des Stammvermögens nicht als Ausgaben, sondern einfach als
Vermehrung und Verminderung des Vermögens Das sei sachlich wohlbegründet,
da das Stammvermögen des Kantons beständige Wertschwaukungen ausiveise
und sich auch in seinem Bestande fortwährend Linde-re Domänen würden
veräussert, andere erworben, neue Gebäude errichtet Wenn hierbei
Ausgaben tu Betracht fallen, müsse dafür die laufende Verwaltung
aufkommen,I. Kompetenzüberschreitungcn kantonaler Behörden. N° 98. 467
soweit es sich um die Errichtung neuer Gebäude handelt und die Baukosten
nicht durch den Erlös des alten Domäuenstückes gedeckt
werden. Aber nur für diesen Betrag, nicht für ein mehreres.
Dadurch, dass der Staat den Erlös aus der alten Hochschule für die neue
verwendet, werde eine Veränderung im Bestande des Staatsvermögens nicht
bewirkt; der heute sich ergebende Minderwert werde nach Errichtung des
neuen Gebäudes als Mehrwert erscheinen Nicht einmal die Zweckbestimmung
eines vorhandenen Vermögensbestandteiles sei geändert, da das, was der
alten Hochschule diente, für die neue Hochschule zweckentsprechende
Verwendung finden soll. So sei es schon nach dem Gesetze vom 4. Juli
1869 gewesen, welches das in Frage stehende Volks-recht mit einer
uuweseutlicheu Abweichung von der jetzigen Verfassungsbestimmng -im Kanton
Berti einführte. Dieses Gesetz habe zwardem Volke ein Mitverwaltungsrecht
eingeräumt; allein es komme auf den Umfang dieses Rechts an, und dieser
sei durch das Gesetz über die Vereinfachung der Staatsverwaltung von 1880
wesentlich beschränkt worden. Für die heute streitige Frage hätten deshalb
die bei der Beratung des Gesetzes von 1869 gefallenen Boten und die
Proklamation an das Volk keinen grossen Wert. Auf dem von der Regierung
vertretenen Standpunkt stehe auch das Gesetz Über die Finanzverwaltuug von
1872 (ä 11 letzter A"bsatz). § 17 Abs . 5 dieses Gesetzes aber ergebe bei
richtiger Auslegung, dass die Domitneuverwaltung den Wert, den sie durch
Errichtung eines Neubaus erhält, an die laufende Verwaltung zu vergüten
habe. Das alte Gebäude werde aus dem Etat gestrichen und an dessen Stelle
trete das neue. Den daselbst ausgeführten zwei Fällen sei der vorliegende
gleichzustellen, d. I}. es sei hier ebenfalls der Wert der alten Domäne
von den Baukosten der neuen in Abzug zu Bringen, und was aus dem Erlös
der alten Domäne nicht gedeckt werde, sei von der laufenden Verwaltung
zu bestreiten. Wenn dem Grossen Rate das Recht bestritten werde, über
Domänenkapitalien und deren Verwendung zu verfügen, so sei dies an
der Hand des bernischen Staatsrechts offensichtlich unrichtigz in der
Verfassung stehe ausdrücklich das Gegenteil (Art. 26 Ziff. 12), und das
Nämliche ergebe sich aus § ils des Gesetzes über die Finanzverwaltung
Thatsächlich sei auch bis heute dem Grossen Rate niemals das Recht
bestritten worden,
468 Staatsrechiliche Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
Domänenverkäufe zu beschliessen, auch wenn der Verkaufswert über 500,000
Fr. betragen habe; ebensowenig habe man daran Anstoss genommen, dass der
Grosse Rat über die so dem Staate erwachsenen Einnahmen verfüge. So sei
z. B die im Jahre 1891 vom Grossen Rate beschlossene Gefängnisreforui,
die eine Reihe von Neubauten und -Einrichtungen und verschiedene
Veränderungen im Domänenbestand zur Folge gehabt, und wesentlich auf
dem im Jahre 1897 perfekt gewordenen Verkauf des alten Zuchthausareals
an den Bund um 792,000 Fr. beruht habe, ohne Begrüssung des Volkes
durchgeführt worden. Dem Bundesgericht sei übrigens die streitige Frage
bereits einmal vorgelegen, und es habe dieselbe im Sinne der Auffassung
des Regierungsrates entschieden (Entsch. i. S. Berthoud et consorts,
Amtl. Samml.,. Bd. II, S. 468 ff.).
ad b. Der Mehrwert, den die Rekurrenten den veräusserten Immobilien
über den erzielten Erlös hinaus beilegen, sei an sich eine imaginäre
Grösse. Die Gebäulichkeiten könnten bloss mit dein Abbruchwert in
Rechnung gebracht werden. Abgesehen ferner davon, dass die von der
Gemeinde Bern übernommene Verpflichtung der Ossnung der Herrengasse
dem Staate finanzielle Vorteile bringe, indem seine dort gelegenen
Liegenschaften einen höhern Wert erhielten, sei zu bedenken, dass für
einen andern Käufer, alsdie Gemeinde Bern, der Platz überhaupt keinen
so hohen Wert gehabt hätte, da er jedem andern Käufer gegenüber mit der
s. Zzu gunsten der Gemeinde errichteten Dienstvarkeit eines öffent-
lichen Durchwegs belastet geblieben wäre. Rechtlich falle zudem '
der von den Rekurrenten behauptete Mehrwert deshalb nicht in Betracht,
weil der Grosse Rat konstitutionell berechtigt sei, über die Tomänen
des Staates zu verfügen. Die Bestimmung in § 15 des Gesetzes über
die Finanzverwaltung, dass das Stammvermögen ohne Zustimmung des
Volkes in seinem Gesamtkapitalwert nicht vermindert werden dürfe,
falle nicht in Betracht, da der Nachweis nicht erbracht sei, dass
der Gesamtkapitalwert des Stammverm5gens durch den Hochschulverkauf
vermindert werde, und da überdies die fragliche Bestimmung nicht in
die Verfassung von 1893aufgenommen worden sei, weshalb eine Verletzung
derselben nicht mittelst staatsrechtlichen Rekurses gerügt werden
könnte.I. Kompetenzüberschreitungen kantonaler Behörden. N° 96. 469
ad c. Das alte Kantousschulgebäude sei seit der Errichtung des neuen
städtischen Gymnasiums thatsächlich ebenfalls zu Hochschulzweckeu
benutzt worden. Eine Zweckoeränderung liege somit in dieser Richtung
nicht vor. Was aber die Vermietung eines Kellers und die Verpachtung
eines Gartens betreffe, so seien dies geringfügige accessorische Dinge,
die keine Berücksichtigung verdienen.
ad d. Das Terrain auf der Grossen Schanze gebe der Staat nicht weg
wenn er darauf eine Hochschule errichte. C'e bleibe Eigentümer, und
es finde nicht einmal eine Veränderung statt; höchstens werde sich die
Grundsteuerschatzung erhöhen.
