Urteilskopf

144 I 234

20. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern und A. (Beschwerde in Strafsachen) 6B_1442/2017 vom 24. Oktober 2018

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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 235

BGE 144 I 234 S. 235

A. Das Regionalgericht Bern-Mittelland sprach X. mit Urteil vom 29. November 2016 der üblen Nachrede, begangen am 17. April 2014 zum Nachteil seiner Schwester A., schuldig. Es verurteilte ihn zu einer unbedingten Geldstrafe von 16 Tagessätzen zu Fr. 90.-, als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 15. August 2014. A. sprach es eine Genugtuung von Fr. 1'000.- zu. X. erhob gegen dieses Urteil Berufung.
B. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte mit Urteil vom 13. November 2017 den erstinstanzlichen Schuldspruch. Es verurteilte X. zu einer bedingten Geldstrafe von 16 Tagessätzen zu Fr. 90.-, als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 15. August 2014. Die Genugtuung an A. reduzierte es auf Fr. 500.-. Das schriftlich begründete Urteil wurde X. bzw. seinem Rechtsanwalt am 18. Januar 2018 zugestellt.
C. X. erhob am 19. Dezember 2017 Beschwerde in Strafsachen mit summarischer Begründung. Er beantragte unter anderem aufschiebende Wirkung. Mit Verfügung vom 25. Januar 2018 trat der Präsident der strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts auf das Gesuch um aufschiebende Wirkung nicht ein.
D. Am 19. Februar 2018 reichte X. eine weitere Beschwerdeschrift ein. Er beantragt darin, das Urteil vom 13. November 2017 sei aufzuheben und das Verfahren sei wegen eines nicht behebbaren Verstosses gegen Art. 6
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK einzustellen; eventualiter sei er freizusprechen und die Zivilforderung sei abzuweisen bzw. auf den Zivilweg zu verweisen; subeventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. X. stellt zudem ein Ausstandsgesuch gegen die am Berufungsurteil vom 13. November 2017 beteiligten

