Urteilskopf

141 III 257

36. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_2/2015 vom 25. Juni 2015

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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 258

BGE 141 III 257 S. 258

A. und B. (Kläger, Beschwerdeführer) schlossen mit der C2. AG, der Rechtsvorgängerin der C. AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin), einen Werkvertrag zur Erstellung eines Mehrfamilien-Wohnhauses. Nach dem Bezug des Wohnhauses rügten die Kläger diverse Mängel. Mit Urteil vom 15. März 2011 (nachfolgend: Kostenvorschussurteil) verpflichtete des Handelsgerichts des Kantons Zürich die Beklagte, den Klägern einen Vorschuss von Fr. 242'740.- an die mutmasslichen Kosten der Sanierung der Mängel zu leisten. Nach erfolgter Sanierung verlangten die Kläger vor Handelsgericht zusätzlich Fr. 40'344.35 nebst Zins, da die tatsächlichen Kosten der durchgeführten Ersatzvornahme zur Beseitigung der Mängel den Kostenvorschuss um diesen Betrag überschritten hätten. Das Handelsgericht wies die Klage am 12. November 2014 ab. Das Bundesgericht weist die von den Beschwerdeführern gegen das Urteil des Handelsgerichts vom 12. November 2014 erhobene Beschwerde mit Blick auf die Substanziierungsanforderungen bezüglich des geltend gemachten Mehraufwandes ab. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Die Vorinstanz erwog, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 128 III 416 E. 4.2.2 S. 418) habe der Besteller nach durchgeführter Ersatznachbesserung über die Kosten abzurechnen und dem Unternehmer einen allfälligen Überschuss zurückzuerstatten. Eine allfällige Nachforderung sei ausgeschlossen, wenn über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten "im Detail bereits entschieden" worden sei und insofern eine "res iudicata" vorliege. Entsprechend prüfte sie, ob im Kostenvorschussurteil im Sinn dieser Rechtsprechung über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten im Detail bereits entschieden wurde. Sie bejahte dies, denn aus den Erwägungen ergebe sich, dass sie sich mit den einzelnen Positionen im Detail (Hervorhebung durch die Vorinstanz) befasste, gar ein Beweisverfahren durchgeführt und mehrere Gutachten - darunter ein ökonomisches - eingeholt wurden, die Klage im Mehrbetrag abgewiesen wurde, die Parteien sich dazu äussern konnten, beim Vorschuss eine Reserve (20 %) eingerechnet wurde und eine Rückzahlungspflicht für den nicht beanspruchten Teil der Bevorschussung, jedoch umgekehrt keine Nachzahlungspflicht bei allfälliger Überschreitung des bevorschussten Betrages festgehalten wurde.
BGE 141 III 257 S. 259