ad e, Die Möblierung der Hochschule habe mit dem Bau derselben nichts
zu thun. Die neuen Gebäude des Staates kommen auf den Domänenetat, also
zum Stammvermögen, während die Mobiliargegenstände auf das Inventar der
Staatsanstalten getragen werden, das zu dem Vetriebsvermögen des Staates
gehört. Die Möblierung finde auch zeitlich erst statt, wann der Hochbau
vollendet oder nahezu vollendet sei. In einer dreissigjährigen Praxis sei
denn auch die Möblierung der Staatsgebäude stets in besondern Krediten
bewilligt worden, die von jeher vom Hochbau getrennt gehalten wurden,
und zwar auch in Fällen, in denen beide Summen zusammen den Betrag von
500,000 Fr. nicht überschritten haben.
ad f. Es handle sich um die Ausscheidung verfassungsmässiger Kompetenzen;
mit blosser nervöser Betonung der Rechte des Volkes können solche Fragen
nicht gelöst werden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die sachliche Kompetenz des Bundesgerichtes steht ausser Zweifel,
da sich die Rekurrenten wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
beschweren. Es ist weiter auch nicht bestritten, dass die in Art. 178
Ziffer 1 und 3 O.-G. aufgestellten Voraussetzungen der Zulässigkeit des
staatsrechtlichen Rekurses vorhanden find. Dagegen hat der Regierungsrat
des Kantons Bern unter Hinweis auf Art. 178 Ziffer 2 leg. cit. die
Frage aufgeworfen, ob die Rekurrenten zur Beschwerde legitimiert seien.
Nach der angerufenen Vorschrift ist das Recht zur Beschwerdeführung nur
bezüglich solcher Rechtsverletzung-en gegeben, welche
470 Staatsrechtliche Entscheidungen. III. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
Bürger oder Korporationen durch allgemein verbindliche oder sie
persönlich betreffende Verfügungen erlitten haben. Nun machen die
Rekurrenten geltend, dass dem angefochtenen grossriitlichen Beschluss
die verfassungsmässig zu seiner Vollziehbarkeit erforderliche Annahme
durch das Volk mangle, und dass ihnen, als stimmberechtigten Bürgern,
das durch die Verfassung zugesicherte Recht der Stimmabgabe über
denselben vorenthalten merde. Es ist also ihre persönliche politische
Rechtsstellung, in der sie sich infolge des Vorgehens des Grossen Rates
gekränkt fühlen, und es kann deshalb an ihrem Rechte zur Beschwerdeführung
uichtgezweifelt werden.
2. Die Beschwerde stützt sich auf Art. 6 Biff. 4 der hernischen
Kantonsverfassung vom 4. Juni 1893, wo bestimmt ist, dass der
Volksabstimrnung unterliegen diejenigen Beschlüsse des Grossen Rates,
welche für den gleichen Gegenstand eine Gesamtausgabe von mehr als
fiinfhunderttausend Franken zur Folge haben, les (lécisions du Grand
Conseil qui emportent une dépense totale de plus de 500,000 fr. pour le
mème objet, wie der französische Text lautet. Der Berufung auf Art. 26
Ziffer 9 der Verfassung kommt eine selbständige Bedeutung nicht zu,
da hier einfach, unter Verweisung auf Art. 6 Abs. 4, die Kompetenz des
Grossen Rates zur Beschlussfassung über Ausgaben umschrieben ist. Dasselbe
ist zu sagen von der Anrufung des Art. 111 der Verfassung, der lediglich
den allgemeinen Grundsatz enthält, dass die Verfassung das oberste Gesetz
des Staates sei und dass
keine Gesetze, Dekrete, Verordnungen und Beschlüsse erlassen
werden dürfen, die mit ihr in Widerspruch stehen.
3. Bei der Feststellung des rechtlichen Jnhaltes einer kantonalen
Verfassungsbestimmung ist das Bundesgericht an sich frei und nur
abhängig von den allgemeinen, bei der Auslegung von Rechtsssätzeu zur
Anwendung kommenden Regeln der Logik und des Rechts-. Es ist daher, wo
die grammatische Auslegung nicht zum Ziele führt, mit den anderweitigen
Hülfsmitteln der Interpretation der Sinn der Bestimmung festzustellen,
wobei sie auch in ihre geschichtliche Grundlage zuriickzuversolgen
und auf ihren Zweck ein Hauptgewicht zu legen ist. Darum können bei
der Auslegung einer Verfassungsnorm sehr wohl auch der politische
Grundcharakter der ganzen Verfassung und die politische Tendenz einer spe-
[. Kompetenzfiberschreitungen kantcmaler Behörden N° 96. 471
ziellen Vorschrift beigezogen werden. Dass dies aber im Sinne einer
RechtsregeL einer Vermutung für die Richtigkeit dieser oder jener
Auslegung zu geschehen habe, dafür bestehen keinerlei staatsrechtliche
Anhaltspunkte Dagegen hat sich allerdings das Bundesgericht in der
freien Auslegunng kantoualer Verfassungsnortuen von jeher selbst
eine Beschränkung auferlegt, indem es erklärte, dass von der Auslegung
derselben durch jene Kantonsbehörde, die nach dem kantonalen Staatsrecht
in letzter Instanz zur Lösung verfassungsrechtlicher Fragen berufen ist,
nicht ohne Noth abzugeben sei. Nach dieser Praxis ist der Interpretation,
die eine kantonale Verfassungsbestintmung von seiten der zu ihrer
Anwendung und Auslegung in letzter Instanz berufenen kantonalen Behörde
erfahren hat, ein besonderes Gewicht beizulegen; sie ist selbst dann
anzuerkenner wenn an sich auch eine andere Auslegung als möglich, ja
sogar als besser begründet erschiene, und das Bundesgericht hat nur in
dem Falle einzuschreiten, wo die kantonale Auslegung sich als zweifellos
unrichtig darstellt (vgl. Amtl. Samtnl., Bd. I, 'S. 316; Bd. H, S. 242
und 482X483 ; Bd. IH, S. 269; Bd. IX, S. 250; Bd. XII, S. 92; Bd. XVI,
S. 81; Bd. XXIV *, S. 645). ss
4. Die Rekurrenten machen in erster Linie geltend, die Kompetenzgrenze
des Grossen Rates sei deshalb überschritten, weil zu dem von ihm auf
Budget-Rubrik X D bewilligten Kredite von 500,000 Fr. der Erlös aus
der alten Hochschulbesitzung mit 500,000 Fr. hinzugerechnet werden
müsse-. Dieses Begehren ist begründet, wenn die Verwendung des
erwähnten Erlöses zur Deckung eines Teiles der Erstellungskosten des
neuen Hochschulgebändes eine Ausgabe im Sinne von Art. 6 Ziffer 4 der
Verfassung bedeutet. Die Rekurrenten behaupten, unter den Begriff der
Ausgabe falle jede Verwendung von Staatsmitteln ohne Rücksicht darauf,
ob diese dem Staatsvermögen entnommen oder aus der Verwaltung bestritten
werden; an anderer Stelle bezeichnen sie als Ausgabe überhaupt die Summen
und Werte, um welche sich das Vermögen oder auch nur der Kassabestand
vermindert Nun muss aber dieser letztere Standpunkt, wonach als
Ausgabe jeder Kasseausgang zu betrachten ware, von Vornherein i. Teil.