BGE 144 I 234 S. 236

Richter und beantragt, die vorliegende Beschwerde mit der bereits hängigen Beschwerde in Strafsachen (Verfahren 1B_513/2017) zu vereinen. Die von der strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts bestimmte Besetzung des Spruchkörpers werde wegen Besorgnis der Befangenheit vollständig abgelehnt. Am 28. Februar 2018 stellte X. zudem ein Ausstandsgesuch gegen die Bundesrichter Yves Rüedi und Monique Jametti. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Der Beschwerdeführer erblickt einen Verstoss gegen den in Art. 6
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK verankerten Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht auch darin, dass die Staatsanwaltschaft in der erst- und zweitinstanzlichen Hauptverhandlung jeweils nicht anwesend war. Dass ein Gericht ohne Anwesenheit der Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person und Zeugen einvernehme sowie schriftliche Beweismittel untersuche, erwecke gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts, da dieses bei Nichterscheinen der Staatsanwaltschaft die Rolle der Anklage einnehme. Der Beschwerdeführer verweist auf drei Russland betreffende Urteile des EGMR (Urteile Ozerov gegen Russland vom 18. Mai 2010, Nr. 64962/01; Krivoshapkin gegen Russland vom 28. Januar 2011, Nr. 42224/02; und Karelin gegen Russland vom 20. September 2016, Nr. 926/08). In den erwähnten Entscheiden des EGMR sei nicht entscheidend gewesen, ob eine Gesetzesbestimmung die Teilnahme der Staatsanwaltschaft vorschrieb, sondern einzig, dass das Gericht bei Nichterscheinen der Staatsanwaltschaft die Rolle der Anklage übernommen habe.
5.2 Nach Art. 29 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV, Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK und Art. 3 Abs. 2 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 3 Achtung der Menschenwürde und Fairnessgebot - 1 Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen.
1    Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen.
2    Sie beachten namentlich:
a  den Grundsatz von Treu und Glauben;
b  das Verbot des Rechtsmissbrauchs;
c  das Gebot, alle Verfahrensbeteiligten gleich und gerecht zu behandeln und ihnen rechtliches Gehör zu gewähren;
d  das Verbot, bei der Beweiserhebung Methoden anzuwenden, welche die Menschenwürde verletzen.
StPO haben die Parteien Anspruch auf ein gerechtes Verfahren. Gemäss Art. 30 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
1    Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
2    Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen.
3    Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
BV, Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK und Art. 14 Abs. 1
IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte
UNO-Pakt-II Art. 14 - (1) Alle Menschen sind vor Gericht gleich. Jedermann hat Anspruch darauf, dass über eine gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage oder seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht in billiger Weise und öffentlich verhandelt wird. Aus Gründen der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung (ordre public) oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft oder wenn es im Interesse des Privatlebens der Parteien erforderlich ist oder - soweit dies nach Auffassung des Gerichts unbedingt erforderlich ist - unter besonderen Umständen, in denen die Öffentlichkeit des Verfahrens die Interessen der Gerechtigkeit beeinträchtigen würde, können Presse und Öffentlichkeit während der ganzen oder eines Teils der Verhandlung ausgeschlossen werden; jedes Urteil in einer Straf- oder Zivilsache ist jedoch öffentlich zu verkünden, sofern nicht die Interessen Jugendlicher dem entgegenstehen oder das Verfahren Ehestreitigkeiten oder die Vormundschaft über Kinder betrifft.