3.2 Eine abgeurteilte Sache liegt vor, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten inhaltlich identisch ist. Die Identität von prozessualen Ansprüchen wird nach den Klageanträgen und dem behaupteten Lebenssachverhalt, d.h. dem Tatsachenfundament, auf das sich die Klagebegehren stützen, beurteilt (BGE 139 III 126 E. 3.2.3 S. 131 mit Hinweisen). Die Rechtskraftwirkung tritt nur soweit ein, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu welcher dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist. Zwar erwächst der Entscheid nur in jener Form in Rechtskraft, wie er im Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt (BGE 123 III 16 E. 2a S. 18; Urteil des Bundesgerichts 4C.233/2000 vom 15. November 2000 E. 3a; MAX KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, 1954, S. 113), doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen. Insoweit können dieselben präjudizielle Bedeutung erlangen. Lediglich im Übrigen haben die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen eines Entscheids in einer anderen Streitsache keine bindende Wirkung (so BGE 123 III 16 E. 2a S. 18 f.).
3.3 Der Anspruch auf Ersatzvornahme (Art. 366 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 366 - 1 Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
1    Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
2    Lässt sich während der Ausführung des Werkes eine mangelhafte oder sonst vertragswidrige Erstellung durch Verschulden des Unternehmers bestimmt voraussehen, so kann ihm der Besteller eine angemessene Frist zur Abhilfe ansetzen oder ansetzen lassen mit der Androhung, dass im Unterlassungsfalle die Verbesserung oder die Fortführung des Werkes auf Gefahr und Kosten des Unternehmers einem Dritten übertragen werde.
OR; vgl. auch Art. 98 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 98 - 1 Ist der Schuldner zu einem Tun verpflichtet, so kann sich der Gläubiger, unter Vorbehalt seiner Ansprüche auf Schadenersatz, ermächtigen lassen, die Leistung auf Kosten des Schuldners vorzunehmen.
1    Ist der Schuldner zu einem Tun verpflichtet, so kann sich der Gläubiger, unter Vorbehalt seiner Ansprüche auf Schadenersatz, ermächtigen lassen, die Leistung auf Kosten des Schuldners vorzunehmen.
2    Ist der Schuldner verpflichtet, etwas nicht zu tun, so hat er schon bei blossem Zuwiderhandeln den Schaden zu ersetzen.
3    Überdies kann der Gläubiger die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes verlangen und sich ermächtigen lassen, diesen auf Kosten des Schuldners zu beseitigen.
OR) ist eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs auf Leistung, beziehungsweise Nachbesserung durch den Unternehmer selber. Der daraus fliessende Anspruch des Bestellers auf Kostenersatz ist daher ein Aufwendungs- und kein Schadenersatz (BGE 126 III 230 E. 7a/aa S. 233; Urteil des Bundesgerichts 4A_556/2011 vom 20. Januar 2012 E. 2.4; PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl. 2011, S. 649 f. Rz. 1714 und S. 685 Rz. 1825; a.A. [Schadenersatz] THEODOR BÜHLER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1998, N. 150 zu Art. 368
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 368 - 1 Leidet das Werk an so erheblichen Mängeln oder weicht es sonst so sehr vom Vertrage ab, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann, so darf er diese verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern.
1    Leidet das Werk an so erheblichen Mängeln oder weicht es sonst so sehr vom Vertrage ab, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann, so darf er diese verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern.
2    Sind die Mängel oder die Abweichungen vom Vertrage minder erheblich, so kann der Besteller einen dem Minderwerte des Werkes entsprechenden Abzug am Lohne machen oder auch, sofern dieses dem Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht, die unentgeltliche Verbesserung des Werkes und bei Verschulden Schadenersatz verlangen.
3    Bei Werken, die auf dem Grund und Boden des Bestellers errichtet sind und ihrer Natur nach nur mit unverhältnismässigen Nachteilen entfernt werden können, stehen dem Besteller nur die im zweiten Absatz dieses Artikels genannten Rechte zu.
OR; FRANÇOIS CHAIX, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 53 zu Art. 368
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 368 - 1 Leidet das Werk an so erheblichen Mängeln oder weicht es sonst so sehr vom Vertrage ab, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann, so darf er diese verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern.
1    Leidet das Werk an so erheblichen Mängeln oder weicht es sonst so sehr vom Vertrage ab, dass es für den Besteller unbrauchbar ist oder dass ihm die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann, so darf er diese verweigern und bei Verschulden des Unternehmers Schadenersatz fordern.
2    Sind die Mängel oder die Abweichungen vom Vertrage minder erheblich, so kann der Besteller einen dem Minderwerte des Werkes entsprechenden Abzug am Lohne machen oder auch, sofern dieses dem Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht, die unentgeltliche Verbesserung des Werkes und bei Verschulden Schadenersatz verlangen.
3    Bei Werken, die auf dem Grund und Boden des Bestellers errichtet sind und ihrer Natur nach nur mit unverhältnismässigen Nachteilen entfernt werden können, stehen dem Besteller nur die im zweiten Absatz dieses Artikels genannten Rechte zu.
OR). Der Kostenvorschuss ist daher ein vorweggenommener Aufwendungsersatz für die Kosten der Ersatzvornahme und somit eine weitere Änderung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs (ALFRED KOLLER, Mängelbeseitigung durch Ersatzvornahme, in: Haftung für Werkmängel, 1998, S. 1 ff., 19; MARTHA NIQUILLE-EBERLE, Probleme rund um die Ersatzvornahme, insbesondere die Bevorschussung der Kosten, in: Neue und alte Fragen zum privaten Baurecht, 2004, S. 63 ff., 77 Rz. 22; GAUCH, a.a.O., S. 682 Rz. 1818). Schreitet der Besteller zur Ersatzvornahme ohne Vorschuss, wozu er auch ohne richterliche Ermächtigung befugt ist
BGE 141 III 257 S. 260