472 Staatsrechtliche Entscheidungen]. Il]. Abschnitt. Kanwnsverfinssungen.
als unhaltbar verworfen werden. Die Rekurrenten verleugnen ihn selbst,
wenn sie erklären, dass die Subvention von 20(),000 Fr., welche die
Gemeinde Beru an den Hochschulneubau leistet, und die ja auch durch
die Staatskasse geht, nicht in Betracht falle. Und in der That ist
es flat, dass das Kriterium für den Begriff der Ausgabe nicht in
dem äussern Umstande gefunden werden kann,. dass eine gewisse Summe
nach der Kassarechnung und durch Vermittlung der Staatskasse für einen
bestimmten Gegenstand verwendet und ausgegeben wird. Sonst fiele darunter
z. B. auch die vertragsmässige Verzinsung, Amortisation und Rückzahlung
von Anleihen, was doch offenbar nicht im Sinne der Verfassung liegt. Aber
auch der Ansicht, dass jede Aufwendung von Staatsmitteln als Ausgabe
zu betrachten sei, ohne Rücksicht auf den Ursprung dieser Mittel,
ist nicht beizutreten. Als eine Ausgabe wird dem Wesen der Sache nach
in der privaten und der staatlichen Finanzwirtschaft die Verwendung
vorhandenen Vermögens nicht betrachtet, wenn und soweit infolge der
Verwendung einfach ein neuer, gleichartiger Wert an Stelle eines bisher
vorhandenen tritt. Und dass eine Verfügung letzterer Art insbesondere auch
nicht als Ausgabe im Sinne des Art· 6 Ziff. 4 der bemischen Verfassung
betrachtet werden kann, erhellt klar aus der Entstehungsgeschichte dieser
Verfassungsbestimmung Dieselbe findet sich mit einer unwesentlichen
Abweichung erstmals int§ 2 des sogenannten Referendumsgesetzes vom
4. Juli 1869. Jhr folgt in § 3 jenes Gesetzes die Anordnung, dass die
Finanzverwaltung durch einen Voranschlag für einen Zeitraum von je
4 Jahren zu regeln sei, woran sich folgende Vorschriften schliessen:
Dieser Voranschlag enthält den Finanzplan, welcher mit Rücksicht auf
die durch Gesetze oder Beschlüsse eingegangenen Verpflichtungen und die
Bedürfnisse des Staatshaushaltes entworfen wird und auf dem Grundsätze
oeruht, dass das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben einzuhalten
und eine allmälige Tilgung der Staatsschulden anzusireben ist. Er soll
demnach umfassen:
1. Einen summarischen Voranschlag der jährlichen Bedürfnisse des
Staatshaushaltesz
2. einen vollständigen Amortisationsplan der Staatsschulden;
3. einen summarischen Voranschlag der ordentlichen Jahreseinnahmen
;I. Kompetenzüberschreiîungen kantonaier Behörden. N° 96. 473
4. die Steueranlage. Die Bestimmungen von § 2 und § 3 stehen in einer
nicht zu verkennenden Wechselbeziehung zu einander. Sie regeln die
Voraussetzungen, unter denen dem Volke ein Mitbestimmungsrecht in der
Finanzverwaltung des Staates eingeräumt wurde. Bei der Gesetzesberatung
wurde sogar von einer Seite beantragt § 2 ganz zu streichen; andere
wollten ihn mit § 3 verschmelzen, oder nur als Ubergangsbestimmuug
gelten lassen. Und wenn auch diese Antrage verworfen wurden, so ist
doch der Zusammenhang der beiden Bestimmungen allseitig zugegeben
worden (vergl. Tagblatt des Grossen Rates von 1868, S. 371, 378 f.,
401, 415 ff. * von 1869, S. 128, 14l, 144). Danach ist denn zweifellos.
dass als Ausgaben im Sinne von § 2 des Gesetzes von 1869; nnrsssotesihe
Finanzmassnahmen angesehen werden konnten, die den viersahrtgen
Vorauschlag belasteten. In diesen waren aber nach ausdrücklicher
Gesetzesvorschrift nicht alle Finanzgeschäste des Staates aufzunehmen
Er besasste sich nur mit der. Feststellung der jährlichen Bedürfnisse
des Staatshaushaltes und der ordentlichen Jahreseinnahmen, sowie mit
der Tilgung der Staatsschulden und der Steueranlage. Nicht in den
Voranschlag gehsiorten vor allem aus die Veränderungen im Bestande des
Staatsvermögens In dieser Beziehung blieben die Kompetenzen des Grossen
Rates, wie sie in der damals geltenden Verfassung vom Zi. Heumonat
1846 umschrieben waren, unberuhrtz Dein Grossen Rate verblieb somit
auch nach dein Referendumsgesetze namentlich die Entscheidung über die
Verminderung des Kapitalvermögens und die Bestätigung aller Verträge
durch welche der Staat Grundeigentum erwirbt oder veräussert, wenn im
erstern Falle der Erwerbspreis und in letzterem der Wert des Verausserten
mehr als fünftausend Franken betrug (Art. 27 Ziffer III litt. b und
e der Verfassung von 1846). Bis dahin hatten denn auch zwei besondere
Gesetze über das Budget und die Rechnungslegung des Staates und über die
Verwaltung und Gewährleistung des Staatsvermögens bestanden, von denen
das erste das Datum vom 2. August, das zweite das vom 8. August isle
trug. In dem in Ausführung des Referendums-gesetzes erlassenen Gesetz
über die Finanzverwaltung, vom 31. Juli 1872,
474 staatsrechtiiahe Entscheidungen. lll. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
wurden diese beiden Gesetze, sowie dasjenige vorn 24. November 1860 über
die Organisation der Finanzverwaltung verschmolzen. Aber die Ausscheidung
zwischen der Verwaltung des Staatsvermögens und der laufenden Verwaltung
ist auch· hier zu klarem Ausdruck gelangt. Das Gesetz von 1872 stellt
in besondern Abschnitten die Regeln aus betreffend ,.