a  Er ist unverzüglich und im Einzelnen in einer ihm verständlichen Sprache über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Anklage zu unterrichten;
b  er muss hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung und zum Verkehr mit einem Verteidiger seiner Wahl haben;
c  es muss ohne unangemessene Verzögerung ein Urteil gegen ihn ergehen;
d  er hat das Recht, bei der Verhandlung anwesend zu sein und sich selbst zu verteidigen oder durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen; falls er keinen Verteidiger hat, ist er über das Recht, einen Verteidiger in Anspruch zu nehmen, zu unterrichten; fehlen ihm die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers, so ist ihm ein Verteidiger unentgeltlich zu bestellen, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
e  er darf Fragen an die Belastungszeugen stellen oder stellen lassen und das Erscheinen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter den für die Belastungszeugen geltenden Bedingungen erwirken;
f  er kann die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers verlangen, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht;
g  er darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen.
UNO-Pakt II (SR 0.103.2) hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter entschieden wird. Art. 56
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 56 Ausstandsgründe - Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
a  in der Sache ein persönliches Interesse hat;
b  in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war;
c  mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
d  mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
e  mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist;
f  aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte.
StPO konkretisiert diese grundrechtliche Garantie (BGE 138 I 425 E. 4.2.1 S. 428).
BGE 144 I 234 S. 237

Voreingenommenheit und Befangenheit werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters begründet sein. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 74; BGE 141 IV 178 E. 3.2.1 S. 179; je mit Hinweisen).

5.3 Die vom Beschwerdeführer erwähnten Entscheide des EGMR betrafen Russland, wobei der EGMR jeweils eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK feststellte. Der EGMR berücksichtigte dabei insbesondere, dass die kontradiktorische Natur des Strafverfahrens in der russischen Verfassung verankert ist. Art. 248 der russischen Strafprozessordnung verpflichtete die Staatsanwaltschaft zudem, die Anklage zurückzuziehen, wenn sie zur Überzeugung gelangte, dass sich die Vorwürfe gestützt auf die Ergebnisse der gerichtlichen Beweiserhebung nicht mehr aufrechterhalten lassen (Urteile Ozervo, § 26 f.; Krivoshapkin, § 18). Das russische Verfassungsgericht entschied dazu insbesondere, es sei mit dem Anspruch auf ein kontradiktorisches Verfahren unvereinbar, wenn das Gericht eine Anklage aufrechterhalte, nachdem diese von der Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 248 der russischen Strafprozessordnung fallengelassen worden sei, oder wenn das Gericht die Angelegenheit von sich aus zur Beweisergänzung an die Staatsanwaltschaft zurückweise, nachdem andere Beweise für unzulässig erklärt worden seien (Urteile Ozerov, § 27 f. und 52; Krivoshapkin, § 20 und 44). Im Urteil Ozerov verlas das Gericht in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft die Anklage. Es befragte die beschuldigte Person, die Opfer und von Amtes wegen auch andere Zeugen. Zudem erklärte es gewisse von der Staatsanwaltschaft erhobene Beweise für unverwertbar. Der EGMR kritisierte, es wäre an der Staatsanwaltschaft gewesen, darüber zu befinden, ob die Anklage gestützt auf die neue Beweislage aufrechtzuerhalten oder fallenzulassen sei (Urteil Ozerov, § 53 f.). Im Urteil Krivoshapkin verlas das Gericht ebenfalls in Abwesenheit der
BGE 144 I 234 S. 238

