Urteilskopf

148 III 57

8. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022

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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 58

BGE 148 III 57 S. 58

A.

A.a Die B. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) betreibt ein Lokal mit Restaurant und Bar in U. Sie hat bei der A. AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) die "X. Geschäftsversicherung KMU" abgeschlossen, enthaltend eine Fahrhabeversicherung sowie eine Betriebs- und Unfallversicherung. Die Fahrhabeversicherung umfasst laut Police Nr. x vom 17. August 2018 unter der Rubrik "Weitere Gefahren" auch die Versicherung für Ertragsausfall und Mehrkosten infolge Epidemie bis zu einem Höchstbetrag von Fr. 2'000'000.- bei einem Selbstbehalt von Fr. 200.-.

A.b Am 16. März 2020 stufte der Bundesrat die Situation in der Schweiz im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus als ausserordentliche Lage im Sinne von Art. 7 des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz; SR 818.101) ein. Er ordnete mit Wirkung ab dem 17. März 2020 die Schliessung von für das Publikum öffentlich zugänglichen Einrichtungen an, insbesondere von Restaurations- und Barbetrieben (Art. 6 Abs. 2 lit. b und c Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [COVID-19]; [COVID-19-Verordnung 2; SR818.101.24; Änderung vom 16. März 2020]). Restaurations- und Barbetriebe waren für das Publikum erst ab dem 11. Mai 2020 unter einschränkenden Auflagen wieder öffentlichzugänglich (Art. 6 Abs. 3 lit. bbis COVID-19-Verordnung 2 [Transitionsschritt 2: Restaurationsbetriebe; Änderung vom 8. Mai 2020]). Die Betriebsschliessung ab 17. März 2020 führte bei der Klägerin zu einem Ertragsausfall. Am 18. März 2020 errechnete sie einen zu erwartenden Betriebsunterbrechungsschaden bis 30. April 2020 von Fr. 75'397.- und bat die Beklagte mit Schreiben vom 19. März 2020, die versicherten Leistungen zu erbringen. Mit E-Mail vom 23. März 2020 und Schreiben vom 25. März 2020 lehnte die Beklagte Entschädigungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus ab.
B. Am 21. April 2020 erhob die Klägerin Teilklage am Handelsgericht des Kantons Aargau und beantragte, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 40'000.- für Ertragsausfall und Mehrkosten infolge Epidemie zu bezahlen, nebst 5 % Zins seit dem Tag der Klageeinreichung. Die Geltendmachung weiterer Ansprüche behielt sie sich vor. Mit Urteil vom 17. Mai 2021 hiess das Handelsgericht die Klage - abgesehen vom Beginn des Verzugszinslaufes - gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 40'000.- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 24. April 2020 zu bezahlen.
C. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Sie begehrt, das Urteil des Handelsgerichts sei aufzuheben und die Klage der Beschwerdegegnerin sei abzuweisen. Eventualiter sei das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
BGE 148 III 57 S. 59