I. den vierjährigen Voranschlag über den Staatshaushalt;
II. den jährlichen Voranschlag;
III. die allgemeine laufende Verwaltung;
IV. die Spezialverwaltuugenz
V. die Verwaltung des Staatsverniögens;
VI. die Rechnungsablage;
VII. die Organisation ss Die Bestimmung des § 2 des Reserendumsgesetzes
nt unter dem Titel "Allgemeine laufende Verwaltung am Schlusse des §
11 wiedergegeben, wo gesagt wird, welche Beaintennund Behörden und bis
zn welchem Betrage sie kompetent find, uber Ausgaben zu verfügen Die
Verwaltung des Staatsvermogens ist dagegen unter besonderm Titel in
den F§ 10 ff. georduen Die als Geschäfte der Vermögensverwaltung im
gesetzlichen, technischen Sinne sich darstellenden Finanzmasznahmen
können daher nicht als Ausgaben im Sinne des § ii des Gesetzes
betrachtet werden. Allerdings soll nach § 2 des Gesetzes von 1872 der
vierfahrige Voranschlag ausser den mutmasslichen Ausgaben und Einnahmen
auch den Stand des Staatsvermögens nach der letzten Staats-rechnnng
darstellen, sowie den Stand des Staatsvermogens enthalten, wie er sich
mutmasslich am Schlusse der Periodevgestalten wird. Aber gerade daraus,
dass nur der jeweilige Vermogensbestand zu Beginn und auf Ende jeder
vierjährigen Periodeu anzugeben ist, geht hervor, dass die den Bestand
des Staatsverrnogens beruhrenden Finanzoperationen nicht Gegenstand
des Voranschlages sind, nicht unter die hier aufzunehinenden Ausgaben
und Einnahmen gehören. Dies wird durch die Art und Weise bestangt, wie
das Gesetz die Beziehungen der Verwaltung des Vermögens zur laufenden
Verwaltung ordnet. Nach § 15 wird das Staatsvernrogen eingeteilt in
Stammbertnögen und Betriebs-vermögen LZu qersterm gehören unter anderm
die Domànen, denen die alte Hochschulbe-l. Kompelenzfiberschreitungen
kantonaler Behörden N° 96. 475
sitzuug und das neue Hochschulgebände zuzuzählen find. Das
Stammverrnögeu soll nach § 15 Abs. 3, womit das Gesetz von 1872 über
das Reserendnmsgesetz von 1869 hinausgeht, ohne Zustimmung des Volkes
in seinem Gesamt-Kapitalwerte nicht vermindert werden. In diesem Sinne
wird in § 17 Abs. 3 bezüglich der Domänen verfügt:
Bei Veränsserungen von Domänen werden die Kaufbeileu dein ,.,8insrodel,
Abteilung Domänenkapitalien, zur Verwaltung übergeben. Wird gegenüber der
Kapitalschatzung im Etat ein Mehrerlös erzielt, so hat die Verwaltung
der Domäneukapitalien den Betrag desselben an die laufende Verwaltung
auszurichten Wird dagegen die Kapitalschatzung nicht erreicht, so hat
umgekehrt die laufende Verwaltung den Betrag des Mindererlöses an die
Verwaltung der Domänenkapitalien zu vergüten. In beiden Fällen findet
die Auszahlung auf den für die Handänderung festgestellten Tag Haft.
Jtn Anschlusse hieran bestimmt § 17 weiter:
Bei Erwerbungen von Domänen zu öffentlichen Zwecken hat die Verwaltung der
Domänenkapitalien die Kaufsummen auszurichten, und es ist der Ankaufspreis
als Kapitalschatzung in den (siîtat aufzunehmen
Neue öffentliche Gebäude werden aus der laufenden Verwaltung
bestritten. Wird durch den Neubau ein altes Gebäude für andere öffentliche
Zwecke frei, so hat die Verwaltung der Doma: uenkapitalien an die Kosten
des Neubaues einen Beitrag gleich der Kapitalschatznng des alten Gebäudes
zu leisten. Wird durch den Neubau ein altes Gebäude ganz oder teilweise
zerstört, so werben die Materialien des letztern oder deren Erlös als
Beitrag an den Neubau verwendet. Das alte Gebäude wird aus dein Es-tat
gestrichen und an seine Stelle das neue Gebäude gesetzt.
Die neuen Gebäude werden mit ihrer Assekuranzschatzung in den Etat
aufgenommen
Alle 'Domänen sollen verpachtet und nach dem Grundsatz der Werterhaltung
benutzt und unterhalten werden.
Für die Domänen, welche zu öffentlichen Zwecken dienen, setzt der
Regierungsrat den Zins fest und bestimmt, welcher Zweig der laufenden
Verwaltung denselben auszurichten hat.
476 staatsrechtliohe Entscheidungen. til-. Abschnitt. Kantonsverfassuugen.
Die übrigen Domänen sind bis zu ihrer Veräusserung zu verpachten, und
zwar so viel als möglich auf dem Wege der öffentlichen Steigerung oder
Konkurrenzausschreibung Pachtoerträge, welche einen jährlichen Zins
von mehr als fünfhundert Franken betreffen, unterliegen der Genehmigung
des Regierungsrates
Der Ertrag der Doinänen fällt in die laufende Verwaltung, dagegen ist
auch der Aufwand für den Unterhalt und die Verbesserung der Domänen aus
der laufenden Verwaltung zu besireiten.
g 18 in seinen Absätzen 2 und Z sodann lautet:
Alle Verträge über Veräusserungen und Erwerbungen von Forsten und
Domäneu, sowie Verträge über Ausscheidung von Rechtsamen unterliegen
der Genehmigung des Regierungs-rules
Wenn bei Veräusserungen die Kapitalschatzung oder der Kaufpreis des
Veräusserten und bei Erwerbungen der Kaufpreis "mehr als siebentausend
Franken beträgt, so unterliegen die Verträge noch der Bestätigung durch
den Grossen Rat- Danach wird durch die Veräusserung einer Domäne als
solche die Rechnung über die eigentlichen Einnahmen und Ausgaben,
über die laufende Verwaltung nur dann berührt, wenn gegenüber der
Kapitalschatzung im Etat ein Mehr: oder ein Mindererlös sich herausstellt
Was speziell die Kosten neuer öffentlicher Gebäude betrifft, so werden
dieselben aus der laufenden Verwaltung nur insoweit bestritten, als
nicht die Domänenverwaltung dafür aufzukommen hai. Dieser soll durch
die Erstellung eines neuen Gebäudes nur insofern ein Gewinn erwachsen;
als die Kapitalschatzung des letztern über die von ihr zu leistenden
Beiträge hinausgeht Und Beiträge sind der Domänenverwaltung dann
auferlegt, wenn das neue Gebäude an die Stelle eines alten, überhaupt
nicht mehr oder nicht mehr zum gleichen Zwecke verwendbaren tritt. Es
hat in diesen Fällen die Domänenverwaltung den Wert des alten als Beitrag
an die Erstellungskoften des neuen Gebäudes zu leisten. Das Gesetz sieht
freilich ausdrücklich nur die zwei Fälle vor, wo durch einen Neubau ein
altes Gebäude für andere öffentliche Zwecke frei und wo durch den Neubau
das alte Gebäude ganz oder teilweise zerstört wird, und es bestimmt, dass
der Beitrag im ersten Falle auf die Höhe der Schatzungssumme des alten
Gebäudes fest-I. Kompotenzüberschreitungen kantonaler Behörden. N° 96. 47?