Staatsanwaltschaft die Anklage und es befragte die beschuldigte Person und Zeugen. Zudem lehnte es einen Beweisantrag der Verteidigung auf Anhörung von Entlastungszeugen ab. Der EGMR beanstandete auch in diesem Urteil, das russische Gericht habe kein kontradiktorisches Verfahren durchgeführt, sondern in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft deren Funktionen übernommen (Urteil Krivoshapkin, § 44). Im Urteil Krivoshapkin kam hinzu, dass die russische Strafprozessordnung auf den 1. Juli 2002 geändert wurde und das neue Recht, welches im Zeitpunkt des zweitinstanzlichen Entscheids bereits in Kraft war, die Teilnahme der Staatsanwaltschaft an der Gerichtsverhandlung für zwingend erklärte (Urteil Krivoshapkin, § 19 und 45). Im Urteil Karelin ging es um ein russisches Verwaltungsstrafverfahren. Der EGMR hielt in diesem Entscheid im Sinne einer allgemeinen Regel fest, die Anwesenheit der Staatsanwaltschaft sei angebracht, wenn eine mündliche Verhandlung opportun erscheine und der Beschuldigte auf seine eigene Anwesenheit nicht wirksam verzichtet habe. Es sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Anklage zu präsentieren und gegenüber gegnerischen Argumenten zu verteidigen (Urteil Karelin, § 76 und 77). Im Rechtsmittelverfahren kann es sich nach dem EGMR anders verhalten, wenn das erstinstanzliche Verfahren in dieser Hinsicht korrekt durchgeführt wurde und der Beschuldigte nur Rechtsrügen vorbringt (Urteil Karelin, § 81; siehe dazu bereits Urteile 1B_197/2018 vom 4. Juni 2018 E. 4.3; 1B_37/2018 vom 4. Juni 2018 E. 3.3; 1B_184/2018 vom 4. Juni 2018 E. 5.3; 1B_17/2018 vom 21. März 2018 E. 4.3). Im Urteil Karelin war letztlich entscheidend, dass es gemäss dem EGMR an einer eigentlichen Anklagebehörde fehlte (vgl. Urteil Karelin, § 61 ff.).
5.4 In der Lehre wird die Auffassung vertreten, die relativ weitgehende Rechtsprechung des EGMR in Sachen Ozerov und Krivoshapkin könnte auch für die Schweiz von Bedeutung sein (SARAH SUMMERS, Überlegungen zur Unparteilichkeit und der richterlichen Befragung, in: Festschrift für Andreas Donatsch, 2017, S. 443 ff., 448). Die richterliche Aktivität bei Befragungen der beschuldigten Person und der Zeugen scheine das Potential zu haben, die richterliche Unparteilichkeit infrage zu stellen (SUMMERS, a.a.O., S. 456).

5.5 Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts entschied unter Bezugnahme auf die zuvor erwähnten Entscheide des
BGE 144 I 234 S. 239

EGMR verschiedentlich, die Frage, ob das Sachgericht als parteilich erscheine, weil es in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft deren Rolle übernehme, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Frage der Verletzung von Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK könne daher erst anhand des konkreten Vorgehens des Gerichts anlässlich der Verhandlung schlüssig beantwortet werden (vgl. Urteile 1B_197/2018 vom 4. Juni 2018 E. 4.4; 1B_37/2018 vom 4. Juni 2018 E. 3.4; 1B_184/2018 vom 4. Juni 2018 E. 5.4; 1B_17/2018 vom 21. März 2018 E. 4.4).
5.6

