Urteilskopf

146 IV 196

19. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Beschwerde in Strafsachen) 6B_1430/2019 vom 10. Juli 2020

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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 196

BGE 146 IV 196 S. 196

A. Infolge eines Verkehrsunfalls erklärte die Staatsanwaltschaft Baden A. am 22. Mai 2019 mittels Strafbefehl der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und bestrafte sie mit einer Busse von Fr. 300.-. Gleichzeitig auferlegte sie ihr die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 710.-, bestehend aus einer "Strafbefehlsgebühr" von Fr. 400.- und "Polizeikosten" von Fr. 310.-. Am 28. August 2019 erhob A. Einsprache gegen den Strafbefehl, wobei sie diese auf den Kostenpunkt beschränkte.
B. Das Bezirksgericht Baden stellte am 23. Juli 2019 fest, dass der Strafbefehl hinsichtlich Schuldspruch und Strafe in Rechtskraft erwachsen war und befand, dass die "Polizeikosten" in der Höhe von Fr. 310.- nicht geschuldet seien. Entsprechend reduzierte es die Kosten für den Strafbefehl auf insgesamt Fr. 400.-.
C. Auf Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft hob das Obergericht des Kantons Aargau die Verfügung des Bezirksgerichts am 7. November 2019 auf und wies die Einsprache gegen den Strafbefehl ab.
D. A. führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Kosten für den Strafbefehl seien bei Fr. 400.- zu belassen.
Erwägungen

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Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Beschwerdeführerin rügt, das Äquivalenzprinzip sei verletzt worden. Sie sei mit einer Busse von Fr. 300.- bestraft worden. Die Strafandrohung für den Tatbestand von Art. 90 Abs. 1
SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR)
LCR Art. 90 - 1 Celui qui viole les règles de la circulation prévues par la présente loi ou par les dispositions d'exécution émanant du Conseil fédéral est puni de l'amende.
1    Celui qui viole les règles de la circulation prévues par la présente loi ou par les dispositions d'exécution émanant du Conseil fédéral est puni de l'amende.
2    Celui qui, par une violation grave d'une règle de la circulation, crée un sérieux danger pour la sécurité d'autrui ou en prend le risque est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire.
3    Celui qui, par une violation intentionnelle des règles fondamentales de la circulation, accepte de courir un grand risque d'accident pouvant entraîner de graves blessures ou la mort, que ce soit en commettant des excès de vitesse particulièrement importants, en effectuant des dépassements téméraires ou en participant à des courses de vitesse illicites avec des véhicules automobiles est puni d'une peine privative de liberté d'un à quatre ans.
3bis    En cas d'infractions au sens de l'al. 3, la peine minimale d'un an peut être réduite en présence d'une circonstance atténuante conformément à l'art. 48 du code pénal244, en particulier si l'auteur a agi en cédant à un mobile honorable.245
3ter    En cas d'infractions au sens de l'al. 3, l'auteur peut être puni d'une peine privative de liberté de quatre ans au plus ou d'une peine pécuniaire s'il n'a pas été condamné, au cours des dix années précédant les faits, pour un crime ou un délit routier ayant gravement mis en danger la sécurité de tiers ou ayant entraîné des blessures ou la mort de tiers.246
4    L'excès de vitesse est particulièrement important lorsque la vitesse maximale autorisée a été dépassée:
a  d'au moins 40 km/h, là où la limite est fixée au plus à 30 km/h;
b  d'au moins 50 km/h, là où la limite est fixée au plus à 50 km/h;
c  d'au moins 60 km/h, là où la limite est fixée au plus à 80 km/h;
d  d'au moins 80 km/h, là où la limite est fixée à plus de 80 km/h.247
5    Dans les cas précités, l'art. 237, ch. 2, du code pénal248 n'est pas applicable.
SVG laute auf Busse von Fr. 1.- bis Fr. 10'000.-. Im ordentlichen Verfahren sollte eine Busse nicht niedriger als die höchste Ordnungsbusse sein, weshalb der Strafrahmen zwischen Fr. 300.- und Fr. 10'000.- liege. Dieses Spektrum sei mit dem Gebührenrahmen für das Strafbefehlsverfahren gemäss § 15 Abs. 1 des Dekrets über die Verfahrenskosten vom 24. November 1987 (VKD/AG; SAR 221.150) in Beziehung zu setzen. Anhand der ausgesprochenen Strafe sei eine Gebühr von Fr. 710.- übermässig.
2.2