(BGE 107 II 50 E. 3 S. 55 f.; BGE 136 III 273 E. 2.4 S. 276 mit Hinweis; a.A. GAUCH, a.a.O., S. 683 Rz. 1819 ff.) muss er nach getätigter Mängelbeseitigung im Rückerstattungsprozess gegen den Unternehmer sowohl den grundsätzlichen Anspruch auf Ersatzvornahme wie die Berechtigung des konkret getätigten Aufwands nachweisen. Klagt er aber zuerst auf Leistung eines Vorschusses und kommt es nach der Mängelbeseitigung zum Streit über die Kostenabrechnung, umfassen Vorschussprozess und Abrechnungsprozess in zwei Schritten denselben Inhalt, der im Rückerstattungsprozess in einem Schritt erfolgt. Daraus folgt, dass die Hauptfrage des Vorschussprozesses, das Bestehen des Anspruchs auf Ersatzvornahme und damit des Vorschussanspruchs, im Abrechnungsprozess nicht mehr in Frage gestellt werden kann (NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 95 f. Rz. 57). Die Höhe der Kosten ist dagegen nur insoweit Gegenstand des Vorschussprozesses, als darin in Bezug auf den Lebenssachverhalt, auf den sich das Vorschussbegehren stützt, definitiv über die Höhe des Vorschusses entschieden wird. Bezüglich der Höhe der tatsächlichen Kosten, die in diesem Zeitpunkt noch gar nicht aufgelaufen sind und für die am Ende Ersatz geschuldet ist, entfaltet das Urteil keine Rechtskraft (vgl. das analoge Problem bei der Ersatzvornahme nach Art. 343 Abs. 1 lit. e
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 343 Verpflichtung zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden - 1 Lautet der Entscheid auf eine Verpflichtung zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden, so kann das Vollstreckungsgericht anordnen:
1    Lautet der Entscheid auf eine Verpflichtung zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden, so kann das Vollstreckungsgericht anordnen:
a  eine Strafdrohung nach Artikel 292 StGB174;
b  eine Ordnungsbusse bis zu 5000 Franken;
c  eine Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken für jeden Tag der Nichterfüllung;
d  eine Zwangsmassnahme wie Wegnahme einer beweglichen Sache oder Räumung eines Grundstückes; oder
e  eine Ersatzvornahme.
1bis    Enthält der Entscheid ein Verbot nach Artikel 28b ZGB175, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag der gesuchstellenden Person eine elektronische Überwachung nach Artikel 28c ZGB anordnen.176
2    Die unterlegene Partei und Dritte haben die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Durchsuchungen zu dulden.
3    Die mit der Vollstreckung betraute Person kann die Hilfe der zuständigen Behörde in Anspruch nehmen.
ZPO). Daran ändert sich nichts, wenn die Abschätzung der mutmasslichen Kosten nicht auf blossen Offerten etc., sondern wie vorliegend auf Gutachten beruhte. Vorschüsse sind Akonto-Zahlungen, die definitionsgemäss unter dem Vorbehalt definitiver Kostenliquidierung geleistet werden. Das Kostenvorschussurteil schliesst demzufolge im Abrechnungsprozess weder die Rückforderung eines zu hohen Kostenvorschusses durch den Unternehmer noch die Nachforderung der noch nicht gedeckten Kosten durch den Besteller aus (ebenso: NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 98 Rz. 62; ROGER BRÄNDLI, Die Nachbesserung im Werkvertrag, 2007, S. 302 Rz. 936; JÜRG NIKLAUS, Das Recht auf Ersatzvornahme gemäss Art. 366 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 366 - 1 Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
1    Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
2    Lässt sich während der Ausführung des Werkes eine mangelhafte oder sonst vertragswidrige Erstellung durch Verschulden des Unternehmers bestimmt voraussehen, so kann ihm der Besteller eine angemessene Frist zur Abhilfe ansetzen oder ansetzen lassen mit der Androhung, dass im Unterlassungsfalle die Verbesserung oder die Fortführung des Werkes auf Gefahr und Kosten des Unternehmers einem Dritten übertragen werde.
OR, 1999, S. 133 Rz. 3.47. Vgl. aber ALFRED KOLLER, Berner Kommentar, 1998, N. 581 zu Art. 366
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OR Art. 366 - 1 Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
1    Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
2    Lässt sich während der Ausführung des Werkes eine mangelhafte oder sonst vertragswidrige Erstellung durch Verschulden des Unternehmers bestimmt voraussehen, so kann ihm der Besteller eine angemessene Frist zur Abhilfe ansetzen oder ansetzen lassen mit der Androhung, dass im Unterlassungsfalle die Verbesserung oder die Fortführung des Werkes auf Gefahr und Kosten des Unternehmers einem Dritten übertragen werde.
OR und GAUCH, a.a.O., S. 682 Rz. 1818, die beide nur die Rückerstattung des Überschusses erwähnen). Entgegen der Vorinstanz ist daher kein massgebliches Kriterium, dass im Kostenvorschussurteil lediglich eine Rückzahlungspflicht der Besteller für den nicht beanspruchten Teil der Bevorschussung festgehalten wurde, jedoch nicht umgekehrt eine Nachzahlungspflicht der Unternehmerin. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass beim Vorschuss eine Reserve einberechnet wurde. Dass es zulässig ist, eine Reserve im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen, hängt vielmehr damit
BGE 141 III 257 S. 261