5.6.1 Die schweizerische StPO folgt anderen Regeln als das russische Recht, wie es sich aus den zuvor zitierten Urteilen des EGMR ergibt. Nach der StPO wird die Anklage von der Staatsanwaltschaft erhoben (vgl. Art. 324 ff
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 324 Grundsätze - 1 Die Staatsanwaltschaft erhebt beim zuständigen Gericht Anklage, wenn sie aufgrund der Untersuchung die Verdachtsgründe als hinreichend erachtet und keinen Strafbefehl erlassen kann.
1    Die Staatsanwaltschaft erhebt beim zuständigen Gericht Anklage, wenn sie aufgrund der Untersuchung die Verdachtsgründe als hinreichend erachtet und keinen Strafbefehl erlassen kann.
2    Die Anklageerhebung ist nicht anfechtbar.
. StPO). Das Gericht ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden (Art. 350 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 350 Bindung an die Anklage; Grundlage des Urteils - 1 Das Gericht ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden.
1    Das Gericht ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden.
2    Es berücksichtigt die im Vorverfahren und im Hauptverfahren erhobenen Beweise.
StPO). Die Anklageschrift bzw. der darin umschriebene Sachverhalt bestimmt den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Zugleich bezweckt die Anklageschrift den Schutz der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 143 IV 63 E. 2.2 S. 65; BGE 141 IV 132 E. 3.4.1 S. 142 f.; je mit Hinweisen).
5.6.2 Dem Gericht kommt nach der StPO bei der Beweisführung zwingend eine aktive Rolle zu. Es muss die beschuldigte Person an der mündlichen Hauptverhandlung von Amtes wegen sowohl zur Person als auch zur Sache befragen (vgl. Art. 341 Abs. 3
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 341 Einvernahmen - 1 Die Verfahrensleitung oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts führt die Einvernahmen durch.
1    Die Verfahrensleitung oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts führt die Einvernahmen durch.
2    Die anderen Mitglieder des Gerichts und die Parteien können durch die Verfahrensleitung Ergänzungsfragen stellen lassen oder sie mit deren Ermächtigung selber stellen.
3    Die Verfahrensleitung befragt zu Beginn des Beweisverfahrens die beschuldigte Person eingehend zu ihrer Person, zur Anklage und zu den Ergebnissen des Vorverfahrens.
StPO; BGE 143 IV 408 E. 6.2 S. 414 f., BGE 143 IV 288 E. 1.4.2 f. S. 291 f.). Zudem muss es, falls erforderlich auch von Amtes wegen, neue Beweise erheben, unvollständig erhobene Beweise ergänzen und im Vorverfahren nicht ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals erheben (Art. 6
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 6 Untersuchungsgrundsatz - 1 Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab.
1    Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab.
2    Sie untersuchen die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt.
, Art. 343 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 343 Beweisabnahme - 1 Das Gericht erhebt neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise.
1    Das Gericht erhebt neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise.
2    Es erhebt im Vorverfahren nicht ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals.
3    Es erhebt im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint.
und 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 343 Beweisabnahme - 1 Das Gericht erhebt neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise.
1    Das Gericht erhebt neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise.
2    Es erhebt im Vorverfahren nicht ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals.
3    Es erhebt im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint.
, Art. 389 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 389 Beweisergänzungen - 1 Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind.
1    Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind.
2    Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts werden nur wiederholt, wenn:
a  Beweisvorschriften verletzt worden sind;
b  die Beweiserhebungen unvollständig waren;
c  die Akten über die Beweiserhebungen unzuverlässig erscheinen.
3    Die Rechtsmittelinstanz erhebt von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die erforderlichen zusätzlichen Beweise.
und 3
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 389 Beweisergänzungen - 1 Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind.
1    Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind.
2    Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts werden nur wiederholt, wenn:
a  Beweisvorschriften verletzt worden sind;
b  die Beweiserhebungen unvollständig waren;
c  die Akten über die Beweiserhebungen unzuverlässig erscheinen.
3    Die Rechtsmittelinstanz erhebt von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die erforderlichen zusätzlichen Beweise.
StPO). Sofern die unmittelbare Kenntnis eines Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint, muss es sodann selbst im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweismittel nochmals erheben (Art. 343 Abs. 3
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 343 Beweisabnahme - 1 Das Gericht erhebt neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise.
1    Das Gericht erhebt neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise.
2    Es erhebt im Vorverfahren nicht ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals.
3    Es erhebt im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint.
StPO). Die Befragung der beschuldigten Person, der Zeugen und Auskunftspersonen etc. erfolgt durch die Verfahrensleitung (d.h. durch den Präsidenten des Kollegialgerichts bzw. durch den Einzelrichter) oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts (Art. 341 Abs. 1
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StPO Art. 341 Einvernahmen - 1 Die Verfahrensleitung oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts führt die Einvernahmen durch.
1    Die Verfahrensleitung oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts führt die Einvernahmen durch.
2    Die anderen Mitglieder des Gerichts und die Parteien können durch die Verfahrensleitung Ergänzungsfragen stellen lassen oder sie mit deren Ermächtigung selber stellen.
3    Die Verfahrensleitung befragt zu Beginn des Beweisverfahrens die beschuldigte Person eingehend zu ihrer Person, zur Anklage und zu den Ergebnissen des Vorverfahrens.
i.V.m. Art. 61 lit. c
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StPO Art. 61 Zuständigkeit - Das Verfahren leitet:
a  bis zur Einstellung oder Anklageerhebung: die Staatsanwaltschaft;
b  im Übertretungsstrafverfahren: die Übertretungsstrafbehörde;
c  im Gerichtsverfahren bei Kollegialgerichten: die Präsidentin oder der Präsident des betreffenden Gerichts;
d  im Gerichtsverfahren bei Einzelgerichten: die Richterin oder der Richter.
und d StPO). Die Parteien, darunter auch
BGE 144 I 234 S. 240