zusetzen sei und im letztern Falle darin bestehe, dass die Materialien
des alten Gebäudes oder deren Erlös für den Neubau verwendet Aver-den. Es
ist aber klar, dass die Pflicht zur Beitragsleistung auch dann besteht,
wenn das alte Gebäude nicht zu einem andern öffentlichen Zwecke benutzt
oder abgebrochen, sondern veräussert wird, und dass in diesem Falle die
Domänenverwaltung als Beitrag für den Neubau den Erlös aus der alten
Domäne einzuwerfen hat. Diese Regelung der Verhältnisse entspricht auch
durchaus einer verständigen Finanzgebahrung, indem ihr der Gedanke
zu Grunde liegt, dass zu einem Neubau für einen öffentlichen Zweck,
dem bis jetzt ein anderer Bau biente, in erster Linie der in letzterm
steckende Wert zu verwenden sei, und dass nur für die Mehrkosten andere
Staatsmittel (oder der Staats-kredit) in Anspruch genommen werden
sollen. Alles das beweist unwiderleglich, dass nach den Gesetzen von
1869 und 1872 Veränderungen im Stammvermögen des Staate-s, sofern sie
nicht eine Verminderung desselben herbeiführen,sohne Rücksicht auf den
Wert der betreffenden Vermögensbesiandteile der Kontrolle des Volkes
entzogen sind, und dass an sich weder die Veräusserung einer Domäne, noch
die Verwendung des Erlöses zum Zwecke ihrer Ersetzung als Ausgaben im
Sinne des § 2 des Gesetzes von 1869 bezw. des § 11 des Gesetzes von 1872
sich darstellen, dass man es hiebei vielmehr mit blossen Wertumsätzen
innerhalb der Domänenverwaltung zu thun hat, auf welche die Schranke
der erwähnten Gesetzesbestimmungen keine Anwendung finder. Durch das
Gesetz betreffend Vereinfachung der Staatsverwaltung vom 2. Mai 1880,
haben die Grundsätze über die Verwaltung des Staatsvermögens nur
insofern eine Anderung erfahren, als nach § 12 Ziff. 3 desselben der
Erlös der verkauften Domänen als Stammvermögen zu behandeln ist und in
die Domänenkasse fällt. Dadurch wurde das Prinzip der Unveränderlichkeit
des Wertes des Stainmvermögens und die in § 17 Abs. 3 des Gesetzes von
1872 vorgesehene Ausgleichung zwischen Domänenverwaltung und laufender
Verwaltung aufgegeben {ng. das Votum des Berichterstatters der Regierung
bei der ersten Beratung des Gesetzes, Tagblatt des Grossen Rates von 1879,
S. 300). Aber im übrigen blieben die Regeln über die Domänen-
"XXV, 1. _ 1899 32
478 Staatsreehtliche Entscheidungen. lll. Abschnitt. Kantonsverîassungen.
verwaltung und ihr Verhältnis zur laufenden Verwaltung unberührt,
namentlich blieb § 17 Abs. ò des Gesetzes vom 31. Juli 1872 in seiner
ganzen Tragweite bestehen. Der Verfassung vom 4. Juni 1893 ist bezüglich
der Beiträge der Domänenverwaltung an die Erstellung neuer Gebäude
etwas vom bisherigen Rechtszustande abweichendes ebenfalls nicht zu
entnehmen; namentlich spricht nichts dafür, dass diese Beiträge als
Ausgaben betrachtet werden müssten, die unter die Vorschrift von Art. 6
Abs. 4 der Verfassung fielen. Auch nach der neuen Verfassung ist die
Vermögensverwaltung von der laufenden Verwaltung zu unterscheiden Auf
letztere beziehen sich die Ziffern 8 und 9 des Art. 26 der Verfassung, wo
als Verrichtungen des Grossen Rates bezeichnet sind: 8. die Aufstellung
des jährlichen Voranschlages und die Steueranlage innerhalb der in
Art. 6 Ziff. 8bestimmten Grenze; und 9. die Beschlussfassung über
Ausgaben, welche für den gleichen Gegenstand zehntausend Franken
übersteigen, bis zu dem in Art. 6 Biff. 4 bestimmten Betrage. Die
Vermögensverwaltung hinwieder betreffen die Ziffern 10 und 12 des
nämlichen Artikels, dahin gehend, dass dem Grossen Rate zustehen die
Beschlussfassung über Verminderung des Kapital- vermögens (Biff. 10)
und die Bestätigung aller Verträge, durchwelche der Staat Grundeigentum
erwirbt oder veräussert, wenn der Erwerbungspreis oder der Wert des
Veräusserten 10,000 Fr. übersteigt (Biff. 12). Es ist zu beachten,
dass mit der Bestimmung in Biff. 10 des Art. 26 dem Volke das ihm in §
15 Abs. 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung von 1872 ein-
geräumte Recht der Beschlussfassung über Verminderung des-·
Stammvermögens wieder entzogen worden ist. Es ist ferner bezeichnend,
dass in den Ziffern 10 und 12 von einer Grenze, die der Grosse Rat
zu beobachten hätte, keine Rede ist, während die Ziffern 8 und 9
ausdrücklich auf die dem Volke zustehenden Rechte vermessen Es muss
daraus mit Notwendigkeit gefolgert werden, dass auch nach dem geltenden
Verfassungsrecht unter die Ausgaben, bezüglich deren dem Volke das
Bestätigungsrecht eingeräumt ist, wenn sie den Betrag von 500,000
Fr. übersteigen, nur diejenigen Finanzgeschäfte des Staates zu rechnen
sind, welche als solche den jährlichen Voranschlag über die laufende
Ver-I, Kompetenzüberschreitungen kantonaler Behörden. N° 96. 479
waltung belasten und daher geeignet find, indirekt auf die Steueranlage
einen Einfluss auszuüben, dass aber die Beschlussfassung über die
Verwendung des Erlöses einer verkauften Domäne zur Erstellung eines
Neubaues, der an die Stelle der alten Domäne treten soll, nicht als
eine solche Ausgabe anzusehen ist. Thatsächlich figurieren denn auch
die Finanzoperationen, die mit der Veräusserung von Domänen und der
Verwendung des Erlöses zur Erstellung eines Neubaues Verbunden sind, weder
im hernischen Budget, noch in der Rechnung über die laufende Verwaltung,
sondern nur in der Rechnung über das Staatsdermögen Und dass in der Praxis
auch thatsächlich der Aufwand für einen Neubau, der dadurch ermöglicht
wird, dass die durch den Neubau frei werdenden Gebäude und vBausolätze
veräussert werden, nicht als eine Ausgabe im Sinne von Art. 6 Biff. 4
der Verfassung behandelt wird, zeigt schlagend das vom Regierungsrat
angeführte Beispiel der Durchführung der Gefängnisreforin. Dass bei dieser
Auffassung die Staatsbehörden befugt wären, ohne Begrüssung des Volkes
in die Millionen gehende Umsätze von Staats-vermögen zu beschliessen,
ist richtig, kann aber selbstverständlich nicht dazu führen, auf diese
Geschäfte eine Bestimmung anzuwenden, die nach ihrem Sinn und Zweck
darauf nicht Anwendung finden soll.