zusammen, dass mit dem Kostenvorschussurteil rechtskräftig über den Anspruch auf Vorschuss entschieden und daher gestützt auf den bereits beurteilten Lebenssachverhalt eine erneute Einforderung eines weiteren Kostenvorschusses ausgeschlossen ist (NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 98 f. Rz. 63 f.; BRÄNDLI, a.a.O., S. 300 f. Rz. 933; a.A.: KOLLER, Berner Kommentar, a.a.O., N. 580 zu Art. 366
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OR Art. 366 - 1 Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
1    Beginnt der Unternehmer das Werk nicht rechtzeitig oder verzögert er die Ausführung in vertragswidriger Weise oder ist er damit ohne Schuld des Bestellers so sehr im Rückstande, dass die rechtzeitige Vollendung nicht mehr vorauszusehen ist, so kann der Besteller, ohne den Lieferungstermin abzuwarten, vom Vertrage zurücktreten.
2    Lässt sich während der Ausführung des Werkes eine mangelhafte oder sonst vertragswidrige Erstellung durch Verschulden des Unternehmers bestimmt voraussehen, so kann ihm der Besteller eine angemessene Frist zur Abhilfe ansetzen oder ansetzen lassen mit der Androhung, dass im Unterlassungsfalle die Verbesserung oder die Fortführung des Werkes auf Gefahr und Kosten des Unternehmers einem Dritten übertragen werde.
OR mit Hinweis auf deutsche Lehre und Rechtsprechung; NIKLAUS, a.a.O., S. 132 f. Rz. 3.44). Die Vorinstanz begründete die von ihr angenommene Bindungswirkung des Kostenvorschussurteils vor allem damit, dass sie sich mit den einzelnen Positionen "im Detail befasst" habe. Sie stützt sich dabei auf die Formulierung in BGE 128 III 416 E. 4.2.2, dass "eine Nachforderung ausgeschlossen" sei, "wenn wie im vorliegenden Fall über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten im Detail bereits entschieden wurde und insofern eine 'res iudicata' vorliegt". Diese Formulierung ist in der Tat missverständlich. Im Sachverhalt von BGE 128 III 416 war die Unternehmerin gemäss Werkvertrag verpflichtet, das Dach einer Industriehalle auf eine bestimmte Art zu beschichten, nämlich mit dem Produkt "F.". Das Dach erwies sich in der Folge als nicht dicht; eine Nachbesserung mit dem vertraglichen Produkt "F." war aber nicht mehr möglich. Umstritten war vor allem, ob die Bestellerin berechtigt war, die Reparaturen durch einen Dritten mit dem Produkt "G." durchführen zu lassen und dafür einen Kostenvorschuss zu verlangen. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Bestellerin einen Nachbesserungsanspruch auf eine Neubeschichtung mit dem (erheblich teureren) Produkt "G." habe. Der rechtskräftig beurteilte Anspruch auf Ersatzvornahme beinhaltete also bereits die (umstrittene) Art der Sanierung. Mit der zitierten Formulierung wurde klargestellt, dass die Methode der Sanierung bei der Abrechnung der Kosten nicht mehr in Frage gestellt werden kann (ebenso: NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 96 ff. Rz. 60 ff. mit Hinweis auf entsprechende deutsche Lehre; BRÄNDLI, a.a.O., S. 301 Rz. 934). Beruht die Schätzung des Kostenvorschusses sodann auf detaillierten Abklärungen, z.B. einem entsprechenden Gutachten, begründet dies wie erwähnt zwar keine Bindungswirkung, jedoch können sich daraus erhöhte Substanziierungsanforderungen ergeben hinsichtlich der Begründung der Abweichung vom vorgeschossenen Betrag.
Die Vorinstanz ging somit zu Unrecht davon aus, eine Nachforderung sei zufolge Rechtskraft des Vorschussurteils grundsätzlich ausgeschlossen.