die Staatsanwaltschaft, können lediglich Ergänzungsfragen durch die Verfahrensleitung stellen lassen bzw. mit deren Ermächtigung selber stellen (Art. 341 Abs. 2
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StPO Art. 341 Einvernahmen - 1 Die Verfahrensleitung oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts führt die Einvernahmen durch.
1    Die Verfahrensleitung oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts führt die Einvernahmen durch.
2    Die anderen Mitglieder des Gerichts und die Parteien können durch die Verfahrensleitung Ergänzungsfragen stellen lassen oder sie mit deren Ermächtigung selber stellen.
3    Die Verfahrensleitung befragt zu Beginn des Beweisverfahrens die beschuldigte Person eingehend zu ihrer Person, zur Anklage und zu den Ergebnissen des Vorverfahrens.
StPO).
5.6.3 Die StPO schreibt die Anwesenheit der Staatsanwaltschaft an der mündlichen Hauptverhandlung nur vor, wenn diese eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme beantragt (Art. 337 Abs. 3
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StPO Art. 337 Staatsanwaltschaft - 1 Die Staatsanwaltschaft kann dem Gericht schriftliche Anträge stellen oder persönlich vor Gericht auftreten.
1    Die Staatsanwaltschaft kann dem Gericht schriftliche Anträge stellen oder persönlich vor Gericht auftreten.
2    Sie ist weder an die in der Anklageschrift vorgenommene rechtliche Würdigung noch an die darin gestellten Anträge gebunden.
3    Beantragt sie eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme, so hat sie die Anklage vor Gericht persönlich zu vertreten.
4    Die Verfahrensleitung kann die Staatsanwaltschaft auch in anderen Fällen zur persönlichen Vertretung der Anklage verpflichten, wenn sie dies für nötig erachtet.
5    Erscheint die Staatsanwaltschaft nicht an der Hauptverhandlung, obwohl sie dazu verpflichtet wäre, so wird die Verhandlung verschoben.
StPO) oder wenn das Gericht dies aus anderen Gründen für nötig erachtet (Art. 337 Abs. 4
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StPO Art. 337 Staatsanwaltschaft - 1 Die Staatsanwaltschaft kann dem Gericht schriftliche Anträge stellen oder persönlich vor Gericht auftreten.
1    Die Staatsanwaltschaft kann dem Gericht schriftliche Anträge stellen oder persönlich vor Gericht auftreten.
2    Sie ist weder an die in der Anklageschrift vorgenommene rechtliche Würdigung noch an die darin gestellten Anträge gebunden.
3    Beantragt sie eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme, so hat sie die Anklage vor Gericht persönlich zu vertreten.
4    Die Verfahrensleitung kann die Staatsanwaltschaft auch in anderen Fällen zur persönlichen Vertretung der Anklage verpflichten, wenn sie dies für nötig erachtet.
5    Erscheint die Staatsanwaltschaft nicht an der Hauptverhandlung, obwohl sie dazu verpflichtet wäre, so wird die Verhandlung verschoben.
StPO). Im Übrigen steht es der Staatsanwaltschaft gemäss Art. 337 Abs. 1
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StPO Art. 337 Staatsanwaltschaft - 1 Die Staatsanwaltschaft kann dem Gericht schriftliche Anträge stellen oder persönlich vor Gericht auftreten.
1    Die Staatsanwaltschaft kann dem Gericht schriftliche Anträge stellen oder persönlich vor Gericht auftreten.
2    Sie ist weder an die in der Anklageschrift vorgenommene rechtliche Würdigung noch an die darin gestellten Anträge gebunden.
3    Beantragt sie eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme, so hat sie die Anklage vor Gericht persönlich zu vertreten.
4    Die Verfahrensleitung kann die Staatsanwaltschaft auch in anderen Fällen zur persönlichen Vertretung der Anklage verpflichten, wenn sie dies für nötig erachtet.
5    Erscheint die Staatsanwaltschaft nicht an der Hauptverhandlung, obwohl sie dazu verpflichtet wäre, so wird die Verhandlung verschoben.
StPO frei, dem Gericht schriftliche Anträge zu stellen oder persönlich vor Gericht aufzutreten. Art. 340 Abs. 1 lit. b
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StPO Art. 340 Fortgang der Verhandlung - 1 Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
1    Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
a  die Hauptverhandlung ohne unnötige Unterbrechungen zu Ende zu führen ist;
b  die Anklage nicht mehr zurückgezogen und unter Vorbehalt von Artikel 333 nicht mehr geändert werden kann;
c  zur Anwesenheit verpflichtete Parteien den Verhandlungsort nur noch mit Einwilligung des Gerichts verlassen dürfen; verlässt eine Partei den Verhandlungsort, so wird die Verhandlung gleichwohl fortgesetzt.