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind Vertragsbestimmungen, die im Hinblick auf den künftigen Abschluss einer Vielzahl von Verträgen generell vorformuliert wurden (vgl. Urteile 4A_47/ 2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.1; 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1; 4P.135/2002 vom 28. November 2002 E. 3.1).
2.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen haben von sich heraus keine Geltung zwischen den Parteien. Sie gelten nur und soweit, als die Parteien sie für ihren Vertrag ausdrücklich oder konkludent übernommen haben (BGE 118 II 295 E. 2a; Urteile 4A_47/2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.1; 4A_548/2013 vom 31. März 2014 E. 3.3.1; 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1). In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil sind.
2.1.1 Ist dies der Fall, gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur, wenn keine individuellen Abreden bestehen, die von den allgemeinen Bedingungen abweichen (Vorrang der Individualabrede; BGE 135 III 225 E. 1.4; BGE 125 III 263 E. 4b/bb; BGE 123 III 35 E. 2c/bb; Urteil 4A_503/2020 vom 19. Januar 2021 E. 5.3 mit weiteren Hinweisen).
2.1.2 Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen können nur dann vom Konsens erfasst sein, wenn die zustimmende Partei bei Vertragsschluss zumindest die Möglichkeit hatte, von ihrem Inhalt in einer zumutbaren Weise Kenntnis zu nehmen (sog. Zugänglichkeitsregel; vgl. BGE 139 III 345 E. 4.4; 77 II 154 E. 4 S. 156; Urteil 4A_47/2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.4.1). Für den Versicherungsvertrag bestimmt Art. 3 Abs. 2
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 3 - 1 Das Versicherungsunternehmen muss den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags verständlich und in einer Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, über seine Identität und den wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrags informieren. Es muss informieren über:12
1    Das Versicherungsunternehmen muss den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags verständlich und in einer Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, über seine Identität und den wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrags informieren. Es muss informieren über:12
a  die versicherten Risiken;
b  den Umfang des Versicherungsschutzes und darüber, ob es sich um eine Summen- oder um eine Schadenversicherung handelt;
c  die geschuldeten Prämien und weitere Pflichten des Versicherungsnehmers;
d  Laufzeit und Beendigung des Versicherungsvertrages;
e  die für die Überschussermittlung und die Überschussbeteiligung geltenden Berechnungsgrundlagen und Verteilungsgrundsätze und -methoden;
f  die Rückkaufs- und Umwandlungswerte sowie die mit einer rückkaufsfähigen Lebensversicherung im Falle des Rückkaufs verbundenen wesentlichen Kostenarten;
g  die Bearbeitung der Personendaten einschliesslich Zweck und Art der Datenbank sowie Empfänger und Aufbewahrung der Daten;
h  das Widerrufsrecht nach Artikel 2a sowie über Form und Frist des Widerrufs;
i  eine Frist für das Einreichen der Schadenanzeige nach Artikel 38 Absatz 1;
j  die zeitliche Geltung des Versicherungsschutzes insbesondere in den Fällen, in denen das befürchtete Ereignis während der Laufzeit des Vertrags, der daraus entstehende Schaden aber erst nach Beendigung des Vertrags eintritt;
k  die Qualifikation einer Lebensversicherung als qualifizierte Lebensversicherung gemäss Artikel 39a des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dezember 200420 (VAG).
2    Diese Angaben sind dem Versicherungsnehmer so zu übergeben, dass er sie kennen kann, wenn er den Versicherungsvertrag beantragt oder annimmt. In jedem Fall muss er zu diesem Zeitpunkt im Besitz der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Information nach Absatz 1 Buchstabe g sein.
3    Schliesst ein Arbeitgeber zum Schutz seiner Arbeitnehmer eine kollektive Personenversicherung ab, so ist er verpflichtet, die Arbeitnehmer über den wesentlichen Inhalt des Vertrags sowie dessen Änderungen und Auflösung schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu informieren. Das Versicherungsunternehmen stellt dem Arbeitgeber die dazu erforderlichen Unterlagen zur Verfügung.21
VVG (SR 221.229.1) darüber hinaus, dass der Versicherungsnehmer in Besitz der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sein muss, wenn er den Versicherungsvertrag beantragt oder annimmt.
2.1.3 Stimmte die Partei der Übernahme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen global zu, d.h. ohne diese zu lesen, zur Kenntnis zu nehmen oder deren Tragweite zu verstehen (sog. Globalübernahme; BGE 119 II 443 E. 1a; BGE 109 II 452 E. 4; Urteil 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1), wird die Geltung Allgemeiner
BGE 148 III 57 S. 60

Geschäftsbedingungen durch die sog. Ungewöhnlichkeitsregel eingeschränkt: Der Verfasser von Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss nach dem Vertrauensgrundsatz davon ausgehen, dass der Vertragspartner ungewöhnlichen Klauseln nicht zustimmt (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.3). Entsprechend sind von der global erklärten Zustimmung alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen, auf deren Vorhandensein die zustimmende Partei nicht gesondert aufmerksam gemacht worden ist (BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1 E. 2.1, BGE 135 III 225 E. 1.3; BGE 119 II 443 E. 1a). Die Ungewöhnlichkeit beurteilt sich aus der Sicht des Zustimmenden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1 E. 2.1; BGE 119 II 443 E. 1a) unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (BGE 135 III 1 E. 2.1; BGE 119 II 443 E. 1a).
2.1.3.1 Die Ungewöhnlichkeitsregel ist ein Instrument der Konsenslehre (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.2). Sie konkretisiert das Vertrauensprinzip (BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1 E. 2.1 S. 7). Dieses bezweckt den Schutz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr und zielt nicht primär darauf ab, die schwächere oder unerfahrene Partei vor der stärkeren oder erfahreneren zu schützen. Für die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel braucht es sich daher beim Zustimmenden nicht zwingend um eine schwächere oder unerfahrene Partei zu handeln. Auch eine stärkere, geschäfts- oder branchenerfahrene Vertragspartei kann von einer global übernommenen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen überrascht werden und die Ungewöhnlichkeitsregel anrufen (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.2 mit weiteren Hinweisen). Die Stellung und Erfahrung des Zustimmenden ist dennoch nicht irrelevant, sondern spielt bei der subjektiven Ungewöhnlichkeit eine Rolle.