2.2.1 Gerichtskosten sind Kausalabgaben, weshalb sie dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip genügen müssen. Das Kostendeckungsprinzip besagt, dass der Gebührenertrag die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweigs nicht oder nur geringfügig übersteigen soll. Das Äquivalenzprinzip konkretisiert das Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 5 Principes de l'activité de l'État régi par le droit - 1 Le droit est la base et la limite de l'activité de l'État.
1    Le droit est la base et la limite de l'activité de l'État.
2    L'activité de l'État doit répondre à un intérêt public et être proportionnée au but visé.
3    Les organes de l'État et les particuliers doivent agir de manière conforme aux règles de la bonne foi.
4    La Confédération et les cantons respectent le droit international.
BV) und das Willkürverbot (Art. 9
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 9 Protection contre l'arbitraire et protection de la bonne foi - Toute personne a le droit d'être traitée par les organes de l'État sans arbitraire et conformément aux règles de la bonne foi.
BV) für den Bereich der Kausalabgaben. Es bestimmt, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen halten muss. Der Wert der Leistung bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt, oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweigs, wobei schematische, auf Wahrscheinlichkeit und Durchschnittserfahrungen beruhende Massstäbe angelegt werden dürfen. Es ist nicht notwendig, dass die Gebühren in jedem Fall genau dem Verwaltungsaufwand entsprechen; sie sollen indessen nach sachlich vertretbaren Kriterien bemessen sein und nicht Unterscheidungen treffen, für die keine vernünftigen Gründe ersichtlich sind. Bei der Festsetzung von Verwaltungsgebühren darf deshalb innerhalb eines gewissen Rahmens auch der wirtschaftlichen Situation des Pflichtigen und dessen Interesse am abzugeltenden Akt Rechnung getragen werden. Die Gebühr darf im Übrigen die Inanspruchnahme bestimmter staatlicher Leistungen nicht verunmöglichen oder übermässig erschweren. Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr verfügt das Gericht über einen grossen
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Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift in diesen nicht bereits dann ein, wenn sich die Gebühr als unangemessen erweist, sondern nur, wenn das Ermessen über- bzw. unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt wird (BGE 141 I 105 E. 3.3.2 mit Hinweisen).
2.2.2 In einem vereinzelten und nicht publizierten Entscheid, auf welchen sich die Beschwerdeführerin beruft, hat das Bundesgericht zusammengefasst erwogen, die Strafbefehlsgebühr bei Geschwindigkeitsüberschreitungen sei in Anwendung des aargauischen Verfahrenskostendekrets anhand der ausgesprochenen Sanktion zu bestimmen. Es hat dabei unter anderem festgehalten, es sei zulässig, wenn sich eine Strafbefehlsgebühr einerseits am erfahrungsgemäss zeitlichen Aufwand orientiere, andererseits aber die Bedeutung des Verfahrens auch unter dem Gesichtspunkt des verhängten Strafmasses im Blick behalte. Im Rahmen einer primär aufwandorientierten Betrachtung könnten unverhältnismässig hohe oder tiefe Gebühren einzelfallweise verhindert werden, wenn das Strafmass als korrektives Bemessungskriterium herangezogen werde. Das Strafmass werde dort gar zum Leitkriterium, wo gleichartige Verstösse ungeachtet unterschiedlicher Schweregrade jeweils standardisiert, ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände und mit mehr oder weniger gleichem Aufwand, untersucht und bearbeitet werden. Dies treffe auf den Bereich der Geschwindigkeitsüberschreitungen ausgesprochen zu (Urteil 6B_253/2019 vom 1. Juli 2019 E. 3.6-3.8). In der Lehre wird dieser Entscheid dahingehend kritisiert, dass das strafrechtliche Verschulden allein für die Strafzumessung von Bedeutung ist und sich die Gebühren nach dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip richten. Sinn und Zweck der Verfahrenskosten im Strafprozess sei die Abgeltung behördlichen Aufwands, nicht die zusätzliche Bestrafung für ein strafrechtliches Unrecht (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2020, Rz. 2245; STEFAN MEICHSSNER, forum poenale 2020 S. 195 ff.).
Die Gebühren im Sinne von Art. 422 Abs. 1
SR 312.0 Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (Code de procédure pénale, CPP) - Code de procédure pénale
CPP Art. 422 Définition - 1 Les frais de procédure se composent des émoluments visant à couvrir les frais et des débours effectivement supportés.
1    Les frais de procédure se composent des émoluments visant à couvrir les frais et des débours effectivement supportés.
2    On entend notamment par débours:
a  les frais imputables à la défense d'office et à l'assistance gratuite;
b  les frais de traduction;
c  les frais d'expertise;
d  les frais de participation d'autres autorités;
e  les frais de port et de téléphone et d'autres frais analogues.
StPO dienen ausschliesslich der Deckung des Aufwands im konkreten Straffall. Die Berücksichtigung der Höhe der Sanktion - und damit des Verschuldens - führt zwangsläufig zu einer zusätzlichen Bestrafung, was unzulässig ist und dem Zweck der Gebührenerhebung widerspricht. Am Entscheid 6B_253/2019 vom 1. Juli 2019 kann deshalb nicht festgehalten werden. Ob allenfalls das Verschulden als Höchstgrenze
BGE 146 IV 196 S. 199

berücksichtigt werden darf, um Gebühren zu vermeiden, die in keinem Verhältnis zur Schwere der Straftat stehen (in diesem Sinne NIKLAUS OBERHOLZER, Gerichts- und Parteikosten im Strafprozess, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, Christian Schöbi [Hrsg.], 2001, S. 35), kann offenbleiben, zumal zwischen dem strafbaren Verhalten der Beschwerdeführerin und der Höhe der Gebühren im vorliegenden Fall kein offensichtliches Missverhältnis besteht. Die Rüge, die Gebühr habe sich an der Sanktion zu orientieren, erweist sich damit als unbegründet.