2    Nach der Behandlung allfälliger Vorfragen gibt die Verfahrensleitung die Anträge der Staatsanwaltschaft bekannt, falls die Parteien nicht darauf verzichten.
StPO stellt zudem klar, dass die Anklage an der Hauptverhandlung nach einer allfälligen Behandlung von Vorfragen nicht mehr zurückgezogen und unter Vorbehalt von Art. 333
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StPO Art. 333 Änderung und Erweiterung der Anklage - 1 Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
1    Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
2    Werden während des Hauptverfahrens neue Straftaten der beschuldigten Person bekannt, so kann das Gericht der Staatsanwaltschaft gestatten, die Anklage zu erweitern.
3    Eine Erweiterung ist ausgeschlossen, wenn dadurch das Verfahren über Gebühr erschwert oder die Zuständigkeit des Gerichts ändern würde oder wenn ein Fall von Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. In diesen Fällen leitet die Staatsanwaltschaft ein Vorverfahren ein.
4    Das Gericht darf eine geänderte oder erweiterte Anklage seinem Urteil nur zu Grunde legen, wenn die Parteirechte der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft gewahrt worden sind. Es unterbricht dafür nötigenfalls die Hauptverhandlung.
StPO nicht mehr geändert werden kann. Allfällige Prozesshindernisse vorbehalten, kann eine beschuldigte Person nach Beginn des gerichtlichen Beweisverfahrens daher nur noch freigesprochen oder schuldig erklärt werden (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1282 f. Ziff. 2.7.2.1, 2.7.2.2). Die Bestimmung dient insofern dem Schutz der beschuldigten Person, als diese in diesem Verfahrensstadium Anspruch darauf hat, dass die Frage ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit klar mit Ja oder Nein beantwortet wird (SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 213; HAURI/VENETZ, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 340
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StPO Art. 340 Fortgang der Verhandlung - 1 Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
1    Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
a  die Hauptverhandlung ohne unnötige Unterbrechungen zu Ende zu führen ist;
b  die Anklage nicht mehr zurückgezogen und unter Vorbehalt von Artikel 333 nicht mehr geändert werden kann;
c  zur Anwesenheit verpflichtete Parteien den Verhandlungsort nur noch mit Einwilligung des Gerichts verlassen dürfen; verlässt eine Partei den Verhandlungsort, so wird die Verhandlung gleichwohl fortgesetzt.
2    Nach der Behandlung allfälliger Vorfragen gibt die Verfahrensleitung die Anträge der Staatsanwaltschaft bekannt, falls die Parteien nicht darauf verzichten.
StPO). Der Staatsanwaltschaft ist es daher nicht möglich, die Anklage z.B. bei einem sich vor Gericht abzeichnenden Freispruch zurückzuziehen, womit in der Öffentlichkeit der durch die Anklageerhebung bewirkte negative Eindruck über die Beschuldigten erhalten bleiben könnte (Begleitbericht zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, 2001, S. 222 f.; HAURI/VENETZ, a.a.O., N. 3 zu Art. 340
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StPO Art. 340 Fortgang der Verhandlung - 1 Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
1    Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
a  die Hauptverhandlung ohne unnötige Unterbrechungen zu Ende zu führen ist;
b  die Anklage nicht mehr zurückgezogen und unter Vorbehalt von Artikel 333 nicht mehr geändert werden kann;
c  zur Anwesenheit verpflichtete Parteien den Verhandlungsort nur noch mit Einwilligung des Gerichts verlassen dürfen; verlässt eine Partei den Verhandlungsort, so wird die Verhandlung gleichwohl fortgesetzt.
2    Nach der Behandlung allfälliger Vorfragen gibt die Verfahrensleitung die Anträge der Staatsanwaltschaft bekannt, falls die Parteien nicht darauf verzichten.
StPO). Das schweizerische Recht unterscheidet sich auch insofern in einem wesentlichen Punkt vom russischen Recht, wie es den vom Beschwerdeführer zitierten Urteilen des EGMR zugrunde lag. Schliesslich kennt das schweizerische Recht auch keine Pflicht der Staatsanwaltschaft, die Anklageschrift an der mündlichen Verhandlung zu verlesen (vgl. dazu für das russische Recht Urteil Ozerov, § 28). Die Anträge der Staatsanwaltschaft werden an der Hauptverhandlung vielmehr von der
BGE 144 I 234 S. 241