5. Den eventuellen Standpunkt, dass zu den der laufenden Verwaltung
zu entnehmenden 500,000 Fr. die Differenz zwischen dem Erlös der alten
Hochschulbesitzung und ihrem Grundsteuerschatzungswerte hinzuzurechnen
sei, haben die Rekurrenten mit Recht nicht festgehalten Zn der That
war diesem Standpunkt-der Boden durch den Hinweis darauf entzogen,
dass § 17 Abs. 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung, der eine
derartige Ausgleichung zwischen der Verwaltung des Staatsvermögens und
der laufenden Verwaltung vorgesehen hatte, durch das Gesetz vom 2. Mai
1880 aufgehoben isi. Allein die Rekurrenten behaupten mm, dass abgesehen
von einer positiven Bestimmung, der Natur der Sache nach, eine derartige
Ausgleichung stattfinden müsse, in der Weise, dass die Ausgabe des Staates
aus der laufenden Verwaltung von 500,000 Fr. um den Betrag zu erhöhen sei,
den man aus der alten Hochschulbesitzung gegenüber ihrem wahren
480 Staaisrechtliche Entscheidungen. lll. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
Werte zu wenig erlöst habe. Auch hierin kann jedoch den Rekrutrenten
nicht gefolgt werden. Einmal ist es aus den vom Regierungsrate
angeführten Gründen zum mindeste-n sehr fraglich, ob der Wert der
veräusserten Liegenschaft den der Gegenleistungen der Gemeinde Bern
wirklich Übersteige; ferner ist zu beachten, dass auf einen Ausfall,
wenn ein solcher entstanden sein follie, doch in erster Linie die
Subvention von 200,000 Fr. anzurechnen ware, welche die Gemeinde Bern
an die neue Hochschule leistet; wird diese Subvention zum Kaufpreise
geschlagen, so ergibt sich eine Leistung der Gemeinde Bern, welche die im
Vermögensetat aufgeführte Kapitalschatzung der alten Hochschulbesitzung
um 15,000 Fr. übersteigt Entscheidend aber fällt in Betracht, dass
ein-allfälliger Mindererlös an sich nicht eine Vermehrung der laufenden
Ausgaben zur Folge hat sondern sich nur auf dem Ausweise über den
Vermögensbestand geltend macht. Dient der Erlös einer alten Domäne
zur Erstellung eines Neubaus, so wird ein Mindererlös freilich in der
Weise fühlbar, dass der Beitrag der Dornänenverwaltung an den Neubau ein
geringerer ist, als wenn der wahre Wert erlöst worden wäre, und dass die
laufende Verwaltung um so mehr an den Neubau leisten muss. Allein unter
diesem Gesichtspunkte fällt in Betracht, dass ein vom Verkauf der alten
Hochschule herrührender Ausfall auf der Vermögensrechnung bereits in den
der laufenden Verwaltung auferlegten 500,000 Fr. enthalten ware. Wenn
daher auch der Staat durch den Verkauf der alten Hochschulbesitzung eine
Einbusse erlitten hätte, so könnte diese doch unter keinen Umständen als
Ausgabe im Sinne des Art. 6 Abs . 4 der Verfassung behandelt und zu den
aus der laufenden Verwaltung kreditierten 500,000 Fr. hinzugerechnet,
sondern es könnte höchstens verlangt werden, dass dieser Minderwert
in der Vermögensaufstellung berücksichtigt merde. Dies kann aber doch
wohl erst geschehen, wann der Neubau, für den der Erlös des alten
Hochschulbesitzes verwendet wird, erstellt und in den Vermögensetat des
Staates aufgenommen sein wird; und welche Veränderungen dieser dadurch
erleidet, kann zur Zeit nicht festgestellt werden. Übrigens ist ja
nicht geltend gemacht, dass aus diesem Gesichtspunkte der grossrätliche
Beschluss vom 27. Dezember 1898 der Sanktion des Volkes zu unterbreiten
sei; esI. Kompetenzüberschreitungen kantonaler Behörden. N° 96. 481
wäre dies auch zweifellos, im Hinblick namentlich auf Art. 26 Ziff. 10
der Verfassung, zu verneinen
6. Der weitere Einwand, dass die veräusserte Besitzung nicht nur
Hochschulzwecken gedient habe, ist nicht geeignet, an dem Ergebnis
der bisherigen Betrachtungen etwas zu ändern. Die Re- kurrenten
begründen den Einwand in thatsächlicher Beziehung damit, dass
zu den veräusserten Immobilien auch das alte Kautonsschulgebäude
gehöre, das nicht zu Hochschulzwerken verwendet worden sei, und dass
davon-ein Keller und ein Garten an Dritte vermietet bezw. verpachtet
gewesen seien. Der Regierungsrat seinerseits behauptet, dass auch
das alte Kantonsschulgebäude seit Jahren Hochschulzwecken gedient
habe, während er die Thatsache der Vermietuug bezw. Verpachtung
einzelner Teile der deräusserten Liegenschaft zugiebt. Wenn man nun
den Einwand der Rekurrenten, soweit er aus der Art der Verwendung des
Kantonsschulgebäudes hergeleitet wird, nicht schon als durch die Angabe
der Regierung thatsächlich widerlegt ansehen will, so ist doch jedenfalls
vorn rechtlichen Standpunkt aus zu sagen, dass die Bestimmung des Erlöses
einer Domäne zu einem andern öffentlichen Zwecke als demjenigen, welchem
die veränsserte Domäne diente, für die heute streitige Frage völlig
unerheblich ist. Denn es wird dadurch die Ausgabe, die der laufenden
Verwaltung für die Erstellung des Neubaus ausfällt, in keiner Weise
erhöht. Die Bestimmung desZweckes, dem eine Domäne oder ihr Erlös
dienen soll, berührt die Finanzverwaltnng nur insofern, als dadurch
der Wert oder der Ertrag der Domäne bezw. des daraus erzielten Erlöses
beeinflusst wird. Dass nun aber die Veränderungen, die das Staatsvermögen
in seinem Wertbestande erleidet, auf die Rechnung über die laufende
Verwaltung keinen Einfluss ausüben, ist bereits dargethan werden. Und
was die Änderungen im Ertrag betrifft, so ist vorliegend zu beachten,
dass das Kantonsschulgebäude als solches, [man es öffentlichen Zwecken
diente, einen effektiven Ertrag nicht abwarf, wie auch aus dem neuen
Hochschulgebäude bei bestimmungsgemässer Verwendung eine eigentliche
Einnahme nicht erzielt werden wird, und dass man es, wenn auch im
Voranschlag und in der Rechnung der laufenden Verwaltung Miei: oder
Pachtzinse für solche Dornänen den verschiedenen Verwaltungs-
482 staatsrechtliche Entscheiàungen. Ill, Abschnitt. Kantonsverfassungen.