2.1.3.2 Die AGB-Klausel hat nämlich für die zustimmende Partei zunächst subjektiv ungewöhnlich zu sein. Zu berücksichtigen ist unter anderem, ob der Zustimmende geschäfts- und branchenkundig ist: Je weniger geschäfts- oder branchenerfahren er ist, umso eher wird eine Klausel für ihn ungewöhnlich sein (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.3). So können branchenübliche Klauseln für einen Branchenfremden ungewöhnlich sein, für einen Branchenkenner demgegenüber nicht (BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 119 II 443 E. 1a). Branchenkenntnis oder Geschäftserfahrung schliesst aber die Ungewöhnlichkeit nicht zwingend aus. Auch für einen Branchenkundigen oder Geschäftserfahrenen kann eine AGB-Klausel unter
BGE 148 III 57 S. 61

Umständen ungewöhnlich sein (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.3).
2.1.3.3 Neben der subjektiven Ungewöhnlichkeit hat die fragliche Klausel objektiv beurteilt einen geschäftsfremden Inhalt aufzuweisen, damit die Ungewöhnlichkeitsregel zur Anwendung gelangt. Sie hat mithin objektiv ungewöhnlich zu sein. Dies ist dann zu bejahen, wenn sie zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters führt oder in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fällt. Je stärker eine Klausel die Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt, desto eher ist sie als ungewöhnlich zu qualifizieren (BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1 E. 2.1, BGE 135 III 225 E. 1.3). Bei Versicherungsverträgen sind auch die berechtigten Deckungserwartungen zu berücksichtigen (BGE 138 III 411 E. 3.1; Urteile 4A_232/2019 vom 18. November 2019 E. 2.2; 4A_48/2015 vom 29. April 2015 E. 2.1). Entsprechend kann eine in allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkung als ungewöhnlich qualifiziert werden, wenn der durch die Bezeichnung und Werbung beschriebene Deckungsumfang erheblich reduziert wird, so dass gerade die häufigsten Risiken nicht mehr gedeckt sind (BGE 138 III 411 E. 3.1; Urteile 4A_176/2018 vom 6. August 2018 E. 4.2; 4A_152/2017 vom 2. November 2017 E. 4.3; 4A_187/2007 vom 9. Mai 2008 E. 5.4.2; 5C.134/2004 vom 1. Oktober 2004 E. 4.2; 5C.53/2002 vom 6. Juni 2002 E. 3.1).
2.1.3.4 Das Bundesgericht prüft die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel als Rechtsfrage frei (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG; BGE 142 V 466 E. 6.2; BGE 140 V 50 E. 2.3). Es ist dabei an die Feststellungen der kantonalen Gerichte über die äusseren Umstände sowie das Wisen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG; BGE 138 III 411 E. 3.4).
2.2 Haben die Parteien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag übernommen, ist in einem zweiten Schritt der Inhalt durch Auslegung zu ermitteln.
2.2.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen sind grundsätzlich nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen (BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 135 III 1 E. 2). Entscheidend ist demnach in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragsparteien und in zweiter Linie, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, die Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips (BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 140 III 391 E. 2.3).
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Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, welche jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind (BGE 146 V 28 E. 3.2; BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 140 III 391 E. 2.3). Auch wenn der Wortlaut auf den ersten Blick klar erscheint, darf es also nicht bei einer reinen Wortauslegung sein Bewenden haben (BGE 131 III 606 E. 4.2; BGE 130 III 417 E. 3.2; BGE 129 III 702 E. 2.4.1; BGE 127 III 444 E. 1b). Vielmehr sind die Erklärungen der Parteien so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE 146 V 28 E. 3.2; BGE 145 III 365 E. 3.2.1; BGE 144 III 327 E. 5.2.2.1). Das Gericht hat auch den vom Erklärenden verfolgten Regelungszweck zu beachten, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste (BGE 146 V 28 E. 3.2; BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 140 III 391 E. 2.3). Für die Auslegung einer von der einen Vertragspartei aufgesetzten Vertragsbestimmung ist demnach entscheidend, welches Regelungsziel die andere Vertragspartei darin als redliche Geschäftspartnerin vernünftigerweise erkennen durfte und musste (Urteile 4A_203/2019 vom 11. Mai 2020 E. 3.3.2.2., nicht publ. in: BGE 146 III 254; 4A_652/2017 vom 24. August 2018 E. 5.1.2; 4C.443/1996 vom 26. März 1997 E. 2a). Dabei ist für den Regelfall anzunehmen, dass der Erklärungsempfänger davon ausgehen durfte, der Erklärende strebe eine vernünftige, sachgerechte Regelung an (Urteile 4A_652/2017 vom 24. August 2018 E. 5.1.2; 4C.443/ 1996 vom 26. März 1997 E. 2a). Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von Wilenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen Gerichts über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG; BGE 146 V 28 E. 3.2; BGE 144 III 93 E. 5.2.3; BGE 142 III 671 E. 3.3).
2.2.2 Mehrdeutige Wendungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind im Zweifel zu Lasten jener Partei auszulegen, die sie verfasst hat (sog. Unklarheitsregel). In allgemeinen Versicherungsbedingungen sind mehrdeutige Klauseln somit gegen den Versicherer als deren Verfasser zu interpretieren (BGE 146 III 339 E. 5.2.3; BGE 133 III 61 E. 2.2.2.3, BGE 133 III 607 E. 2.2; BGE 124 III 155 E. 1b). Für den Versicherungsvertrag konkretisiert Art. 33
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 33 - Soweit dieses Gesetz nicht anders bestimmt, haftet das Versicherungsunternehmen für alle Ereignisse, welche die Merkmale der Gefahr, gegen deren Folgen Versicherung genommen wurde, an sich tragen, es sei denn, dass der Vertrag einzelne Ereignisse in bestimmter, unzweideutiger Fassung von der Versicherung ausschliesst.
VVG die Unklarheitsregel insofern, als der Versicherer für alle Ereignisse haftet, welche die Merkmale der versicherten Gefahr an sich tragen, es sei denn, dass der Vertrag einzelne Ereignisse in "bestimmter, unzweideutiger Fasung" von der Versicherung ausschliesst (Urteil 4A_92/2020 vom
BGE 148 III 57 S. 63