Verfahrensleitung bekanntgegeben, falls die Parteien nicht darauf verzichten (Art. 340 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 340 Fortgang der Verhandlung - 1 Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
1    Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
a  die Hauptverhandlung ohne unnötige Unterbrechungen zu Ende zu führen ist;
b  die Anklage nicht mehr zurückgezogen und unter Vorbehalt von Artikel 333 nicht mehr geändert werden kann;
c  zur Anwesenheit verpflichtete Parteien den Verhandlungsort nur noch mit Einwilligung des Gerichts verlassen dürfen; verlässt eine Partei den Verhandlungsort, so wird die Verhandlung gleichwohl fortgesetzt.
2    Nach der Behandlung allfälliger Vorfragen gibt die Verfahrensleitung die Anträge der Staatsanwaltschaft bekannt, falls die Parteien nicht darauf verzichten.
StPO). Auch das Verlesen der Anklageschrift bzw. eine Zusammenfassung derselben obliegt - soweit überhaupt erforderlich - dem Gericht (vgl. dazu HAURI/VENETZ, a.a.O., N. 10 ff. zu Art. 340
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StPO Art. 340 Fortgang der Verhandlung - 1 Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
1    Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
a  die Hauptverhandlung ohne unnötige Unterbrechungen zu Ende zu führen ist;
b  die Anklage nicht mehr zurückgezogen und unter Vorbehalt von Artikel 333 nicht mehr geändert werden kann;
c  zur Anwesenheit verpflichtete Parteien den Verhandlungsort nur noch mit Einwilligung des Gerichts verlassen dürfen; verlässt eine Partei den Verhandlungsort, so wird die Verhandlung gleichwohl fortgesetzt.
2    Nach der Behandlung allfälliger Vorfragen gibt die Verfahrensleitung die Anträge der Staatsanwaltschaft bekannt, falls die Parteien nicht darauf verzichten.
StPO).
5.7 Die zuvor beschriebene aktive Rolle des Gerichts bei der Beweisführung ist dem schweizerischen System inhärent. Das Gericht ist dazu unabhängig davon verpflichtet, ob die Staatsanwaltschaft an der Gerichtsverhandlung anwesend ist oder nicht. Dass die Anwesenheit der Staatsanwaltschaft keine grössere Auswirkung auf das Verhalten der Gerichtspersonen bei von ihnen durchgeführten Befragungen hat, ergibt sich auch aus den Resultaten des unter Berücksichtigung der einschlägigen EGMR-Rechtsprechung durchgeführten Forschungsprojekts "Trial Observation". Ein Zusammenhang zwischen "übermässiger" richterlicher Aktivität und Abwesenheit der Staatsanwaltschaft konnte im Rahmen dieses Forschungsprojekts nicht festgestellt werden (siehe dazu SUMMERS, a.a.O., insb. S. 455). Ein solcher wird vom Beschwerdeführer denn auch weder allgemein noch konkret auf den vorliegenden Fall bezogen behauptet. Ebenso wenig kann gesagt werden, das Gericht übernehme bei den Befragungen die Rolle der Staatsanwaltschaft, da die Befragungspflicht - auch bei Anwesenheit der Staatsanwaltschaft - der Verfahrensleitung des Gerichts obliegt (Art. 341 Abs. 1
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StPO Art. 341 Einvernahmen - 1 Die Verfahrensleitung oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts führt die Einvernahmen durch.
1    Die Verfahrensleitung oder ein von ihr bestimmtes Mitglied des Gerichts führt die Einvernahmen durch.
2    Die anderen Mitglieder des Gerichts und die Parteien können durch die Verfahrensleitung Ergänzungsfragen stellen lassen oder sie mit deren Ermächtigung selber stellen.
3    Die Verfahrensleitung befragt zu Beginn des Beweisverfahrens die beschuldigte Person eingehend zu ihrer Person, zur Anklage und zu den Ergebnissen des Vorverfahrens.
StPO). Schliesslich hat die Anwesenheit der Staatsanwaltschaft auch auf die Aufrechterhaltung der Anklage keinen Einfluss, nachdem diese - anders als im russischen Recht - an der Hauptverhandlung nach einer allfälligen Behandlung von Vorfragen nicht mehr zurückgezogen werden kann (Art. 340 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 340 Fortgang der Verhandlung - 1 Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
1    Sind allfällige Vorfragen behandelt, so hat dies zur Folge, dass:
a  die Hauptverhandlung ohne unnötige Unterbrechungen zu Ende zu führen ist;
b  die Anklage nicht mehr zurückgezogen und unter Vorbehalt von Artikel 333 nicht mehr geändert werden kann;
c  zur Anwesenheit verpflichtete Parteien den Verhandlungsort nur noch mit Einwilligung des Gerichts verlassen dürfen; verlässt eine Partei den Verhandlungsort, so wird die Verhandlung gleichwohl fortgesetzt.
2    Nach der Behandlung allfälliger Vorfragen gibt die Verfahrensleitung die Anträge der Staatsanwaltschaft bekannt, falls die Parteien nicht darauf verzichten.
StPO; oben E. 5.6.3). Das gesetzmässige Vorgehen des Gerichts bei der Beweisführung, wie es in der StPO auch in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft vorgesehen ist, führt daher nicht per se zur Befangenheit der betroffenen Richter (vgl. dazu bereits Urteil 6B_373/2018 vom 7. September 2018 E. 3.3.1).
5.8 Eine Verletzung des einschlägigen Verfahrensrechts durch die Vorinstanzen tut der Beschwerdeführer nicht dar. Dieser behauptet insbesondere nicht, die Gerichte hätten es anlässlich der Befragungen an der notwendigen Objektivität mangeln lassen oder aus anderen Gründen den Anschein der Befangenheit erweckt. Er macht zu Recht auch nicht geltend, diese hätten in Abwesenheit der
BGE 144 I 234 S. 242

Staatsanwaltschaft Handlungen vorgenommen, wozu gesetzlich allein diese befugt gewesen wäre. Eine Verletzung des Anspruchs auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht ist entgegen der Kritik des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Dessen Rüge ist unbegründet. Damit kann offenbleiben, ob der Beschwerdeführer die Rüge der Parteilichkeit der erst- und zweitinstanzlichen Richter rechtzeitig vorbrachte (vgl. Art. 58 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
1    Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
2    Die betroffene Person nimmt zum Gesuch Stellung.
StPO) und ob darauf im Zusammenhang mit der Beschwerde in Strafsachen gegen den Endentscheid überhaupt eingetreten werden kann.