zweigen, die sie benutzen, zur Last geschrieben werden, und anderseits als
Domänenertrag unter den Einnahmen figurieren, dabei nur mit Fiktionen
zu thun hat, die einer realen Grundlage vollständig entbehren. Da
ferner die Festsetzung des Ertrages von Domänen, die öffentlichen
Zwecken dienen, und die Bestimmung des Verwaltungszweiges, der dafür
aufzukommen hat, unzweifelhaft den Verwaltungsbehörden zusteht, so haben
es diese völlig in der Hand, den siktiven Ertrag der neuen Hochschule
in einer Weise festzusetzen, dass er dem Ertrag der ganzen frühem
Hochschulbesitzung einschliesslich des Kantonsschulgebäudes entspricht
Eine wahre Mehrleistung der laufenden Verwaltung tritt somit durch eine
Veränderung der Zweckbestimmung des alten Kantonsschulgebäudes, auch
wenn man annehmen wollte, dass eine solche wirklich vorliegt, nicht
ein. Hinsichtlich der Zinse für den Keller und Garten sodann hat man
es allerdings mit einer eigentlichen Einnahme zu thun, die in Zukunft
wegfällL Allein abgesehen von der geringen Bedeutung der beiden Posten
kann doch eine derartige Mindereinnahme nicht ohne weiteres als Ausgabe
für den neuen Hochschulbau bezeichnet werden, schon deshalb nicht, weil
ja ähnliche Einkünfte möglicherweise auch aus der neuen Domttne werden
gezogen werden können Überdies ist zu bemerken: Während im Gesetz über
die Verwaltung und Gewährleistung des Staatsverntögens vom 8. August 1849
zwischen Adminiftrationsvermögen und zinstragendem Vermögen unterschieden
war, welchen Kategorien sich als dritte die Rechnungs; und Kassareftanzen
anschlossen, ist diese Unterscheidung im Gesetz über die Finanzverwaltung
von 1872 aufgegeben worden, indem dieses nur noch zwei Kategorien von
Staatsvermögen, das Stammvermögen und das Betriebs-vermögen kennt und
ersterem ausser dem zinstragenden Vermögen auch die Domänen zuweist. Da
nun die Disposition über das gesamte Stammvermögen ohne Unterschied den
Verwaltungsbehörden, d. h. dem Regierungsrat und dem Grossen Rat zusteht,
so kann von einer Kompetenzüberschreitnng auch dann keine Rede sein,
wenn durch eine Veränderung der Zweckbestimmung der finanzielle Ertrag
eines Bestandteils des Stammvermögens sich vermindert.
7. Damit erledigt sich auch das fernere Begehren der
Relat-l. Kompeienzüberschreitungen kantonaler Behörden. N° 96. 483
teuren, dass der Wert des für die neue Hochschule bestimmten Terrains auf
der Grossen Schanze zu den Ausgaben für diesen Bau hinzugerechnet werden
müsse. In dieser Beziehung ist vor allem aus darauf aufmerksam zu machen,
dass der Staat Bern den Grund und Boden, auf den der Bau zu stehen kommt,
nicht etwa mit Mitteln, die der laufenden Verwaltung entnommen worden,
und zum Zwecke, auf demselben ein Hochschulgebäude zu errichten, erworben
hat, dass er sich vielmehr schon seit dem Anfang dieses Jahrhunderts
im Besitz und Genuss jenes Areals befindet. Bei dieser Sachlage hat
man es, ganz abgesehen von dem Werte, den das Areal besitzen, und Von
dem Ertrage, den es abgeworfen haben mag, bei seiner Verwendung für das
neue Hochschnlgebäude nicht mit einer Ausgabe, sondern lediglich miteiner
Zweckanweisung in Hinsicht auf ein vorhandenes Vermögensobjekt zu thun,
bezüglich deren eine Mitwirkung des Volkes nirgends vorgesehen ist.
8. Die Reknrrenten machen in letzter Linie geltend, dass die grossräiliche
Kompetenzgrenze von 500,000 Fr. überschritten sei, weil sich dieser Betrag
um die Kosten der für die Möblierung der neuen Hochschule erforderlichen
Mobiliaranschafsungen erhöhe. Der Regierungsrat besireitet nicht, dass
solche Anschafsungen gemacht werden müssen und dass dieselben eine Ausgabe
der laufenden Verwaltung zur Folge haben werden. Dagegen erhebt er den
Einwand, dass die Ausgabe für das Gebäude, den Hochbau, und diejenige für
das Mobiliar nicht den gleichen Gegenstand betreffen. In dieser Beziehung
nun ist zunächst zu beachten, dass das Referendum über den angefochtenen
Beschluss von den Rekurrenten nicht deshalb verlangt wird, weil derselbe
feinem Wesen und Inhalte nach der Volksabstimmung unterliege. Sie machen
nicht geltend, dass der Grosse Rat schon dadurch, dass er beschloss,
es sei ein neues Hochschulgebäude zu errichten, in die Rechte des Volkes
eingegrifsen habe, sondern sie behaupten nur, dass der Beschluss wegen
der damit verknüpften finanziellen Folgen dem Volke unterbreitet werden
müsse Der Angriff bewegt sich also ausschliesslich auf dem Boden der
dem Volke hinsichtlich der Finanzverwaltung zustehenden Rechte. Nun ist
gewiss zuzugeben, dass auch vom Standpunkte der Finanzverwaltung
484 Staatsrechtliche Entscheidungen. HI: Abschnitt. Kantonsverfassungen.
aus der Neubau einer Hochschule und die Möblierung derselbensoweit
nicht schon vorhandene Möbel dazu verwendet werden können als etwas
zusammengehörendes, als einheitlicher Gegenstand aufgefasst werden
können, und dass sich aus der Formuliek rung der Verfassungsbestimmung,
hauptsächlich aus den Worten Gesamtansgabe und zur Folge haben Argumente
für eine solcheAuffassung gewinnen lassen. Allein es wäre doch zu weit
gegangen, wenn man sagen wollte, dass die Fassung der Bestimmung diese
Auslegung zwingend erheische, dass ihr vernünftigerweise ein anderer Sinn
nicht beigelegt werden könne. Das weitgehende Mitverwaltungsrecht des
Volkes im Finanzhaushalt des Kantons, wie es durch das Referendumsgesetz
vom 4. Juli 1869 begründet war, ist durch das Gesetz betreffend die
Vereinfachung der Staatsverwaltung vom L. Mai 1880 wesentlich beschränkt
worden, indem dieses den vierjährigen Voranschlag, der nach dem Gesetz
von 1869 dem Volke zu unterbreiten war, abschaffte und die Aufstellung
eines wie früher einjährigen Budgets wieder ganz in die Zuständigkeit des
Grossen Rates verlegte. Dem Volke verblieben nur die Beschlussfassung Über
die Ausgaben von über 500,000 Fr. unddie Bewilligung von Steuererhöhungen
zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben (dgl. §
il des Gesetzes vom 2. Mai 1880). An die Stelle eines Mitverwaltnngs:
rechtes des Volkes ist somit das reine Finanzreferendum getreten,
durch das der im allgemeinen in den Händen der Behörden liegenden
Finanzverwaltung eine Grenze lediglich in der Weise gesetzt wurde, dass
ihre Ausgabenkompetenz auf eine bestimmte Ziffer beschränkt und jede zur
Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts nötige Steuer-erhöhung
von der Zustimmung des Volkes abhängig gemacht wurde. Wird dies im Auge
behalten, so erscheint es als durchaus zulässig, bei der Auslegung
von Art. 6 Biff. 4 der Verfassung die Zweckbestimmung einer Ausgabe