5. August 2020 E. 3.2.2). Es ist somit am Versicherer, die Tragweite der Verpflichtung, die er eingehen will, genau zu begrenzen (BGE 135 III 410 E. 3.2; BGE 133 III 675 E. 3.3; zu Art. 33
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 33 - Soweit dieses Gesetz nicht anders bestimmt, haftet das Versicherungsunternehmen für alle Ereignisse, welche die Merkmale der Gefahr, gegen deren Folgen Versicherung genommen wurde, an sich tragen, es sei denn, dass der Vertrag einzelne Ereignisse in bestimmter, unzweideutiger Fassung von der Versicherung ausschliesst.
VVG vgl. auch Urteil 4A_153/2015 vom 25. Juni 2015 E. 4.1). Die Unklarheitsregel kommt jedoch nur subsidiär zur Anwendung, wenn sämtliche übrigen Auslegungsmittel versagen (BGE 133 III 61 E. 2.2.2.3; BGE 122 III 118 E. 2a und E. 2d; Urteile 4A_279/2020 vom 23. Februar 2021 E. 6.2; 4A_81/2020 vom 2. April 2020 E. 3.1). Es genügt mithin nicht, dass die Parteien über die Bedeutung einer Erklärung streiten, sondern es ist vorausgesetzt, dass die Erklärung nach Treu und Glauben auf verschiedene Weise verstanden werden kann (BGE 118 II 342 E. 1a) und es nicht möglich ist, den Zweifel mit den übrigen Auslegungsmitteln zu beseitigen (Urteile 4A_92/ 2020 vom 5. August 2020 E. 3.2.2; 4A_186/2018 vom 4. Juli 2019 E. 4.1; 4A_152/2017 vom 2. November 2017 E. 4.2). Wie die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel prüft das Bundesgericht die Anwendung der Unklarheitsregel als Rechtsfrage frei (dazu E. 2.1.3.4).