nicht in der Weise als ausschlaggebend zu betrachten, dass alle zur
Erfüllung der nämlichen staatlichen Aufgabe dienenden Ausgaben, weil den
gleichen Gegenstand betreffend, zusammenzurechnen waren. Es kann sehr wohl
gesagt werden, dass auch eine Gesamtausgabe, welche die Durchführung des
nämlichen staatlichen Unternehmens nach sich zieht, finanzwirtschaftlich
betrachtet ver-I. Kompetenzüherschreitungen kantonaler Behörden. N°
96. 485
schiedene Gegenstände betreffe, dann nämlich, wenn das ganze Unternehmen
nach der Art, wie ein solches gemeiniglich ausgeführt wird, in
verschiedene Einzelunternehmeu zerfällt. Mag es daher auch richtig sein,
dass der Beschluss über den ersten Teil eines Unternehmens thatsächlich
nicht nur die hiefür erforderlichen, sondern auch andere Ausgaben zur
Folge hat, so ist damit doch nicht gesagt, dass diese Ausgaben nicht
verschiedene Gegenstände betreffen können. Durch die Fassung von am. 6
Abs. 4 ist unbedingt nur ein Verfahren ausgeschlossen, durch das die
direkten finanziellen Folgen eines Beschlusses auseinandergerissen und
auf verschiedene Rechnungsperioden verlegt werden wollten, oder durch das
über einen der Natur der Sache nach allgemein als einheitlich betrachteten
Gegenstand mit Rücksicht auf die damit verbundenen Ausgaben verschiedene
Beschlüsse gefasst würden. Ersteres trifft hier nicht zu. In letzterer
Beziehung aber ist zu bemerker dass die Ersiellung eines Neubaus und
die Möblierung desselben wohl in der Regel finanzwirtschaftlich als zwei
der Natur der Sache nach verschiedene Gegenstände angesehen werden. Das
Mobiliar ist nicht ein Bestandteil des Gebäudes-, sondern kann höchstens
Zubehörde werden, und dies auch erst, nachdem eine räumliche Verbindung
hergestellt ist. Die Aufwendungen für den Bau und für das Mobiliar
werden ferner zeitlich meistens nicht zufammenfallen. Der Modus der
Vergebung der Arbeiten bezw. der Anschasfungen ist ein verschiedener-,
und wer den Bau übernimmt, ist nicht gleichzeitig Lieferant der
Möbel. Dazu kommt, dass im bernischen Staatshaushalt die Hochbauten und
die Mobiliarausstattung nach der Erstellung eines Neubaus verschieden
behandelt werden, indem jene zum Stammvermögen gehören, während diese im
Inventar der einzelnen Verwaltungszweige erscheinen, denen sie dienen,
und zum Betriebsvermögen des Staates gerechnet werden Es liegt daher
nichts willkürliches darin, dass auch die Anschaffung des Mobiliars
von der Erstellung des Baues, für den es bestimmt ist, getrennt und als
besonderer Gegenstand behandelt wird. Hieran ist um so weniger Anstoss
zu nehmen, als in dieser Beziehung im Kanton Bern die nämliche Praxis
befolgt worden ist, so lange die gegenwärtig bestehenden Vorschriften
über die Finanzverwaltung gelten. Dies kann unbedenklich als fest-
486 Staatsrechtliche Entscheidungen. LIL. Abschnitt; Kantonsverfassungen.
stehend angenommen werden, nachdem die Rekurrenten auf die in der
Antwort aufgestellte Behauptung des Regierungsrates in der Replik keinen
Fall namhaft gemacht haben, in dem ein anderes Verfahren befolgt worden
ware. Und zwar wurden nach den unbestrittenen Angaben des Regierungsrates
die Beschlüsse über die Erstellung eines Neubaues auch dann von den
Beschlüssen über die Anschaffung des Mobiliars getrennt gefasst, wenn die
Ausgaben für beide Gegenstände zusammen den Betrag von 500,000 Fr. nicht
erreichten. Es erhellt hieraus, dass nicht etwa gesagt werden kann,
es liege der Trennung die Absicht zu Grundedie Bestimmung von Art. 6
Abs. 4 der Verfassung zu umgehen. Zum Schlusse mag erwähnt werden,
dass nach Erkundigungen, die bei der Instruktion des vorliegenden
Rekurses eingezogen wurden, sowohl die Bundesverwaltung, als auch eine
ganze Reihe von Kantonen, darunter solche, die das Finanzreferendum in
ähnlicher Weise, wie der Kanten Bern, eingeführt haben, übungsgemäss
die Erstellung eines Neubaus und die Möblierung desselben als zwei
verwaltungsrechtlich getrennte Gegenstände betrachten und behandeln.
Kann sonach die Auslegung, welche der Bestimmung von Art. 6 Abs. 4 der
beruischen Kantonsverfassung nicht nur im vorliegenden Falle, sondern
von jeher von den bernischen Behörden gegeben wurde, nicht als eine dem
Wortlaut und dem Sinn und Geist der Bestimmung zuwiderlaufende bezeichnet
werden, so ist dieselbe gemäss dem unter Biff. 3 der Erwägungen Gesagten
auch vom Bundesgerichte zu schützen. (Man vergleiche im Allgemeinen das
blindesgerichtliche Urteil i. S. Berthoud et consorts, Amtl. Santini.,
Bd. II, S. 478 ff.; insbesondere Erw. 10 und 11.)
Aus diesen Gründen hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird
als unbegründet abgewiesen.II. Anderweitige Eingriffe in garantierte
Rechte. N° 97. . 487
II. Anderweitige Eingriffe in garantierte Rechte. Atteintes portées à
d'autres droits garantie.
97. Urteil vom 11. Oktober 1899 in Sachen Konsumverein Baden gegen Aargau.
Besteuerung einer Genossenschaft für die sogenannte
Genosse%schaflsde'vidende.
_ A. Der Konsumverein Baden wurde von der dortigen Bezirkssteuerkommission
für das Jahr 1898 mit einem Erwerb von 253,000 Fr. zur Steuer
herangezogen Gegen diese Einschätzung beschwerte sich der Konsumverein
beim aargauischen Obergericht als Verwaltungsgerichtsbehörde, mit dem
Antrag, dass der Erwerb auf 3500 Fr. herabzusetzen sei. Die Beschwerde
stützte sich darauf, dass die sogenannte Genossenschaftsdividende,
d. h. derjenige Teil des Rechnungsüberschusses, der den Vereinsmitgliedern
statutengemäss pro rata ihrer Warenbezüge zurückvergütet wird, nicht
als steuerpflichtiges Einkommen betrachtet werden könne. Das Obergericht
wies die Beschwerde mit Entscheid vom 16. Februar 1899 ab.
B. In einem staatsrechtlichen Rekurse vom 12. Mai 1899 stellt der
Konsumverein Baden beim Bundesgericht das Begehren: Es sei das Urteil
des Obergerichtes des Kantons Aargau vom 16. Februar 1899, weil im
Widerspruch mit Art. 73 der kantonalen. Staatsverfassung vom 7. Juni 1885
erlassen, aufzuheben und dieser Rekurs als begründet zu erklären. In
thatsächlicher Beziehung wird zunächst auf den Rechtsstreit verwiesen,
den der Konsumverein Baden anlässlich der Besteuerung pro 1896 über
die nämliche Frage angehoben und der durch Urteil des Obergerichtes
des Kantons Aargau vom 14. November 1897 seine Erledigung im Sinne der
Verwerfung des Standpunktes des Rekurrenten gefunden hatte. Damals habe,
wird dann weiter angebracht, sowohl das aargauische Qbergericht als das
Bundesgericht auf den Umstand Gewicht gelegt, dass der Konsumverein